Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Az.: 7 A 10789/07.OVG
Urteil vom 12.09.2007
In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Verkehrsrechts hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 12.September 2007 für Recht erkannt:
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 7. Februar 2006 wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger wegen seines Antrags auf Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Verhinderung unzumutbarer Lärmeinwirkungen auf sein Wohnhaus durch Ballspielen im Bereich des Wendehammers in der Straße in N. „In der W.“ nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu 2/3 und der Kläger zu 1/3 zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung von Seiten des Klägers gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, sofern dieser nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten das Einschreiten gegen Lärm verursachende Spiele auf dem an sein Grundstück angrenzenden Wendehammer einer Wohnstraße. Er ist Eigentümer des Wohnhauses in der Straße „In der W. …“ in N.. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „H. – M. – Bereich Oberer H. „, welcher das Gebiet als reines Wohngebiet (WR) ausweist. Bei der Straße „In der W.“ handelt es sich um eine Sackgasse, an deren Ende ein Wendehammer angelegt ist. Das Wohngrundstück des Klägers grenzt unmittelbar an den Wendehammer. Gegenüber befinden sich eine Trafostation und ein öffentlicher Parkplatz für fünf Pkw. Die dritte Seite des Wendehammers ist mit Garagen bebaut. Der Wendehammer wird von den anwohnenden Kindern - nach Angaben des Klägers teilweise auch von Älteren - als Sport-, Spiel- und Bolzplatz genutzt. Dabei wird nach seinen Feststellungen auch gegen die Steinwand der Trafostation (Wandgröße ca. 5,5 x 3,0 m) als „Tor“ mit Fußbällen geschossen. Gelegentlich wurde auf der gegenüberliegenden Seite der Trafostation ein mobiles Tor aufgestellt, im Übrigen kam es nach den Feststellungen des Klägers auch vor, dass Basketballständer auf dem Platz zum Spielen aufgestellt wurden.
Der Kläger wandte sich ab Juni 2003 mehrfach mit Eingaben an die Beklagte, um eine Reduzierung des von dem Spiel auf dem Wendeplatz ausgehenden Lärms zu erreichen. Am 3. November 2003 stellte die Beklagte aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung, die mit dem Kläger auch im Beisein von Vertretern der Stadt N. auf der Grundlage eines Gesprächs am 14. August 2003 getroffen worden war, ein Schild „Ballspielen nicht erlaubt“ auf. Das Schild wurde am 1. Dezember 2003 gegen ein Schild „kein Bolzplatz“ ausgetauscht. Diese Maßnahmen zeigten nach Auffassung des Klägers nicht die ausreichende Wirkung. Nachdem er sich unter dem 22. April 2004 noch einmal an die Beklagte gewandt hatte und die Entstehung eines faktischen Bolzplatzes gerügt hatte, teilte diese mit Schreiben an die Bevollmächtigten vom 4. Juni 2004 mit, sie werde kein „Spielverbot gegen Kinder“ aussprechen; in entsprechenden Wohnstraßen – selbst wenn diese nicht als „Spielstraßen“ ausgewiesen seien – solle nach der Verwaltungsvorschrift zu § 31 StVO nicht gegen das Spielen von Kindern auf der Straße eingeschritten werden. Da sich im Bereich des Wendehammers spielende Kinder nicht ordnungswidrig im Sinne des Landes-Immissionsschutzgesetzes verhielten, komme auch insoweit ein Einschreiten nicht in Betracht. Es bleibe dem Kläger unbenommen, zivilrechtlich gegen die in Betracht kommenden Aufsichtspersonen vorzugehen.
Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2005 hat der Kläger Klage erhoben, die zunächst sowohl gegen die Beklagte wie auch die Stadt N. als Straßenbaulastträger gerichtet war, und die darauf abzielte, dass gegen die von ihm beklagten Zustände eingeschritten werde. Er stehe unter Dauerstress durch Lärmeinwirkungen. Dies führe zu körperlichen Beeinträchtigungen mit Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Bluthochdruck sowie depressiven Verstimmungen. Er habe eine Lärmprognose bei einem Sachverständigen eingeholt, nach der der durch das Spielen verursachte Lärm den nach der TA-Lärm zulässigen Immissionswert von 50 dB(A) tagsüber um mehr als das vierfache überschreite. Je nach dem Zentrum des Schalls liege der Beurteilungspegel zwischen 61 und 63 dB(A). Diese Immissionen hätten damit bereits einen gesundheitsbeeinträchtigenden Charakter erreicht. Das Spielen sei auf der Straße nach § 31 StVO nicht erlaubt und die Ordnungsbehörde habe dagegen vorzugehen, ebenso der Straßenbaulastträger, da es sich um einen übermäßigen Straßengebrauch handele. Sein Haus werde wegen der exponierten Lage zu dem Wendehammer vom Lärm am meisten beeinträchtigt; daher sei es plausibel, dass es ansonsten keine vergleichbaren Lärmbeschwerden gebe. Das Verbotsschild habe keine Wirkung gezeigt. Das gesamte Ballspielen im Wendehammer müsse untersagt werden. Auch als Straßenverkehrsbehörde sei die Beklagte die richtige Anspruchsgegnerin. Die Immissionen gingen von der Straße aus, da diese als Spiel- und Bolzplatz genutzt werde. Durch ihr Untätigbleiben lasse die Beklagte zu, dass ein derartiger Bolzplatz mit den entsprechenden erheblichen Lärmimmissionen entstanden sei. Die Immissionen seien ihr daher zurechenbar und öffentlich-rechtlicher Natur. Die Beklagte könne sich nicht darauf zurückziehen, ihn auf privatrechtliche Ansprüche gegenüber einzelnen Lärmverursachern zu verweisen.
Nachdem das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Stadt N. abgetrennt hatte und die Beklagte im Einvernehmen mit der Stadt N. durch Anordnung vom 8. Dezember 2005 die Straße „In der W.“ als verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325 StVO) ausgewiesen hatte, legte der Kläger gegen diese Maßnahme zwar unter dem 22. Januar 2006 Widerspruch ein, erklärte aber sein Klagebegehren im Hinblick auf den ursprünglich schriftsätzlich angekündigten Antrag zu 1) auf Einschreiten wegen Verbots des Spielens auf der Straße (§ 31 StVO) für erledigt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass der an seinem Wohnhaus in der Tagzeit zwischen 6:00 und 22:00 Uhr einzuhaltende Immissionswert (Beurteilungspegel nach Nr. 2.10 i.V.m. Nr. 6.1e) TA-Lärm von tags 50 dB(A) nicht durch Lärm aufgrund des Spielens im Bereich des Wendehammers (Straße „In der W.“ – Parzelle …) überschritten wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die von dem Kläger begehrten Maßnahmen seien Verwaltungsakte und deshalb sei die Klage mangels Vorverfahrens bereits unzulässig. Sie sei zudem als Verkehrs- und Ordnungsbehörde unter Abwägung des Schutzzwecks des § 31 StVO nicht verpflichtet, gegen das Spielen auf einem Wendehammer in einer Straße in einem reinen Wohngebiet einzuschreiten. Dies ergebe sich auch aus der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung, wonach ein Einschreiten gegen spielende Kinder unangemessen sei. Es sei auch nicht festgestellt, ob die einzuhaltenden Immissionswerte tatsächlich überschritten würden. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten enthalte insoweit lediglich eine auf ein bestimmtes Szenario gestützte Prognose. Im Hinblick auf die Bestimmungen des Landes-Immissionsschutzgesetzes liege auch kein typischer Tatbestand des unangemessenen Lärmverhaltens vor, weil der Lärm durch spielende Kinder verursacht werde. Deshalb und weil die Beschwerden nur vereinzelt geblieben seien, müsse der Kläger auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden. Sie habe schließlich auch durch das Aufstellen von Schildern, insbesondere im Hinblick auf das Schild „Kein Bolzplatz“ sowie Veröffentlichungen im Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde bereits Maßnahmen gegen den Lärm ergriffen. Auch bei örtlichen Kontrollen seien im Bereich der gesamten Straße einschließlich des Wendehammers mit Ausnahme von Rad fahrenden Jugendlichen keine spielenden Kinder angetroffen worden.
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage mit Urteil vom 7. Februar 2006 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Maßnahmen der Beklagten, mit denen sichergestellt werde, dass nicht durch Lärm aufgrund des Spielens im Wendehammer tagsüber ein Immissionsrichtwert von 50 dB(A) überschritten werde. Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs analog §§ 1004, 906 BGB gegen Lärmimmissionen einer öffentlichen Einrichtung seien nicht erfüllt. Es lägen keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne dieser Bestimmungen vor, da die vom Spielen ausgehenden Geräusche für den Kläger zumutbar seien. Die Umgebung sei zwar als reines Wohngebiet einzustufen. Nach der Wertung des Verordnungsgebers in der Baunutzungsverordnung (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) seien in solchen Gebieten aber Immissionen von gebietsverträglichen Anlagen hinzunehmen. Zudem sei hier ein verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen, so dass das Spielen auf der Straße erlaubt sei. In Wohngebieten seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die von Kinderspielplätzen ausgehenden Erscheinungen, das heißt auch die Lärmeinwirkungen, von den Anwohnern hinzunehmen. Das vom Kläger vorgelegte Lärmprotokoll ergebe im Übrigen lediglich eine durchschnittliche Belästigungsdauer von täglich etwa 16 Minuten. Spielen an Sonntagen sei so gut wie nicht verzeichnet worden, ebensowenig ein Spielen in der Abendzeit von 19:00 bis 22:00 Uhr. Wenn gesetzlich Kinderspiele durch besondere Ausweisung von Straßenraum noch gefördert würden, könne das Spielen nicht durch Anwendung bestimmter Lärmgrenzen unzulässig werden. Unter den heutigen Lebensumständen könne auch nicht mehr eine besonders ruhebedürftige Zeitzone, etwa in der Mittagszeit, angenommen werden. Dies ergebe sich auch aus den gesetzlichen Wertungen des Landes-Immissionsschutzgesetzes, das lediglich im Hinblick auf ein Verbot von Rasenmäherlärm und Lärm von Arbeitsgeräten einen Schutz der Mittagsruhe vorsehe. Für die Bewertung von Straßenverkehrslärm könne im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Anforderungen nach der TA-Lärm, der Sportstättenlärmschutzverordnung (18. BImSchVO) oder der Freizeitlärmrichtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz abgestellt werden. Deshalb sei auch das vom Kläger hier vorgelegte Lärmgutachten letztlich unerheblich.
Dagegen hat der Kläger die vom Senat mit Beschluss vom 10. Juli 2006 zugelassene Berufung eingelegt, mit der er an seinem Rechtsschutzziel der Verurteilung der Beklagten zu geeigneten Maßnahmen im Hinblick auf die Einhaltung von Lärmgrenzen wegen des Spiels im Wendehammer festhält. Er wende sich nicht gegen das Spielen auf der Straße als solches, sondern nur dagegen, dass die Beklagte es zugelassen habe, dass aufgrund der besonderen örtlichen Gegebenheiten (Vorhandensein der Wand der Trafostation) ein faktischer Bolzplatz entstanden sei. Damit liege im Hinblick auf das ansonsten in verkehrsberuhigten Bereichen zulässige Spielen von Kindern auf der Straße hier ein Missbrauchstatbestand vor. Gegen diese überschießenden Erscheinungen, die keinesfalls als zumutbar angesehen werden könnten, stehe ihm der öffentlich-rechtliche Abwehranspruch nach §§ 1004, 906 BGB analog zu. Die Beklagte müsse sich die entsprechenden Lärmeinwirkungen zurechnen lassen. Er habe bereits deshalb einen Anspruch auf das Aufstellen eines Schildes „Ballspielen im Wendehammer verboten“, weil er eine entsprechende Vereinbarung mit der Beklagten im Sommer 2004 unter Beteiligung der Stadt N. getroffen habe. Es gehe nicht an, dass die Beklagte sich zunächst auf diese Weise zu ihrer Verantwortung bekannt habe, schließlich aber auf einen Beschluss des Stadtrats der Stadt N. hin sogar das später ersatzweise aufgestellte Schild „Kein Bolzplatz“ im Jahr 2007 wieder entfernt habe. Er könne schließlich auch nicht auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden, da dies dazu führen werde, dass Nachbarn Lärmbelästigungen schutzlos ausgeliefert blieben. Ein Sachzusammenhang zu öffentlichen Einrichtungen müsse immer dann angenommen werden, wenn die Missbrauchsimmissionen durch bauliche oder technische Gegebenheiten im Zusammenhang mit einer öffentlichen Einrichtung angereizt würden. Der entstandene Bolzplatz sei auch unabhängig von solchen Lärmregelwerken als solcher in dem Gebiet nicht zulässig. Nach allgemeinem Planungsrecht sei ein hier gegebener Abstand von 19 m zu einem Wohngebäude nicht ausreichend, vielmehr werde nach diesen Grundsätzen und einhelliger Judikatur ein Mindestabstand von 60 m zu einem im WR-Gebiet gelegenen Gebäude verlangt. Neben dem Aufstellen eines Schildes „Ballspielen verboten“ seien auch Überwachungsmaßnahmen seitens der Beklagten erforderlich. Gegebenenfalls sei die Ausweisung als Spielstraße wieder zu beseitigen. Spielstraßen würden im öffentlichen Recht im Blick auf die gebotenen Lärmschutzmaßnahmen keine Sonderstellung einnehmen, weil selbst in Fällen planungsrechtlich ausgewiesener Spielplätze die Gerichte in einer Vielzahl von Fällen bei unzumutbaren Lärmauswirkungen die Beseitigung durchgesetzt hätten.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass an seinem Wohnhaus in der Tagzeit zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr einzuhaltende Immissionswert (Beurteilungspegel gemäß der rheinland-pfälzischen Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche, Ministerialblatt 1997 S. 213 f., hilfsweise gemäß der 18. BImSchVO) von tags 50 dB(A) nicht durch Lärm aufgrund Bolzens und Basketballlärm im Bereich des Wendehammers (Straße „In der W.“ – Parzelle …) überschritten wird, zum Beispiel durch Aufstellen eines Schildes „Ballspielen im Wendehammer verboten“ einschließlich Kontrollen durch kommunale Bedienstete.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht in dem Berufungsantrag bereits eine unzulässige Klageänderung, stimmt dieser im Übrigen zu, soweit darin eine teilweise Klagerücknahme im Hinblick auf die Begrenzung auf Lärm durch Bolzen und Basketballlärm zu sehen sei. Eine unzulässige Erweiterung des Klageantrags gegenüber der ersten Instanz liege aber in dem Abstellen auf gegenüber der TA-Lärm schärfere Regelwerte wie die der Freizeitlärmrichtlinie sowie der 18. BImSchVO. Die Beklagte sei im Hinblick auf das Klageziel schließlich nicht passiv befugt, soweit es um die Durchsetzung des Verbots nach § 31 StVO wegen des Spielens auf der Straße gehe. Ein solches Klageziel komme allenfalls in Betracht, weil die Ausweisung des verkehrsberuhigten Bereichs noch nicht bestandskräftig festgesetzt sei. In Betracht zu ziehen sei als Maßnahme allerdings nur ein Einschreiten aufgrund des Ordnungswidrigkeitenrechts. Dafür sei indessen nicht die Beklagte, sondern die Kreisverwaltung zuständig. Soweit ein Einschreiten des Straßenbaulastträgers möglich erscheine, richte sich ein solcher Anspruch ebenfalls nicht gegen die Beklagte, sondern die Stadt N.. Ein Einschreiten der Beklagten als Polizeibehörde scheide wegen des Subsidiaritätsgrundsatzes grundsätzlich aus. Im Übrigen seien auf der Grundlage der Ausweisung des verkehrsberuhigten Bereichs das Spielen auf der Straße sowie der damit verbundene Lärm zulässig und es bestehe kein Grund für ein Einschreiten; dabei müssten dieselben Grundsätze gelten wie im Bereich von Kinderspielplätzen. Ein Anspruch auf Einschreiten sei allenfalls dann zu erwägen, wenn Art, Ausmaß und Dauer des Lärms die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten würden. Vorliegend sei dies indessen nicht der Fall, da lediglich acht bis zehn Kinder in eingeschränktem zeitlichen Rahmen am Spiel beteiligt seien. Ein auf subjektive Rechte von Straßennachbarn gestützter Einschreitensanspruch sei im Übrigen im Straßenverkehrsrecht nicht vorgesehen; um eine öffentliche Einrichtung sonstiger Art handele es sich bei dem Wendehammer und der Trafowand nicht, so dass allenfalls zivilrechtliche Ansprüche des Klägers gegenüber den sich störend verhaltenden Personen in Betracht zu ziehen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die sämtlich Gegenstand der Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hätte der Klage in dem bezeichneten Umfang stattgeben müssen, denn der Kläger hat eine zulässige Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) erhoben und hat Anspruch auf Bescheidung wegen seines geltend gemachten Anspruchs auf Einschreiten der Beklagten als Ortspolizeibehörde gegenüber Störern, die unzumutbare Lärmbelastungen seines Wohnanwesens durch Ballspielen im Wendehammer, insbesondere durch Bolzen auf die Wand der Trafostation, verursachen. Durch die Versagung einer ermessensgerechten Entscheidung ist der Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 i.V.m. 5 VwGO).
Im Hinblick darauf, dass der Klageantrag auf eine Verurteilung wie bei einem Unterlassensanspruch wegen hoheitlich bzw. schlicht hoheitlich verursachter Lärmimmission abzielt, während lediglich ein nach Ermessen zu bescheidender Anspruch auf polizeirechtliches Einschreiten wegen zugleich dem Drittschutz Einzelner dienender öffentlicher Belange vorliegt, waren die Klage und die Berufung zum Teil abzuweisen bzw. zurückzuweisen.
1.
Der Klageantrag kann dem behördlichen Begehren des Klägers entsprechend als Geltendmachen eines Einschreitensanspruchs ausgelegt werden und ist somit als Gegenstand einer Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass er wie zur Geltendmachung eines Anspruchs im Rahmen einer Leistungsklage zur Abwendung von durch eine von der öffentlichen Hand betriebenen Anlage verursachten Immissionen formuliert ist (vgl. dazu BVerwG -Tegelsbarg – NJW 1989, 1291; vgl. auch BVerwG NJW 1984, 989 – sakrales Glockengeläut -). Das Begehren des Klägers ergibt sich nämlich aus seinen ursprünglich insgesamt gestellten Anträgen, bei denen es um eine Klage sowohl gegen die Verbandsgemeinde als schließlich verbliebene Beklagte wie auch die aus dem vorliegenden Verfahren ausgeschiedene weitere Beklagte, die Stadt N. ging. Insgesamt beanspruchte der Kläger eine Hilfe dieser Körperschaften, damit die seine Wohnsituation beeinträchtigenden Lärmeinwirkungen durch Ballspielen in dem Wendehammer abgestellt würden. Die Art des prozessualen Vorgehens hängt dabei davon ab, ob tatsächlich die Einwirkungen einer öffentlichen Sache zugerechnet werden können, oder ob die Erscheinungen einer Beurteilung in Bezug auf verhaltensbezogenen Lärm von Privaten unterliegen. Die Unsicherheiten in der rechtlichen Beurteilung können sich nicht dahin auswirken, dem Kläger abzusprechen, dass mit seinem Antrag gegebenenfalls auf einen Einschreitensanspruch gegenüber der Polizeibehörde abgezielt wird. Dies ergibt sich im Übrigen daraus, dass mit der Klage ursprünglich auch ein Anspruch auf Einschreiten der Verkehrsbehörde im Blick auf den Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften geltend gemacht worden ist, der seinem Gegenstand nach ebenfalls auf die Einstellung des Ballspiels zielte. Dieser war nur deshalb fallen gelassen worden, weil die materiellrechtlichen Voraussetzungen für den vermeintlichen Anspruch nach der Straßenverkehrsordnung entfallen waren, nachdem die Verkehrsbehörde die Straße als verkehrsberuhigte Zone ausgewiesen hatte. Dem Inhalt nach ist indessen das mit dem hier zugrunde gelegten Verpflichtungsantrag erstrebte Ziel identisch geblieben.
Die Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage ist hier auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, weil die Klage als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zu bewerten ist. Danach ist nämlich eine Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, der an sich für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die Notwendigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens vorsieht. Voraussetzung ist, dass über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Den mit der Klage verfolgten Antrag hat der Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemacht, ohne dass er vor der Klageerhebung wirksam „beschieden“ worden wäre. Der Bevollmächtigte des Klägers hatte mit Schreiben vom 22. April 2004 die Beklagte aufgefordert, gemäß den bis dahin getroffenen Absprachen ein Schild „Ballspielen verboten“ aufzustellen und das Verbot durchzusetzen. Die Beklagte hat daraufhin zwar unter dem Betreff „Vollzug des Landes-Immissionsschutzgesetzes und der Straßenverkehrsordnung“ mit Schreiben an die Bevollmächtigten vom 4. Juni 2004 Ausführungen dazu gemacht, dass sie sich durch die getroffene Absprache als örtlicher Ordnungsbehörde nicht gebunden fühle und nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften gegen „Kinderspiele“ nicht eingeschritten werden solle. Das Schreiben hat aber nicht den Charakter eines Bescheides, der die Notwendigkeit der Einlegung eines Rechtsmittels auslösen konnte, sondern war lediglich, wie bereits die Vorkorrespondenz, als weiterer Hinweis zu verstehen, dass die Beklagte die Auffassung des Klägers nicht teilen wollte. Indiz für diesen bloßen Hinweischarakter ist auch die in dem Schreiben fehlende Rechtsmittelbelehrung.
2.
Die Klage ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf ortspolizeiliches Einschreiten der Beklagten gegen die Lärmverursacher; für eine strikte Verpflichtung zu einer bestimmten polizeilichen Maßnahme im Hinblick auf diese Zielsetzung fehlt es lediglich, weil wegen Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung ein Ermessensspielraum verbleibt. Im Einzelnen gilt dazu Folgendes: Ein Anspruch auf Unterlassung von Immissionen einer schlicht hoheitlich betriebenen Anlage und der polizeirechtliche Einschreitensanspruch schließen sich gegenseitig aus, weil im Falle des Abwehranspruchs (analog §§ 1004, 906 BGB) eine unmittelbare Rechtsbeziehung vorliegt, während im Falle des Einschreitensanspruchs die Abwehr erst durch das Eingreifen gegenüber dem Störer vermittelt wird.
a) Vorliegend kommt ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch gegen die Beklagte nicht in Betracht. Zum einen wird vorliegend schon keine öffentliche Einrichtung vorgehalten oder betrieben, wie dies etwa bei einem Spiel- oder Bolzplatz in der Trägerschaft der öffentlichen Hand der Fall wäre. Der einzig denkbare Anknüpfungspunkt im Hinblick auf einen Anlagenbezug besteht darin, dass das lärmverursachende Geschehen sich auf der öffentlichen Straße abspielt. Für die Straße als öffentliche Sache wäre indessen die Verbandsgemeinde als Beklagte unmittelbar nicht verantwortlich, weil Straßenbaulastträger die Ortsgemeinde, hier die Stadt N. ist (§ 14 LStrG). Im Übrigen schließen die straßenrechtlichen und straßenverkehrsrechtlichen Sonderregelungen es wohl aus, unmittelbar auf den genannten öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch zurückzugreifen. Die Duldungspflicht des Nachbarn gegenüber den Auswirkungen der Straße selbst ergeben sich insoweit aus einer Planfeststellung (§ 5 Abs. 5 LStrG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) oder der Bauleitplanung (§ 5 Abs. 2 LStrG) in Verbindung mit der straßenrechtlichen Widmung (§ 36 LStrG). Soweit das Straßenverkehrsrecht die Möglichkeit verkehrsrechtlicher Anordnungen auch zum Schutz vor Lärm enthält (§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO), folgt auch daraus nicht die Regelung eines unmittelbaren Abwehranspruchs, sondern allenfalls ein Einschreitensanspruch gegenüber der Verkehrsbehörde. Die Regelungen sind insoweit indessen gemäß dem Typenzwang der straßenverkehrsrechtlichen Regelungen beschränkt. Das Ballspielen auf der Straße selbst stellt im Übrigen auch keine straßen- oder straßenverkehrsrechtliche Sondernutzung (§ 29 Abs. 2 StVO i.V.m. § 41 Abs. 7 LStrG) dar, wobei etwa im Falle einer durch die Straßenverkehrsbehörde insoweit erteilten Erlaubnis oder Ausnahme eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis nicht erforderlich ist. Denn gerade bei einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325, § 42 Abs. 4 a Nr. 1 StVO) ist nicht ersichtlich, dass durch Ballspielen im Sinne des § 29 Abs. 2 StVO die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl und des Verhaltens der Teilnehmer eingeschränkt würde. Die hier vom Kläger aufgegriffene Problematik der Lärmauswirkungen durch Ballschießen auf die Trafostation hat keinen ersichtlichen Zusammenhang mit der angesprochenen besonderen Beeinträchtigung für das Verkehrsgeschehen auf der Straße selbst. Ein Einschreiten gegen ordnungswidrige Zustände insoweit würde auch – wie der Kläger selbst anerkennt – lediglich am öffentlichen Interesse an der reibungslosen Abwicklung des Verkehrs zu orientieren sein.
b) Die genannten besonderen Rechtsvorschriften über den Straßenraum und die Regelungen des Straßenverkehrs stehen aber nicht entgegen, wenn es darum geht, die rechtlichen Bestimmungen über das lärmverursachende Verhalten Einzelner anzuwenden. Einschlägig für die Beurteilung verhaltensbezogener Lärmeinwirkungen sind die Bestimmungen des Landes-Immissionsschutzgesetzes (LImSchG vom 20. Dezember 2000, GVBl. S. 578, zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2006, GVBl. S. 97). Die immissionsschutzrechtlichen Verhaltenspflichten nach diesem Gesetz sind im vorliegenden Fall durch die Erscheinungen des „Bolzens“ im Wendehammer, insbesondere im Zusammenhang mit dem Schießen auf die Trafostation als „Torwand“ verletzt. Die Bestimmungen dienen auch den Schutzinteressen betroffener Dritter wie dem Kläger. Schließlich sind deshalb die in diesem Zusammenhang bestehenden ordnungsbehördlichen Aufgaben und Befugnisse auch mit Rücksicht auf diese Schutzinteressen Dritter auszuüben, so dass dem Kläger ein Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung wegen seines Verlangens auf Einschreiten zusteht.
Das Verhalten der Personen, die in dem Wendehammer in der Art der Benutzung eines Bolzplatzes Fußball spielen und dabei insbesondere Schüsse auf die Trafostation als „Torwand“ abgeben, verletzt die gesetzlichen Verhaltenspflichten und die gebotene Rücksichtnahme. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz überlässt den Ländern mangels einschlägiger Regelungen den Erlass von Bestimmungen über durch Verhalten der Menschen entstehenden Lärm wie zum Beispiel Freizeitlärm (vgl. Engelhardt/Hergott; Praxis der Gemeindeverwaltung, Immissionsschutzrecht K 5, Januar 2003, S. 16). Dass der Lärm durch Straßenbenutzer erfolgt, steht der Anwendung der verhaltensbezogenen Bestimmungen des Landes-Immissionsschutzgesetzes nicht entgegen; selbst wenn man die Straße insoweit als Anlage betrachten würde, deren Auswirkungen rechtlich spezifisch geregelt sind, gilt der Grundsatz, dass nur diejenigen schädlichen Umwelteinwirkungen von dem Anlagenbezug erfasst sind, die „mit der Anlage im Zusammenhang stehen“. Etwa von Menschen ausgehende Immissionen werden dabei nur erfasst, sofern sie in einem betrieblichen oder funktionellen Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage stehen bzw. typischerweise bei dem Betrieb der Anlagen auftreten (vgl. Jarass, Bundesimmissionsschutzgesetz, 6. Aufl., § 22 Rn. 6; BVerwGE 101, 157, 165 = NVwZ 1997, 276). Das ist hier bei dem Spielen von Kindern auf der Straße im Rahmen der dies zulassenden Verkehrsregelung im Hinblick auf das normale Spielgeschehen noch der Fall, nicht indessen im Hinblick auf das völlig untypische, eher den Erscheinungen eines Bolzplatzes entsprechenden Fußballspielen unter Einbeziehung der Betonwand der Trafostation. Damit unterfällt letzteres Verhalten § 1 Abs. 1 LImSchG, das für das Verhalten von Personen Gültigkeit beansprucht, soweit hierdurch schädliche Umwelteinwirkungen verursacht werden können. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach dem Gesetz Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 2 Abs. 1 LImSchG), wobei zu den Immissionen (§ 2 Abs. 2 LImSchG) Geräuscheinwirkungen gehören. Nach § 3 LImSchG, der Grundsatznorm des Gesetzes, hat sich jede Person so zu verhalten, dass schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden, soweit dies nach den Umständen des Einzelfalles möglich und zumutbar ist. Diese Norm enthält nicht nur einen Programmsatz für die im Anschluss geregelten speziellen Verhaltenspflichten, sondern ist selbständig durchsetzbare Rechtsgrundlage für das Verhalten von Personen. Zwar ist die Norm nicht unter den bußgeldbewehrten Pflichten in § 13 LImSchG angeführt, sie wird aber in den Überwachungsaufgaben der zuständigen Behörde genannt, soweit es dort heißt, dass es um die Zuständigkeit für die „Überwachung der §§ 1 bis 10“ geht. Die Pflicht ist damit insbesondere von der Befugnis der zuständigen Behörde nach § 14 LImSchG umfasst, im Einzelfall die zur Durchführung des Gesetzes notwendigen Anordnungen zu treffen.
Der im Landes-Immissionsschutzgesetz gewährleistete Lärmschutz dient, wie sich aus den Formulierungen des Gesetzes in § 2 Abs. 1 ergibt, nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit, sondern insbesondere auch der „Nachbarschaft“ und damit konkret betroffenen Dritten im Rahmen einer solchen Nachbarrechtsbeziehung. Von der Norm ist mithin auch der Kläger geschützt, soweit es um störende Verhaltensweisen Einzelner in dem Wendehammer geht.
c) Das Verhalten beim Ballspielen gegen die „Torwand“ erfüllt den Tatbestand einer schädlichen Umwelteinwirkung nach § 2 Abs. 1 LImSchG, die nach § 3 LImSchG zumutbar vermieden werden kann. Das Gesetz verweist im Hinblick auf die Maßstäbe in § 12 ausdrücklich auf die TA-Lärm 1998 (zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der TA-Lärm 1998 sowie zur Geeignetheit für die Einzelfallbeurteilung auch darüber hinaus vgl. Feldhaus, UPR 1999, 1, 2). Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass nach Art, Ausmaß und Dauer das Anwesen des Klägers im Zusammenhang mit solchen Verhaltensweisen von schädlichen Lärmeinwirkungen betroffen wird. Dies ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. P. vom 10. März 2005 sowie aus den sonst heranziehbaren Regelwerken zur Bewertung solcher Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung der tatrichterlichen Erfahrungen des Senats.
Die Auswertung des vom Kläger veranlassten Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. P. ergibt, dass der Beurteilungspegel für Wohngebiete nach der TA-Lärm vom 26. August 1998 (Ziffer 6.1.e) tags durch die Ballgeräusche bereits dann überschritten wird, wenn das Ballspielen auch nur verhältnismäßig geringe Zeit (1,2 h pro Tag) andauert. Dem entspricht es, wenn in den planungsrechtlichen Regelwerken für Bolzplätze davon ausgegangen wird (vgl. Hinweise des niedersächsischen Umweltministeriums zur Beurteilung des durch Freizeitgeräusche verursachten Lärms, Erlass vom 14. November 1988, Niedersächsisches Ministerialblatt 1/89 Anhang 1), dass Bolzplätze zu Wohngebieten einen Mindestabstand von 60 m einhalten sollen. Der Abstand des Wohngebäudes des Klägers zu dem Geschehen beträgt hier weniger als 19 m. Im Hinblick auf die in dem Gutachten des Prof. Dr. P. erfolgte Beurteilung fällt ins Gewicht, dass als Ausgangsschallleistungspegel lediglich ein Pegel 95 dB(A) zugrunde gelegt wird, der die Lärmauswirkungen noch vorsichtig beurteilt, da sonst nach dem Gutachten in Handbüchern ein Ausgangswert von 97 dB(A) angenommen wird. Der Beurteilungspegel von 61 dB(A) überschreitet den Richtwert nach der TA-Lärm für reine Wohngebiete von 50 dB(A) tags erheblich. Die Belästigungen sind vorliegend – wie die zugrunde zu legenden Aufzeichnungen durch den Kläger, die Glaubwürdigkeit beanspruchen können, ergeben – nicht nur als vereinzelte seltene Ereignisse zu werten, sondern repräsentieren einen Geschehensablauf, bei dem die Überschreitung des Beurteilungspegels und des Richtwertes für Wohngebiete an einer erheblichen Anzahl von Tagen zu erwarten ist und damit mit einer Unzumutbarkeit der Belästigung gleichzusetzen ist. Zwar ist die nach § 3 LImSchG erforderliche Bewertung der Zumutbarkeit nicht zwangsläufig mit der Überschreitung einer physikalischen Lärmgrenze in der Form der Richtwerte gleichzusetzen. Das Ergebnis der Bewertung nach der TA-Lärm gibt insoweit aber einen bedeutsamen Bewertungshinweis; im Hinblick auf den Begriff der Zumutbarkeit ist zwar unabhängig vom Lärmpegel als Ausnahme denkbar, dass selbst die physikalischen Lärmgrenzen überschreitender Lärm wie etwa Kinderlärm in Wohngebieten als sozialadäquat zu beurteilen ist. Damit lässt sich der hier entstehende Lärm beim Bolzen gegen die Torwand indessen nicht gleichsetzen. Während der Kinderspiellärm in Wohngebieten hinzunehmen ist, handelt es sich nach anerkannter Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 1992, DÖV 1992, 709) bei Bolzplätzen um Anlagen mit einer stärkeren Einwirkung auf die Umgebung, die deshalb gegenüber Kinderspielplätzen einer eigenständigen Beurteilung unterliegen. Erscheinungen wie auf Bolzplätzen sind allenfalls unter besonderen Vorkehrungen ausnahmsweise in allgemeinen Wohngebieten planungsrechtlich zulässig (vgl. OVG Münster, NVwZ 1984, 530; OVG Schleswig, NVwZ 1995, 1019).
Bei der für die Ausfüllung des Zumutbarkeitsbegriffs in § 3 LImSchG erforderlichen Abwägung ist zudem das Schutzinteresse der beeinträchtigten Nutzung dem Entfaltungsinteresse der störenden Nutzung gegenüberzustellen (vgl. zu dieser dem Immissionsschutzrecht insgesamt zugrunde liegenden Abwägung Feldhaus, UPR 1999, 1, 2). Soweit subjektive Faktoren des Empfindens der Lästigkeit von Geräuschen erfahrungsgemäß für einen durchschnittlichen verständigen Menschen von Bedeutung sind, müssen auch diese Kriterien in die Zumutbarkeitsbewertung bei einer Einzelfallbeurteilung einbezogen werden, selbst wenn diese Faktoren messtechnisch nicht erfassbar sind und einer standardisierten Beurteilung nicht zugänglich sind (vgl. dazu auch TA-Lärm Nr. 3.2.2). Die mit hohen Spitzenpegeln verbundenen Aufprallgeräusche des Balls auf die Betonwand des Trafohäuschens sind für sich genommen mit den Verhältnissen in einer ruhigen Wohnstraße in einem reinen Wohngebiet unter diesem Gesichtpunkt unvereinbar, zumal eine völlig atypische Nutzung vorliegt, die ihrerseits, im Gegensatz zu dem „normalen“ Kinderspiel dort, kein berechtigtes Nutzerinteresse für sich in Anspruch nehmen kann, sondern auf gesondert ausgewiesene Bolz- und Sportplätze verwiesen werden muss.
d) Der Antragsteller kann schließlich dem Grunde nach angesichts der vorliegenden Verhältnisse ein polizeiliches Einschreiten von der Beklagten als Ortspolizeibehörde verlangen, die nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 14 LImSchG zur Überwachung der Einhaltung des § 3 LImSchG zuständig ist. Insbesondere kommt keine Verweisung auf den Zivilrechtsweg in Betracht. Das Einschreiten der Ordnungsbehörde steht zwar grundsätzlich in deren Ermessen. Nach allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen kann sich indessen – was hier der Fall ist – dieses Ermessen zu einem Anspruch auf Einschreiten verdichten (vgl. dazu Berner/Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 18. Auflage, Art. 5 Rn. 4 unter Hinweis auf BVerwGE 11, 95; vgl. auch Dietlein, DVBl. 1991, 685, 690). Eine solche Verdichtung kommt zwar nicht in Betracht, wenn es nur um privatrechtliche (vermögensrechtliche) Ansprüche des Betroffenen geht. Insoweit sieht das Polizeirecht nur eine subsidiäre Aufgabe vor (vgl. § 1 Abs. 3 POG), wonach der Schutz privater Rechte den allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei nur dann obliegt, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dieser Grundsatz gilt für die Verletzung privater Rechte, in der zugleich eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 POG) zu sehen ist, nicht in dieser Weise. Auch insoweit besteht zwar mit Blick auf den Entschluss zum Einschreiten ein Ermessen der Behörde; indessen ist die Aufgabe nicht subsidiär, sondern kann allenfalls das Ermessen in pflichtgemäßer Weise dahin ausgeübt werden, das Einschreiten aus sachgerechten Gründen zu versagen. Wenn individuelle Rechte des Einzelnen betroffen sind, die zugleich durch das öffentliche Recht geschützt werden, ist Leitlinie das Gewicht des betroffenen Rechts unter Berücksichtigung der aus den Grundrechten herrührenden Schutzpflichten des Staates sowie die Zumutbarkeit polizeilichen Handelns vor allem unter Berücksichtigung sonstiger gewichtiger Aufgabenwahrnehmung (vgl. dazu auch OVG Münster, NVwZ 1983, 101, Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl. 2001, E 8 Rn. 18, 20). Ob die Polizei- oder Ordnungsbehörde handeln darf oder muss, hängt von der Stärke des jeweils betroffenen Belangs und der sozialen Funktion ab, in welcher sich das gefährdete Rechtsgut befindet.
Unter diesem Gesichtspunkt ist die Beklagte hier zum Einschreiten verpflichtet. Die durch das Immissionsschutzrecht geschützten Lärmschutzbelange genießen unter dem Aspekt des Schutzes der Gesundheit der Anwohner nach den konkreten Gegebenheiten einen hohen Stellenwert. Der durch keinerlei soziale Belange gerechtfertigte Missbrauch der Situation im Wendehammer, wie er hier in der Umwidmung gleichsam zu einem Bolzplatz zum Ausdruck kommt, ist geeignet, den Nachbarn beträchtlich zu belasten, auf Dauer gesehen gar seine Gesundheit zu gefährden. Für ein Einschreiten spricht zudem der Umstand, dass das Verhalten der Einzelnen nicht etwa von Privatgrundstücken ausgeht, sondern seinen Anreiz im Geschehen im öffentlichen Straßenraum und dessen Situation hat. Das Erfordernis eines Einschreitens ist vergleichbar mit einem solchen, wie es bei dem illegalen Entstehen einer entsprechenden störenden Anlage der Fall wäre. Die schädlichen Verhaltensweisen haben sich in einer anlagenähnlichen Weise entwickelt, so dass ein Bedürfnis für ein Einschreiten der Ordnungsbehörden in ganz anderer Weise besteht, als wenn Lärm nur ganz vereinzelt etwa durch seltene Störungen wie bei gelegentlichen Nachbarschaftsfesten und ähnlichem zu verzeichnen wäre. Der Abwehranspruch verdichtet sich demgemäß ähnlich dem strikten öffentlich-rechtlichen Störungsabwehranspruch gegen Einrichtungen der öffentlichen Hand, weil vorliegend mit Duldung der Behörden ein Quasi-Bolzplatz entstanden ist.
Dem Kläger kann auch nicht zugemutet werden, den Zivilrechtsweg gegen einzelne Störer zu beschreiten. Angesichts des Umstands, dass – wie die Anlieger in ihrem Petitum zur Ausweisung einer verkehrsberuhigten Zone im Schreiben vom 15. Juli 2005 (Bl. 126 d.GA) angeführt haben – „auch aus der näheren Umgebung viele Kinder die Straße zum Spielen aufsuchen“, sähe der Kläger sich einer unübersehbaren Vielzahl von möglichen Störern gegenüber, gegen die jeweils einzeln vorzugehen ihm nicht zugemutet werden kann. Es kommt hinzu, dass die Beklagte durch ihr vorangegangenes Tun eine gewisse Verantwortung für die Entstehung der Situation trägt, nachdem sie teilweise zugunsten des Klägers – etwa durch das Aufstellen der Schilder „Ballspielen verboten“ und „Kein Bolzplatz“ – interveniert ist und es lediglich an der erforderlichen Kontrolle hat fehlen lassen. Infolge der inkonsequenten Haltung ist der Kläger in eine Situation geraten, in der er als Querulant verunglimpft wird und er sich und sein Eigentum Anfeindungen von außen ausgesetzt sieht. Daraus ergibt sich unter den hier entstandenen Verhältnissen eine Störung des nachbarlichen Wohnfriedens.
Lediglich hinsichtlich der Art und Weise des ordnungsbehördlichen Vorgehens ergibt sich für die Beklagte ein vom Gericht nicht bis ins Einzelne zu steuernder Ermessensspielraum. Das Gesetz zeichnet in §§ 15 Abs. 2, 14 LImSchG das Vorgehen dahingehend vor, dass gegebenenfalls der Störer im Wege der Einzelverfügung in Anspruch genommen wird. Als Hinweis auf eine Einschreitensabsicht empfiehlt sich durchaus eine von der Beklagten bereits einmal praktizierte Vorgehensweise, nämlich in der Form, dass Schilder wie „Kein Bolzplatz“ auf den verbotenen Charakter des Geschehens hinweisen. Weil das Schild an sich, verkörpert es nicht zugleich den Willen der Ordnungsbehörde, im Einzelfall auch Kontrollen (z.B. auf Hinweis des Klägers) vorzunehmen, wirkungslos bleibt, wird die Beklagte verpflichtet sein, im Einzelfall gegebenenfalls durch entsprechende Einzelverfügung vorzugehen. Daraus ergibt sich indessen zugleich, dass der Kläger bei einem allgemein vorhandenen Willen der Beklagten zum Einschreiten im Einzelfall durchaus hinnehmen muss, dass nicht von vornherein jede Einzelaktion effektiv unterbunden werden kann. Wegen der insoweit vorhandenen Unterschiede zu einem strikten Unterlassen im Hinblick auf den Störungsabwehranspruch bei einer von der öffentlichen Hand betriebenen Einrichtung war die Klage zum Teil abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO; der Senat hat es in Bezug auf die vom Verwaltungsgericht getroffene „gemischte“ Kostenentscheidung nicht für erforderlich gehalten, eine Differenzierung mit Blick auf den erledigten Teil der Klage zu treffen, weil der „erledigte“ Antrag der Sache nach in dem verbliebenen Antrag aufgeht und letztlich kein anderer Gegenstand des Begehrens vorlag, sondern lediglich eine andere Begründung des Anspruchs. Das Verwaltungsgericht hat insoweit auch keine Abgrenzung des Streitwertes vorgenommen.
Die Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).