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Türöffnungsvertrag – Sittenwidrigkeit des Vertrages

AG Essen – Az.: 19 C 409/17 – Urteil vom 06.02.2018

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.156,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.11.2017 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.11.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche infolge einer erfolgten Türöffnung.

Der Kläger hatte sich am Samstag, den 22.07.2017 aus seiner Wohnung in Töging am Inn ausgesperrt. Er erkundigte sich im Internet nach einem Schlüsseldienst, welches er sodann kontaktierte. Gegen 23:30 Uhr erschien ein Mitarbeiter des Beklagten und führte die Türöffnung aus. Es wurde u. A. ein Profilzylinder 40 x 30 mm ausgewechselt. Der Mitarbeiter des Beklagten stellte dem Kläger einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.156,08 EUR in Rechnung. Der Betrag wurde noch vor Ort von dem Kläger beglichen, der die Rechnung sodann auch unterzeichnete. Wegen des Inhalts wird auf die Rechnung vom 22.07.2017, Bl. 9 d. A. Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.09.2017 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Rückzahlung des bezahlten Betrages auf.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der vorliegende Vertrag wegen Wuchers nichtig sei und er daher die vollständige Rückzahlung verlangen könne. Seiner Ansicht würde ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen. Ausweislich der unverbindlichen Preisempfehlung des Bundesverbands Metallhandwerk dürfte die streitgegenständliche Türöffnung inflationsbereinigt lediglich 293,50 EUR kosten. Seiner Ansicht nach könne er auch die Rückzahlung des gesamten Betrages verlangen, da aufgrund der Nichtigkeit des Vertrages der Beklagte nicht berechtigt sei, den angemessenen Teil der Vergütung einzubehalten.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.156,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.11.2017 zu zahlen.

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwalts-kosten in Höhe von 201,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.11.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der verlangte Preis für die vorliegende Türöffnung angemessen und ortsüblich sei. Der Kläger sei vor Ort über die Kosten informiert worden. Nach der erfolgten Türöffnung habe der Kläger das Werk abgenommen und den geforderten Rechnungsbetrag schriftlich anerkannt. Es habe weder eine Zwangslage bestanden, noch sei der streitgegenständliche Vertrag sittenwidrig.

Wegen des weiteren Inhalts wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betrages von 1.156,08 EUR aus § 812 Abs.1 S.1 Alt.1 BGB.

Denn der vorliegende Werkvertrag vom 22.07.2017 ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs.1 BGB sittenwidrig und damit nichtig.

Ein wucherähnliches Rechtsgeschäft liegt vor, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein besonders grobes Missverhältnis besteht und die hierdurch begründete tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Vertragspartners von diesem nicht widerlegt wird. Für die Annahme eines besonders groben Missverhältnisses genügt bereits, dass der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der der Gegenleistung (Ellenberger in Palandt, BGB, § 138, Rz. 34a).

Ein besonders grobes Missverhältnis in diesem Sinne liegt hier vor.

Denn der objektive Wert der Türöffnung beträgt 291,95 EUR, so dass die Leistung des Beklagten – gezahlt wurden 1.156,08 EUR – mehr als doppelt so hoch ausfiel, wie die empfangene Gegenleistung.

Bei der Bestimmung des objektiven Wertes der hier streitgegenständlichen Türöffnung war dabei die Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall (BVM) zugrunde zu legen.

Insoweit verfängt der Einwand des Beklagten, dass Schlüsselnotdienste diesem Gewerke nicht unterliegen, nicht. Denn bei der Preisempfehlung handelt es sich gerade um Preise für Türöffnungen durch einen Schlüsseldienst.

Türöffnungsvertrag – Sittenwidrigkeit des Vertrages
(Symbolfoto: Von ALPA PROD/Shutterstock.com)

Auch der Einwand des Beklagten, dass ein 24 Stunden Notdienst mit höheren Preisen kalkulieren müsse, greift insoweit nicht durch. Denn die Uhrzeit der jeweiligen Türöffnung berücksichtigt bereits die die Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall durch ein abgestuftes Vergütungssystem, welches gerade nach Uhrzeiten differenziert. Soweit hierbei keine Unterscheidung zwischen 24 Stundennotdiensten und regional agierenden ebenfalls auf Notdienste ausgerichtete Unternehmen vorgenommen wird, erscheint dies dem Gericht richtig, da schlussendlich beide Unternehmen die Aufgabenstellung gleichermaßen erfüllen. Die Nebenleistungen, wie die Bereitstellung des Notdienst-Personals und deren Erreichbarkeit sowie Mobilität fallen für beide Unternehmen gleichermaßen an. Dass für eine Türöffnung erforderliche Werkzeug muss ebenso von beiden bereitgehalten werden.

Bei Zugrundelegung der Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall ist für die hier streitgegenständliche Türöffnung am Samstag, 22.07.2017 gegen 23:30 Uhr ein Werklohn in Höhe von 291,95 EUR angemessen. Dieser ergibt sich daraus, dass es sich um eine Türöffnung am Samstag, zwischen 14 – 24 Uhr in Töging am Inn handelt, für die eine Pauschale in Höhe von 151,20 EUR als angemessen anzusehen ist. Hinzu kommt ein Zusatzbetrag je angefangene ¼-Stunde von 37,80 EUR, Materialkosten für den Zylinder in Höhe von 48,- EUR sowie pauschal Fahrtkosten in Höhe von 36,00 Euro.

In Summe ergibt sich daher ein Betrag von 273,00 EUR. Da sich die in der Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall aufgeführten Kosten auf August 2011 beziehen (Datum der Preisempfehlung des BVM), ist den dort zu findenden Werten eine Teuerungsrate aufzuschlagen. Der Verbraucherpreisindex lag im August 2011 bei 102,3 Punkten. Im Juli 2017 (Zeitpunkt der Türöffnung) lag der Verbraucherpreisindex bei 109,4 Punkten.

Daraus folgt, dass die Türöffnung im Juli 2017 insgesamt 291,95 Euro kosten durfte. (273,- EUR ÷ 102,3 × 109,4). Tatsächlich in Rechnung gestellt wurde ein Betrag in Höhe von 1.156,08 EUR.

Vor diesem Hintergrund wird daher auch eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten vermutet. Diese Vermutung ist von Seiten des Beklagten auch nicht widerlegt worden

Rechtsfolge des Wuchers ist die Nichtigkeit des Geschäftes. Eine Aufrechterhaltung mit einer angemessenen Gegenleistung ist nach der herrschenden Meinung nicht möglich (Ellenberger in Palandt, BGB, § 138, Rz. 75). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 138 BGB. Zwar wird dies in der Rechtsprechung teilweise uneinheitlich gehandhabt. Das Gericht sieht hier keinen Ausnahmefall als gegeben an, der eine teilweise Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs begründen könnte. Tatsächlich liegt der Rückgriff auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nahe. Denn ansonsten läge eine Privilegierung des Geschäftsmodells des Beklagten vor. Das Vereinbaren eines wucherischen Werklohnes wäre für ihn risikolos, wenn in dem Bruchteil der Fälle, der zur gerichtlichen Auseinandersetzung gelangen, jedenfalls noch die angemessene Vergütung geschuldet sein würde.

Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 288, 291 BGB.

Darüber hinaus ist der Beklagte verpflichtet, an den Kläger die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 201,71 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Der Anspruch folgt aus § 826 BGB bzw. §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.). Schließlich liegt in der Vereinbarung eines wucherischen Rechtsgeschäfts eine vertragliche Nebenpflichtverletzung vor, so dass der Schadensersatzanspruch des Klägers – gerichtet auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten – aus § 826 BGB und auch aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) folgt (Ellenberger in Palandt, BGB, § 138, Rz. 75 u. 22).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.156,08 EUR festgesetzt.

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