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Sittenwidrigkeit Verbraucherdarlehensvertrag – Voraussetzungen

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 10.10.2023 entschieden, dass ein Darlehensvertrag nicht aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig ist, wenn die relative Zinsdifferenz zwischen 90 % und 100 % liegt und keine sonstigen Kreditbedingungen die Belastung des Kreditnehmers faktisch ins Untragbare steigern. Zudem hat das Gericht klargestellt, dass eine höhere Vermittlungsprovision nicht als sittenwidrig angesehen werden kann, wenn sie marktüblich ist.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 U 56/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  1. Das Thema war die Überprüfung der Sittenwidrigkeit eines Verbraucherdarlehensvertrags.
  2. Der Darlehensvertrag wurde wegen angeblich überhöhter Zinsen und Vermittlungsprovisionen als sittenwidrig eingestuft.
  3. Das Landgericht hatte den Vertrag für nichtig erklärt, da die Zinsdifferenz zwischen 90 % und 100 % lag.
  4. Das Oberlandesgericht Stuttgart änderte das Urteil des Landgerichts ab und entschied, dass der Vertrag nicht sittenwidrig sei.
  5. Das Gericht stellte fest, dass die Höhe der Vermittlungsprovision nicht ausreichend begründet wurde und keine zusätzliche unzumutbare Belastung darstellte.
  6. Die Entscheidung beruhte darauf, dass die Belastung des Kreditnehmers nicht ins Untragbare gesteigert wurde.
  7. Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung der geforderten Summe nebst Verzugszinsen an die Klägerin.
  8. Der Antrag auf Ersatz von Mahn- und Rücklastschriftkosten wurde abgewiesen, da diese Kosten bereits durch die Verzugszinsen abgedeckt sind.
  9. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und die Revision wurde nicht zugelassen.
  10. Die Entscheidung klärt, dass die bloße Höhe der Vermittlungsprovision ohne entsprechende Begründung keine Sittenwidrigkeit begründet.

Gerichtsurteil: Wann sind Verbraucherdarlehensverträge sittenwidrig?

Verbraucherdarlehen Sittenwidrigkeit
(Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

Wenn es um den Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen geht, ist stets Vorsicht geboten. Denn nicht alle Konditionen, die Banken oder Kreditgeber anbieten, sind tatsächlich rechtmäßig. Insbesondere die Vereinbarung unangemessen hoher Zinssätze kann dazu führen, dass ein Vertrag als sittenwidrig eingestuft und für nichtig erklärt wird.

Wann genau ein Verbraucherdarlehensvertrag als sittenwidrig gilt, ist allerdings nicht immer ganz klar. Die Rechtsprechung hat hier einige Kriterien entwickelt, die im Einzelfall geprüft werden müssen. Neben der Höhe der Zinsen können auch weitere Vertragsbedingungen wie etwa Vermittlungsprovisionen eine Rolle spielen.

Im Folgenden wird ein aktuelles Gerichtsurteil analysiert, das sich eingehend mit den Voraussetzungen für die Annahme der Sittenwidrigkeit eines Verbraucherdarlehensvertrags befasst. Anhand dieses Praxisbeispiels lassen sich die rechtlichen Hürden und Herausforderungen in diesem Bereich besser nachvollziehen.

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✔ Der Fall vor dem OLG Stuttgart


Darlehensvertrag wegen überhöhter Zinsen sittenwidrig?

In dem Fall ging es um einen Verbraucherdarlehensvertrag, bei dem die relative Zinsdifferenz zwischen 90% und 100% lag. Die Klägerin wollte erreichen, dass der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit für nichtig erklärt wird. Das Landgericht Ravensburg hatte die Klage zunächst abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hin änderte das OLG Stuttgart das erstinstanzliche Urteil jedoch teilweise ab.

Das Oberlandesgericht stellte klar, dass ein Darlehensvertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB auch dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein kann, wenn die relative Zinsdifferenz wie hier „nur“ zwischen 90% und 100% liegt. Allerdings setzt dies voraus, dass die von der Bank festgelegten sonstigen Kreditbedingungen die Belastung des Kreditnehmers faktisch ins Untragbare steigern. Dies ergab sich aus Sicht des OLG jedoch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin.

Vermittlungsprovision nicht sittenwidrig überhöht

Insbesondere hatte das Landgericht zu Unrecht die Höhe der Vermittlungsprovision als sittenwidrig überhöht und deshalb als zusätzliche, die Sittenwidrigkeit rechtfertigende Belastung des Beklagten angesehen. Dem Landgericht fehlte bereits die erforderliche Grundlage im Vorbringen der Klägerin für die Feststellung zur marktüblichen Höhe der Provision.

Unabhängig davon sei die Höhe der Vermittlungsprovision auch nicht geeignet, eine für die Annahme der Sittenwidrigkeit notwendige zusätzliche Belastung des Beklagten zu begründen. Die Provision sei lediglich ein Posten der Entgeltkalkulation der Klägerin und schlage sich deshalb vollständig in dem hohen Zins nieder, ohne eine zusätzliche Belastung des Beklagten zu bewirken.

Kein Schadensersatz für Mahnkosten und Rücklastschriften neben Verzugszinsen

Die weitergehende Berufung der Klägerin, mit der sie als konkreten Verzugsschaden den Ersatz der Kosten für Mahnungen und Rücklastschriften in Höhe von 22,40 € verlangte, wies das OLG zurück. Wenn der Darlehensgeber den Schaden aus dem Verzug des Darlehensnehmers abstrakt berechnet, indem er Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt, kann er daneben nicht zusätzlich konkrete Schadenspositionen aus demselben Verzug geltend machen.

Die von der Klägerin geltend gemachten zusätzlichen Kosten aufgrund von Mahnungen und Rücklastschriften sind konkrete Folgen des Verzugs mit Darlehensraten, für die die Klägerin daneben bereits den abstrakt berechneten Verzugsschaden verlangte. Der Schaden aus dem Verzug mit einer Zahlung kann nicht gleichzeitig abstrakt und konkret berechnet werden.

Urteil teils stattgebend, teils abschlägig für Klägerin

Im Ergebnis gab das OLG Stuttgart der Berufung der Klägerin teilweise statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 8.158,58 € nebst Verzugszinsen. Die weitergehende Berufung bezüglich der Mahnkosten und Rücklastschriften wies es zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine überhöhte Zinsdifferenz allein nicht ausreicht, um einen Darlehensvertrag als sittenwidrig einzustufen. Vielmehr müssen zusätzliche Faktoren hinzutreten, die den Kreditnehmer unangemessen belasten. Das Urteil stellt zudem klar, dass bei der Geltendmachung von Verzugsschäden nicht gleichzeitig abstrakt berechnete Verzugszinsen und konkrete Schadenspositionen aus demselben Verzug verlangt werden können. Dies unterstreicht den Grundsatz, dass Schadensersatzansprüche nicht doppelt geltend gemacht werden dürfen.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Thema: Sittenwidrigkeit von Verbraucherdarlehensverträgen


Wann kann ein Verbraucherdarlehensvertrag wegen überhöhter Zinsen als sittenwidrig eingestuft werden?

Ein Verbraucherdarlehensvertrag kann wegen überhöhter Zinsen als sittenwidrig eingestuft werden, wenn zwischen der Leistung des Darlehensgebers und der Gegenleistung des Darlehensnehmers ein auffälliges Missverhältnis besteht.

Die Rechtsprechung hat hierfür Richtwerte entwickelt:

Grundsätzlich wird ein auffälliges Missverhältnis angenommen, wenn der effektive Vertragszins den marktüblichen Effektivzins relativ um etwa 100% oder absolut um 12 Prozentpunkte übersteigt. In Einzelfällen kann eine Sittenwidrigkeit aber auch bei einer relativen Zinsdifferenz zwischen 90-100% vorliegen. Dies hängt von einer Gesamtwürdigung aller Umstände ab.

Für die Beurteilung ist ein Vergleich des vereinbarten effektiven Jahreszinses mit dem marktüblichen Zinssatz für vergleichbare Darlehen entscheidend. Dabei werden Statistiken wie die EWU-Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank herangezogen. Eine hohe Zinsdifferenz allein reicht jedoch nicht aus. Es müssen weitere Umstände hinzukommen, die das Rechtsgeschäft als sittenwidrig erscheinen lassen.

Solche Umstände können beispielsweise vorliegen, wenn der Darlehensgeber die Unterlegenheit oder wirtschaftliche Schwäche des Darlehensnehmers bewusst ausnutzt. Auch eine verwerfliche Gesinnung des Darlehensgebers, wie die Ausnutzung einer Notlage des Kunden, kann zur Sittenwidrigkeit führen. Die Gerichte prüfen stets den Einzelfall unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Faktoren.

Letztlich dient die Sittenwidrigkeitskontrolle dem Verbraucherschutz und soll eine unangemessene Übervorteilung des Darlehensnehmers verhindern. Eine sorgfältige Prüfung der Vertragskonditionen ist daher unerlässlich.


Welche weiteren Vertragsbedingungen können neben überhöhten Zinsen die Sittenwidrigkeit eines Verbraucherdarlehensvertrags begründen?

Neben überhöhten Zinsen können weitere Vertragsbedingungen die Sittenwidrigkeit eines Verbraucherdarlehensvertrags begründen. Einige Beispiele hierfür sind:

  • Überhöhte Bearbeitungsgebühren oder Provisionen: Verlangen Kreditinstitute unangemessen hohe Gebühren für die Kreditvergabe, kann dies als sittenwidrig angesehen werden. Die Gebühren müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand der Bank stehen.
  • Intransparente Zinsanpassungsklauseln: Enthalten die Vertragsbedingungen undurchsichtige oder für den Verbraucher nachteilige Klauseln zur Zinsanpassung, kann dies die Sittenwidrigkeit des Vertrags zur Folge haben. Die Zinsanpassung muss für den Kunden nachvollziehbar und angemessen sein.
  • Fehlende Widerrufsbelehrung: Verbraucherdarlehensverträge müssen eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung enthalten. Fehlt diese oder ist sie fehlerhaft, kann der Vertrag sittenwidrig und unwirksam sein.
  • Unzulässige Koppelungsgeschäfte: Zwingt die Bank den Kunden zum Abschluss zusätzlicher Verträge wie einer Restschuldversicherung, kann dies die Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags begründen. Solche Kopplungen sind nur unter engen Voraussetzungen erlaubt.
  • Ausnutzung der Unterlegenheit des Verbrauchers: Nutzt die Bank bewusst die Unerfahrenheit, Zwangslage oder sonstige Schwäche des Verbrauchers aus, um ihm nachteilige Konditionen aufzuerlegen, liegt ein sittenwidriges Geschäft vor.

Stets kommt es auf den Einzelfall und eine Gesamtbetrachtung aller Umstände an. Selbst wenn nur einzelne Klauseln als sittenwidrig einzustufen sind, kann dies zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags führen. Bei Zweifeln sollten Verbraucher anwaltlichen Rat einholen.


Kann eine überhöhte Vermittlungsprovision die Sittenwidrigkeit eines Verbraucherdarlehensvertrags begründen?

Vermittlungsprovision als Teil der Gesamtentgeltkalkulation

Eine überhöhte Vermittlungsprovision allein begründet nicht zwangsläufig die Sittenwidrigkeit eines Verbraucherdarlehensvertrags. Die Vermittlungsprovision ist Teil der Gesamtentgeltkalkulation und schlägt sich im effektiven Jahreszins nieder.

Entscheidend für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist vielmehr, ob der vereinbarte Gesamtzinssatz einschließlich aller Entgelte und Kosten unverhältnismäßig hoch im Vergleich zum marktüblichen Zinsniveau ist.

Voraussetzungen für Sittenwidrigkeit

Die Rechtsprechung hat mehrere Kriterien entwickelt, die für die Annahme einer sittenwidrigen Überschreitung des marktüblichen Zinssatzes erfüllt sein müssen:

  • Deutliche Überschreitung des marktüblichen Zinsniveaus: Der Zinssatz muss den durchschnittlichen Marktzins für vergleichbare Kredite erheblich übersteigen. Als Faustregel gilt, dass eine Überschreitung um mehr als 100% oder eine Zinsdifferenz von über 12 Prozentpunkten als sittenwidrig angesehen wird.
  • Finanzielle Überforderung des Kreditnehmers: Der Kreditnehmer muss durch die hohen Zinsbelastungen krass finanziell überfordert sein, d.h. voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen aus pfändbaren Einkünften bestreiten können.
  • Ausnutzung einer Notlage: Hinweise darauf, dass der Kreditgeber die Zwangslage oder emotionale Verbundenheit des Kreditnehmers ausgenutzt hat, können das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zusätzlich begründen.

Liegen diese Voraussetzungen kumulativ vor, kann ein Verbraucherdarlehensvertrag als sittenwidrig und damit als nichtig angesehen werden. In diesem Fall schuldet der Kreditnehmer weder Zinsen noch Kosten, und das Darlehen muss neu abgerechnet werden.

Die Vermittlungsprovision allein ist jedoch kein eigenständiges Kriterium für die Sittenwidrigkeit, sondern fließt in die Gesamtbetrachtung des Zinssatzes ein. Eine überhöhte Provision kann daher nur im Zusammenspiel mit den anderen Faktoren zur Nichtigkeit des Vertrags führen.


Was können Verbraucher tun, wenn sie befürchten, dass ihr Darlehensvertrag sittenwidrig sein könnte?

Verbraucher, die befürchten, dass ihr Darlehensvertrag sittenwidrig sein könnte, sollten umgehend handeln. Ein zentraler Schritt ist die Einholung anwaltlichen Rats. Ein spezialisierter Anwalt kann den konkreten Einzelfall prüfen und beurteilen, ob tatsächlich Sittenwidrigkeit vorliegt.

Hierbei sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, etwa die Höhe des vereinbarten Zinssatzes im Vergleich zum marktüblichen Zinsniveau zum Vertragszeitpunkt. Liegt eine auffällige Überschreitung des Marktzinses vor, deutet dies auf ein wucherähnliches Geschäft und damit Sittenwidrigkeit hin. Weitere Aspekte wie die Ausnutzung einer Zwangslage des Verbrauchers spielen ebenfalls eine Rolle.

Nach einer fundierten Prüfung kann der Anwalt geeignete Schritte einleiten. Denkbar ist etwa die Anfechtung des Darlehensvertrags wegen Sittenwidrigkeit. Alternativ kommt eine Feststellungsklage in Betracht, mit der die Nichtigkeit des Vertrags gerichtlich festgestellt wird. Letzteres eröffnet dem Verbraucher die Möglichkeit, bereits gezahlte Zinsen und Kosten zurückzufordern.

Entscheidend ist eine zeitnahe Vorgehensweise. Denn Anfechtungs- und Verjährungsfristen können die Rechte des Verbrauchers beschränken. Daher sollten Betroffene unverzüglich einen Experten konsultieren und die Angelegenheit prüfen lassen. Nur so lassen sich finanzielle Nachteile aus einem möglicherweise sittenwidrigen Darlehensvertrag noch abwenden.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 138 Abs. 1 BGB (Sittenwidrigkeit): Ein Vertrag ist nichtig, wenn er gegen die guten Sitten verstößt. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob der Verbraucherdarlehensvertrag sittenwidrig ist aufgrund der hohen Zinsdifferenz und anderen Kreditbedingungen.
  • § 291 ZPO (Offenkundige Tatsachen): Ermöglicht dem Gericht, offenkundige Tatsachen in die Entscheidung einzubeziehen. Im Fall war strittig, ob die Höhe der marktüblichen Vermittlungsprovision offenkundig ist.
  • § 497 BGB (Verzugsschaden bei Verbraucherdarlehensverträgen): Regelt die Zinsen und Kosten, die der Darlehensgeber bei Zahlungsverzug des Verbrauchers geltend machen kann. Hier wurde entschieden, dass keine zusätzlichen Mahn- und Rücklastschriftkosten neben den Verzugszinsen verlangt werden können.
  • § 539 Abs. 2 ZPO (Versäumnisurteil im Berufungsverfahren): Ein Versäumnisurteil kann ergehen, wenn eine Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint. Dies war der Fall, als der Beklagte im Berufungsverfahren säumig war.
  • § 540 Abs. 2 ZPO (Verzicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründe): Erlaubt es dem Gericht, in bestimmten Fällen auf die Darstellung des Sach- und Streitstandes zu verzichten. Im Urteil wurde auf diese Regelung verwiesen.
  • § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO (Verzicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründe bei Berufungsentscheidungen): Ergänzt § 540 Abs. 2 ZPO und erlaubt auch in Berufungsentscheidungen das Weglassen von Tatbestand und Entscheidungsgründen.
  • § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO (Zulassung der Revision): Regelt die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision. Im vorliegenden Fall wurde die Revision nicht zugelassen.
  • §§ 708 Nr. 2 und 10 ZPO (Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung): Ermöglichen die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils unter bestimmten Bedingungen, ohne dass eine Sicherheitsleistung erbracht werden muss.


⇓ Das vorliegende Urteil vom OLG Stuttgart

OLG Stuttgart – Az.: 6 U 56/23 – Urteil vom 10.10.2023

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 25.04.2023 wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.158,58 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 8.158,58 € seit dem 06.07.2022 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

______________

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 1.500,- €

Gründe

I.

Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Aufgrund der Säumnis des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.09.2023 ist das angefochtene Urteil durch Versäumnisurteil abzuändern (§ 539 Abs. 2 ZPO).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts rechtfertigt das tatsächliche Vorbringen der Klägerin, das wegen der Säumnis des Beklagten auch im Berufungsverfahren als zugestanden gilt (§ 539 Abs. 2 Satz 1 ZPO), den Berufungsantrag im zuerkannten Umfang (§ 539 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz ZPO).

Das Vorbringen der Klägerin zugrunde gelegt, ist der Darlehensvertrag nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Zwar geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass der Vertrag auch dann nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein kann, wenn die relative Zinsdifferenz – wie hier – zwischen 90 % und 100 % liegt. Dies setzt allerdings voraus, dass die von der Bank festgelegten sonstigen Kreditbedingungen die Belastung des Kreditnehmers faktisch ins Untragbare steigern (BGH, Urteil vom 13. März 1990 – XI ZR 252/89 –, Rn. 12; BGH, Urteil vom 24. März 1988 – III ZR 30/87 –, Rn. 22). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich das aus dem Vortrag der Klägerin nicht.

Zu Unrecht hat das Landgericht die Höhe der Vermittlungsprovision als sittenwidrig überhöht und deshalb als zusätzliche, die Annahme der Sittenwidrigkeit rechtfertigende Belastung des Beklagten angesehen. Der Feststellung zur marktüblichen Höhe der Vermittlungsprovision fehlt bereits die erforderliche Grundlage im Vorbringen der Klägerin. Es kann offenbleiben, ob das Gericht im Falle der Säumnis des Beklagten vom Kläger nicht vorgetragene, aber nach § 291 ZPO offenkundige Tatsachen seiner Entscheidung zugrunde legen darf, denn wie hoch die marktübliche Vermittlungsprovision im maßgeblichen Zeitpunkt war, ist keine offenkundige Tatsache. Dass auf einer Kreditplattform im Internet ein durchschnittlicher Satz von 3,5 % genannt wird, reicht dafür ebenso wenig aus wie die zitierten Tatsachenfeststellungen in einem im Jahr 1987 ergangenen Urteil eines anderen Landgerichts. Unabhängig davon ist die Höhe der Vermittlungsprovision auch nicht geeignet, eine für die Annahme der Sittenwidrigkeit notwendige zusätzliche Belastung des Beklagten zu begründen. Die Provision ist lediglich ein Posten der Entgeltkalkulation der Klägerin und schlägt sich deshalb vollständig in dem hohen Zins nieder, ohne eine zusätzliche Belastung des Beklagten zu bewirken.

III.

Die Berufung ist zurückzuweisen, soweit die Klägerin als konkreten Verzugsschaden, den Ersatz der Kosten für Mahnungen und Rücklastschriften in Höhe von 22,40 € verlangt.

Berechnet der Darlehensgeber den Schaden aus dem Verzug des Darlehensnehmers mit Zahlungen auf Grund des Verbrauchervertrages abstrakt, indem er gemäß §§ 497 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt, kann er daneben konkrete Schadenspositionen, die sich aus dem Verzug mit denselben Zahlungen ergeben haben, nicht geltend machen (Müller-Christmann in: Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl., § 497 Rn. 17; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl., § 497, Rn. 5; Ellenberger/Bunte, Bankrechtshandbuch, 6. Aufl., § 56, Rn. 645 f.). Die von der Klägerin geltend gemachten zusätzlichen Kosten aufgrund von Mahnungen und Rücklastschriften sind konkrete Folgen des Verzugs mit Darlehensraten, die Teil der Klageforderung sind, für die die Klägerin daneben den abstrakt gemäß §§ 497 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB berechneten Verzugsschaden verlangt. Der Schaden aus dem Verzug mit einer Zahlung kann auch nicht in der Weise gleichzeitig abstrakt und konkret berechnet werden, dass er für einen bestimmten Zeitabschnitt konkret und für die übrige Zeit abstrakt geltend gemacht wird.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 2 und 10 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben.

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