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Tierarzt – Pflichtverletzung bei Ankaufsuntersuchung

BGH

Az: VII ZR 164/11

Urteil vom 26.01.2012


Leitsatz:

Ein Tierarzt, der seine Pflichten aus einem Vertrag über die Ankaufsuntersuchung eines Pferdes verletzt und deshalb einen unzutreffenden Befund erstellt hat, haftet unabhängig von einer etwaigen Haftung des Verkäufers seinem Vertragspartner auf Ersatz des Schadens, der diesem dadurch entstanden ist, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat.


Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2012 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Juni 2011 teilweise aufgehoben und insgesamt neu gefasst.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 15. September 2010 teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.681,53 € sowie weitere 603,93 €, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2009, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 36 % und der Beklagte zu 64 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 27 % und der

 

Beklagte zu 73 %. Die bis zum 26. Januar 2012 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 27 % und der Beklagte zu 73 %. Die ab dem 26. Januar 2012 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 34 % und der Beklagte zu 66 %. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten erster Instanz trägt der Kläger zu 36 %, die zweiter und dritter Instanz zu 27 %.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten, einem Tierarzt, wegen einer mangelhaft durchgeführten Ankaufsuntersuchung eines Pferdes Schadensersatz.

Der Kläger kaufte am 25. Februar 2008 von dem Streithelfer des Beklagten den Hengst C. Der Beklagte hatte zuvor am 22. Februar 2008 im Auftrag des Klägers eine Ankaufsuntersuchung durchgeführt, wobei ausdrücklich auch das Röntgen des Kniegelenks links und rechts vereinbart war. Das Röntgenergebnis hatte er als „ohne besonderen Befund“ angegeben. Tatsächlich befanden sich mehrere Chips im Kniegelenk des Hengstes, die auf den Röntgenaufnahmen ersichtlich waren. Hiervon erfuhr der Kläger anlässlich einer Körungsvorauswahl in K. am 2. September 2008, spätestens aber Ende November/Anfang Dezember 2008.

Mit Schreiben vom 16. Januar 2009 erklärte er gegenüber dem Streithelfer den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte von ihm Kostenerstattung. Dieser verwies ihn an den Beklagten, dessen Haftpflichtversicherer mit Schreiben vom 3. April 2009 erklärte, es würden keine Einwände gegen den Anspruchsgrund geltend gemacht und Ansprüche bezüglich Kaufpreis und Zinsen anerkannt. Dementsprechend erfolgte die Herausgabe des Pferdes an den Beklagten Zug um Zug gegen Kaufpreiserstattung durch dessen Haftpflichtversicherer.

Der Kläger macht mit der Behauptung, bei ordnungsgemäß mitgeteiltem Befund der Ankaufsuntersuchung hätte er das Pferd von dem Streithelfer nicht gekauft, weil er es als Zuchtpferd habe weiterveräußern wollen, was nun nicht mehr möglich gewesen sei, weitere Aufwendungen geltend, die ihm ab dem Zeitpunkt des Erwerbs des Pferdes bis zu dessen Rückgabe entstanden seien.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.391,48 € sowie weitere 961,28 € für vorgerichtliche Anwaltskosten, jeweils zuzüglich Zinsen zu zahlen. Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage den Beklagten verurteilt, an den Kläger 9.115,58 € sowie weitere 755,08 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht den Betrag der Verurteilung auf 1.871,70 € sowie weitere 229,55 € nebst Zinsen ermäßigt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Kläger die Zurückweisung der Berufung erreichen. Der Beklagte hat seine Anschlussrevision, mit der er sein Begehren auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgt hat, vor Antragstellung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat überwiegend Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat sich der Auffassung des Landgerichts angeschlossen, dass dem Kläger ein werkvertraglicher Schadensersatzanspruch nach § 634 Nr. 4, § 280 BGB zustehe. Bei einer Ankaufsuntersuchung bestehe nicht nur die Pflicht des Tierarztes, die Untersuchung ordnungsgemäß durchzuführen, sondern er müsse auch das Ergebnis der Untersuchung auswerten und dem Auftraggeber mitteilen. Lägen Auffälligkeiten vor, so habe er darauf hinzuweisen, ob eine weitere differenzierende Untersuchungsdiagnostik erforderlich sei oder ob dieser Befund für eine hinreichend klare Aussage ausreiche. Da der Beklagte die Chips im Kniegelenk bei der Auswertung der vorgenommenen Röntgenaufnahmen übersehen habe, habe er hiernach eine Pflichtverletzung begangen, die ihn grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichte.

Allerdings sei die hieraus resultierende Haftung des Tierarztes gegenüber der Kaufgewährleistungshaftung des Verkäufers mangels Gleichstufigkeit grundsätzlich nachrangig. Denn das Vorhandensein der Chips im Kniegelenk stelle vorliegend einen Sachmangel dar. Die Annahme einer Gesamtschuld scheitere an der notwendigen, hier aber fehlenden rechtlichen Zweckgemeinschaft bzw. Gleichstufigkeit der Verpflichtungen der beiden Schuldner. Hieran fehle es wegen der unterschiedlichen Hauptleistungspflichten, einerseits der zur mangelfreien Lieferung, andererseits der zur Erstellung eines fehlerfreien Gutachtens. Außerdem sei die Haftung des Tierarztes gegenüber der des Verkäufers auch nach § 254 Abs. 2 Satz 1, § 242 BGB nachrangig. Denn der Verkäufer sei näher am Schadensgeschehen. Deshalb sei es sachnäher, in geeigneten Fällen zunächst die Nacherfüllung nach § 439 BGB, also die schonendere Verfahrensweise zu ermöglichen bzw. die Rückabwicklung des Kaufvertrages zu betreiben und damit den Vermögensschaden von dem Käufer abzuwenden.

Ansprüche gegen den Beklagten bestünden deshalb nur insoweit, als das von dem Tierarzt geschuldete negative Interesse das von dem Verkäufer auszugleichende positive Interesse übersteige. Wegen § 347 Abs. 2 BGB, wonach der Kläger von dem Verkäufer Ersatz nur der notwendigen Verwendungen und nur in beschränktem Maße der nützlichen Verwendungen beanspruchen könne, sei das hier teilweise der Fall. Hinsichtlich der auf Wunsch des Klägers vorgenommenen Zusatzfütterung und der Ausbildungskosten bestehe keine Ersatzpflicht des Verkäufers, weil er insoweit durch diese nützlichen Verwendungen bei der Rückgabe des Pferdes nicht bereichert sei, § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB. Denn im Hinblick auf die Beeinträchtigung durch die Chips sei eine auf einen Zuchthengst ausgerichtete Ausbildung ohne Wert. Gleiches gelte für die nützlichen Verwendungen im Zusammenhang mit der Körungsvorauswahl in K. Für diese Schadenspositionen habe der Beklagte deshalb einzustehen, weil der Kläger in Kenntnis der Chips, also bei ordnungsgemäßer Ankaufsuntersuchung, das Pferd nicht erworben hätte und ihm die entsprechenden Kosten nicht entstanden wären.

Die geltend gemachten Ausbildungs- und Zusatzfutterkosten seien vom Beklagten jedoch nur bis einschließlich August 2008, also lediglich für sechs Monate zu ersetzen, weil das Pferd Ende August 2008 bereits bei der Veranstaltung in K. gescheitert war, und es dem Kläger nach § 254 BGB nun oblegen hätte, die Gründe des Scheiterns zu eruieren und bis zur Ermittlung der Gründe von weiteren Sonderaufwendungen abzusehen.

II.

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten zum überwiegenden Teil der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Tierarzt bei der Ankaufsuntersuchung eines Pferdes nicht nur verpflichtet ist, die Untersuchung ordnungsgemäß durchzuführen, sondern er seinem Auftraggeber auch deren Ergebnis, insbesondere Auffälligkeiten des Tieres, mitzuteilen hat. Der mit der Ankaufsuntersuchung beauftragte Tierarzt schuldet einen fehlerfreien Befund. Erfüllt er insoweit seine Pflichten nicht, haftet er, weil der Vertrag als Werkvertrag einzuordnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1983 – VII ZR 174/81, BGHZ 87, 239), gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz des Schadens, der bei dem Vertragspartner dadurch entstanden ist, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat (vgl. Senatsurteile vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 7/11, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, und VII ZR 136/11, zur Veröffentlichung vorgesehen).

2. Das Berufungsgericht nimmt hinsichtlich derjenigen Aufwendungen, deren Ersatz der Kläger auch vom Streithelfer des Beklagten verlangen könne, an, dass der Beklagte dem Kläger deshalb nicht zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil seine Haftung gegenüber der Kaufgewährleistungshaftung des Verkäufers nachrangig sei und eine gesamtschuldnerische Haftung beider daher nicht in Betracht komme.

a) Das ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Beklagte dem Kläger auch dann auf Schadensersatz haften würde, wenn eine Gesamtschuld nicht vorläge. In diesem Fall würde sich allenfalls die Frage stellen, ob der Beklagte gemäß § 255 BGB die Abtretung der Ansprüche gegen den Verkäufer verlangen könnte. Im Übrigen geht das Berufungsgericht auch rechtsirrtümlich davon aus, dass zwischen dem Beklagten und dem Streithelfer keine Gesamtschuld besteht. Dies hat der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils in zwei vergleichbaren Fällen entschieden. Auf die dortige Begründung wird Bezug genommen (BGH, Urteile vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 7/11, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, und VII ZR 136/11, zur Veröffentlichung vorgesehen).

b) Das Urteil des Berufungsgerichts wird schließlich auch nicht von der Erwägung getragen, der Kläger müsse gemäß §§ 242, 254 Abs. 2 Satz 1 BGB zunächst den Streithelfer des Beklagten in Anspruch nehmen. Dem Gläubiger steht es frei, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nimmt. Ihm kann deshalb grundsätzlich nicht als Verschulden bei der Obliegenheit zur Schadensminderung angelastet werden, den Schuldner seiner Wahl in Anspruch genommen zu haben. Inwieweit es im Einzelfall ausnahmsweise gleichwohl nach den Maßstäben von Treu und Glauben geboten sein kann, zunächst den Verkäufer auf Rückabwicklung des Vertrages in Anspruch zu nehmen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 136/11), kann offenbleiben. Denn jedenfalls wäre hierfür Voraussetzung, dass die Rückabwicklung der einfachere und jedenfalls nicht aufwändigere Weg der Schadloshaltung wäre. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Streithelfer ist nicht bereit, dem Kläger die geltend gemachten Aufwendungen und Schäden zu ersetzen. Zu einer gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche ist der Kläger vor einer Inanspruchnahme des Beklagten gemäß § 242 BGB jedenfalls nicht verpflichtet.

c) Auf die vom Berufungsgericht vorgenommene Differenzierung danach, welche der geltend gemachten und vom Landgericht zuerkannten Ansprüche des Klägers auch vom Streithelfer des Beklagten zu ersetzen wären, kommt es deshalb nicht an. Die Berufung des Beklagten führt unter diesem Gesichtspunkt zu keiner Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

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3. Demgegenüber hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger dadurch gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat, dass er weiterhin Ausbildungskosten aufgewandt hat, nachdem ihm bereits Ende August 2008 ernsthafte Zweifel hätten kommen müssen, ob das Pferd zur Zucht geeignet war. Die nach August 2008 insoweit nur im Hinblick auf einen beabsichtigten Einsatz als Zuchtpferd getätigten Aufwendungen sind daher gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht mehr ersatzpflichtig. Dies wird von der Revision auch nicht angegriffen.

Der vom Landgericht zuerkannte Anspruch ist damit um Ausbildungskosten für neun Monate zu jeweils 270,45 €, das sind insgesamt 2.434,05 €, zu kürzen. Eine weitere Kürzung um 99 € wegen Kosten für das Zusatzfutter (Müsli) kommt nicht in Betracht, da dieser Betrag mit der Klage nicht geltend gemacht und auch vom Landgericht nicht zugesprochen worden ist.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten bemisst sich damit nur nach einem berechtigterweise geltend zu machenden Gegenstandswert von 6.681,53 € und beträgt mithin insgesamt 603,93 €.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

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