LG Köln – Az.: 6 S 285/10 – Urteil vom 11.08.2011
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 15.10.2010 – Aktenzeichen 124 C 58/10 – dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Kläger 605,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger zu 26 % und die Beklagte zu 74 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand
Abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO, 26 Nr. 8 EG ZPO.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Kläger ist begründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit §§ 1004, 249 BGB sowie aus §§ 284, 286 BGB auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Unstreitig ragten die Äste des der Beklagten gehörenden Kastanienbaumes über die Grundstücksgrenze auf das Grundstück der Kläger, was eine Verletzung der Eigentumsrechte der Kläger bedeutet und den Klägern einen Anspruch auf Beseitigung der Eigentumsstörung gab. Dass durch die auf das Grundstück herüberragenden Äste die Kläger in der Benutzung ihres Grundstückes nicht oder nur unerheblich beeinträchtigt wurden, so dass der Anspruch entsprechend § 910 Abs. 2 BGB ausgeschlossen war, hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte schon nicht dargetan. Vielmehr haben die Kläger unbestritten vorgetragen, dass durch die herüberragenden Äste es zu Anfall von Laub und stacheligen Früchten sowie einer Verschattung kam. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts konnte die Beklagte die Kläger auch nicht darauf verwiesen, den Überhang nach § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB selbst zu beseitigen. § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB gibt dem beeinträchtigten Eigentümer ein Selbsthilferecht, das aber die Ansprüche aus § 1004 BGB gegen den Störer nicht ausschließt (vgl. BGH, NZM 2005, 318). Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Anspruch auf Beseitigung der Äste nicht fällig gewesen sei, da sie mangels Ausnahmegenehmigung von der Baumschutzsatzung nicht berechtigt gewesen sei, die Äste zu entfernen. Das Bestehen einer Baumschutzsatzung ändert nichts daran, dass der Eigentümer des Baumes, dessen Äste auf das fremde Nachbargrundstück ragen, Störer im Sinne des § 1004 BGB ist, solange nicht feststeht, dass eine Ausnahmegenehmigung von dem Verbot der Satzung nicht erteilt wird. Im Prozess kann sogar eine Verurteilung vorbehaltlich der Genehmigung erfolgen (vgl. BGH, a.a.O.). War die Beklagte aber Störerin, war es ihre Aufgabe, sich um eine Ausnahmegenehmigung zu kümmern und diese herbeizuführen. Daran, dass die Genehmigung erteilt worden wäre, bestehen keine vernünftigen Zweifel, da die Gesichtspunkte, die dazu geführt haben, dass die Gemeinde sogar das Fällen des Baumes genehmigt hat, auch schon vorher bestanden. Darauf, dass für die Beklagte nicht erkennbar gewesen sei, dass eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden könnte, kann sich diese zu ihrer Entschuldigung nicht berufen. Vielmehr hätte sie die Entscheidung der zuständigen Stelle beantragen müssen. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Anspruch auf Beseitigung der Äste verjährt gewesen sei. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass die Einrede der Verjährung seinerzeit erhoben worden wäre, greift sie auch nicht durch. Denn es ging nicht um einen Anspruch auf Beseitigung eines Baumes, der ohne den vorgeschriebenen Abstand von der Grenze gepflanzt worden war und für den die Ausschlussfrist des § 47 Nachbarrechtsgesetz NW gilt, sondern um einen Anspruch auf Beseitigung von über die Grenze auf das fremde Grundstück ragenden Ästen. Dieser Anspruch aus § 1004 BGB wird durch § 47 Nachbargesetz NW nicht ausgeschlossen (vgl. Schäfer, Nachbargesetz NW, 14. Aufl., § 47, Rdnr. 2).
Die Beklagte haftet für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Kläger sowohl unter dem Gesichtspunkt von Folgekosten der Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB, als auch aus Verzug. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes war eine adäquate Folge der Eigentumsverletzung, wobei die Kläger die Beauftragung des Anwaltes für zweckmäßig und notwendig halten durften, nachdem ihre vorhergehenden eigenen Bemühungen ohne Erfolg geblieben waren und durch die Baumschutzsatzung neben zivilrechtlichen Fragen auch öffentlich-rechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen waren. Ebenso befand die Beklagte sich im Verzug, nachdem die Kläger sie mehrfach vergeblich zur Beseitigung des Überhanges aufgefordert hatten. Wie oben ausgeführt, wäre es Aufgabe der Beklagten als Störerin gewesen, sich um eine Ausnahmegenehmigung zu bemühen, so dass sie sich nicht darauf berufen kann, dass sie zur Beseitigung der Störung nicht berechtigt gewesen sei, weil sie einen dafür erforderlichen Antrag nicht gestellt hatte. Schließlich können die Kläger auch nicht darauf verwiesen werden, dass sie unmittelbar Klageauftrag hätten erteilen müssen, wie das Amtsgericht unter Hinweis auf das OLG Hamm in seinem Hinweisbeschluss gemeint hat. Dass ein weiteres außergerichtliches Vorgehen gegen die Beklagte erkennbar aussichtslos war und daher sofort unbedingter Klageauftrag hätte erteilt werden müssen, wird bereits durch den tatsächlichen Ablauf eindrucksvoll widerlegt. Tatsächlich ist es nämlich nicht zu einem Klageverfahren gekommen, sondern die Angelegenheit wurde außergerichtlich beigelegt. Ein unmittelbarer unbedingter Klageauftrag war hier auch allein deshalb nicht angezeigt, weil zunächst Fragen der Baumschutzsatzung zu klären waren und zudem ein Schlichtungsverfahren durchzuführen war.
Die Höhe der geltend gemachten außergerichtlichen Kosten ist nicht zu beanstanden, nachdem mit Schriftsatz vom 23.07.2010 die Gebühren neu berechnet worden sind. Auch gegen den vom Klägervertreter angesetzten Streitwert ist nichts einzuwenden. Die Kläger haben dargelegt, dass sie durch die überhängenden Äste nicht unerheblich beeinträchtigt wurden, so dass ihr Interesse an der Beseitigung dieser Beeinträchtigung mit 2.500,– € nicht unangemessen bewertet erscheint.
Der Zinsanspruch ist aus §§ 284, 286 BGB gerechtfertigt, nachdem die Beklagte durch ihren Hausverwalter die Forderung der Kläger mit Schreiben vom 27.10.2009 zurückgewiesen hat und hierdurch in Verzug gekommen ist. Zwar ist dem Klagevortrag nicht zu entnehmen, dass die Kläger – bis auf die Gebühren für das Schiedsverfahren – ihrerseits die Kosten bereits gezahlt hatten, so dass grundsätzlich nur ein Freistellungsanspruch bestand. Dieser wandelte sich nach § 250 BGB mit der Zurückweisung jeglichen Kostenerstattungsanspruches in einen Zahlungsanspruch um, da darin zugleich eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung lag, die eine vorherige Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung entbehrlich machte (vgl. BGH, Az. XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868).
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 605,31 €.