AG Offenbach – Az.: 38 C 205/13 – Urteil vom 12.05.2014
1) a) Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 07.05.2013 (Gesch.-Nr. 13-5548612-0-9) wird aufgehoben.
b) Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2) Von den Gerichtskosten hat die Klägerin 78 % zutragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Klägerin 54 % und das klagende Land 46 % zu tragen. Die Klägerin und das klagende Land tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3) a) Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
b) Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger verlangen von der Beklagten Schmerzensgeld sowie Schadensersatz aufgrund Tierhalterhaftung, teilweise aus übergegangenem Recht.
Am 20.10.2012 war die Klägerin, die Beamtin des klagenden Landes ist, mit ihrem angeleinten Dackelmischling auf dem Wiesenweg in der Gemarkung Obertshausen unterwegs. Es näherten sich die Beklagte, die professionell mit Hunden arbeitet, und die Zeugin H. zu Pferde, die Beklagte wurde von ihrer nicht angeleinten Dobermannhündin begleitet. In diesem Gebiet ist es verboten, zu reiten und Hunde unangeleint herumlaufen zu lassen. Es kam zu einer Begegnung der Parteien, die Schilderung des Sachverhaltes durch die Parteien unterscheidet sich allerdings erheblich. Wie eine spätere Wesensprüfung ergeben hat, ist die Dobermannhündin ein sehr folgsames Tier, das die Beklagte hervorragend im Griff hat.
Die Kläger behaupten, die Klägerin habe den Weg verlassen, um für die Beklagte und ihre Begleiterin Platz zu machen. Die Hündin habe sich dann auf ihren Dackelmischling gestürzt. Hierdurch habe es einen kräftigen Ruck an der Leine gegeben weswegen sie eine Fraktur des linken Handgelenkes sowie eine Distorsion des linken Ellenbogens erlitten habe. Deswegen verlange sie Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das klagende Land verlangt die ersetzen Teile der Krankheitskosten, die zunächst die Klägerin geltend gemacht hatte.
Die Klägerin beantragt nach teilweiser Klagerücknahme hinsichtlich der auf das klagende Land übergegangenen Kosten,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.072,27 Euro sowie weitere 359,50 Euro, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen sowie
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensfall vom 20.10.2012 freizustellen.
Nachdem gegen die Beklagte von Seiten des klagenden Landes zunächst ein Vollstreckungsbescheid ergangen war, beantragt, das Land nunmehr klageerweiternd, den Vollstreckungsbescheid mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass die Beklagte insgesamt 2.229,61 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.000,11 seit Zustellung der Klage und aus 34,50 Euro und aus 195,– Euro jeweils seit Zustellung der Klageerweiterungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen, soweit erforderlich unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheides.
Die Beklagte behauptet, bereits in einer Entfernung von 100 Metern sei der Dackelmischling der Klägerin völlig ausgerastet, als sie sich genähert habe. Ihr Hund habe sich daraufhin einige Meter der Klägerin genähert. In einer Entfernung von ca. 50 Metern habe die Beklagte daraufhin ihrer Hündin das Kommando gegeben, unmittelbar vor den Pferden zu laufen. Als sich dann die Klägerin nach links begeben habe, habe sie das Kommando gegeben, die Hündin solle rechts vom Pferd laufen. Zwischen ihr und der Hündin habe sich noch die Zeugin H. mit ihrem Pferd befunden. Als sich die Pferde auf der Höhe der Klägerin befanden, habe sie die Reiterinnen wüst beschimpft. Ein normales Gespräch mit der Klägerin sei nicht möglich gewesen. Alsdann habe die Klägerin noch bei dem Inhaber der Hundeschule, für die sie tätig sei, angerufen und dort die Beklagte beleidigt und diffamiert.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Anhörung der Parteien sowie Vernehmung der Zeugin H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Mai 2014 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist letztlich nicht begründet. Zu Lasten der Beklagten ist kein gesetzlicher Haftungstatbestand verwirklicht.
I) Nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht nach seiner freien Überzeugung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon überzeugt (§ 286 I ZPO), dass sich der Sachverhalt so ereignet hat, wie dies die Klägerin behauptet hat. Die Klägerin hat zwar berichtet, es sei zwischen den Hunden zu einer Rauferei oder Beißerei gekommen, die ungefähr drei Minuten, vielleicht auch fünf Minuten gedauert habe. Dem stehen aber die Bekundungen der Beklagten und der Zeugin H. entgegen, die übereinstimmend berichtet haben, dass sie ganz normal an der Klägerin mit ihrem Dackel vorbei geritten seien ohne dass es zu irgendeinem Kontakt zwischen den Hunden gekommen wäre. Allerdings hält das Gericht weder die Bekundungen der Beklagten noch diejenigen der Zeugin H. für sehr überzeugend. Die Aussagen stimmten derart weitgehend überein, dass alles dafür spricht, dass dieselben noch während der Fahrt der Beklagten mit der Zeugin zum Gerichtstermin abgesprochen worden sind. Die sehr bestimmt auftretende Beklagte dürfte dabei keine Mühe gehabt haben, die deutlich jüngere Zeugin, die noch Schülerin und noch nicht einmal volljährig ist, entsprechend zu beeinflussen. Allerdings ermöglicht dieser Umstand alleine noch nicht den Schluss darauf, dass demgegenüber die Bekundungen der Klägerin tatsächlich zutreffend sind. Das Gericht glaubt nämlich zum einen nicht, dass die Beklagte und die Zeugin eine Rauferei oder Beißerei zwischen den beiden Hunden gänzlich verschwiegen hätten, eine solche hätten sie nur verharmlost. Zum anderen ist die Behauptung der Klägerin, es sei zu einer solchen Rauferei oder Beißerei mit einer derartigen Länge gekommen, wenig glaubwürdig und auch kaum wahrscheinlich. Zum einen ist offensichtlich keiner der beiden Hunde dabei verletzt worden (was ungewöhnlich wäre), zum anderen hält es das Gericht für ausgeschlossen, dass die Beklagte drei bis fünf Minuten lang zugesehen hätte, wie sich ihre Hündin mit dem Dackel gerauft oder gebissen hätte. Mit Sicherheit wäre die Beklagte dann vom Pferd gestiegen, wenn nicht die Dobermannhündin auf ihr Kommando zurückgekehrt wäre. Bei einer richtigen Auseinandersetzung zwischen den beiden Hunden wäre schließlich erfahrungsgemäß von dem Dackel wenig übrig geblieben. Auch hat niemand berichtet, dass sich die Pferde merkwürdig verhalten hätten, was aber – bei einer intensiven Auseinandersetzung der Hunde – auch nahe gelegen hätte. Schließlich spricht auch der sehr positive Ausgang der zwischenzeitlich durchgeführten Prüfung der Dobermannhündin dagegen, dass diese sich mit dem Dackel tatsächlich gebissen hat und dies dann auch noch gegen den Willen der Beklagten. Alles in allem hat sich damit das Gericht – auch wenn ein unangenehmer Beigeschmack verbleibt – nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon überzeugen können, dass es hier tatsächlich zu einer Rauferei oder Beißerei zwischen den beiden Hunden gekommen ist.
Demgemäß kann für die Entscheidung des Rechtsstreites nur davon ausgegangen werden, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie ihn die Beklagte und die Zeugin geschildert haben, da davon auszugehen ist, dass sich die Klägerin – was naheliegend ist – diesen Sachverhalt jedenfalls hilfsweise zu Eigen machen will, um ihren Anspruch zu begründen, zumal das Gericht bereits im Beschluss vom 09. Dezember 2013 entsprechend argumentiert hatte, ohne dass die Klägerin dem entgegen getreten ist.
Danach sind die Beklagte und die Zeugin mit der Dobermannhündin über den gesamten Verlauf des Vorfalls an der Klägerin, die dort mit ihrem Dackel stand, ganz normal vorbei geritten. Lediglich zu einem Zeitpunkt, als sich die Beklagte ungefähr 20 – 40 Meter von der Beklagten und dem Dackel entfernt befanden, ist die Dobermannhündin einige Schritte auf die Klägerin zugegangen, dann aber von der Beklagten zurückgerufen worden. Schon als die Reitergruppe aus dem Wald aufgetaucht war, hat der Dackel der Klägerin gebellt und an der Leine gezogen.
II) Damit käme zunächst eine Haftung der Beklagten gemäß § 833 I 1 BGB in Betracht. Nach § 833 I 1 BGB haftet der Tierhalter, wenn durch ein Tier der Körper eines Menschen verletzt wird. Es bestehen im hier zu beurteilenden Fall aber schon Zweifel daran, ob die Verletzung durch die Hündin der Beklagten verursacht wurde. Die Klägerin hat nicht angeben können, wann genau die Verletzung entstanden ist. Offensichtlich hat der Dackel der Klägerin bereits reagiert, als die Beklagte und die Zeugin nebst Pferden und Hund aus dem Wald heraus aufgetaucht sind. Es wird sich aber nicht sicher feststellen lassen, ob der Dackel wegen der Hündin, wegen der Pferde oder vielleicht auch aus einem sonstigen Grund angeschlagen und an der Leine gezogen hat. Immerhin war die gesamte Gruppe noch ziemlich weit entfernt von der Klägerin als der Dackel angeschlagen und gezogen hat. Letztlich hat die Klägerin auch nicht genau sagen können, wodurch und wann genau die Verletzung entstanden sein soll. Damit bleibt eigentlich sogar offen, ob die Verletzung nicht bereits zu einem Zeitpunkt entstanden ist als die Gruppe noch ganz weit entfernt gewesen ist, zumal zu diesem Zeitpunkt auch der Überraschungsmoment für die Klägerin am Größten war, da sie zunächst mit dem Rücken zu der Reitergruppe mit Dobermannhündin stand. Dann aber wäre eine Haftung nach § 833 I 1 BGB zu verneinen. Voraussetzung für eine Haftung nach § 833 I 1 BGB ist nämlich in jedem Fall, dass – wie bei Ursächlichkeiten grundsätzlich – ein Geschehen vorliegt, das nicht völlig außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegt. Hier würde es aber außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen, dass ein Dackel, der eine Gruppe von Reiterinnen mit Hund in einer Entfernung von ungefähr 100 Metern sieht, unmittelbar gleich so stark an seiner Leine zieht, dass sich die Halterin hierdurch das Handgelenk bricht. Mit so einem derartigen Verlauf braucht niemand zu rechnen, der in großer Entfernung mit einem – auch größeren – Hund auftaucht.
Ginge man davon aus – was freilich nicht nachgewiesen ist(!) – dass sich der Bruch der Hand zu einem späteren Zeitpunkt ereignet hat, mithin als sich die Dobermannhündin in der Nähe des Dackels befunden hat und vielleicht sogar zu dem Zeitpunkt als die Dobermannhündin einige Schritte vorgelaufen war, so ließen sich die Voraussetzungen des § 833 I 1 BGB allerdings vom Wortlaut her grundsätzlich bejahen. Die Verletzung der Klägerin erfolgte letztlich durch das Tier der Beklagten. Die Ursächlichkeit ließe sich dann auch bejahen. Es liegt nämlich keinesfalls außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass beim näheren Erscheinen eines doch recht großen Hundes, der nicht angeleint ist und der zudem von einer Person geführt wird, die nicht unmittelbar eingreifen kann (die Beklagte hätte erst von ihrem Pferd steigen müssen, um etwas zu unternehmen) ein anderer Hund ängstlich und/oder aggressiv wird und überreagiert. Dass dabei auch der den anderen Hund haltende Halter desselben verletzt wird, liegt gleichfalls gerade noch so noch innerhalb des Wahrscheinlichen. Die Verletzung der Klägerin könnte daher durchaus noch als durch das Tier der Beklagten erfolgt angesehen werden.
In geeigneten Fällen kann damit – entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes – durchaus sogar das bloße Erscheinen eines Tiers alleine ausreichend sein, um die Tierhalterhaftung auslösen; genauso wie kürzlich vom OLG Hamm (MDR 2013, 9078) entschieden wurde, dass bereits das Herumliegen eines Hundes dafür ausreichend ist. So ist dies auch in der Rechtsprechung wiederholt entschieden worden, z. B.: „Die Tierhalterhaftung für einen frei laufenden Hund kann auch eingreifen, wenn dieser eine Unfallverletzung dadurch verursacht, dass er bei einem an der Leine geführten Hund eine Angst- und Fluchtreaktion auslöst.“ (LG Hamburg, VersR 1993, 1496 f.) „Die Tierhalterhaftung greift auch ein, wenn eine ältere Person auf die plötzliche Annäherung eines größeren Hundes aus Angst vor dem Tier schreckhaft reagiert und dabei zu Schaden kommt.“ (OLG Nürnberg VersR 1991, 1072).
In dieser Hinsicht äußern sich auch die führenden Kommentatoren, z. B. Spindler: „Ebenso haftet der Tierhalter für Verletzungen eines Menschen infolge von nachvollziehbarer (Staudinger/Eberl-Borges Rn 25 f) Angst oder Panik vor Tieren, etwa wenn eine ältere Frau aus Angst vor einem auf sie zukommenden Hund stürzt (OLG Nürnberg NJW-RR 1991, 741; NJW 1965, 694, 695; OLG Celle OLGR 1999, 105: Verbellen) oder ein Kind vor Schreck in ein Fahrzeug läuft (OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 281). Selbst der unerwartete Anblick eines Tieres im Straßenverkehr und die dadurch ausgelösten Reaktionen zählen hierzu (Staudinger/Eberl-Borges Rn 51; dagegen LG Bonn NZV 1994, 363, 364).“ Vgl. BeckOK BGB/Spindler, § 833 Rn. 11. In allen diesen Fällen war aber das Tier, in der Regel ein Hund, dem später Geschädigten sehr nahe gekommen, war im hier zu beurteilenden Fall nicht so war.
Hier ist allerdings darüber hinaus zu bedenken, dass sich die Klägerin nicht durch eigenes Erschrecken (dann läge der Fall gänzlich anders und die Prozessaussichten der Beklagten wären sehr schlecht!), sondern – sozusagen – durch das wie auch immer geartete Erschrecken ihres Hundes, des Dackels, das Handgelenk gebrochen hat. Damit ist die entscheidende Ursache für die Körperverletzung der Klägerin nicht in erster Linie von der Dobermannhündin gesetzt worden, sondern von ihrem eigenen Dackel. In einem derartigen Fall ist eine Tierhalterhaftung – soweit ersichtlich – bisher von dem Landgericht Hamburg in einer älteren Entscheidung bejaht worden (VersR 1993, 1496 f.). Dort war ein Hund, den eine ältere Dame an der Leine ausgeführt hat, von einem nicht angeleinten Hund angegangen worden. Die ältere Dame hatte versucht, den Hund mit ihrem Regenschirm und mit Rufen zu vertreiben, wobei sie dann zu Fall kam und sich verletzte. Im hier zu beurteilenden Fall war es aber so, dass die Dobermannhündin gar nicht maßgeblich auf den Dackel zugelaufen ist. Das kurze Laufen in die Richtung des Dackels in einer noch erheblichen Entfernung kann noch nicht als in diesem Sinne ernstzunehmende Attacke der Dobermannhündin gegen den Dackel angesehen werden, dafür war die Hündin noch zu weit entfernt und hat sich auch nur etwas zügig und nicht schnell rennend genähert, außerdem wurde sie sogleich wieder zurückgerufen. Im hier zu beurteilenden Fall ist vielmehr eine neuere Entscheidung des Landgerichts Dessau-Roßlau (Urt. v. 11.05.2012 – 2 O 617/11; BeckRS 2012, 12803) heranzuziehen. Darin wurde entschieden, dass der Schutzzweck des § 833 BGB dahingehend einzuschränken ist, dass eine Haftung eines Tierhalters ausgeschlossen ist, wenn der Verletzungserfolg darauf beruht, dass bei einer Auseinandersetzung von Hunden der Geschädigte mit einer eigenverantwortlichen Handlung gerade die von seinem Hund ausgehende Tiergefahr eindämmen wollte. Entscheidend für die Verletzung der Klägerin war damit hier nicht das an sich harmlose Verhalten der Dobermannhündin, sondern in allererster Linie das doch recht merkwürdige Verhalten ihres eigenen Dackels. Damit ist letztlich zu entscheiden, dass die bloße Anwesenheit eines potentiell gefährlichen Hundes, der eine gewissen Größe überschreitet (hier des Dobermanns), dann nicht mehr unter die Tierhalterhaftung fällt, wenn die Verletzung des Geschädigten nicht durch den potentiell gefährlichen Hund, sondern durch das eigene Tier des Geschädigten (hier des Dackels) verursacht wird, jedenfalls dann, wenn das Tier des Geschädigten sich nicht durch ein Verhalten des anderen Tiers zu dem eigenen Verhalten herausgefordert fühlen durfte. So liegen die Dinge hier: Durch das letztlich bloße Vorbeilaufen oder das kurze Zulaufen auf die Klägerin durch die Dobermannhündin alleine durfte sich der Dackel der Beklagten noch nicht veranlasst fühlen, derart zu bellen und an der Leine zu ziehen. In diese Richtung geht auch eine neuere Entscheidung des Landgerichts Coburg (Urt. vom 29.11.2013, 32 S 47/13), worin der Rechtssatz aufgestellt wurde, dass es keine Tierhalterhaftung bei einer ungewöhnlichen Schreckreaktion gibt. Das bloße Erscheinen eines potentiell gefährlichen Tiers alleine wird daher die Tierhalterhaftung nur dann rechtfertigen können, wenn dadurch ein Mensch direkt geschädigt wird (und – natürlich – dies auch nach der allgemeine Lebenserfahrung naheliegt; beispielsweise beim plötzlichen Auftauchen eines sehr großen unangeleinten Hundes), nicht aber wenn der betroffene Mensch durch ein – sozusagen – dazwischen tretendes eigenes Tier maßgeblich verletzt wird. Alles in allem greift daher die Tierhalterhaftung vorliegend auch deswegen nicht ein, weil der Schutzweck derselben aufgrund des geschilderten Umstandes nicht tangiert ist; abgesehen von der bereits problematischen Ursächlichkeit; vgl. oben.
II) Nach längerem Überlegen vermag das Gericht die im Beschluss vom 09. Dezember 2013 ansatzweise vertreten Auffassung, die Klägerin hafte nach § 823 I BGB, da sie hier weiter geritten sei anstatt umzukehren, nicht aufrecht zu erhalten. Hier handelt es sich nicht – wie bei der Tierhalterhaftung – um eine Gefährdungshaftung, sondern um eine Verschuldenshaftung. Der Beklagten müsste also eine fahrlässige Körperverletzung zum Nachteil der Klägerin vorgeworfen werden können. Der Beklagten kann hier aber noch keine fahrlässige Körperverletzung der Klägerin zur Last gelegt werden. Zum einen gilt auch hier, dass die Ursächlichkeit ungeklärt ist. Es ist offen geblieben, wann genau die Körperverletzung der Klägerin eingetreten ist. Die Beklagte musste aber sicher nicht damit rechnen, dass die Klägerin sich alleine aufgrund ihres Erscheinens mit den Pferden und dem Hund in einer Entfernung von fast 100 Metern die Hand brechen würden, weil der Dackel eine derartige Erscheinung nicht verkraften würde. Auch wäre es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten im Alltag, von der Beklagten hier ein Umkehren zu verlangen. Da allenthalben auf der Straße und auf dem Feld Hunde auftauchen, könnte man sonst nie seines Weges gehen. Die Beklagte wusste, dass ihr Hund ihr folgen würde. Sie durfte daher davon ausgehen, dass die Klägerin ihren (deutlich kleineren) Hund auch im Griff haben würde.
III) Schließlich hat das Gericht noch erwogen, der Klägerin einen Anspruch aus § 823 II i. V. m. der einschlägigen Verordnung über den Leinenzwang als Schutzgesetz zuzubilligen. Dies scheitert jedoch aus zwei Gründen: Zum einen steht nicht sicher fest, dass das freie Laufen lassen des Hundes hier wirklich zu dem Bruch des Gelenkes geführt hat. Die Reaktion des Dackels auf die Dobermannhündin wird nicht davon abhängig gewesen sein, ob die Dobermannhündin angeleint war oder nicht. Die Entfernung, die die Dobermannhündin zurückgelegt hat, hätte sie auch angeleint an einer längeren Leine zurücklegen können. Der Dackel dürfte gar nicht erkennen können, ob die Hündin angeleint war oder nicht. Weiterhin fehlt es auch hier an dem Schutzzweckzusammenhang. Der Zweck des hier erlassenen Leinenzwangs besteht nicht darin, die Klägerin vor derartigen Verletzungen letztlich durch ihren eigenen Dackel zu schützen, sondern darin, die Natur zu schützen.
IV) Selbst bei einer anderen Sicht der Dinge müsste sich die Klägerin in jedem Fall ein erhebliches Mitverschulden zurechnen lassen, dabei bleibt es. Gegenüber dem verhältnismäßig geringen Mitverschuldensanteil der Beklagten könnte das Mitverschulden der Klägerin sogar so überwiegen, dass nichts mehr übrig bleibt.
Dies ergibt sich aus den § 254 und wiederum § 833 I 1 BGB. Zunächst einmal muss sich die Klägerin die Tiergefahr ihres eigenen Hundes wiederum anrechnen lassen. Diese ist hier höher als die Tiergefahr der Dobermannhündin. Weiterhin muss sich die Klägerin aber auch noch ein Mitverschulden wegen ihres unprofessionellen Verhaltens als Hundehalterin anrechnen lassen. Die Klägerin ist selbst Hundehalterin. Sie hätte sich daher in dieser Situation selbst wesentlich professioneller verhalten müssen. Soweit das Gericht zuvor ausgeführt hatte, die Klägerin hätte den Hund an dem Halsband halten müssen, kann daran möglicherweise im Hinblick auf die Ausführungen der Frau D., der Inhaberin der Hundeschule, nicht festgehalten werden. Dies ändert aber nichts daran, dass die Klägerin dieser Situation hätte gewachsen sein müssen, ohne sich zu verletzen, jedenfalls hätte die Klägerin die Leine in einer Art und Weise halten müssen, dass ihr ihr eigener Hund auch bei stärkerem Zug keine Verletzung hätte zuführen können. Eine Person wie die Klägerin muss in der Lage sein, ihren Dackelmischling an der Leine unter Kontrolle zu halten, ohne sich dabei auch noch erheblich zu verletzen. Die Begegnung mit einem anderen, auch größeren Hund ist für eine Hundehalterin ein alltägliches Ereignis. Eine besondere Gefahrsituation bestand zu keiner Zeit. Möglich wäre es beispielsweise gewesen, den Hund niederlegen zu lassen. Es gilt, dass die Gefährlichkeit der Situation sich schon einige Zeit androhte, die Klägerin hätte sich unproblematisch darauf einstellen können. In dieser Zeit hätte die Klägerin ausreichend Zeit gehabt, ihren Hund und sich selbst zu sichern. Demgemäß ist die Klägerin einem erheblichen Mitverschuldensvorwurf zum einen hinsichtlich ihres eigenen Verhaltens und zum anderen hinsichtlich der sie selbst als Tierhalterin treffenden eigenen Tiergefahr ausgesetzt.
IV) Da somit die denkbaren Anspruchsgrundlagen nicht gegeben sind und weitere Anspruchsgrundlagen nicht ernsthaft in Betracht kommen, war die Klage insgesamt abzuweisen. Wenn der Klägerin keine Ansprüche zustehen, können auch auf das klagende Land keine Ansprüche übergehen.
V) Die Kosten des Rechtsstreites waren auf die Klägerin und das klagende Land entsprechend ihren jeweiligen Beteiligungen sowie unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme zu verteilen (§§ 91 I 1, 100 ZPO), wobei die Kostenfreiheit des klagenden Landes bezüglich der Gerichtskosten zu berücksichtigen war.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert beträgt 4.801,88 Euro; daran sind beteiligt: Die Beklagte in voller Höhe, die Klägerin in Höhe von 2.572,27 Euro, das klagende Land in Höhe von 2.220,61 Euro. Die Klage war vor der Verbindung der Verfahren bereits teilweise zurückgenommen worden.