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Tierkauf – Sachmangel bei FCoV-Infektion eines Katers

AG Rottweil – Az.: 1 S 85/18 – Urteil vom 17.04.2019

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Oberndorf am Neckar vom 18.10.2018, Az. 2 C 242/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Oberndorf am Neckar ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die an sich statthafte sowie nach Form, Frist und Beschwer und auch im Übrigen zulässige Berufung der Kläger (§§ 511 ff. ZPO) ist nicht begründet.

Das Amtsgericht hat zutreffend entschieden, dass den Klägern kein Anspruch gegen den Beklagten auf Schadensersatz, Aufwendungsersatz oder Kaufpreisrückzahlung aus §§ 90a, 434, 437, 280 ff., 323 ff. BGB zusteht, da der streitgegenständliche Kater der Rasse Sphynx bei Gefahrübergang nicht mangelhaft war und damit keine Sachmangelgewährleistungsansprüche bestehen.

Für sämtliche geltend gemachten Gewährleistungsrechte wäre Voraussetzung und von Klägerseite als beweisbelastete Partei zu beweisen gewesen, dass der Kater bereits bei Gefahrübergang, also bei Übergabe des Tieres am 06.01.2016, mangelhaft war, §§ 434 Abs. 1 Satz 1, 446 Satz 1 BGB.

Dabei kann offenbleiben, ob es sich um einen Verbrauchsgüterkauf nach den §§ 474 ff. BGB handelte. Denn die Beweislastumkehr des § 476 BGB kann schon deshalb nicht eingreifen, weil sich der geltend gemachte Mangel innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang, also bis Mitte Juli 2016, noch nicht gezeigt hatte. Erste Krankheitssymptome waren bei dem am 11.10.2016 verstorbenen Kater auch nach Klägervortrag frühestens Mitte August 2016 zu erkennen.

1. Was die mögliche Erkrankung des Katers an Giardiose anbelangt, so ist nach den ausführlichen, nachvollziehbaren und für die Kammer überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 21.07.2018 nicht nachzuweisen, dass der Kater bei Gefahrübergang an Giardien erkrankt war. Eine Erkrankung bereits beim Züchter konnte gutachterlich nur nicht ausgeschlossen werden.

2. Entsprechendes gilt für die Erkrankung an FIP (feline infektiöse Peritonitis). Der Gutachter geht aufgrund des Krankheitsverlaufs dieser schweren Erkrankung davon aus, dass der Kater zum Zeitpunkt der Übergabe höchstwahrscheinlich noch nicht an FIP erkrankt gewesen ist.

3. Im Hinblick auf das FCoV (Felines Coronavirus) reichen die gutachterlichen Feststellung zur Überzeugung der Kammer gerade noch aus, um eine Infektion des Katers bereits bei Gefahrübergang feststellen zu können. Der Gutachter führt aus, dass er davon ausgehe, dass sich der streitgegenständliche Kater bereits beim Züchter mit dem FCoV infiziert habe (Bl. 97 d.A.). Auf Bl. 99 der Akten schildert der Sachverständige dementsprechend den folgenden für ihn plausiblen Ereignisablauf:

1. Infektion der Katze mit FCoV beim Züchter

2. Besitzer- und Wohnungswechsel als prädisponierender Stressor

3. Mutation des FCoV zum Erreger der FIP beim Käufer

4. Ausbruch der FIP.

Zur Überzeugung der Kammer begründet die bloße FCoV-Infektion jedoch keinen Sachmangel nach § 434 BGB.

a) Soweit die Kläger vortragen, der Beklagte habe „zugesichert“, dass der Kater gesund sei, so kann dies nicht als Beschaffenheitsgarantie im Sinne des § 443 Abs. 1 BGB angesehen werden, weil die Angaben in dem Kaufvertrag vom 6.1.2016 in keiner Weise darauf schließen lassen, dass der Beklagte eine über die gesetzliche Mängelhaftung hinausgehende Haftung übernehmen wollte. In dem Kaufvertrag findet sich lediglich der offenbar standardmäßig verwendete Satz: „Die Katze/Kater wurde gesund, voll geimpft, gechipt und entwurmt an den Käufer übergeben.“

Die Formulierung ist nach dem Willen der Parteien und der beiderseitigen Interessenlage vielmehr als Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 BGB auszulegen, §§ 133, 157 BGB. In der Berufungsbegründung sprechen die Kläger insoweit auch von einer „zugesicherten Beschaffenheitsvereinbarung“. Die sehr allgemein gehaltene Vereinbarung geht dabei nicht über dasjenige hinaus, was in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur zur Beschaffenheit von Tieren im Gewährleistungsrecht entwickelt wurde, denn es handelt sich bei dem Begriff „gesund“ nicht um eine näher konkretisierende Vereinbarung, sondern letztlich nur um dasjenige, was ein Käufer eines Tieres allgemein erwarten darf.

b) Für den Tierkauf ergeben sich demnach folgende zu berücksichtigende Besonderheiten:

Da Tiere keine Standardsachen, sondern individuelle Lebewesen sind, ist nicht ein (kaum je existierender) „Idealzustand“ des Tieres geschuldet, sondern nur eine Normalbeschaffenheit (BGH NJW 2007, 1352; Marx NJW 2010, 2839). Daher liegt auch kein Mangel vor, wenn die Beschaffenheit durchschnittlich, aber doch so ist, dass mit einer geringen Wahrscheinlichkeit das Tier in der Zukunft Symptome entwickeln wird. Ein krankes oder infiziertes Tier ist auch dann fehlerhaft, wenn die Krankheit häufig ist (andere Ansicht AG Zittau NJW-RR 2006, 168 bei einer Krankheitshäufigkeit von 20 %), da der Käufer erkennbar gleichwohl ein gesundes Tier erwartet (Grunewald in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 434 Rn 49).

Es ist davon auszugehen, dass die konkreten Eigenschaften eines Tiers als eines in ständiger Entwicklung befindlichen Lebewesens sich in physiologischer, aber auch in charakterlicher Hinsicht nicht im Einklang mit einem Idealzustand befinden müssen, ohne deshalb Fehler zu begründen, dies sowohl im Hinblick auf die Erwartungen des Verkehrs als auch auf die Verwendungszweckvereinbarungen der Kaufvertragsparteien. Generell gilt, dass auch eine Abweichung von der physiologischen Norm einen Mangel nur begründet, wenn mehr als nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich zukünftig ernsthafte klinische Symptome entwickeln (Westermann in Münchener Kommentar BGB, 7. Aufl. 2016, § 434 Rn. 79).

c) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend Folgendes:

Katze Untersuchung beim Tierarzt
(Symbolfoto: Von Maria Sbytova/Shutterstock.com)

Zwar ist nach den Ausführungen des Sachverständigen der ganz ursprüngliche Ausgangspunkt der schweren und tödlichen Erkrankung FIP durch das FCoV in der Sphäre des Beklagten gelegt worden und bereits bei Gefahrübergang vorhanden. Allerdings liegt zur Überzeugung der Kammer – dem Amtsgericht folgend und in Abweichung zur Entscheidung des Amtsgerichts Witten vom 03.03.2008 – 2 C 1454/07 – in der FCoV-Infektion aufgrund der außerordentlichen Verbreitung dieses Virus bei einem Großteil aller Katzen und aufgrund des meist symptomlosen Verlaufs keine klinische Auffälligkeit und damit auch keine Erkrankung im eigentlichen Sinn. In diesen zusammenkommenden Eigenschaften der Häufigkeit und regelmäßigen Symptomlosigkeit liegt auch der Unterschied zum Fall des Amtsgerichts Zittau, NJW-RR, 2006, 168, das – unabhängig von der Frage, ob dieser Entscheidung zu folgen ist – einen Mangel allein aufgrund der Häufigkeit einer Pilzerkrankung bei einer Katze abgelehnt hat; die dortige (echte) Erkrankung führte aber unmittelbar zu juckenden und entzündlichen Hautveränderungen, also klinischen Auffälligkeiten. Eine Katze mit FCoV hingegen ist vor diesem Hintergrund nicht erkrankt. Eine andere Sichtweise hätte zur Konsequenz, dass jegliches minimale Vorhandensein etwa symptomfreier Bakterien oder Pilzsporen, die letztlich als Normalzustand einzuordnen sind, zu einem Sachmangel führen würden.

Ein Sachmangel wäre indes zu bejahen, wenn die Mutation des FCoV zu einer FIP mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit erfolgen würde. Die Wahrscheinlichkeit von nur größenordnungsmäßig 5 % ist hierbei zwar nicht ganz gering, angesichts der maßgeblichen die Mutation beeinflussenden weiteren Faktoren, insbesondere Stressfaktoren oder andere Schwächungen des Immunsystems, noch als so gering anzusehen, dass allein diese recht geringe Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Einordnung des an sich harmlosen Virus als Sachmangel führen kann.

Hierfür sprechen auch die weiteren Ausführungen des Sachverständigen (Bl. 98 d.A.), dass krankheitsauslösend nicht die Infektion mit FCoV, sondern die Mutation des FCoV zum Erreger der FIP ist und diese Mutation mit höchster Wahrscheinlichkeit erst durch den Stress des Besitzerwechsels nach Übergabe der Katze ausgelöst wurde. Es ist dabei auch maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Kläger zudem zwei Hunde halten, was zu erheblichem weiteren Stress bei der Katze führen konnte. Die Situation lässt sich mit Zellen vergleichen, die erst infolge Mutation und in erster Linie durch weitere Faktoren verursacht zu schweren Krebserkrankungen führen können, ansonsten aber zum Normalzustand eines Organismus gehören und in der Regel ungefährlich bleiben. Die eigentliche Krankheit und damit der Mangel ist also in dem Prozess der Mutation, der der Risikosphäre der Kläger zuzuordnen ist, zu sehen, nicht im Ausgangspunkt des Vorhandenseins eines in der Regel harmlosen Virus.

Schließlich lassen sich die Vergleiche des Amtsgerichts Witten in dem bereits benannten Urteil vom 03.03.2008 – 2 C 1454/07 mit Motorfehlern gesamter Baureihen von Kraftfahrzeugen oder Viren bei Computern dadurch entkräften, dass diese die immense Komplexität und Vielfalt eines lebenden Organismus wie eines Tieres verkennen und zudem jeweils unterstellt wird, dass der „Mangel“ zwangsläufig und ohne besondere weitere Einflüsse zu einer schweren Folge führe, was in der vorliegenden Konstellation des FCoV, wie dargestellt, gerade nicht der Fall ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.

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