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Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses

Masseverbindlichkeit und Verjährung: Ein komplexer Rechtsstreit zwischen Insolvenzverwalter und Lohnunternehmen

In einem bemerkenswerten Fall hat das Landgericht Kiel entschieden, dass eine Masseverbindlichkeit des beklagten Insolvenzverwalters in Höhe von 106.121,25 € zuzüglich Zinsen gegenüber dem klagenden Lohnunternehmen besteht. Der Fall wirft wichtige Fragen zur Verjährung von Forderungen und zur Haftung des Insolvenzverwalters auf. Der Kläger, ein Lohnunternehmen, hatte dem Beklagten, dem Insolvenzverwalter eines Landbauunternehmens, für durchgeführte Schlepperarbeiten Rechnungen gestellt, die unbezahlt blieben. Der Insolvenzverwalter hatte die Forderung zwar zur Massetabelle hinzugefügt, aber keinen Verjährungsverzicht erklärt, was den Kläger zur Erhebung einer Feststellungsklage veranlasste.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 O 230/17   >>>

Die Rolle des Insolvenzverwalters und unbezahlte Rechnungen

Der Insolvenzverwalter hatte den Kläger für Schlepperarbeiten an verschiedenen Bauvorhaben an Bundesautobahnen beauftragt. Trotz mehrerer Rechnungen erfolgte keine Zahlung. Der Insolvenzverwalter zeigte dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an und fügte die Forderung des Klägers zur Massetabelle hinzu. Hierbei entstand die Frage, ob die Aufnahme der Forderung in die Massetabelle als Anerkenntnis der Forderung und damit als Hemmung der Verjährung angesehen werden könnte.

Anerkenntnis der Forderung und Verjährung

Der Beklagte argumentierte, dass die Aufnahme der Forderung in die Massetabelle als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu werten sei. Er berief sich auf eine Mindermeinung in der Literatur, die besagt, dass in einer solchen Konstellation eine Hemmung der Verjährung vorliege. Der Kläger hielt dem entgegen, dass die Verjährung unabhängig von der Aufnahme der Forderung in die Massetabelle weiterlaufe, wenn der Insolvenzverwalter keinen Verjährungsverzicht erklärt.

Veranlassung zur Klage und Kosten des Rechtsstreits

Das Gerichtstellte fest, dass der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hatte. Der Kläger musste davon ausgehen, dass seine Forderungen verjähren würden, wenn er nicht klagt. Der Beklagte hatte auf die Aufforderung, einen Verjährungsverzicht zu erklären, nicht reagiert. Daher musste der Kläger eine Feststellungsklage erheben, um einen Rechtsverlust zu vermeiden.

Das Urteil und seine Konsequenzen

Das Gericht entschied, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat und die Forderung des Klägers anerkannt ist. Die Entscheidung hat weitreichende Implikationen für die Praxis der Insolvenzverwaltung und die Rechte der Gläubiger. Sie unterstreicht die Notwendigkeit für Insolvenzverwalter, klar und eindeutig zu kommunizieren, insbesondere wenn es um die Hemmung der Verjährung von Forderungen geht.

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Das vorliegende Urteil

LG Kiel – Az.: 4 O 230/17 – Urteil vom 16.05.2018

Es wird festgestellt, dass eine Masseverbindlichkeit des Beklagten in Höhe von 106.121,25 € zuzüglich Zinsen von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.7.2014 gegenüber dem Kläger besteht.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber eines Lohnunternehmens. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der … , die ebenfalls Inhaberin eines Landbauunternehmens war, zu dem der Kläger in Geschäftsbeziehungen stand.

Am 2.5.2013 stellte die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Noch am selben Tage wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nummer 2, 2. Alt .InsO angeordnet und der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

In dieser Eigenschaft beauftragte der Beklagte den Kläger in der Zeit vom Mai bis Juni 2014 mit der Durchführung von Schlepperarbeiten bei verschiedenen Bauvorhaben an Bundesautobahnen. Der Kläger stellte dem Beklagten mit mehreren Rechnungen zwischen dem 20.5.2014 und dem 21.6.2014 insgesamt 106.121,25 € in Rechnung. Eine Zahlung erfolgte hierauf nicht.

Am 18.6.2014 zeigte der Beklagten dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an.

Mit Schreiben vom 19.8.2016 forderte ein den Kläger vertretendes Inkassounternehmen den Beklagten zur Zahlung der ausstehenden Beträge auf und setzte hierfür eine Frist bis zum 31.8.2016. Der Beklagte antwortete hierauf per E-Mail am 24.8.2016, in der er mitteilte, die Masseunzulänglichkeit angezeigt zu haben und erklärte, die Masseforderung des Klägers sei zur Massetabelle aufgenommen worden. Es schloss sich eine Korrespondenz des beauftragten Inkassounternehmens mit dem Beklagten über die Frage, in welcher Höhe gegebenenfalls eine Quote auf die Forderung des Klägers zu erwarten sei und ob eine Haftung des Beklagten in Betracht komme, an. In deren Verlauf erklärte das Inkassounternehmen, der Beklagte werde gebeten, bis zum 4.8.2017 zu erklären, dass er auf die Einrede der Verjährung bezüglich der Masseverbindlichkeiten verzichte. Der Beklagte gab eine solche Erklärung nicht ab und beantwortete die Aufforderung auch nicht.

Mit Schriftsatz vom 21.12.2017, der beim Landgericht Kiel am 27.12.2017 eingegangen und dem Beklagten nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens am 15.1.2018 zugestellt worden ist, hat der Kläger eine Feststellungsklage erhoben.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass eine Masseverbindlichkeit des Beklagten in Höhe von 106.121,25 € zuzüglich Zinsen von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.7.2014 gegenüber dem Kläger besteht.

Diesen Klageantrag hat der Beklagte mit dem Schriftsatz vom 26.1.2018 anerkannt.

Der Beklagte ist der Auffassung, er habe keine Veranlassung zur Klage gegeben, da er die Forderung des Klägers zur Masseschuldtabelle genommen und dies dem Vertreter des Klägers mitgeteilt habe. Da der Beklagte nur Forderungen zu dieser Tabelle nehme, die er für berechtigt halte, liege darin ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Er habe damit konkludent erklärt, dass die geltend gemachte Forderung unstreitig sei. In der Kommentierung von Uhlenbruck zur Insolvenzordnung, der Auflage, 2015, § 210, Rn. 20 werde von dem Kommentator Ries, der dies selbst als Mindermeinung bezeichne, die Auffassung vertreten, dass in einer solchen Konstellation auf der Grundlage der Kombination der Rechtsgedanken der §§ 206,212 BGB eine Hemmung der Verjährung vorliege.

Dem hält der Kläger unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 14.12.2017, Az: IX ZR 118/17 entgegen, es sei für die Verjährung unerheblich, ob der Insolvenzverwalter eine Forderung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit in eine von ihm geführte Liste eintrage. Der Gläubiger müsse zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung seinen Anspruch wegen der Feststellungsklage verfolgen, wenn der Insolvenzverwalter dies nicht durch Abgabe entsprechender verjährungsrelevanter Erklärungen unnötig mache. Eine solche Erklärung habe der Beklagten trotz Aufforderung nicht abgegeben, so dass dem Kläger keine andere Möglichkeit bleibe, als die Feststellungsklage zu erheben.

Entscheidungsgründe

Der Beklagte ist aufgrund seines Anerkenntnisses im Wege des Anerkenntnisurteils antragsgemäß zu verurteilen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs.1 ZPO zu tragen, weil er im Rechtsstreit unterlegen ist.

Die Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses im Sinne des § 93 ZPO liegen nicht vor, da der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat.

Eine Veranlassung zur Klagerhebung liegt dann vor, wenn der Kläger aufgrund des Verhaltens des Beklagten davon ausgehen muss, dass er ohne die Erhebung der Klage nicht zu seinem Recht kommen werde.

Dies war hier der Fall. Aufgrund der seit der Entstehung der Forderung verstrichenen Zeit musste der Kläger befürchten, dass seine Forderungen mit Ablauf des Jahres 2017 verjähren würden. Nachdem der Beklagte auf die Aufforderung, hinsichtlich dieser Forderungen einen Verjährungsverzicht zu erklären, nicht nachgekommen war, musste der Kläger besorgen, einen Rechtsverlust zu erleiden, wenn er den Lauf der Verjährungsfrist durch die Erhebung einer Feststellungsklage nicht unterbricht.

Dem kann der Beklagte nicht entgegenhalten, es habe – folge man einer Mindermeinung im Schrifttum – ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 BGB vorgelegen. Für den Kläger war lediglich erkennbar, dass der Beklagte auf seine Aufforderung, einen Verjährungsverzicht auszusprechen, nicht reagiert hatte. Dieses Verhalten des Beklagten ließ verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu. Es konnte unter anderem dahin interpretiert werden, dass auf die Aufforderung entweder bewusst oder versehentlich nicht geantwortet worden sei, was die Notwendigkeit zur rechtswahrenden Klageerhebung zur Folge haben musste. Die von dem Beklagten nunmehr herangezogenen rechtliche Bewertung seines Verhaltens auf der Grundlage einer Mindermeinung in der Literatur war aus Sicht des Klägers fernliegend. Ohne eine ausdrückliche Erklärung des Beklagten, dass er in verjährungsrechtlicher Hinsicht diese Position einnehme, war die Erhebung der Feststellungsklage aus Sicht des Klägers geboten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1 ZPO.

 

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