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Thromboembolie mit beidseitiger Lungenembolie aufgrund Verhütungsmittel?

OLG Karlsruhe – Az.: 4 U 19/19 – Urteil vom 25.06.2021

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 20.12.2018, Az. 1 O 73/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung jeweils abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 250.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche gemäß § 84 AMG.

Die Klägerin erlitt am 11.07.2009 eine venöse Thromboembolie mit beidseitiger Lungenembolie und schweren gesundheitlichen Folgen. Sie führt diese auf das von der Beklagten hergestellte Verhütungsmittel Yasminelle zurück, welches die Klägerin seit Oktober 2008 einnahm. Dafür streitet nach Auffassung der Klägerin jedenfalls die in § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG geregelte Kausalitätsvermutung. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie habe unzureichend auf das durch Yasminelle erhöhte Thromboserisiko hingewiesen, dieses stehe außerdem außer Verhältnis zu den medizinischen Vorteilen des Wirkstoffs Drospirenon. Die Beklagte bestreitet die Ursächlichkeit von Yasminelle für die Embolie und verweist auf eine von der Klägerin vom 19.02.2009 bis 11.03.2009unternommene Fernreise mit Langstreckenflügen und auf eine angeborene Venenanomalie der Klägerin (gedoppelte Vena cava inferior). Beide kämen als Alternativursache in Betracht, so dass sich die Klägerin gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG auch nicht auf die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG berufen könne. Im Übrigen seien die Risikohinweise in der Packungsbeilage und die Risiko-Nutzen-Relation des Arzneimittels nicht zu beanstanden. Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Feststellungen des Landgerichts verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage − sachverständig beraten durch den Sachverständigen Prof. Dr. X − als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, es bestehe weder ein Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG noch ein solcher aus § 823 Abs. 1 BGB, da die (Mit-)Ursächlichkeit des Arzneimittels Yasminelle für die von der Klägerin erlittene Thromboembolie nicht nachgewiesen sei. Es sei möglich, dass diese nur auf den vorangegangenen Langstreckenflügen oder auf der Venenanomalie der Klägerin im Zusammenwirken mit den Langstreckenflügen beruhe. An dieser Möglichkeit scheitere nicht nur der von der Klägerin im Rahmen der §§ 84 Abs. 1 AMG, 823 Abs. 1 BGB zu erbringende Kausalitätsnachweis, sondern gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG auch die Anwendbarkeit der in § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG normierten Kausalitätsvermutung. Es sei zwar − was zwischen den Parteien auch unstreitig ist − konkret möglich, dass die venöse Thromboembolie auf der Anwendung von Yasminelle beruhe, weshalb die tatsächlichen Voraussetzungen der Kausalitätsvermutung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG gegeben seien. Ebenso sei jedoch möglich, dass die Embolie allein auf der Flugreise bzw. ihrem Zusammenwirken mit der Venenanomalie beruhe, weshalb die für die Klägerin streitende Kausalitätsvermutung hier gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG unanwendbar sei. Gemessen an der vom Sachverständigen referierten Studie von Hughes liege die Wahrscheinlichkeit, dass eine Flugreise ohne Hinzutreten eines weiteren Risikofaktors zu einer Thrombose führe, zwar nur bei 1/878, jedoch spreche für die Ursächlichkeit von Yasminelle schließlich auch nur eine Wahrscheinlichkeit von 0,09 – 0,12 Prozent; für das Eingreifen und den Ausschluss der Kausalitätsvermutung seien gleiche Maßstäbe anzulegen. Hinzu komme die Venenanomalie der Klägerin, die nach den Ausführungen des Sachverständigen zwar ein weniger bedeutsamer Risikofaktor sei, sich aber mit dem Risikofaktor Flugreise potenziere und dadurch die Möglichkeit verstärke, dass die venöse Thromboembolie ausschließlich auf anderen Ursachen als der Anwendung von Yasminelle beruhe. Die Klage sei deshalb mangels Nachweises der Kausalität zwischen der Einnahme des Verhütungsmittels und dem eingetretenen Schaden abzuweisen, ohne dass es auf die weiteren Tatbestandsmerkmale eines Schadensersatzanspruchs nach § 84 AMG bzw. § 823 Abs. 1 BGB ankomme.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Die Klägerin macht geltend, das Landgericht habe sich, soweit es den Kausalitätsnachweis für nicht geführt halte, über die Ausführungen des Sachverständigen hinweggesetzt; dieser habe die Mitursächlichkeit von Yasminelle ausdrücklich bejaht. Ferner habe das Landgericht die Grundsätze des Anscheinsbeweises verkannt und zu Unrecht nicht angewendet. Es sei evident, dass die Thromboembolie auf der Einnahme von Yasminelle beruhe. Dass die Thromboembolie allein auf der Flugreise und/oder der Venenanomalie beruhe, die Anwendung von Yasminelle also nicht einmal mitursächlich gewesen sei, sei eine rein denktheoretische, praktisch aber zu vernachlässigende Möglichkeit. Auch dies habe der Sachverständige zum Ausdruck gebracht und entspreche im Übrigen auch der schwachen statistischen Datenlage zur Risikoträchtigkeit von Flugreisen bzw. der Venenanomalie. Wie der Sachverständige ausgeführt habe, sei das Phänomen „Reisethrombose“ nicht nach harten statistischen Regeln belegt. Unabhängig davon habe das Landgericht bei seinem Wahrscheinlichkeitsvergleich fehlerhaft nur auf die Studie von Hughes abgestellt, nicht aber auf die vom Sachverständigen ebenfalls referierte Studie von Schwarz, welche bei 994 Flugreisenden keinen einzigen Probanden festgestellt habe, der ohne Vorliegen eines weiteren Risikofaktors eine Thrombose erlitten habe. Es sei deshalb falsch, der Wahrscheinlichkeit, dass die Thrombose auf der Einnahme von Yasminelle beruhe, eine Wahrscheinlichkeit von 1/878 gegenüber zu stellen, mit der die Thrombose auf der Flugreise beruhe. Hinzu komme, dass die bei der Klägerin diagnostizierte Leisten-Beckenthrombose von der Lokalisation her – auch dies habe der Sachverständige ausgeführt – atypisch für eine Flugreise sei. Dass die Thrombose in der Leistenvene entstanden sei, könne nicht festgestellt, insbesondere nicht daraus abgeleitet werden, dass − unstreitig − die Venenklappen der Klägerin in der Leistenvene zerstört seien. Diese Zerstörung könne auch eine Folge der Embolie sein oder darauf beruhen, dass bei der Operation nach dem Zusammenbruch der Klägerin zwei sog. Cavaschirmchen in die Leistenvene eingeführt worden seien. Sie besage daher nichts über den Entstehungsort des Thrombus. Was die Venenanomalie der Klägerin angehe, so habe der Sachverständige diese als einen zu vernachlässigenden Risikofaktor bewertet.

Thromboembolie mit beidseitiger Lungenembolie aufgrund Verhütungsmittel?
(Symbolfoto: Von Lightspring/Shutterstock.com)

Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des LG Waldshut-Tiengen, dortiges Aktenzeichen 1 O 73/12, vom 20.12.2018 wie folgt verurteilt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin aufgrund der Nachteile, die ihr durch die Einnahme des drospirenonhaltigen Kontrazeptivums „Yasminelle“ entstanden sind, ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 17.05.2010 zu bezahlen. Das Schmerzensgeld wird für den Fall der Säumnis mit 200.000,00 € angegeben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden, die der Klägerin aufgrund der Einnahme des drospirenonhaltigen Kontrazeptivums „Yasminelle“ (Einnahmezeitraum Oktober 2008 bis Juli 2009) entstanden sind und entstehen werden, soweit die diesbezüglichen Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden, zu ersetzen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin aufgrund außergerichtlich angefallener Rechtsanwaltsgebühren einen Betrag in Höhe von 4.626,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Tatsachenfeststellung des Landgerichts sei zutreffend. Die Klägerin missdeute die Ausführungen des Sachverständigen zu ihren Gunsten und verabsolutiere eine einzelne ungenaue Formulierung, wenn sie meine, der Sachverständige habe die Ursächlichkeit von Yasminelle als gesichert festgestellt. Bei Gesamtschau seiner Ausführungen habe das Landgericht den Sachverständigen richtig verstanden. Soweit die Berufung rüge, das Landgericht habe den Wahrscheinlichkeitsgrad der Alternativursache Flugreise zu hoch berechnet, sei in rechtlicher Hinsicht zu beachten, dass das Gesetz für die die Kausalitätsvermutung zerstörende Alternativursache i.S.v. § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG keinen Mindestwahrscheinlichkeitsgrad verlange, sondern nur die konkrete Eignung, den Schaden zu verursachen. Das Gesetz kenne den Begriff „theoretische Möglichkeit“ nicht; es verlange vielmehr die Feststellung der Schadenseignung „nach den Gegebenheiten des Einzelfalls“, was der BGH unter dem Begriff der „konkreten Möglichkeit“ zusammengefasst habe und als Möglichkeit im konkreten Fall zu verstehen sei. Die konkrete Eignung zur Schadensverursachung habe das Landgericht zu Recht und im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen sowohl für die Flugreise als auch für die Venenanomalie bejaht. Letztere schlage zumindest als unselbstständiger Risikofaktor zu Buche, zumal es bei mehreren Risikofaktoren zu einer Überaddition komme.

Wegen weiterer Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der Berufungsverhandlung sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Der Senat hat weiteren Beweis erhoben, indem er den Sachverständigen Prof. Dr. X zur Erläuterung und Klarstellung seiner bisherigen Äußerungen und zu den Einwendungen der Berufung angehört hat. Auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 04.05.2021 wird verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Das Landgericht hat Ansprüche aus § 84 AMG zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung verneint (dazu unter 1.). Auch aus § 823 Abs. 1 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 AMG lässt sich der Klageanspruch nicht ableiten (dazu unter 2. und 3.).

1. Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch aus § 84 AMG.

a) § 84 Abs. 1 AMG gewährt − unbeschadet aller weiteren Anspruchsvoraussetzungen − nur dann einen Schadensersatzanspruch, wenn infolge der Anwendung eines Arzneimittels ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt worden ist. Ein aus § 84 Abs. 1 AMG abgeleiteter Anspruch erfordert mithin den Kausalitätsvollbeweis. Dieser setzt die Überzeugung des Gerichts voraus, dass der geltend gemachte Gesundheitsschaden entfällt, wenn man die Arzneimittelanwendung hinwegdenkt (conditio-sine-qua-non-Formel, vgl. Brock/Stoll in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Auflage 2016, § 84 Rn. 33, 34; BeckOGK/Franzki, 15.04.2021, AMG § 84 Rn. 51). Erforderlich ist eine generelle Schadenseignung des Arzneimittels und der Nachweis der konkreten Kausalität im Einzelfall (Brock/Stoll, a.a.O., § 84 Rn. 33). Dabei steht eine Mitursächlichkeit der Arzneimittelanwendung, und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich gleich (BGH, Urteil vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09 −, juris Rn. 12). Ferner gilt der Kausalitätsnachweis nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises auch dann als geführt, wenn das Schadensereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung eine typische Folge der Pflichtverletzung darstellt (BGH, a.a.O., Rn. 16).

Diesen Nachweis hält das Landgericht zu Recht für nicht geführt. Die dagegen gerichteten Berufungsangriffe gehen fehl.

aa) Das Landgericht hat die Ausführungen des Sachverständigen richtig verstanden und gewürdigt.

(1) Der Vorwurf der Berufung, der Sachverständige habe die Mitursächlichkeit von Yasminelle festgestellt und das Landgericht dies übergangen, ist nicht berechtigt. Der Sachverständige hat zwar deutlich gemacht, dass die Anwendung des Verhütungsmittels Yasminelle ein Thromboserisikofaktor und es (gut) möglich und sogar wahrscheinlich ist, dass dieser hier zumindest mitursächlich war. Dass die (Mit-)Ursächlichkeit von Yasminelle feststehe, hat der Sachverständige hingegen, wenn man auf die Gesamtheit seiner Ausführungen blickt, nicht ausgeführt. Die von der Berufung isoliert herausgegriffene Passage aus dem Ergänzungsgutachten vom 11.07.2018 (dort S. 2 unter II. Nr. 3), die Einnahme von Yasminelle habe „das Krankheitsbild verursacht oder zumindest mitverursacht“, ist bei Berücksichtigung sämtlicher sonstiger Darlegungen des Sachverständigen zu dieser Frage als „Ausreißer“ bzw. als untechnisch gemeinte Ausdrucksweise zu werten. So hat der Sachverständige die Tabletteneinnahme bereits erstinstanzlich an anderer Stelle als bloßen „Risikofaktor“ (II. 2. des Ergänzungsgutachtens) und ihre Mitursächlichkeit (nur) als „wahrscheinlich“ (Protokoll vom 18.10.2018, S. 10) bezeichnet. Auch in der Berufungsverhandlung hat er auf Vorhalt (endgültig) klargestellt, dass die Ursächlichkeit der Yasminelle-Anwendung für die von der Klägerin erlittene Thromboembolie nicht gesichert und seine o.g. Äußerung so auch nicht gemeint gewesen sei, sondern auch andere (alleinige) Ursachen in Betracht kämen (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 11/12).

(2) Die vorübergehend aufgetretene mögliche Unklarheit über den Standpunkt des Sachverständigen ist rein semantischer Natur und stellt die Überzeugungskraft seines Gutachtens nicht in Frage. Nach Anhörung des Sachverständigen in der Berufungsverhandlung hat der Senat keinerlei Zweifel daran, dass der Sachverständige die von ihm zu beurteilenden Kausalitätsfragen zutreffend aufgefasst und geprüft hat. Seine – einmalige – Formulierung, Yasminelle habe die Embolie „verursacht oder zumindest mitverursacht“, ist im Übrigen vor dem Hintergrund zu sehen, dass ihm für die Fertigung des Ausgangs- und des Ergänzungsgutachtens keine genauen Vorgaben dazu gemacht worden waren, von welchem Kausalitätsbegriff er auszugehen habe, und dass er seine (vermeintliche) Feststellung, Yasminelle habe die Embolie „verursacht oder zumindest mitverursacht“ auf das RIETE Register sowie die ACCP-Richtlinien zur Thromboseprophylaxe gestützt hat (Ergänzungsgutachten II. 2.), also nur auf statistische Risikozusammenhänge und Präventionsrichtlinien. Aus präventiv-medizinischer Sicht mag es indes durchaus naheliegen, auch solche Umstände als „Mitursachen“ eines Krankheitsbildes zu bezeichnen, die einer einzelfallbezogenen juristischen Kausalitätsprüfung anhand der conditio-sine-qua-non-Formel zwar nicht standhalten, aber immerhin vermeidenswerte Risikofaktoren darstellen. In diesem Sinne „verursacht“ z.B. Rauchen Krebs bzw. der übermäßige Zuckerkonsum Karies und Diabetes, nicht aber in einem juristisch-haftungsrechtlichen Sinne (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Dezember 2002 – 14 U 99/02; LG Arnsberg, Urteil vom 14. November 2003 – 2 O 294/02; jeweils nach juris). Eine Beurteilung der Kausalitätsfrage anhand der conditio-sine-qua-non-Formel wurde dem Sachverständigen erstmals bei seiner Anhörung durch das Landgericht am 02.08.2018 abverlangt. Dort hat er die Mitursächlichkeit der Tabletteneinnahme nur als „wahrscheinlich“ (Protokoll vom 18.10.2018, S. 10) bezeichnet. Ebenso äußerte er sich im Ergebnis bei seiner Anhörung durch den Senat.

(3) Dass die Kausalität im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel nicht nachgewiesen ist und der Sachverständige auch nichts Anderes zum Ausdruck bringen wollte, folgt im Übrigen auch daraus, dass seinen Ausführungen zufolge 40 % aller Thrombosen idiopathisch, d.h. ohne eine nach derzeitigem Stand der Wissenschaft fassbare Ursache auftreten. Es liegt daher auch ohne Berücksichtigung der Flugreise und der Venenanomalie auf der Hand, dass die von der Klägerin erlittene Embolie nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfällt, wenn man die Anwendung von Yasminelle hinwegdenkt.

bb) Die Rüge der Berufung, das Landgericht habe die Grundsätze des Anscheinsbeweises verkannt, geht ebenfalls fehl.

Ein Kausalzusammenhang zwischen der Anwendung von Yasminelle und der Thromboembolie der Klägerin kann nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises festgestellt werden. Dieser setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, also einen bestimmten Tatbestand, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Es kann aber bereits keine Rede davon sein, dass die Einnahme von Yasminelle „typischerweise“ zu einer Thrombose führt oder eine solche im Falle der Einnahme von Yasminelle „typischerweise“ darauf beruht. Allein eine Risikoerhöhung reicht nicht aus (vgl. hier und im Folgenden BGH, Urteil vom 26. März 2013 − VI ZR 109/12 −, juris Rn. 27-28). Im Übrigen wird der Beweis des ersten Anscheins durch feststehende (erwiesene oder unstreitige) Tatsachen entkräftet, nach welchen die Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ernsthaft in Betracht kommt. Von einer solchen ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ist das Landgericht hier zu Recht ausgegangen (so auch BeckOGK/Franzki, 15.04.2021, AMG § 84 Rn. 115). Dies gilt bereits deshalb, weil Thrombosen oft auch idiopathisch vorkommen, aber auch im Hinblick auf die weiteren Risikofaktoren, die im vorliegenden Fall gegeben waren (dazu im Folgenden unter b)). Ein Arzneimittel ist nur dann im konkreten Einzelfall als Schadensursache gemäß § 84 Abs. 1 AMG anzusehen, wenn andere Schadensursachen zuverlässig ausgeschlossen werden können (Brock/Stoll in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Auflage 2016, § 84 Rn. 47 unter Hinweis auf OLG Saarbrücken, Urteil vom 09. April 2014 − 2 U 40/13 −, BeckRS 2015, 2303 und OLG Köln, Urteil vom 24. Januar 2007 – 5 U 6/04 −, juris Rn. 15).

b) Die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG hat das Landgericht zu Recht nicht angewendet. Zwar war – was zwischen den Parteien außer Streit steht – die Anwendung von Yasminelle grundsätzlich geeignet, die Thromboembolie zu verursachen (§ 84 Abs. 2 Satz 1 AMG). Im Fall der Klägerin kommt jedoch auch ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls als Alleinursache in Betracht, so dass die Kausalitätsvermutung nicht zur Anwendung kommt (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AMG).

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aa) Folgt man der Auffassung von Brock/Stoll (in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Auflage 2016, § 84 Rn. 121), so liegt ein solcher „anderer Umstand“ bereits darin, dass 40 % aller Thrombosen idiopathisch, d.h. ohne fassbare Ursache auftreten. Immerhin stehe in einem solchen Fall (so Brock/Stoll a.a.O.) „fest, dass es einen anderen Umstand gibt, der geeignet ist, den Schaden zu verursachen, er lässt sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nur nicht bezeichnen“. Tendenziell in dieselbe Richtung deutet die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 02.06.2021 vorgetragene Argumentation.

Ob diesem Ansatz zu folgen ist, hält der Senat indes für fraglich. Der Gesetzeswortlaut legt nahe, dass § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG eine konkret zu benennende Alternativursache voraussetzt. Dafür spricht ferner die Absicht des Gesetzgebers, die Beweissituation des Geschädigten durch die Gesamtregelung in § 84 Abs. 2 AMG spürbar zu verbessern. Käme ihm die haftungsbegründende Kausalitätsvermutung nur dann zugute, wenn eine andere Schadensursache als die Arzneimittelanwendung ohnehin unter keinem Aspekt ersichtlich ist (sei es als konkrete, sei es als „unbenannte“ Alternativursache), so liefe § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG in einem vom Gesetzgeber schwerlich gewollten Ausmaß, wenn nicht sogar vollständig leer. Denn in den allermeisten dann noch für § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG verbleibenden Fällen würde sich ohnehin bereits der Kausalitätsbeweis nach § 84 Abs. 1 AMG (im Ausschlussverfahren) führen lassen.

Der Senat kann aber letztlich offenlassen, wie der Umstand, dass 40 % aller Thrombosen idiopathisch auftreten, im Rahmen des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG rechtlich zu würdigen ist. Denn selbst wenn man diese Rechtsfrage nicht im Sinne der Beklagten beantwortet, ist die Klage unbegründet.

bb) Auch wenn man der Auffassung von Brock/Stoll nicht folgt, ist die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG hier nämlich unanwendbar, da durchaus konkret benennbare taugliche Alternativursachen vorliegen (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AMG) in Gestalt der von der Klägerin unternommenen Flugreise und der angeborenen Venenanomalie.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine die Vermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG ausschließende Alternativursache nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG ausreichend konkrete, den Gegebenheiten des Einzelfalles entsprechende Feststellungen dahingehend voraus, dass sie geeignet ist, allein (oder im Zusammenwirken mit anderen, dem in Anspruch genommenen pharmazeutischen Unternehmer ebenfalls nicht zuzurechnenden Ursachen) den geltend gemachten Schaden herbeizuführen. Es gilt insoweit ein entsprechender Prüfungsmaßstab, wie er in § 84 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AMG für die Feststellung der Schadenseignung aufgestellt ist (BGH, Urteil vom 26. März 2013 – VI ZR 109/12 –, juris Rn. 17), wobei die Eignung auf Grund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden muss (BGH, a.a.O., Rn. 16) und eine nur „abstrakte“ Möglichkeit der Schadenverursachung für den Ausschluss der Kausalitätsvermutung nicht genügt (BGH, Urteil vom 26. März 2013 – VI ZR 109/12 –, juris Rn. 21). Nach der Gesetzesbegründung soll die Kausalitätsvermutung nicht gelten, wenn nach den Gegebenheiten des Einzelfalls ein anderer Umstand als das Arzneimittel als geeignete Schadensursache „in Betracht kommt“ (BT-Drs. 14/7752, S. 19).

Dabei gliedert sich die Prüfung der konkreten Eignung einer Alternativursache im Rahmen von § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG grundsätzlich in zwei Schritte: Zunächst ist die generelle Verursachungseignung der Alternativursache festzustellen; anschließend ist zu untersuchen, ob es nach den Umständen des Einzelfalls als konkret möglich angesehen werden muss, dass die generell geeignete Alternativursache den Schaden verursacht hat. Von der generellen Verursachungseignung der Alternativursache muss das Gericht, damit § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG greift, überzeugt sein (§ 286 ZPO). Der Kausalzusammenhang als solcher zwischen Alternativursache und Schaden muss hingegen nur (konkret) möglich sein. Ausreichend ist insoweit der Nachweis der Möglichkeit der Schadensverursachung, nicht erforderlich ist also ein Vollbeweis der Kausalität (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. Februar 2011 – 13 U 128/08 –, juris Rn. 22 zu den insoweit identischen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG).

(2) Mit dem Begriff der „Eignung“ hat der Gesetzgeber sich hinsichtlich des möglichen Ursachenzusammenhangs weder auf eine bestimmte Evidenzklasse festgelegt (vgl. zu den verschiedenen Evidenzklassen in der Medizin z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Evidenzgrad und Feddersen GRUR 2013, 127, 132 unter IV. 2.) noch hat er einen numerus clausus an Beweismitteln geschaffen. Selbst im Rahmen des Kausalitätsnachweises nach § 84 Abs. 1 AMG ist anerkannt, dass für die im ersten Schritt zu prüfende „generelle Schadenseignung“ auf klinische Prüfungen, Beobachtungsstudien und Einzelfallberichte zurückgegriffen werden kann, ehe im nächsten Prüfungsschritt („konkrete Kausalität“) die konkreten Einzelfallumstände mit dem so gewonnenen Erfahrungssatz abgeglichen und sodann Alternativursachen ausgeschlossen werden (Brock/Stoll in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2016, § 84 Rn. 36 ff.). Auch dort müssen mithin die für den Ursachenzusammenhang sprechenden statistischen Erkenntnisse nicht einer bestimmten Evidenzklasse angehören. Dies muss auch im Rahmen von § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG gelten.

Auch der Gesetzeszweck gebietet es nicht, die „Eignung“ eines anderen Umstandes im Sinne von § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG stets an hochwertige großangelegte Studien zu knüpfen. Die Anforderungen an den Nachweis eines anderen Umstandes dürfen vielmehr auch insofern nicht überspannt werden, als damit zugleich auch diejenigen an den vom Geschädigten im Rahmen des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG zu erbringenden Nachweis verschärft würden. Denn die geringen Anforderungen an den Ausschluss der Kausalitätsvermutung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG korrespondieren mit den geringen Anforderungen an ihr Eingreifen nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG (BGH, Urteil vom 26. März 2013 – VI ZR 109/12 –, juris Rn. 23). Würde man dem Geschädigten die Kausalitätsvermutung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG nur dann zugutehalten, wenn er die Schadenseignung des Arzneimittels statistisch „hart“ belegen kann, widerspräche dies der Absicht des Gesetzgebers, die Beweisnot des Geschädigten spürbar zu lindern. Statistisch „hart“ gesicherte Erkenntnisse − gar im Sinne von randomisierten Doppelblindstudien nach dem wissenschaftlichen „Goldstandard“ − sind daher keine Eingangsvoraussetzung für die Kausalitätsvermutung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG.

So liegt es z.B. auf der Hand, dass die Vermutung je nach Lage des Einzelfalls bereits dann greifen kann, wenn zwar keine „Goldstandard-Studie“ vorliegt, dafür aber innerhalb kurzer Zeit viele (bloße) ärztliche Fallberichte bekannt werden, die alle mit hoher Plausibilität auf denselben Ursachenzusammenhang hinweisen. Ebenso verhält es sich, wenn über einen bestimmten Ursachenzusammenhang auch ohne „Goldstandard-Studie“ bereits ein allgemeiner wissenschaftlicher Konsens herrscht, weil der Zusammenhang plausibel ist und den − immerhin − vorliegenden Daten entspricht. Denn der Sachverständige hat ausgeführt, es sei in der Medizin nicht ungewöhnlich, dass Krankheitsbilder auch ohne „harte“ statistische Daten allgemein angenommen werden (Protokoll der Hauptverhandlung S. 4), und der Anwendungsbereich des § 84 Abs. 2 AMG würde allzu sehr eingeengt, wenn man dort alle Fälle außer Betracht ließe, in denen die Fachwelt − gerade wegen der hohen Plausibilität − eine „Goldstandard“-Studie für entbehrlich hält und eine solche dann in aller Regel (weil unwirtschaftlich) auch nicht durchgeführt wird. Auch sonst ist allgemein anerkannt, dass das Gericht, wenn wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse nicht vorliegen, auf minder sichere fachliche Erfahrungen zurückgreifen kann (Ahrens in: Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 1. Auflage 2015, Kapitel 45, Rn. 27), insbesondere auf vom Sachverständigen referiertes klinisches Erfahrungswissen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. April 2004 – 7 U 1/03 –, Leitsatz nach juris).

All dies gilt dann folgerichtig aber nicht nur für die Anforderungen nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG, sondern auch für die – insoweit gleich auszulegenden – Anforderungen an die Alternativursache nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG. Es genügt daher ein plausibler Zusammenhang, der statistisch zumindest insofern belegt sein muss, als es sich nicht um eine bloße Vermutung im Sinne einer ungesicherten Hypothese handeln darf (Rehmann, AMG, 5. Aufl. 2020, § 84 Rn. 8; BeckOGK/Franzki, 15.04.2021, AMG § 84 Rn. 109; OLG Frankfurt, Urteil vom 10. April 2003 – 3 U 30/00 –, juris).

cc) Nach diesen Grundsätzen liegen hier konkrete anderweitige Umstände i.S.v. § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG vor, nämlich die von der Klägerin unternommene Flugfernreise, bereits für sich allein genommen, erst recht aber im Zusammenwirken mit der angeborenen Venenanomalie.

Beide Faktoren sind sowohl generell − dazu unter (1) − als auch konkret im vorliegenden Fall − dazu unter (2) − geeignet, die bei der Klägerin aufgetretene venöse Thromboembolie unabhängig von der Anwendung des Arzneimittels Yasminelle zu erklären.

(1) Die von der Klägerin durchgeführte Flugreise ist bereits für sich genommen, erst recht aber im Zusammenwirken mit der Venenanomalie ein generell zur Herbeiführung einer Thrombose geeigneter Umstand.

(a) Langstreckenflüge hat der Sachverständige in seinem Gutachten vom 08.09.2017 als eine in der Medizin anerkannte potentielle Thromboseursache qualifiziert und hieran sowohl in seiner Anhörung vor dem Landgericht als auch in der Berufungsverhandlung festgehalten. Er hat ausgeführt, dass Reisethrombosen selten seien, es daher nur wenige Studien mit ausreichender Fallzahl gebe und „harte statistische Regeln“ daher nicht anwendbar seien (Protokoll der Berufungsverhandlung, S. 2 und 4). Ungeachtet der schwachen Datenlage herrsche aber wissenschaftlicher Konsens darüber, dass Langstreckenflüge Reisethrombosen verursachen könnten (Gutachten vom 08.09.2017, S. 9; Protokoll der Berufungsverhandlung S. 4). Er hat hierzu auf umfangreiches Schrifttum und auf eine Studie von Hughes Bezug genommen (Lancet 2003, 362, 2039 ff.); dort werde beschrieben, dass neun von 878 untersuchten Langstreckenreisenden eine Thromboembolie erlitten hätten, davon zwei (so der Sachverständige in der Berufungsverhandlung, Protokoll S. 2) ohne jeglichen derzeit bekannten Risikofaktor. Ferner hat er ausgeführt, dass es sich bei der Reisethrombose ungeachtet der „etwas unbefriedigenden Studienlage“ um ein medizinisch anerkanntes Krankheitsbild handle (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 4) und ein Zusammenhang zwischen Flugreisen und Thrombosebildung von der Medizin allgemein für schlüssig und plausibel gehalten werde; es sei „bekannt, dass Reisen zu einer Lungenembolie führen können“ (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 8). Dies gelte sowohl für Muskelvenenthrombosen als auch − wie insbesondere das US-amerikanische Schrifttum belege − für die Leitvenenthrombose (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 4). Es handle sich um allgemeines medizinisches Erfahrungswissen. Trotz der unbefriedigenden Datenlage sei − so der Sachverständige − die Flugreise als Risikofaktor anerkannt mit der Folge, dass unter bestimmten Umständen die Gabe von Heparin oder die Anlegung spezieller Strümpfe vor dem Antritt einer Flugreise empfohlen werde. Dass derartige Prophylaxemaßnahmen nur für Risikopatienten wie z.B. frisch Operierte oder Personen mit Gips empfohlen würden, bedeute dabei nicht, dass andere Personen durch eine Flugreise kein Thromboserisiko eingingen, sondern beruhe darauf, dass die Risiken, mit denen die Heparingabe bzw. die Anlegung von Stützstrümpfen ihrerseits einhergehen, gegen das Thromboserisiko abzuwägen seien. Hierzu erklärte der Sachverständige (insoweit unvollständig protokolliert, vgl. Protokoll der Berufungsverhandlung, S. 4), dass auch bei nicht prädisponierten Personen eine Flugreise zu einem signifikanten Thromboserisiko führe, man bei ihnen aber darauf achten müsse, dass man nicht durch Heparin bzw. Stützstrümpfe „mehr schadet als nützt“. Insgesamt sind seine Ausführungen durchgängig davon geprägt, dass er die von der Klägerin unternommenen Langstreckenflüge – wenngleich mit variierenden Formulierungen – für sich allein genommen für geeignet hält, die Thrombose unabhängig davon zu erklären, dass die Klägerin Yasminelle-Anwenderin war. Dies hält der Senat angesichts des (immerhin) vorliegenden Datenmaterials und des vom Sachverständigen referierten allgemeinen medizinischen Konsenses für überzeugend.

(b) Die Venenanomalie der Klägerin (gedoppelte Vena cava inferior) bezeichnete der Sachverständige – rein abstrakt – ebenfalls als Risikofaktor für die Entstehung einer Thrombose. Eine Erhöhung des Thromboserisikos aufgrund möglicher daraus resultierender Strömungsanomalien sei grundsätzlich plausibel. Die Datenlage bezüglich der Thromboseträchtigkeit einer gedoppelten Vena cava inferior sei indes noch wesentlich schlechter als bei der Reisethrombose; es gebe hier nur 26 Fallberichte. Deshalb − und angesichts des im Falle der Klägerin fehlenden Kaliberunterschiedes der gedoppelten Vena cava inferior − gehe das Risikopotential der Venenanomalie der Klägerin hier gegen Null, als alleinigen Risikofaktor halte er die Venenanomalie nicht für geeignet, die venöse Thromboembolie auszulösen.

Der Sachverständige hat indes auch ausgeführt, dass der doppelten Vena cava inferior im Zusammenwirken mit der Flugreise durchaus Relevanz zukommt. Auch auf intensive Nachfrage hat er daran festgehalten, dass die Bedeutung der doppelten Vena cava inferior für die Gefahr einer Thrombose nicht gleich Null, sondern „mehr als Null“ sei (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 10). Denn es handle sich immerhin um nicht normale anatomische Verhältnisse − einen in Bezug auf eine Vene pathologischen Befund −, so dass nicht ganz ausgeschlossen werden könne, dass diese Anomalie jedenfalls im Zusammenwirken mit einem anderen Umstand geeignet gewesen sei, die Thrombose auszulösen. Hierfür spreche auch die Lokalisation der Thrombose gerade auch in dem linken Schenkel der Vena cava inferior (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 10). Unabhängig davon, ob sich die Thrombose dort initial gebildet hat − dazu siehe unten unter dd) (3) und die Ausführungen des Sachverständigen (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 10) − hält der Senat mit dem Sachverständigen diese Lokalisation für bemerkenswert. Wörtlich erklärte er: „Man kann das so sagen, dass der Kick, den hier die Venenanomalie mitbringt, in Bezug auf die thrombogene Reaktion allein betrachtet nicht groß genug ist. Der Kick, um eine Thrombose auszulösen, muss größer sein und von einem weiteren Risikofaktor quasi beigetragen werden (..). Als alleinigen Risikofaktor halte ich die Venenanomalie nicht für geeignet. In Kombination mit dem Risikofaktor Langstreckenflüge kann ich eine Geeignetheit nicht ausschließen“ (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 9). Dies genügt für die Annahme einer Geeignetheit im konkreten Fall, da insoweit auch einem bloßen Auslöser neben erheblichen anderen Umständen (BGH, Urteil vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09 −, juris Rn. 12) oder auch einem letzten „i-Tüpfelchen“, das sich ungünstig ausgewirkt haben kann (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. Februar 2011 – 13 U 128/08 –, juris Rn. 24 a.E., 25), mögliche mitursächliche Bedeutung zukommt. Der Senat hält daher die Venenanomalie für eine generell geeignete (unselbstständige) Thromboseursache.

Dies gilt umso mehr, als es − so der Sachverständige − nach geläufiger medizinischer Ansicht beim Zusammenwirken zweier Risikofaktoren zu einer „Überaddition“ komme, d.h. die sich beim Zusammenwirken zweier Risikofaktoren ergebende Gesamtwahrscheinlichkeit über der Summe der beiden Einzelwahrscheinlichkeiten liege. Das Phänomen der Überaddition sei zwar – so erklärte der Sachverständige − nur für erblich bedingte Risikofaktoren statistisch gut belegt, entspreche aber auch im Übrigen dem allgemeinen wissenschaftlichen Konsens, insbesondere auch der einschlägigen Prophylaxe-Richtlinie zur doppelten Vena cava inferior (Protokoll der Berufungsverhandlung, S. 11).

(2) Die vorgenannten Umstände waren auch konkret und in Anbetracht der vorliegenden Einzelfallumstände geeignet, die Thromboembolie − bei Hinwegdenken der Yasminelle-Anwendung – zu verursachen.

Die Klägerin war am 19.02.2009 von Zürich über Katar nach Bangkok geflogen sowie am 11.03.2009 von Bangkok über Dakar nach Zürich, ehe sie ab Ende März 2009 bei alltäglichen Arbeiten eine schnelle Erschöpfung verspürte und teilweise unter Atemnot litt. Diese Symptome hat der Sachverständige plausibel als typische Anzeichen kleiner rezidivierender Lungenembolien gewertet und als wegweisende Brückensymptome für den Zeitraum bis zu dem von der Klägerin schließlich erlittenen Zusammenbruch. Ferner hat er bestätigt, dass der zeitliche Abstand von drei Wochen zu der vorangegangenen Flugreise „typisch“ bzw. „klassisch“ für eine Reisethrombose sei (Protokoll der Berufungsverhandlung, S. 9.), die sich als mehrzeitiges Geschehen entwickele. Die von der Klägerin bei einer ärztlichen Behandlung am 29.06.2009 im Krankenhaus B geschilderten seit drei Wochen bestehenden rechtsthorakalen atemabhängigen Schmerzen, teilweise mit gelblichem und einmal blutigem Auswurf, seien ebenfalls Folgen der bereits seinerzeit eingetretenen Lungenembolien. Der Senat ist nach alledem überzeugt, dass bereits die Flugreise für sich genommen als alleinige Alternativursache für die von der Klägerin erlittene Thromboembolie konkret in Betracht kommt.

Ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt, wird die konkrete Wahrscheinlichkeit, dass die Thrombose ausschließlich durch andere Umstände als die Yasminelle-Anwendung verursacht wurde, durch die angeborene Venenanomalie der Klägerin noch erhöht. Dieser kommt zwar als Risikofaktor keine eigenständige Bedeutung zu, nachdem der Sachverständige, unterstützt durch einen Radiologen, keinerlei Kaliberunterschied zwischen den beiden Venenästen feststellen konnte. Sie kommt jedoch nach den anschaulichen Ausführungen des Sachverständigen gleichwohl − da sie immerhin ein pathologischer Befund ist (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 10) − als risikoerhöhender „Kick“ in Betracht und ist insoweit auch mit den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls kompatibel.

dd) Die gegen die generelle und konkrete Schadenseignung der Flugreise und der Venenanomalie gerichteten Angriffe der Berufung bleiben ohne Erfolg.

(1) Fehl geht zunächst der eher auf semantischem Gebiet liegende Berufungsangriff, der Sachverständige habe die Möglichkeit, dass die Thrombose allein auf der Flugreise beruhe, als fernliegend und außer Betracht zu lassen gewertet.

Entgegen den Deutungsversuchen der Berufung hat der Sachverständige seine erstinstanzliche Formulierung, die Alleinursächlichkeit der Flugreise sei „theoretisch denkbar“, nicht im Sinne einer bloß „denktheoretischen“, praktisch aber zu vernachlässigenden Möglichkeit gemeint, sondern auf entsprechenden Vorhalt wie folgt erläutert: „Damit habe ich gemeint, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist. Möglich ist es allerdings, dass die venöse Thromboembolie allein aufgrund der Flüge eingetreten ist“ (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 3, siehe auch S. 6: „Der zeitliche Zusammenhang macht die Reisethrombose durchaus möglich“). Im Übrigen hat der Sachverständige auch schon erstinstanzlich die Alleinursächlichkeit der Flugreise auf Nachfrage als „eher unwahrscheinlich“ bezeichnet (Protokoll des Landgerichts vom 18.10.2018, S. 9), was einen deutlich höheren Wahrscheinlichkeitsgrad als nur denjenigen einer abstrakt-denktheoretischen Ursache impliziert.

Ohnehin ist das Gericht bei der Tatsachenfeststellung an sprachliche Nuancen des Sachverständigen nicht gebunden, sondern hat mithilfe des von ihm präsentierten Fachwissens eine eigenständige Wahrscheinlichkeitsbeurteilung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 – VI ZR 155/92 −, juris Rn. 14). Zu beachten ist ferner, dass auch der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme des streitgegenständlichen Verhütungsmittels und dem Auftreten einer Thrombose (wenngleich die tatsächlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG zwischen den Parteien außer Streit stehen) lediglich mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von 0,09 bis 0,12 % statistisch belegt ist.

(2) Soweit die Berufung die generelle Schadenseignung der beiden vorgenannten Faktoren im Hinblick auf die suboptimale statistische Datenlage in Frage stellt, überspannt sie die Beweisanforderungen an die generelle Schadenseignung (siehe dazu oben, bb) (2)). Der Senat verkennt nicht, dass die Datenlage bezüglich der Risikoträchtigkeit einer Flugreise nicht optimal und bezüglich der Venenanomalie noch schlechter ist. Der Berufung ist ferner zuzugeben, dass im Rahmen einer anderen, vom Sachverständigen gleichfalls referierten Studie (Schwarz u.a.), bei der 994 Flugreisende untersucht wurden, bei keinem Flugreisenden ohne Vorliegen eines weiteren Risikofaktors eine Thrombose feststellbar war. Der vom Landgericht errechnete Wahrscheinlichkeitsquotient von 1/878 für die Flugreise (wobei den Ausführungen des Sachverständigen in der Berufungsverhandlung zufolge konsequenterweise 2/878 anzusetzen wären) dürfte aus diesem Grund − aber auch aus anderen Gründen − fragwürdig sein. Unabhängig davon relativiert sich die Bedeutung dieses Aspekts (Auftreten einer Reisethrombose ohne Vorliegen eines weiteren Risikofaktors) dadurch, dass nach den obigen Ausführungen neben der Flugreise mit der doppelten Vena Cava inferior ein weiterer zumindest unselbstständiger Risiko(erhöhungs)faktor gegeben war. Schließlich haben die Ausführungen des Sachverständigen deutlich gemacht, dass die Flugreise auch bei isolierter Betrachtung gleichwohl eine plausible und ernsthaft in Betracht kommende Ursache für die Thromboembolie der Klägerin darstellt und dass es gerade wegen der suboptimalen Datenlage letztlich eine Pseudogenauigkeit wäre, wenn man anhand der Studien von Hughes und Schwarz einen bestimmten Wahrscheinlichkeitsgrad errechnen wollte, mit dem die Flugreise (allein-)verantwortlich für die von der Klägerin erlittene Thrombose gemacht werden kann. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass ohnehin sämtliche im vorliegenden Fall diskutierten Thromboseursachen den Ausführungen des Sachverständigen zufolge sehr selten sind (vgl. Protokoll der Berufungsverhandlung S. 2). Letztlich verkennt die Berufung, dass der Nachweis von „anderen Umständen“ im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG keine „statistisch harte“ Datenlage voraussetzt (s.o. unter bb) (2)).

(3) Ohne Erfolg macht die Klägerin ferner geltend, die Flugreise scheide hier wegen atypischer Thrombenlage als geeignete (alleinige) Schadensursache aus.

Reisethrombosen treten den Ausführungen des Sachverständigen zufolge – ungeachtet der spärlichen Angaben zur Lokalisation der Thromben in den einschlägigen Studien − zwar typischerweise in den Waden und/oder Kniekehlenvenen auf (Protokoll des Landgerichts vom 18.10.2018, S. 6), wobei dies allerdings eher postuliert werde als statistisch belegt sei; die Angaben zur Lokalisation der Thromben in den einschlägigen Studien seien spärlich (vgl. Protokoll des Landgerichts vom 18.10.2018, S. 7). Bei der Klägerin sei eine Bein-Becken-Venenthrombose diagnostiziert worden. Jedoch hat der Sachverständige mehrfach ausgeführt, dass eine solche zwar für eine Reisethrombose ungewöhnlich sei, der Möglichkeit der Alleinursächlichkeit der Flugreise aber − wenngleich die Wahrscheinlichkeit dann nach unten zu korrigieren sei − nicht entgegenstehe. Selbst wenn die Thrombenbildung erst in der Beckenvene erfolgt sein sollte, bliebe es bei der Möglichkeit der Alleinursächlichkeit der Flugreise, wobei − so der Sachverständige − deren Wahrscheinlichkeit dann zwar nochmals nach unten zu korrigieren, daraus aber nichts weiter abzuleiten wäre für die Frage der Flugreise als alleinige Alternativursache angesichts des ohnehin geringen Wahrscheinlichkeitsgrades sämtlicher vorliegend in Betracht kommender Risikofaktoren (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 6).

Soweit die Parteien um die Bedeutung des Leistenvenenklappenschadens der Klägerin für die Lokalisation der Thrombenbildung streiten, hält der Senat den Venenklappenschaden für nicht weiter aufschlussreich. Denn dieser muss nicht auf einem initial in der Leistenvene entstandenen Thrombus beruhen, sondern kann – so der Sachverständige – auch erst final mit oder nach der Embolie entstanden sein (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 5). Er ist bereits deshalb kein belastbarer Hinweis darauf, dass der Thrombus in der Leistenvene entstand. Es kann deshalb offen bleiben, ob eine weitere taugliche Alternativursache des Venenklappenschadens darin liegt, dass nach der Embolie zwei Venen-Cavaschirmchen in die Leistenvene eingebracht wurden. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die dahingehende Behauptung der Klägerin (in Form einer Frage an den Sachverständigen, Protokoll der Berufungsverhandlung S. 8) prozessual − da erst im Berufungsverfahren vorgebracht – nicht berücksichtigungsfähig ist (§§ 529, 531 ZPO), im Übrigen aber auch unzutreffend sein dürfte, da die Schirmchen über die Ellenbeugen eingeführt wurden (vgl. die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 02.06.2021 − dort S. 13 − zitierten Passagen aus dem von der Klägerin vorgelegten Operationsbericht der Universitätsklinik Freiburg).

Letztlich vermag der Senat nicht mit Sicherheit festzustellen, wo der Thrombus sich initial gebildet hat (der Sachverständige in der Berufungsverhandlung: „Es lässt sich nicht sagen, wo sich die Thrombose zuerst entwickelt hat“, Protokoll S. 5). Soweit der Sachverständige das distale Ende der Thrombose in der Leistenvene lokalisiert hat, handelte es sich nur um seine Schlussfolgerung aus dem Befund, dass die dortigen Venenklappen beschädigt seien (so der Sachverständige ausdrücklich vor dem Landgericht, vgl. Protokoll des Landgerichts vom 18.10.2018, S. 4, ebenso Protokoll der Berufungsverhandlung S. 5) und dass dies ein typischer Folgeschaden nach einer Thrombose sei (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 5). Der Venenklappenschaden kann indes auch erst final durch die Embolie entstanden sein. Auch das Alter der dort befindlichen Thromben wurde − so der Sachverständige − nicht untersucht. Demgemäß ist letztlich nicht nachgewiesen, wo genau der Thrombus sich zunächst bildete. Atypische Umstände, die der Flugreise als einer geeigneten Alleinursache der Thrombose entgegenstehen, kann die Klägerin im Übrigen auch deshalb nicht für sich verbuchen, weil der Sachverständige letztlich sämtliche aus seiner Sicht denkbaren initialen Entstehungsorte des Thrombus als (noch) kompatibel mit der Flugreise als Alleinursache beurteilt hat.

(4) Soweit die Klägerin − ebenfalls gegen die konkrete Schadenseignung der Flugreise gerichtet − geltend macht, sie habe während des Fluges darauf geachtet, viel zu liegen und sich ausreichend zu bewegen, war dies für die Entscheidung des Senates unerheblich und dem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin nicht nachzugehen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist ungeklärt, welcher von mehreren − allesamt plausiblen − diskutierten Wirksamkeitsmechanismen (darunter z.B. die Luftdruckverhältnisse und die Lufttrockenheit im Flugzeug) im Einzelnen für die Entstehung von Reisethrombosen verantwortlich sei und welche Bedeutung dem konkreten Verhalten des Flugreisenden zukomme. An der konkreten Schadenseignung der Flugreise hat der Senat daher auch bei Unterstellung des vorgenannten Klagevorbringens keine Zweifel. Insoweit kommt dem „klassischen“ Zeitintervall zwischen Flugreise und dem ersten Auftreten typischer Symptome schlicht ein hohes Maß an Evidenz zu. Die Bedeutung des zeitlichen Zusammenhangs wird nicht nur im Gesetz betont (vgl. die in § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG enthaltene Aufzählung von Kriterien für die Schadenseignung), sondern wurde auch vom Sachverständigen als entscheidend angesehen („der zeitliche Zusammenhang macht die Reisethrombose durchaus möglich“, Protokoll der Berufungsverhandlung S. 6).

c) Nach alledem scheitert ein Anspruch aus § 84 AMG bereits auf Kausalitätsebene, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage ankommt. Der Senat musste daher nicht aufklären, ob das mit der Einnahme von Yasminelle verbundene Thromboserisiko über das nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbare Maß hinausgeht (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG) oder der Schaden infolge einer falschen Kennzeichnung, Fach- oder Gebrauchsinformation eingetreten ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG).

2. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht ebenfalls nicht.

Auch ein solcher Anspruch scheitert jedenfalls daran, dass die Klägerin den ihr obliegenden Kausalitätsbeweis nicht geführt hat. Die haftungsbegründende Kausalität wird im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB ebenso ausgelegt wie im Rahmen des § 84 AMG. Die Angriffe der Berufung gegen die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts scheitern daher auch insoweit aus den unter 1. ausgeführten Gründen.

Vor diesem Hintergrund kann der Senat auch den Vorwurf der Klägerin dahinstehen lassen, die Beklagte habe in der Informationsbroschüre (Anlage K 9a), die der Klägerin ausgehändigt wurde, lediglich auf den (dort) sogenannten „Smile-Effekt“, den „Feel-Good-Faktor“ und den „Figur-Bonus“ des Arzneimittels hingewiesen und das damit verbundene Thromboserisiko bagatellisiert.

3. Eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 AMG besteht ebenfalls nicht.

§ 5 AMG ist zwar Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 19. März 1991 − VI ZR 248/90 −, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 09. April 2014 − 2 U 40/13 −, BeckRS 2015, 2303; Rehmann, 5. Aufl. 2020, § 5 Rn. 4). Auch insoweit besteht eine Haftung aber − ungeachtet der weiteren Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage − nur, wenn die Einnahme des Medikamentes ursächlich oder zumindest mitursächlich für die Gesundheitsbeeinträchtigung war (OLG Köln, Urteil vom 24. Januar 2007 − 5 U 6/04 −, juris Rn. 15). Dem Geschädigten im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Schutzgesetzes Beweiserleichterungen beim Kausalitätsnachweis zu gewähren (dazu Münchener Kommentar/Wagner, BGB, 8. Auflage 2020, § 823 Rn. 620), kommt im Hinblick auf § 84 Abs. 2 AMG nicht in Betracht und würde die dortige Spezialregelung unterlaufen. Es kann daher auf die obigen Ausführungen zur Kausalität verwiesen werden.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen der Revisionszulassung (§ 543 As. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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