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Todesfeststellung bei Verschollenheit

OLG Oldenburg – Az.: 12 W 53/17 – Beschluss vom 11.05.2017

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 07.03.2017 geändert:

Der am 14.04.1912 in H… geborene H… A… C… wird für tot erklärt.

Der Zeitpunkt des Todes wird festgesetzt auf den 31.12.1984.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Nachlass des Verstorbenen auferlegt.

Der Wert des Verfahrens wird festgesetzt auf 5.000,- €.

Dieser Beschluss ist öffentlich bekannt zu geben.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Todeserklärung seines am 14.04.1912 geborenen Vaters. Dieser war mit der Mutter des Antragstellers verheiratet. Der Antragsteller hat geltend gemacht, dass sein Vater die Familie zu einem ihm – dem Antragsteller – nicht bekannten Zeitpunkt verlassen habe. Eigene Erinnerungen an seinen Vater habe er nicht. Sowohl seine im Juni 2002 verstorbene Mutter, als auch seine beiden älteren – ebenfalls verstorbenen – Schwestern hätten zu Lebzeiten niemals etwas über das Schicksal und den Verbleib seines Vaters berichtet.

Das Amtsgericht Oldenburg hatte mit Beschluss vom 18.11.2015 erstmals den am 30.03.2015 gestellten Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen, wonach die für tot zu erklärende Person verschollen sein müsse, seien nicht glaubhaft gemacht worden. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hatte der Senat mit Beschluss vom 17.03.2016 (Az. 12 W 283/15) die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und dieses ersucht, das Verfahren fortzuführen. Zur Begründung hatte der Senat ausgeführt, dass die Voraussetzungen an die Verschollenheit seines Vaters gemäß § 1 Abs. 1 VerschG von dem Antragsteller glaubhaft gemacht worden seien. Zwar sei es zutreffend, dass vorliegend nicht zu erwarten gewesen sei, dass der Antragsteller Nachrichten von seinem Vater erhielte. Ernsthafte Zweifel am Fortleben einer Person könnten aber auch dann begründet sein, wenn keine derartigen Nachrichten von ihm zu erwarten seien. Dieses sei hier in Anbetracht des Alters des Vermissten der Fall, der zum Zeitpunkt der damaligen Beschlussfassung fast 104 Jahre alt gewesen wäre. Hinzu trete, dass sich auch bei den Standesämtern in Hamburg, wo der Vermisste geboren wurde, keinerlei Hinweise auf den Verbleib des Vaters finden würden.

Hierauf hat das Amtsgericht Oldenburg das Aufgebotsverfahren durchgeführt. Neben der öffentlichen Bekanntmachung im Bundesanzeiger ist das Aufgebot in lokalen Tageszeitungen in Hamburg, Berlin, Ratzeburg und in Brezie/Polen, ehem. Eickfier, Kreis Schlochau/Pommern veröffentlicht worden. Hierbei handelt es sich um die bekannten bzw. mutmaßlichen früheren Lebensmittelpunkte des Vermissten. Auf das Aufgebot hat sich niemand gemeldet. Die angehörte Beteiligte zu 2) hat keine Bedenken gegen das Aufgebotsverfahren geäußert.

Sodann hat das Amtsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 07.03.2017 den Antrag auf Todeserklärung des Vermissten als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass auch nach Durchführung des Aufgebotsverfahrens das Schicksal des Vermissten nicht habe aufgeklärt werden können. Nach der vorangegangenen Entscheidung des Senats sei davon auszugehen, dass der Vater des Antragstellers seit dem Jahr 2016 verschollen sei. Ein Zeitpunkt des Todes könne nicht ermittelt werden. Von daher sei die Regelung gemäß § 9 Abs. 3 lit. a) VerschG analog anzuwenden. Anknüpfungspunkt für die demnach vorzunehmende Berechnung könne nur der Zeitpunkt sein, ab dem ein vernünftiger Dritter ernstliche Zweifel am Fortleben des Verschollenen haben könne. Dieses sei nach dem vorangegangenen Beschluss des Senats erst ab dem Jahr 2016 der Fall. Von daher könne der Tod erst auf den 31.12.2019 festgestellt werden. Da der Tod aber nicht für die Zukunft erklärt werden könne, sei der Antrag zum jetzigen Zeitpunkt als unzulässig abzuweisen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller erneut mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde.

II.

Die nach § 26 Abs. 1 S. 1 VerschG statthafte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Nach Abschluss des vom Amtsgericht ordnungsgemäß durchgeführten Aufgebotsverfahrens ist der verschollene Vater des Antragstellers für tot zu erklären (§ 23 VerschG).

Die vorliegende Entscheidung beruht auf §§ 2, 3 VerschG. Hiernach kann ein Verschollener nach Ablauf bestimmter Fristen für tot erklärt werden, auch wenn keine besonderen Ereignisse, wie Kriegshandlungen, Schiffsuntergänge oder Flugzeugabstürze bzw. sonstige besondere Gefahrenlagen ein Versterben dieser Person nahelegen. Allerdings ist allein das bloße Verstreichenlassen der in § 3 VerschG genannten Fristen, innerhalb derer keine Nachrichten vom Fortleben des Vermissten künden dürfen, hierfür auch nicht ausreichend (vgl. OLG Oldenburg, OLGR 1997, 275, zit. aus juris RN 3). Voraussetzung ist vielmehr immer, dass die für tot zu erklärende Person verschollen i.S.v. § 1 Abs. 1 VerschG ist. Hierfür müssen fünf Voraussetzungen vorliegen: (1) Die Person muss unbekannten Aufenthalts sein. (2) Der unbekannte Aufenthalt muss sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. (3) Innerhalb dieses Zeitraumes müssen Nachrichten über das Fortleben oder den Tod des Vermissten ausbleiben. (4) Hierdurch muss eine Ungewissheit über das Fortleben der vermissten Person entstanden sein und (5) es müssen nach den Umständen ernstliche Zweifel an das Fortleben der Person begründet worden sein (vgl. BGHZ 5, 230, 234). Die ersten vier Voraussetzungen liegen im Falle des vermissten Vaters des Antragstellers fraglos vor. Dieser ist seit der frühen Kindheit des Antragstellers und damit seit über 65 Jahren unbekannten Aufenthalts. Nach den durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten Angaben des Antragstellers ist während dieses gesamten Zeitraumes auch keine Nachricht über das Fortleben oder Versterben seines Vaters eingegangen. Damit besteht naturgemäß über dessen Fortleben Ungewissheit. Entscheidende Voraussetzung für die Bejahung einer Verschollenheit ist daher, ob nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles auch ernsthafte Zweifel am Fortleben des Vaters des Antragstellers begründet sind. Diese Frage hat der Senat bereits mit dem Beschluss in dieser Sache vom 17.03.2016 bejaht. Hieran ist festzuhalten.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden Menschen unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles ernsthafte Zweifel am Fortleben der vermissten Person bestehen (BGH, a.a.O.; BayObLG, MDR 1999, 1270, zit. aus juris, RN 8; OLG Schleswig, FamRZ 2015, 691, zit. aus juris RN 23). Dabei kann allein das Ausbleiben von Nachrichten über einen längeren Zeitraum diese Zweifel nicht begründen, wenn nach den Umständen mit derartigen Nachrichten nicht zu rechnen ist (OLG Düsseldorf, MDR 2011, 1046, zit. aus juris RN 9). Dies hat das Amtsgericht vorliegend zu Recht verneint. Der Vater des Antragstellers hatte offenbar im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Zeugung/Geburt des Klägers mit seiner Familie gebrochen. Nach der glaubhaft gemachten Aussage des Antragstellers ist nie über den Vater gesprochen worden. Selbst seine älteren Schwestern, die noch eine eigene Erinnerung an den gemeinsamen Vater gehabt haben müssen, hätten dieses Thema nicht angesprochen. Dieses Verhalten ist nur mit einem großen Zerwürfnis innerhalb der Familie zu erklären, so dass davon auszugehen ist, dass der Vater des Antragstellers die Familie bewusst verlassen hat und auch hiernach keinerlei Anlass hatte, sich bei dieser zu melden. Dies schließt indes nicht aus, dass sich Zweifel am Fortleben der vermissten Person aus anderen Gründen ergeben können (BGHZ 5, 230, 235; OLG Schleswig, a.a.O., RN 26). Einen derartigen Grund hat der Senat vorliegend in dem hohen Alter des Vermissten gesehen, welches dieser inzwischen erreicht haben müsste, sollte er immer noch leben.

Auch insoweit gilt, dass die Frage, ab welchem Alter einer Person unbekannten Aufenthalts berechtigte Zweifel an ihrem Fortleben begründet sind, vom Standpunkt eines vernünftig denkenden Menschen zu beantworten ist. Eine rein schematische Betrachtungsweise verbietet sich auch hier. Das in Deutschland gültige Verschollenheitsgesetz ist gerade nicht einem Regelungsmodell gefolgt, welches ab einem gewissen Lebensalter das Versterben einer Person unbekannten Aufenthalts vermutet (vgl. Staudinger/Habermann (2013) Vor § 1 VerschG, RN 22). Die Ansicht des Beschwerdeführers, wonach sich eine derartige Vermutung aus § 3 VerschG ergäbe, trifft nicht zu. Die Vorschrift berücksichtigt die allgemeine Lebenserwartung nur insoweit, als dass bei Erreichen einer Altersgrenze von 80 Jahren eine Todeserklärung innerhalb einer kürzeren Frist ermöglicht wird. Eine Versterbensvermutung enthalten die Regelungen des VerschG dagegen nicht (vgl. Staudinger/Habermann (2013) § 3 VerschG, RN 1).

Ein vernünftig denkender Mensch wird bei der Beantwortung der Frage, ab wann an einem Fortleben berechtigte Zweifel bestehen, individuelle Faktoren, wie etwa eine bekannte schwere Erkrankung des Verschollenen, miteinbeziehen (so etwa der Sachverhalt, welcher einer Entscheidung des OLG Hamm, veröffentlicht in Rpfleger 2015, 45, zugrunde lag). Aber auch dann, wenn derartige Faktoren – wie hier – nicht bekannt sind, wird ein vernünftig denkender Mensch ab einem gewissen Alter der vermissten Person zu der Erkenntnis gelangen, dass ein zwischenzeitliches Versterben wahrscheinlicher ist als deren Fortleben. Eine derartige Annahme ist bei Erreichen der allgemeinen Lebenserwartung, die bei etwa 80 Jahren verortet werden kann, sicherlich noch nicht gerechtfertigt. Hierzu ist der Personenkreis, der dieses Alter erreicht, zu groß. So folgt aus der derzeitig gültig abgeschlossenen Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes, dass von 100.000 neugeborenen Männern ein Anteil von 52.740 Personen den 80. Geburtstag erleben wird (Allgemeine Sterbetafel 2010/2012, S. 26, erschienen am 22.04.2015, abrufbar unter www.destatis.de). Dies sind über 50% eines Jahrganges. Dieser Anteil sinkt in der folgenden Dekade allerdings dramatisch. Von der gleichen Anzahl neugeborener Männer werden nur noch 16.352 Personen ihren 90.Geburtstag erleben (a.a.O.). Dies sind deutlich weniger als 20% eines Jahrganges. Dieser Umstand legt nahe, dass auch aus Sicht eines vernünftig denkenden Menschen bereits zu diesem Zeitpunkt erhebliche Zweifel am Fortleben der vermissten Person angezeigt sind. Diese Zweifel sind jedenfalls offenkundig, wenn die vermisste Person – wie hier – inzwischen ein Alter von über 100 Jahren erreicht haben müsste. Nach der bereits zitierten Sterbetafel erleben von 100.000 männlichen Personen eines Geburtsjahrganges lediglich 594 ihren 100. Geburtstag. Dieses sind weniger als 0,6% eines Jahrganges. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet die vermisste Person zu diesem exklusiven Kreis gehört, ist damit äußerst gering. Hinzu tritt, dass bei Personen, die ein derart hohes Alter erreichen, durchaus damit zu rechnen ist, dass nahe Angehörige von ihrem Fortleben Nachricht erhalten. Dieser Personenkreis benötigt erfahrungsgemäß intensive Pflegeleistungen. Pflegeinrichtungen werden sich daher regelmäßig bemühen, nahe Angehörige – unabhängig von einer Mitwirkung des Betroffenen – ausfindig zu machen (vgl. OLG Hamm, Rpfleger 2015, 45, zit. aus juris, RN 4). Dies gilt auch im Falle eines Aufenthaltes der Person im Ausland. So sind deutsche Auslandsvertretungen gehalten, in Notlage geratene Deutsche im Ausland Hilfe zu leisten (§ 5 Abs. 1 S. 1 KonsG). Hierzu gehört auch, im Falle von Pflegebedürftigkeit nahe Angehörige im Inland zu ermitteln, die den Betroffenen unterstützen können. Derartiges ist offenkundig nicht geschehen, da entsprechende Anfragen an den über Personenstandsregister leicht zu ermittelnden Antragsteller nie herangetragen worden sind. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass der Vater des Antragstellers bereits zu einem Zeitpunkt verstorben ist, als er derartige Hilfeleistungen noch nicht benötigte.

Hiermit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass selbstverständlich Sachverhaltskonstellationen denkbar sind, bei denen der Vermisste noch lebt und kein Anlass für Nachforschungen nach nahen Angehörigen besteht, etwa weil der Vermisste vermögend ist oder sich während des vergangenen langen Zeitraumes einen Kreis neuer ihm nahe stehender Personen zugelegt hat. Die hieraus resultierende Ungewissheit steht einer Todeserklärung jedoch nicht entgegen, sondern ist vielmehr Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein entsprechendes Verfahren eröffnet ist. Die Anforderungen des Amtsgerichts sind viel zu eng, wenn es betont, dass in Deutschland heute bereits 17.000 Menschen leben, die älter als 100 Jahre sind. Der Verschollenheitsbegriff nach § 1 Abs. 1 VerschG setzt keine Gewissheit vom Tode des Vermissten voraus. Diese schließt vielmehr eine Verschollenheit aus (§ 1 Abs. 2 VerschG). Ist der Tod einer Person gewiss, etwa weil diese die maximale Lebenserwartung eines Menschen überschritten hätte, die nach derzeitigem Erkenntnisstand bei 120 Jahren zu verorten ist (vgl. Staudinger/Habermann (2013) § 1 VerschG, RN 11), bedarf es keiner Todeserklärung mehr. In derartigen Fällen muss allenfalls noch der Zeitpunkt des Todes gemäß §§ 39ff VerschG festgestellt werden.

Von der nach § 1 Abs. 1 VerschG festzustellenden Verschollenheit einer Person zu unterscheiden sind die Fragen, ab wann eine Todeserklärung zulässig ist (§ 3 VerschG) und welcher Todeszeitpunkt in diesem Falle festzustellen ist (§ 9 VerschG). Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts stellt das Gesetz in beiden Fällen nicht auf den Zeitpunkt ab, ab dem erstmals eine Verschollenheit des Vermissten bejaht werden kann. Der Umstand, dass der Senat diese Voraussetzung mit Beschluss vom 17.03.2016 erstmals bejaht hat, ist daher für die Beantwortung dieser Fragen unerheblich. Zulässig ist die Todeserklärung nach § 3 Abs. 1 1.Alt VerschG vielmehr schon nach Ablauf einer 10 Jahresfrist, die mit Ende des Jahres beginnt, in dem der Verschollene nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat. Dieses war vorliegend bereits mit Ablauf des 31.12.1959 der Fall, da nach den vorliegenden Unterlagen davon auszugehen ist, dass der Vermisste den am 20.01.1950 geborenen Antragsteller im Laufe des Jahres 1949 gezeugt hat. Ob der Vermisste zum Zeitpunkt der Geburt des Antragstellers noch bei der Familie weilte, ist schon ungewiss. Der Umstand, dass ein Antrag zum 01.01.1960 gleichwohl unbegründet gewesen wäre, da sich zu diesem Zeitpunkt eine Verschollenheit des Vermissten nicht hätte feststellen lassen, ändert an der Zulässigkeit einer Todeserklärung bereits zu diesem Zeitpunkt nichts.

Noch anders zu beantworten ist die Frage, mit welchem Zeitpunkt der Tod festzustellen ist. Hier gilt zunächst vorrangig § 9 Abs. 2 VerschG, wonach der Todeszeitpunkt auf den wahrscheinlichsten Zeitpunkt festzustellen ist. Wenn allerdings Voraussetzung für eine Verschollenheit ist, dass aus Sicht eines vernünftig denkenden Menschen ernsthafte Zweifel am Fortleben der vermissten Person bestehen müssen, mithin dessen Tod wahrscheinlich sein muss, hat dies konsequenter Weise zur Folge, dass der festzustellende Zeitpunkt des Todes vor oder zeitgleich zu dem Zeitpunkt liegen sollte, ab dem eine Verschollenheit bejaht werden kann. Der Argumentation des Amtsgerichts, wonach der Todeszeitpunkt nur auf einen Zeitpunkt festgesetzt werden könne, der in der Zukunft liege, weswegen die vorliegend beantragte Todeserklärung auch unzulässig sein soll, kann damit bereits denklogisch nicht gefolgt werden. Eine entsprechende Folge ergibt sich auch nicht aus der Auffangregelung nach § 9 Abs. 3 lit. a) VerschG, die das Amtsgericht vorliegend auch nur analog anwenden will. Hiernach ist der Todeszeitpunkt – abhängig vom Alter des Verschollenen – entweder 5 Jahre oder 3 Jahre nach dem Zeitpunkt festzustellen, ab dem ausweislich der vorhandenen Nachrichten der Vermisste noch gelebt hatte, wenn eine anderweitige Feststellung nach § 9 Abs. 2 VerschG nicht möglich ist. Dieser Zeitpunkt läge immer innerhalb der Fristen, ab der eine Todeserklärung nach § 3 VerschG überhaupt zulässig ist.

Tatsächlich ist der Todeszeitpunkt des Vaters des Antragstellers auf den 31.12.1984 festzusetzen. Diese Festsetzung folgt aus § 9 Abs. 2 VerschG. Hierzu hat das Amtsgericht allerdings zutreffend festgestellt, dass Anhaltspunkte für die Festsetzung eines wahrscheinlichen Todeszeitpunktes fehlen. Insoweit käme vorliegend grundsätzlich die Auffangvorschrift des § 9 Abs. 3 VerschG zum Tragen. Hiernach wäre der Todeszeitpunkt allerdings bereits auf den 31.12.1954 festzusetzen, da die hiernach anzuwendende Fünfjahresfirst – wie bereits zur Zehnjahresfrist nach § 3 VerschG ausgeführt – schon am 31.12.1949 – dem Ende des Jahres der Zeugung des Antragstellers – zu laufen begonnen hätte. Dieser Zeitpunkt erscheint jedoch sehr unwahrscheinlich, da keinerlei Anzeichen dafür vorliegen, dass der Verschollene bereits zu einem derart frühen Zeitpunkt – hier mit 42 Jahren – verstorben sein soll. Insoweit steht im vorliegenden Fall die Anwendung von § 9 Abs. 3 lit. a) VerschG in Widerspruch zu der eigenen Prioritätsregel des Gesetzgebers, wonach vorrangig der wahrscheinlichste Todeszeitpunkt festgestellt werden soll. Kann ein wahrscheinlicher Zeitpunkt nicht festgestellt werden, ist aber der Auffangzeitpunkt – wie hier – deutlich weniger wahrscheinlich als andere Zeitpunkte, kann sinnvollerweise nicht die Auffangregelung greifen. In diesem Falle muss das Gericht den Zeitpunkt gleichwohl nach § 9 Abs. 2 VerschG bestimmen und sich dem wahrscheinlichsten Todeszeitpunkt durch eine Schätzung nähern.

Vorliegend besteht die Besonderheit, dass der Vater des Antragstellers bereits seit sehr langer Zeit vermisst ist und die Annahme seiner Verschollenheit letztlich nur auf das fortgeschrittene Lebensalter gründet, welches der Verschollene für den Fall seines Fortlebens inzwischen erreicht haben müsste. In einer derartigen Situation ist es angemessen, zur Schätzung des wahrscheinlichen Todeszeitpunktes auf die statistische Lebenserwartung abzustellen, wobei diese für den Verschollenen insoweit zu individualisieren ist, als dass auf diejenige durchschnittliche Lebenserwartung abzustellen ist, die der Verschollene zu dem Zeitpunkt hatte, als er nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat. Wie ausgeführt, hat der Verschollene nach den vorhandenen Nachrichten noch im Jahr 1949, dem Jahr der Zeugung des Antragstellers, gelebt. Zu diesem Zeitpunkt war der Verschollene 37 Jahre alt. Er hatte damit nach der allgemeinen Sterbetafel 1949/1951 noch eine statistische Lebenserwartung von 35 Jahren (S. 35 der Periodensterbetafeln für Deutschland 1871/1881 bis 2008/2010, erschienen am 14. Mai 2012, abrufbar unter www.destatis.de). Hieraus folgt ein wahrscheinlicher Sterbezeitpunkt am 31.12.1984.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 Abs. 2 S. 1 VerschG.

Die Wertfestsetzung ergeht nach § 36 Abs. 1 und 3 GNotKG. Abzustellen ist auf den Wert des Nachlasses des Verschollenen, nicht auf das Wertinteresse des Antragstellers, da die Todeserklärung im Interesse der Rechtsnachfolger des Verschollenen erfolgt, welche die Kosten des Verfahrens über den Nachlass zu tragen haben. Da keinerlei Anhaltspunkte für den Wert des Nachlasses bestehen, ist auf den Auffangwert nach § 36 Abs. 3 GNotKG zurückzugreifen. Insbesondere ist der Wert des Nachlasses nicht um die Erbteile nach der verstorbenen Ehefrau und der bereits verstorbenen Kinder erhöht, da diese nach dem Verschollenen verstorben sind, dessen Todeszeitpunkt – wie ausgeführt – auf den 31.12.1984 festzusetzen ist.

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Die öffentliche Zustellung des Beschlusses war gemäß § 24 VerschG anzuordnen.

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