OLG Köln
Az.: 1 U 107/99
Verkündet am 20.04.2000
OBERLANDESGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
TEILURTEIL
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2000 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 21.10.1999 – 15 0 11/99 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zug um Zug gegen Vorlage des Sparbuchs auf den Namen des Klägers mit der Konto-Nr . XXXXX 10.085,63 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17.11.1998 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, über die Höhe der vertraglichen Zinsen aus dem Sparbuch 116912760 für die Zeit vom 28.12.1981 bis zum 16.11.1998 Abrechnung zu erteilen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(Gemäß § 543 Abs. 1 ZPO ohne Tatbestand)
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Auf die in förmlicher Hinsicht unbedenkliche Berufung war das landgerichtliche Urteil abzuändern, soweit der Rechtsstreit derzeit entscheidungsreif ist.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe der Klageforderung gemäß §§ 808 Abs. 1, 700, 607 BGB zu.
Nach dem zwischen den Parteien unstreitig geschlossenen Sparvertrag hat der Kläger einen Anspruch auf Auszahlung des im Sparbuch verbrieften Kontoguthabens. Nach allgemeinem Grundsätzen obliegt es zwar dem Bankkunden, die Höhe seines Sparguthabens vorzutragen. Durch die Vorlage des Sparbuchs kommt er dieser Darlegungsobliegenheit regelmäßig nach. Ein Sparbuch hat nach allgemeiner Meinung nämlich den Charakter einer für den Bankkunden sprechenden Beweisurkunde (OLG Frankfurt OLGR 1998, 44; NJW 1989, 1517 m. Nichtannahmebeschluss des BGH; KG NJW-RR 1992, 1195; OLG Köln ZIP 1993, 1156).
Wird ein Sparbuch mit darin eingetragenem Guthaben vorgelegt, ist es Sache der beklagten Bank, die Erfüllung der sich aus dem Sparbuch ergebenden Zahlungsverpflichtung nachzuweisen (OLG Frankfurt a.a. O.; Gössmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 71 Rnr. 32 f. m. zahlreichen N.). Auch wenn im vorliegenden Fall die einzelnen Buchungen in dem Sparbuch nicht von einem Mitarbeiter der Beklagten gegengezeichnet worden sind, haben die im Sparbuch maschinell eingetragenen Gutschriften einen quittungsähnlichen Charakter. Ihnen kommt die Wirkung eines außergerichtlichen Geständnisses zu (Gössmann, a. a. O. Rdnr. 34 m. w. N.). Für die Widerlegung der Richtigkeit des im Sparbuch wiedergegebenen Guthabens aus dem Sparvertrag sind damit ähnliche Grundsätze maßgeblich, wie sie von der Rechtsprechung für die Widerlegung einer Bankquittung entwickelt worden sind (BGH NJW-RR 1988, 881).
An die Erschütterung der Beweiskraft eines Sparbuchs sind demnach hohe Anforderungen zu stellen. Es ist nämlich insbesondere zu berücksichtigen, dass es sowohl im eigenen als auch Interesse des Kunden Sache der Bank ist, die Abwicklung des Sparvertrages und die Verbuchungen im Sparbuch so vorzunehmen, dass Fehler vermieden werden. Zu diesem Zweck setzen die Banken regelmäßig besonders geschultes Personal ein und stellen durch bankinterne organisatorische Maßnahmen die Zuverlässigkeit der Geschäftsabwicklung sicher. Demgemäß darf der Sparer und auch der Rechtsverkehr insgesamt erwarten, dass die Eintragungen in einem Sparbuch zutreffen. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Bankkunden, Unterlagen und sonstige Beweismittel für die Richtigkeit der Sparbucheintragungen bereit zu halten. Werden – wie im vorliegenden Fall von der Beklagten behauptet – Auszahlungen von einem Sparbuch ohne dessen Vorlage vorgenommen, obliegt es ausschließlich der Bank, diesen Zahlungsvorgang beweiskräftig zu dokumentieren.
Mit den von der Beklagten im vorliegenden Fall angebotenen bankinternen Unterlagen kommt die Beklagte ihrer Darlegungsobliegenheit nicht nach. Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Unrichtigkeit eines Sparbuchs nicht mit bankinternen Unterlagen, die dem Kunden nicht zur Kenntnis gebracht worden sind, nachgewiesen werden kann (OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 1517; Gössmann a. a. O. Rnr. 34). Die Überlegungen des Landgerichts, die im Kern auf den intern gebliebenen Buchungsunterlagen der Beklagten beruhen, sind damit schon im Ansatz verfehlt. Den Nachweis einer vom Kläger veranlassten Auszahlung des Sparguthabens hätte die Beklagte durch Vorlage eines vom Beklagten unterzeichneten Überweisungsauftrags führen müssen. Die vorgelegten internen Buchhaltungsausdrucke, nach denen das Konto am 24.03.1982 kein Guthaben mehr aufwies, können schon deshalb die Erfüllung des Zahlungsanspruchs nicht belegen, weil aus ihnen nicht hervorgeht, auf wessen Veranlassung die behauptete Überweisung vorgenommen worden ist.
Der Beweisantritt der Beklagten in der Berufungserwiderung durch Vernehmung eines Mitarbeiters der Organisationsabteilung für die Richtigkeit der intern gebliebenen Buchhaltungsunterlagen ist prozessual unbeachtlich. Auf die Vernehmung dieses Zeugen kann es schon deshalb nicht ankommen, weil er nichts dazu sagen kann, ob die in sein Wissen gestellte Überweisung des Guthabens vom 23.03.1982 auf Veranlassung des Beklagten hin geschehen ist oder nicht.
Ihren Beweisantritt, durch die Parteivernehmung des Klägers zu der behaupteten Auszahlung, die Richtigkeit ihres Vorbringens zu erweisen, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen, nachdem der Kläger persönlich angehört sein schriftsätzliches Vorbringen bestätigt hat. Bei der gegebenen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast kommt es nicht darauf an, ob die ausführlichen Erläuterungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung glaubhaft waren oder nicht. Einen zwingenden Hinweis auf die Richtigkeit des Beklagtenvorbringens haben die Ausführungen des Klägers jedenfalls nicht erbracht. Der Umstand allein, dass es vor dem Hintergrund seiner wirtschaftlichen Situation nur schwer verständlich ist, dass er erst nach ca. 16 Jahren sich des Sparbuchs wieder entsann, genügt jedenfalls insofern nicht.
Nachdem zwischen den Parteien geschlossenen Sparvertrag ist die Beklagte darüber hinaus verpflichtet, für die Zeit vom 28.12.1981 bis 16.11.1998 die noch nicht gutgeschriebenen Zinsen abzurechnen.
Hinsichtlich des sich aus dieser Abrechnung ergebenden weiteren Zahlungsbetrages ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, so dass zunächst durch Teilurteil entschieden werden musste.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für die Beklagte 12.000,00 DM.