LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ
Az: 7 Sa 1327/01
Verkündet am: 25.02.2002
Vorinstanz: Arbeitsgericht Kaiserslautern – Az.: 3 Ca 1588/01 KL
In dem Rechtsstreit hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 25.02.2002 für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26.09.2001 – 3 Ca 1588/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die Wirksamkeit von zwei außerordentlichen Kündigungen.
Die am 20.09.1947 geborene Klägerin ist aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.09.1994 (vgl. hinsichtlich dessen Inhalts Bl. 3 – 8 d. A.) seit dem 01.09.1994 bei der Beklagten beschäftigt zuletzt als Kassiererin mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.040,00 DM im M-Markt in der Straße in K. Vor ihrer Beschäftigung bei der Beklagten war die Klägerin selbständige Inhaberin einer Supermarkt-Filiale der Beklagten in K. Aus wirtschaftlichen Gründen hatte sie die selbständige Leitung der Filiale aufgegeben. Aus dieser Geschäftsverbindung zur Beklagten resultieren Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Beklagten in Höhe von zuletzt 13.884,85 DM. Während der Beschäftigung bei der Beklagten nach der Aufgabe ihrer selbständigen Tätigkeit wurden diese Verbindlichkeiten der Klägerin in monatlichen Raten durch Verrechnung mit dem monatlichen Gehaltsanspruch bedient.
Alle Kassenkräfte der Beklagten haben eine Arbeitsanweisung erhalten, die unter anderem folgende Richtlinien enthält:
Geldbeträge, die nach einem abgeschlossenen Kassiervorgang gereicht werden (z.B. eine Tragetasche) sind unverzüglich einzutippen. Sie dürfen nicht über einen Zeitraum gesammelt werden.
Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Arbeitsanweisung wird auf Blatt 31, 32 der Akte Bezug genommen.
Am 12.02.1996 hat die Klägerin durch ihre Unterschrift bestätigt, dass ihr die „Anweisung für Kassenkräfte“ bekannt und sie über deren Inhalt belehrt worden ist (vgl. Bl. 33d.A.).
Die Beklagte lässt bei ihren Kassenkräften in unregelmäßigen Abständen stichprobenartig Testeinkäufe sowie Ehrlichkeitskontrollen durchführen.
Bei einem Testkauf am 29.06.2001 tätigte ein von der Beklagten beauftragter „Testkunde“ einen Einkauf an der Kasse der Klägerin. Dieser Einkauf über 18,50 DM mit der Bon-Nr. 79 wurde vom Testkunden mit einem 20,00 DM-Schein bezahlt. Nachdem der Testkunde das Wechselgeld entgegengenommen und den Einkauf in den Einkaufswagen gelegt hatte, gab er vor, noch einen Sack Holzkohle zum Preis von 14,99 DM vergessen zu haben. Der Testkunde legte der Klägerin 15,00 DM auf die Kasse und erklärte, dass er sich den Sack Holzkohle von dem Stapel wegnehme. Nachdem die Klägerin bei Arbeitsende ihre Kasse abgerechnet hatte, wurde in ihrer Abwesenheit im Bon-Journal am Markt-PC nachgeprüft, ob der Betrag von 15,00 DM in der Kasse erfasst wurde. Dabei wurden ab dem Einkauf des Testkunden mit der Bon-Nr. 79 alle weiteren Bons von diesem Tage überprüft. Die Kontrolle des Bon-Journals dieses Tages ergab, dass unter der Bedienernummer der Klägerin ein Betrag von 15,00 DM zu keinem Zeitpunkt registriert worden war. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Kasse der Klägerin an diesem Tag zum Schichtende eine Plus-Differenz von 1,49 DM – so die Beklagte – oder von 21,49 DM – so die Klägerin -auswies.
Aufgrund dieses Vorfalles wurde am 10.07.2001 von der Beklagten nunmehr gezielt an der Kasse der Klägerin eine weitere Ehrlichkeitskontrolle entsprechend der Verfahrensweise des ersten Testeinkaufs durchgeführt. Beim zweiten Testeinkauf am 10.07.2001 legte der Testkunde nach dem bereits abgeschlossenen Kassiervorgang 10,00 DM auf die Kasse und gab vor, eine Packung Bitburger Bier (8er Pack) zum Preis von 9,99 DM mitzunehmen. Eine Überprüfung der – online am Markt-PC ablesbaren – Bon-Datei ergab, dass dieser Betrag von der Klägerin nicht registriert wurde. Nach Arbeitsende wurde die Kasse von der Klägerin zusammen mit der stellvertretenden Marktleiterin, Frau N , abgerechnet. Die Kasse der Klägerin wies an diesem Tag eine Plus-Differenz von 5,09 DM aus. Im Anschluss an die Kassenabrechnung wurde die Klägerin von dem am 10.07.2001 anwesenden Bezirksleiter Herrn K an in Anwesenheit des Marktleiters Herrn 0 und der stellvertretenden Marktleiterin Frau N auf die Testeinkäufe angesprochen und um Erklärung gebeten. Hierbei wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die übergebenen Geldbeträge nicht registriert worden waren und daher der Verdacht der Unterschlagung bestehe. Die Klägerin erklärte, sie habe keinen Geldbetrag unterschlagen. Auf Veranlassung der Beklagten setzte die Klägerin handschriftlich folgendes Schreiben vom 10.07.2001 auf und unterzeichnete dieses:
„Ich habe die 10,00 DM in die Kasse reingelegt und später registriert und habe auch kein Geld aus der Kasse entwendet.“
Im Beisein der Klägerin wurde anschließend das Bon-Journal vom 10.07.2001 überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass der betreffende Betrag zu keinem Zeitpunkt bis zum Arbeitsende von der Klägerin registriert worden war.
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 11.07.2001 wurde die handschriftlich gefasste Erklärung der Klägerin vom 10.07.2001 insoweit widerrufen, als die Klägerin darin erklärt hatte, sie habe den Betrag später in der Kasse registriert; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des anwaltlichen Schreibens vom 11.07.2001 (Bl. 21,22 d. A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 10.07.2001, der Klägerin am 12.07.2001 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aufgrund der Ereignisse aus dem Testkauf vom 29.06.2001 sowie 10.07.2001 „außerordentlich mit sofortiger Wirkung“.
Mit Schreiben vom 19.07.2001, der Klägerin am 20.07.2001 zugegangen, hat die Beklagte gegenüber der Klägerin eine weitere außerordentliche Kündigung erklärt.
Die Klägerin wendet sich gegen beide außerordentliche Kündigungen mit der am 17.07.2001 (außerordentliche Kündigung vom 10.07.2001) bzw. 01.08.2001 (außerordentliche Kündigung vom 19.07.2001) erhobenen Klage.
Die Klägerin hat vorgetragen, am 29.06.2001 habe sie den ihr übergebenen Betrag von 15,00 DM für einen Sack Holzkohle in die Kasse gelegt. Sie habe jedoch versehentlich vergessen, den Betrag zu registrieren, da zu diesem Zeitpunkt die Kasse geöffnet und sie im Begriff gewesen sei, einen anderen „normalen Kunden“ zu kassieren. Die Tatsache der Nichtregistrierung des Betrages von 15,00 DM habe auf einem Versehen beruht und sei situationsbedingt geschehen. Am 29.06.2001 habe sich zum Schichtende eine Plus-Differenz von 21,49 DM ergeben. 20,00 DM seien von ihr dem damals anwesenden Marktleiter ausgehändigt worden. Der Betrag sei in eine gesonderte Kasse gelegt worden, die sich ihrerseits im Tresor befinde. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass es sowohl bei ihr als auch bei ihren Kolleginnen im Rahmen der Kassenabrechnung sowohl zu Plusdifferenzen als auch zu Minusdifferenzen gekommen sei. Dies habe ihr Veranlassung gegeben, die jeweiligen Beträge (Negativ-Plusbeträge) für sich gesondert zu notieren. Habe sich beispielsweise im Kassenbestand eine Plusdifferenz herausgestellt, sei dieser Betrag in eine Kasse gelegt worden, die ihrerseits in einem Tresor im Büro der Supermarktfiliale verwahrt werde. Dies gelte für alle Kolleginnen. Die Überschussbeträge würden dafür verwandt, etwa entstehende Negativbeträge, die sich in aller Regel auf Minimalbeträge beschränkten, auszugleichen. Auch wenn die Beklagte die Existenz einer solchen Kasse bestreite, existiere diese tatsächlich und werde in jeder Filiale unterhalten.
Auch am 10.07.2001 habe sie den ihr übergebenen Betrag von 10,00 DM in die Kasse gelegt, jedoch bedauerlicherweise vergessen, diesen Betrag zu registrieren. Auch dieses Versäumnis sei situationsbedingt gewesen. Die Beklagte habe bei ihren sogenannten Testkäufen bewusst und gezielt eine bestimmte Situation dergestalt ausgenutzt, dass ein Testkunde gerade in dem Moment erschienen sei, als sie im Begriff gewesen sei, einen anderen Kunden zu bedienen bzw. abzukassieren. Der streitgegenständliche Betrag sei nicht in der Registrierung aufgetaucht. Im Rahmen des mit dem Herrn 0 und K am späten Nachmittag des 10. Juli 2001 geführten Gespräches sei sie mehr oder minder unter Druck gesetzt worden. Man habe sie dazu bewegen wollen, ein sogenanntes Schuldeingeständnis zu unterzeichnen. Sie habe den Wunsch geäußert, ihren Rechtsanwalt zu kontaktieren. Dieser Bitte sei zunächst nicht und danach erst auf massiven Druck entsprochen worden. Sie habe sich schließlich von den beiden vorgenannten Herren dazu drängen lassen, das zu Beweiszwecken von der Beklagten vorgelegte Schreiben vom 10.07.2001 aufzusetzen und zu unterschreiben. Bereits die Art der Handschrift zeige, in welcher Drucksituation sie sich befunden habe. Die Art des Schreibens entspreche nicht ihrer normalen Handschrift. Sie habe dort erklärt, 10,00 DM in die Kasse gelegt und diesen Betrag später registriert zu haben. Die schriftliche Erklärung habe im Widerspruch zu ihrer mündlichen Erklärung gegenüber den Herren 0 und K gestanden. Es werde ausdrücklich bestritten, dass sie mehrere Versionen bzw. Erklärungsversuche zum Besten gegeben habe. Sie habe eindeutig erklärt, den streitgegenständlichen Betrag nicht unterschlagen zu haben.
Die Beklagte müsse sich die Frage gefallen lassen, aus welchem Motiv heraus sie gehandelt haben soll. Denn es sei ihr sowohl bewusst, dass sie noch Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten im fünfstelligen Bereich zu bedienen habe. Es sei geradezu lebensfremd anzunehmen, sie unterschlage 10,00 DM-Beträge und riskiere dadurch ihren gesicherten Arbeitsplatz bei der Beklagten mit der etwaigen Folge, dass die Beklagte sodann die noch bestehenden Restverbindlichkeiten fällig stelle, was im Übrigen nun passiert sei.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom
10. Juli 2001 nicht aufgelöst worden ist, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 19. Juli 2001 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat vorgetragen, aufgrund der am 29.06.2001 und 10.07.2001 durchgeführten Ehrlichkeitskontrollen müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die ihr übergebenen Geldbeträge veruntreut habe. Es sei nach der Lebenserfahrung ausgeschlossen, dass die Klägerin am 29. Juni 2001 den Betrag von 15,00 DM in die bedingt durch den nachfolgenden Kassiervorgang geöffnete Kassenschublade gelegt habe, ohne den Betrag vorher zu registrieren. Dies wäre auch ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Kassieranweisung gewesen. Ca. 500 Mal am Tag habe die Kassiererin immer den gleichen Vorgang durchzuführen, nämlich das Registrieren des Artikels, Geld in Empfang nehmen, Wechselgeld herausgeben und Geld in die Kasse legen. Dies seien automatisierte Abläufe, gegen die man unbewusst nicht verstoße. Gegen die Behauptung der Klägerin, das Geld in die Kasse ohne vorherige Registrierung gelegt zu haben, spreche auch die Tatsache, dass die Kasse bei Dienstende kein Kassenplus von 15,00 DM ausgewiesen habe, sondern lediglich ein Plus von 1,49 DM. Es treffe nicht zu, wenn die Klägerin behaupte, ihre Kasse habe an diesem Tag eine Plusdifferenz von 21,49 DM ausgewiesen und sie habe davon 20,00 DM dem Marktleiter ausgehändigt, der den Betrag in eine gesonderte Kasse gelegt habe. Die Klägerin habe ihre Kasse an diesem Tag zusammen mit der zweiten stellvertretenden Marktleiterin, Frau J, abgerechnet. Frau J habe ausdrücklich bestätigt, dass die Kasse an diesem Tag eine Differenz von 1,49 DM ausgewiesen habe. Es treffe nicht zu, dass der Marktleiter vorher 20,00 DM abgeschöpft habe. Es sei zu bestreiten, dass sich im Tresor des Marktes eine „Zweitkasse“ befinde, in der Kassen-Plusdifferenzen der Kassiererinnen verwahrt würden. Sowohl ihre eigene Revisionsabteilung, als auch die jeweiligen Bezirksleiter würden unangemeldet und in unterschiedlichen Zeitabständen insbesondere die Tresor-Kassenbestände überprüfen. Die letzte Kassenrevision habe am 21.03.2001 stattgefunden. Bei dieser Revision sei im Tresor keine zweite Kasse gefunden worden. Der zuständige Bezirksleiter Herr K habe letztmals am 17.07.2001 Tresorkassenbestände überprüft und keine zweite Kasse im Tresor festgestellt. Die von der Klägerin benannte Zeugin, Frau C K, bekanntermaßen eine enge Bekannte der Klägerin, sei im Jahr 1997 im Streit aus dem Unternehmen ausgeschieden. Dementsprechend könne sie auch nicht bezeugen, dass im Juni und Juli dieses Jahres in dem betreffenden Markant-Markt sowie in allen anderen Filialen „zweite Kassen“ geführt würden. Wenn die Kassen äußerst selten einmal größere Differenzen ausweisen würden, dann werde diese Differenz erst dann verbucht, wenn nach Geschäftsschluss alle Kassen und der Tresorbestand abgerechnet seien. Die Erfahrung zeige, dass die Kassiererinnen untereinander Geld wechselten und dabei manchmal Fehler entstünden. Die Plusdifferenz der einen Kassiererin führe zur Minusdifferenz bei der anderen Kassiererin. Wenn sich solche Differenzen schlüssig zuordnen ließen, würden auf Veranlassung des Marktleiters die Kassen mit dem Fehlbetrag ausgeglichen. Dies führe jedoch nicht dazu, dass im Tresor „Zweitkassen“ geführt würden.
Nach dem zweiten Testeinkauf am 10.07.2001, bei dem die Klägerin den ihr übergebenen Betrag wiederum nicht registriert habe, sei die Klägerin nach Arbeitsende auf die Unstimmigkeit angesprochen worden und habe nunmehr nacheinander – immer nachdem die vorherige Erklärung entkräftet worden sei – mehrere Erklärungen abgegeben:
Zunächst habe sie behauptet, sie habe das erhaltene Geld zusammen mit anderen Kundengeldern registriert und in die Kasse gelegt. Erst nachdem der Bezirksleiter sie darauf hingewiesen habe, dass dies eigentlich gar nicht sein könne, denn in diesem Fall habe sie einem Kunden einen falschen Einkaufsbon übergeben müssen, habe sie von dieser Version abstand genommen und nunmehr behauptet, dass sie das Geld nicht zusammen mit anderen Kundengeldern registriert habe, sondern den Geldbetrag etwas später separat und nicht artikelgenau, sondern unter der Warengruppe vereinnahmt habe. Daraufhin habe der Bezirksleiter die Klägerin gebeten, ihm dies doch schriftlich zu bestätigen, wozu die Klägerin auch bereit gewesen sei. Die Klägerin sei diesbezüglich nicht unter Druck gesetzt worden. Nachdem die Klägerin nach der lückenlosen Kontrolle des Bonjournals erkannt habe, dass auch diese Version nicht haltbar sei, habe sie erneut ihre Aussage geändert und nunmehr behauptet, sie habe zwar das Geld in die Kasse gelegt, aber vergessen, den Betrag zu registrieren. Demzufolge habe die Kasse ein Kassenplus von 10,00 DM ausweisen müssen, was nachweislich nicht der Fall gewesen sei. Die Klägerin habe dann darum gebeten, ihren Rechtsanwalt anrufen zu dürfen. Dieser Bitte sei entgegen ihrer Darstellung sofort entsprochen worden. Es treffe nicht zu, wenn sie behaupte, sie habe erst auf massiven Druck hin mit ihrem Rechtsanwalt telefonieren dürfen. Soweit die Klägerin nun behaupte, sie habe am 10.07.2001 zu diesem Zeitpunkt gerade einen anderen Kunden bedient, das Geld entgegengenommen und das Wechselgeld in Höhe von 0,01 DM zurückgeben wollen, sei dies unmöglich, denn während eines Kassiervorgangs könne die Kassenschublade nicht geöffnet werden, also habe sie auch nicht 0,01 DM zurückgeben können. Vielmehr habe sie am 10.07.2001 wie auch schon am 29.06.2001 den ihr übergebenen Geldbetrag an sich genommen und nicht registriert, also veruntreut. Das Registrieren des Betrages sei das Entscheidende beim Kassiervorgang, was man nicht einfach vergessen könne. Im Hinblick auf das Motiv der Klägerin müsse ausgeführt werden, dass die Rückführung der Forderung ursprünglich mit monatlichen Beträge von 300,00 DM erfolgt und auf Wunsch der Klägerin auf monatlich 100,00 DM reduziert worden sei. Die Rückzahlung reiche daher noch nicht einmal aus, um die Zinsen zu decken. Daraus könnten auch Schlüsse über die finanzielle Situation der Klägerin abgeleitet werden. Gerade gegenüber den Kassenkräften bestehe zudem ein besonderes Vertrauensverhältnis. Werde dieses Vertrauensverhältnis durch den Verdacht eines Diebstahls oder einer Unterschlagung auch geringwertiger Gegenstände aus dem Eigentum des Arbeitgebers zerstört, so stelle dies grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat daraufhin die Klage durch Urteil vom 26.09.2001 abgewiesen. Es hat die außerordentliche Kündigung vom 10.07.2001 nach den Grundsätzen der Verdachtskündigung für wirksam erachtet. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 40 bis 59 der Akte Bezug genommen.
Gegen das ihr am 31.10.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 09.11.2001 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 09.01.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 10.12.2001 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat bis zum 09.01.2002 einschließlich verlängert worden war. Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, vorliegend sei weder ein dringender Tatverdacht gegeben, noch habe die durchzuführende Interessenabwägung zugunsten der Beklagten enden können.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26.09.2001 wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsvertragsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 10.07.2001, noch die fristlose Kündigung vom 19.07.2001 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, eine das Verhalten der Klägerin wenn auch nicht rechtfertigende, so doch wenigstens erläuternde Ausnahmesituation habe offensichtlich nicht vorgelegen und sei von ihr auch nicht unter Beweis gestellt worden. Hinsichtlich des Tatkomplexes 10.07.2001 fehle es insgesamt an einer Auseinandersetzung mit der streitgegenständlichen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Schließlich wird Bezug genommen auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 25.02.2002.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht die Feststellung verlangen kann, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 10.07.2001 nicht aufgelöst worden ist.
Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 10.07.2001 mit deren Zugang bei der Klägerin am 12.07.2001 beendet worden. Die außerordentliche Kündigung vom 10.07.2001 ist als Verdachtskündigung gem. § 626 BGB wirksam.
Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der §§ 54, 55 BAT, 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht.
Zum anderen muß dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der – in der Regel- vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner, § 626 BGB a.a.O.; DLW-Dörner a.a.O.). Entscheidender Zeitpunkt ist der des Ausspruchs der Kündigung.
Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). „Absolute Kündigungsgründe“, die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG SÄE 1986, S. 5).
Systematisch kann nach Störungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich der Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner und im Unternehmensbereich unterschieden werden.
Der Kündigende ist insoweit darlegungs- und beweispflichtig für Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen, die er vortragen und ggf. beweisen muß, gehören auch diejenigen, die Recht-fertigungs- und Entschuldigungsgründe für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG Der Betrieb 1988, 451). Der Umfang der danach gegebenen Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einläßt. Der Kündigende muß daher nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungsgründe widerlegen. Es reicht nicht aus, daß der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muß deshalb unter genauer Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, oder sich, so wie an sich vorgesehen, zu verhalten, den Sachvortrag des Kündigenden bestreiten. Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (04.06.1964, 14.09.1994 NJW 1964, 1918, NZA 1995, 269; vgl. ausführlich APS-Dörner § 626 BGB Rd.-Nr. 345 ff. m.w.N.), der die Kammer aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit folgt, kann auch der Verdacht einer Straftat oder eines sonstigen Fehlverhaltens ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigter Umstand sein.
Eine Verdachtskündigung setzt danach voraus, dass die Kündigung gerade auf den Verdacht der strafbaren Handlung bzw. eines vertragswidrigen Verhaltens gestützt wird; dies ist vorliegend bei beiden streitgegenständlichen Kündigungen offensichtlich der Fall eine Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung erfolgt ist; zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein dringender Tatverdacht gegen den Arbeitnehmer besteht und im Rahmen der Interessenabwägung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortsetzung zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. vorliegend im Falle der ordentlichen Unkündbarkeit nach Maßgabe des oben dargelegten Prüfungsmaßstabs überwiegt (vgl. DLW-Dörner D Rd.-Nr. 616 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hinsichtlich der ersten außerordentlichen Kündigung davon auszugehen, dass sie rechtswirksam ist und das Arbeitsverhältnis beendet hat.
Die Beklagte hat vorliegend mit der außerordentlichen Kündigung vom 10.07.2001, wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, eine derartige Verdachtskündigung ausgesprochen.
Eine Kündigung ist nach den Maßstäben der Verdachtskündigung zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber sie auch (zumindest hilfsweise) auf den Verdacht gestützt hat. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Kündigung bereits bei Ausspruch als Verdachtskündigung bezeichnet worden ist, vielmehr genügt es, wenn der Kündigende sich in den einer der Tatsacheninstanzen auf den Verdacht als Kündigungsgrund stützt.
Vorliegend hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte im Gütetermin vom 25.07.2001 ausdrücklich klar gestellt hat, dass die Kündigung vom 10.07.2001 sowohl auf eine begangene Unterschlagung, als auch auf einen entsprechenden dringenden Tatverdacht stützt. Folglich ist auch die außerordentliche Kündigung vom 10.07.2001, nicht nur die im Kündigungsschreiben ausdrücklich als Verdachtskündigung bezeichnete außerordentliche Kündigung vom 19.07.2001 nach den Maßstäben der Verdachtskündigung zu beurteilen.
Die Klägerin ist unstreitig vor Ausspruch der Kündigung angehört worden; die Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 18.07.2001 (Bl. 10, 11 d. A.) ist zwar hinsichtlich einiger Details zwischen den Parteien hinsichtlich des Ablaufs streitig, hinsichtlich des Umstandes, dass eine Anhörung durchgeführt worden ist, jedoch nicht.
Mit dem Arbeitsgericht geht die Kammer auch davon aus, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein dringender Tatverdacht gegen die Klägerin bestand, der sich darauf richtete, dass sie am 10.07.2001 den ihr vom „Testkunden“ übergebenen Betrag von 10,00 DM für eine Packung Bitburger Bier unterschlagen hat.
Eine Kassiererin in einem Lebensmittelmarkt, die von einem Kunden Geld kassiert, den Kassiervorgang aber trotz eindeutiger Kassenanweisung nicht registrierte, erzeugt damit jedenfalls dann den Verdacht der Unterschlagung, wenn die Kasse bei Kassenschluss keine entsprechende Plusdifferenz in Höhe des nicht registrierten Betrages ausweist (vgl. LAG Köln 30.07.1999 LAGE § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11; LAG Köln 19.06.1998 LAGE § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9).
Vorliegend hat die Klägerin unstreitig am 10.07.2001 den ihr vom sogenannten „Testkunden“ übergebenen Geldbetrag von 10,00 DM nicht registriert. Weiterhin ergab sich bei der Kassenabrechnung an diesem Tag unstreitig keine Plusdifferenz in Höhe von 10,00 DM, sondern lediglich in Höhe von 5,09 DM. Bereits diese objektiven Umstände begründen Verdachtsmomente dahingehend, dass die Klägerin den ihr übergebenen Betrag unterschlagen hat, während ein bloßes situationsbedingtes Versehen der Klägerin hinsichtlich der unterlassenen Registrierung unter den gegebenen Umständen unwahrscheinlich erscheint.
Die Registrierungspflicht für Kassierer/innen dient auch und gerade dazu, die Entstehung eines derartigen Verdachts von vornherein dadurch zu verhindern, dass die Zuführung des übergebenen Geldbetrages zum Kassenbestand dokumentiert wird. Sie soll also gerade das Aufkeimen jeden Verdachts gegen den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin verhindern. Der Klägerin war aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung mit zudem zuvor selbständiger Tätigkeit in der Branche die Bedeutung dieses Vorgangs ohne weiteres bewusst. Desweiteren war ihr die Pflicht zur unverzüglichen Registrierung von Geldbeträgen, die nach einem abgeschlossenen Kassenvorgang ihr überreicht wurden, durch die von ihr schriftlich bestätigte Übergabe der Kassieranweisung und der Belehrung über den Inhalt nochmals deutlich vor Augen geführt worden. Als sie dennoch am 10.07.2001 den ihr übergebenen Geldbetrag nicht registriert hat, muss ihr dies auch bewusst gewesen sein. Bei der Registrierungspflicht handelt es sich um eine der zentralen Hauptpflichten des Kassierers/der Kassiererin, die von einer Kassenkraft mit langjähriger Berufserfahrung automatisch erfüllt wird, zumal der Zwang zur Aushändigung eines Kassenzettels ohnehin regelmäßig die Registrierung der gekauften Ware voraussetzt. Falls, wie hier, am 10.07.2001 ein Kunde nach dem abgeschlossenen Kassiervorgang noch einen Gegenstand erwerben will und dabei auf einen Kassenzettel verzichtet, kann dagegen zwar eine Registrierung unterbleiben. Das Unterlassen der Registrierung -entgegen dem sonstigen Ablauf des Kassiervorgangs- setzt dann aber notwendigerweise einen entsprechenden Denkvorgang voraus, der einem unbewussten Versehen entgegensteht. Die Klägerin hat auch selbst angegeben, sie könne sich an den Vorgang vom 10.07.2001 gut erinnern. Weiterhin hat sie im Kammertermin, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, eingeräumt, dass zu dieser Zeit kein besonderer Kundenandrang gewesen sei.
Der durch diese objektiven Umstände begründete Verdacht einer Unterschlagung ist vorliegend dringend und geeignet, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören. Der Klägerin wurde unstreitig am 10.07.2001 nach Arbeitsende vom Bezirksleiter Herrn K Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen gegeben. Im Rahmen dieser Anhörung zum Vorwurf der Unterschlagung hat sie unstreitig – wenn auch auf Veranlassung des Bezirksleiters bzw. des Marktleiters – eine handschriftliche Erklärung abgegeben, nach der sie den ihr übergebenen Geldbetrag in die Kasse gelegt und später registriert habe. Diese Einlassung der Klägerin ist bereits dadurch widerlegt, dass der vom Testkunden übergebene Betrag nach der Überprüfung des Bonjournals im Beisein der Klägerin unstreitig zu keinem Zeitpunkt registriert worden war. Jedenfalls aufgrund dieser – widerlegten – Einlassung der Klägerin, sie habe den Betrag später registriert, obwohl ihr der Vorgang gem. den bisherigen Darlegungen bewusst gewesen sein muss, bestand aus Sicht der Beklagten ein dringender Tatverdacht. Dem steht auch nicht entgegen, auch insoweit folgt die Kammer ausdrücklich dem Arbeitsgericht, dass die Klägerin mit Schreiben vom 11.07.2001 ihre handschriftliche Erklärung insoweit über ihren Prozessbevollmächtigten hat widerrufen lassen, als sie angegeben hat, den Betrag später registriert zu haben. Entscheidend ist die spontane Aussage der Klägerin am 10.07.2001 im Rahmen ihrer Anhörung, auch wenn sich die Klägerin angesichts der gegen sie erhobenen Vorwürfe verständlicherweise in einer Drucksituation befunden haben mag. Soweit die Klägerin im Nachhinein ihre Aussage entsprechend geändert hat, nachdem diese hinsichtlich der behaupteten späteren Registrierung bereits durch die Überprüfung des Bonjournals in ihrem Beisein widerlegt worden war, vermag diese nachträgliche Stellungnahme mit Schreiben vom 11.07.2001 den durch die Klägerin selbst hervorgerufenen dringenden Tatverdacht nicht zu entkräften. Die Beklagte hatte bereits mit der der Klägerin am 10.07.2001 gegebenen Gelegenheit zur Stellungnahme ihrer Anhörungspflicht Genüge getan. Damit sind bereits aufgrund des Vorfalls vom 10.07.2001 die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung erfüllt.
Hinzu kommt, dass die Klägerin nicht nur bei dem Testeinkauf am 10.07.2001, sondern auch zuvor bei dem Testeinkauf am 29.06.2001 den ihr vom Testkunden übergebenen Betrag von 15,00 DM unstreitig nicht registriert hatte. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Kasse an diesem Tag eine Plusdifferenz von 1,49 DM – so die Beklagte – oder von 21,49 DM – so die Klägerin – aufgewiesen hatte. Insoweit wird lediglich mit dem Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Klägerin im Kammertermin keine nachvollziehbare Erklärung dafür abgeben konnte, warum das von ihr angeführte Behältnis mit Geldbeträgen aus aufgetretenen Plusdifferenzen, das nach ihren Angaben im Tresor der Supermarktfiliale verwahrt werden soll, bei den von der Beklagten genannten unangemeldeten Überprüfungen der Tresor- und Kassenbestände in unterschiedlichen Zeitabständen durch die Revisionsabteilungen der Beklagten sowie durch die jeweiligen Bezirksleiter nicht festgestellt wurde. Jedenfalls hat die Klägerin unstreitig auch am 29.06.2001 den ihr vom Testkunden übergebenen Geldbetrag von 15,00 DM zu keinem Zeitpunkt registriert. Insoweit ist es, auch dahin folgt die Kammer dem Arbeitsgericht, unwahrscheinlich, dass die Klägerin trotz ihrer langjährigen Erfahrung als Kassiererin sowie trotz der eindeutigen und ihr bekannten Kassieranweisung gerade bei den durchgeführten Testkäufen am 29.06.2001 und am 10.07.2001 zweimal die Registrierung versehentlich vergessen haben will.
Gegen den dringenden Tatverdacht spricht nicht der von der Klägerin angeführte Umstand, dass sie angesichts der bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von zur Zeit 13.884,85 DM kein Motiv dafür habe, durch Unterschlagungen von 10,00 DM-Beträgen ihren gesicherten Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen, mit der Folge, dass die Beklagte dann die noch bestehende Restforderung fällig stelle. Abgesehen davon, dass Unterschlagungen von geringfügigen Beträgen auch bei langjährig beschäftigten Arbeitnehmern ohne finanzielle Schwierigkeiten durchaus vorkommen, liegt erst recht im Falle einer bestehenden Restverbindlichkeit im fünfstelligen Bereich und einem monatlichen Einbehalt vom Gehalt in Höhe von lediglich 100,00 DM zur Tilgung dieser Forderung ein starkes Tatmotiv für eine Unterschlagung von kleineren Geldbeträgen auf der Hand.
Mit dem Arbeitsgericht ist desweiteren davon auszugehen, dass vorliegend eine Abmahnung entbehrlich war. Denn der von der Klägerin hervorgehobene Verdacht der Unterschlagung betrifft den sogenannten Vertrauensbereich. Vorliegend kann von der Beklagten eine Wiederherstellung des für das Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden, so dass auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (04.06.1997 AP-Nr. 137 zu § 626 BGB; 12.08.1999 NZA 2000, 426) eine Abmahnung entbehrlich war. Das folgt aus der Vertrauensstellung der Klägerin als Kassiererin, der bei lediglich geringen Überwachungsmöglichkeiten die von ihr kassierten Geldbeträge anvertraut waren. Aufgrund des Verdachts des schweren Missbrauchs des in die Klägerin gesetzten Vertrauens war es der Beklagten nicht zuzumuten, die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung durch eine Abmahnung zu einer Rückkehr zum vertragsgerechten Verhalten zu bewegen.
Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten am 29.06.2001 und 10.07.2001 durchgeführten „Ehrlichkeitskontrollen“ bzw. „Testeinkäufe“ keinen rechtswidrigen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Klägerin (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) darstellen, weil dieses Persönlichkeitsrecht nicht ohne Schranken gewährleistet wird. Kollidieren schützenswerte betriebliche Interessen des Arbeitgebers mit dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, so ist eine Güter- und Interessenabwägung erforderlich. Hiernach können Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht bei Überwachung des Arbeitnehmers durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG (18.11.1999 NZA 2000, 420) sind sogenannte Ehrlichkeitskontrollen bzw. sonstige Zuverlässigkeitstests dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer derartigen Ehrlichkeitsüberprüfung anzuerkennen ist, das die damit verbundene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers überwiegt.
Vorliegend ist das Persönlichkeitsrecht der Klägerin insoweit beeinträchtigt, als sie am 29.06.2001 und 10.07.2001 heimlich, sowie am 10.07.2001 auch gezielt durch den jeweils von der Beklagten veranlassten Testeinkauf überprüft worden ist. Die Kontrolle der Arbeitsleistung als solches, sowie auch des Verhaltens des Arbeitnehmers gehört allerdings zu den Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht, die im Arbeitsverhältnis unvermeidbar sind. Art und Intensität von Kontrollmaßnahmen müssen allerdings einer Interessenabwägung standhalten. Vorliegend hat die Beklagte ohne Durchführung derartiger Testeinkäufe, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, keine Möglichkeit, die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der von ihr in den einzelnen Filialen eingesetzten Kassierkräfte hinsichtlich der vereinnahmten Geldbeträge festzustellen. Die Beklagte hat ein nachvollziehbares Interesse daran, jedenfalls durch stichprobenartige Kontrollen zu überprüfen, ob und inwieweit die von ihr in den verschiedenen Filialen eingesetzten Kassierer die kassierten Geldbeträge ordnungsgemäß registrieren. Aufgrund der unstreitig unterlassenen Registrierung des der Klägerin vom Testeinkäufer am 29.06.2001 übergebenen Betrages bestand zudem ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Beklagten daran, nunmehr durch ein gezieltes Vorgehen die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Klägerin als Kassenkraft zu überprüfen. Danach beinhaltete auch das gezielte und verdeckte Vorgehen des von der Beklagten beauftragten Testeinkäufers keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin.
Das Arbeitsgericht hat auch schließlich zu Recht angenommen, dass nach Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles es der Beklagten vorliegend nicht zumutbar war, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Im Rahmen der Interessenabwägung sind zugunsten der Klägerin ihr Lebensalter von 53 Jahren zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs und die damit gegebenen schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, eine angemessene neue Anstellung zu finden, sowie die Beschäftigungsdauer von nahezu sieben Jahren bei Zugang der Kündigung zu berücksichtigen. Desweiteren ist der Klägerin der im wesentlichen beanstandungsfreie Verlauf des Arbeitsverhältnisses zugute zu halten. Allerdings fällt vorliegend entscheidend zulasten der Klägerin ins Gewicht, dass ihr als Kassiererin hinsichtlich der vereinnahmten Geldbeträge eine besondere Vertrauensstellung zukommt. Gerade weil der Klägerin die von ihr kassierten Geldbeträge anvertraut sind und der Beklagten nur eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, ist die Beklagte darauf angewiesen, dass die Klägerin als Kassiererin die ihr übergebenen Geldbeträge ordnungsgemäß registriert. Da der Verdacht einer Unterschlagung vorliegend mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit der Klägerin unmittelbar zusammenhängt und der Klägerin gerade hinsichtlich der kassierten Geldbeträge eine besondere Obhutspflicht oblag, kommt es auf die Schadenshöhe nicht an. Der objektiv begründete und außerdem dringende Verdacht führt unter den vorliegenden Umständen zu einem nicht wiederherstellbaren Vertrauensverlust der Beklagten, der ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin auch unter Berücksichtigung von deren Interessen unzumutbar macht.
Die Beklagte hat letztlich auch die 2-Wochen-Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Insoweit wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO auf Seite 22 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 59 d. A.) Bezug genommen.
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes.
In der Berufungsbegründungsschrift vom 09.01.2002 (Bl. 77 d. A.) steht im Mittelpunkt der Kritik an der angefochtenen Entscheidung der Umstand, dass das Arbeitsgericht verpflichtet gewesen sei, der Existenz einer sogenannten Zweitkasse nachzugehen. Dem folgt die Kammer gerade nicht. Es ist letztlich, worauf das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, wesentlich, dass die Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens für die hier maßgebliche Entscheidung unerheblich ist. Entscheidend ist, dass die Klägerin in zwei Fällen, wovon der erste nur ergänzend herangezogen worden ist, eine zentrale Hauptpflicht verletzt hat, die gerade das Eintreten des nunmehr gegebenen Verdachts verhindern soll. Ein Zusammenhang zu einer sogenannten „Zweitkasse“ besteht folglich nicht. Von daher hat diese Frage entgegen der Auffassung der Klägerin gerade keine zentrale Bedeutung.
Im Schriftsatz vom 23.02.2002 stellt die Klägerin dar, dass gezielt gegen sie vorgegangen worden sei. Anhaltspunkte dafür gibt es für den ersten Testkauf jedoch nicht; für den zweiten Testkauf bestand ein vernünftiger Grund, gezielt das Verhalten der Klägerin zu überprüfen; darauf hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen. Soweit in diesem Schriftsatz weitere Ausführungen zu den Testkäufen im tatsächlichen gemacht werden, rechtfertigen sie keine abweichende Beurteilung des maßgeblichen Lebenssachverhaltes. Denn die Klägerin verfügt über eine langjährige Berufserfahrung. Sie war in der konkreten Situation diejenige, die es allein in der Hand hatte, zu gestalten, wie sich der Kassiervorgang entwickelte. Das ein besonderer Kundenandrang herrschte, behauptet sie selbst nicht. Soweit die Klägerin im Übrigen darauf hinweist, es sei eine reine Mutmaßung, wenn davon ausgegangen werde, dass sie die Beträge aus der Kasse entnommen und für sich persönlich eingesteckt habe, ist schließlich darauf hinzuweisen, dass es vorliegend lediglich um den dringenden Verdacht eines derartigen Verhaltens geht, der vorliegend aus den im Einzelnen dargestellten Gründen zu bejahen ist. Auch vermag die Kammer letztlich ein erhebliches Organisationsverschulden der Beklagten nicht zu erkennen; bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die nachvollziehbare Organisation der Beklagten im Gegenteil Testeinkäufe der vorliegenden Art zwingend nach sich zieht.
Abschließend bestand für die Kammer keine Veranlassung, das Berufungsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen die Klägerin eingeleiteten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens (6470 Js 013859/01, Amtsgericht Kaiserslautern) auszusetzen. Denn die Frage, ob ein dringender Tatverdacht die Kündigung vorliegend rechtfertigt, beurteilt sich nach dem Verständnishorizont eines verständigen Arbeitgebers, nicht aber danach, wie dieser Lebenssachverhalt unabhängig davon strafrechtlich durch die Staatsanwaltschaft – das Strafgericht – beurteilt wird. Dies folgt letztlich auch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO, wonach nicht einmal eine strafgerichtliche Verurteilung eine Bindungswirkung außerhalb des Strafverfahrens entfaltet.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.