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Unfallfahrzeugvermietung – Aufklärungspflicht des Vermieters

Bundesgerichtshof

Az: XII ZR 155/05

Urteil vom 24.10.2007


Leitsatz:

Zur Aufklärungspflicht des Vermieters bei Vermietung eines Unfallersatzfahrzeugs (im Anschluss an das Senatsurteil vom 28. Juni 2006 – XII ZR 50/04 – NJW 2006, 2618).


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2007 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 14. September 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen den Beklagten rückständige Miete für die Überlassung eines Mietwagens geltend.

Nach einem Verkehrsunfall am 3. Oktober 2003, bei dem der vom Beklagten geführte Pkw beschädigt worden war, mietete dieser am 28. Oktober 2003 von der Klägerin einen Ersatzwagen zum Unfallersatztarif von 158 EUR zuzüglich MWSt pro Tag. Mit Rechnung vom 12. November 2003 machte die Klägerin insgesamt 1.292,24 EUR geltend.

Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, dessen volle Haftung für den Unfallschaden nicht streitig ist, zahlte 385 EUR, den Betrag, der bei Zugrundelegung des von der Klägerin angebotenen Normaltarifs angefallen wäre. Die Differenz von 907,24 EUR verlangt die Klägerin vom Beklagten.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der die Kammer folge, seien Mietwagenkosten eines Unfallgeschädigten vom Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht ohne Weiteres, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erstatten. Das entspreche allgemeinen Rechtsgrundsätzen, wonach nur solche Kosten zu erstatten seien, die zur Behebung des eingetretenen Schadens tatsächlich erforderlich gewesen seien. In Fällen der vorliegenden Art bedeute dies für den Geschädigten, dass er bei Vereinbarung eines Unfallersatztarifs die damit verbundenen Kosten unter Umständen nicht bzw. nicht in vollem Umfang vom Haftpflichtversicherer des Schädigers erstattet bekomme, auch wenn das den Schaden verursachende Unfallereignis allein vom Unfallgegner verursacht und verschuldet worden sei. Dieses Risiko sei für die Entscheidung des Geschädigten über die Auswahl mehrerer zur Verfügung stehender Mietvertragstarife von wesentlicher Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass die Unfallersatztarife durchweg – wie auch hier – mit erheblich höheren Mietkosten verbunden seien als alle anderen angebotenen Tarife.

Wegen des Gewichts des damit für den geschädigten Mietinteressenten verbundenen Risikos erachte die Kammer den gewerblichen Kfz-Vermieter für verpflichtet, in Fällen der vorliegenden Art seine Kundschaft auf dieses Risiko ungefragt hinzuweisen, auch wenn eine allgemeine Aufklärungspflicht über alle für die Entscheidung des Vertragspartners maßgeblichen Umstände zu Recht nicht angenommen werde. Diese Verpflichtung habe die Klägerin unstreitig nicht erfüllt und sich damit schadensersatzpflichtig gemacht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung aus jüngerer Zeit stamme, während der Vertragsschluss vom 28. Oktober 2003 datiere. Denn die zugrunde liegenden Probleme seien bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in der Branche der gewerblichen Kraftfahrzeugvermieter aus den von beiden Parteien zitierten Entscheidungen bekannt gewesen, in jüngster Zeit höchstrichterlich lediglich weiter geklärt und bestätigt worden.

2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass das Berufungsgericht zu Unrecht das Bestehen einer Aufklärungspflicht auf Seiten der Klägerin bejaht habe. Der Senat hat – nach Erlass des Berufungsurteils – eine Aufklärungspflicht des Autovermieters gegenüber den Interessenten eines Unfallersatzwagens bejaht (Senatsurteile vom 28. Juni 2006 – XII ZR 50/04 – NJW 2006, 2618 f.; vom 10. Januar 2007 – XII ZR 72/04 – NJW 2007, 1447 f.; vom 7. Februar 2007 – XII ZR 125/04 – NJW 2007, 2181 f. und vom 27. Juni 2007 – XII ZR 53/05 – NJW 2007, 2759). Zwar muss der Mieter nicht über den gespaltenen Tarifmarkt, d.h. weder über die eigenen verschiedenen Tarife noch über günstigere Angebote der Konkurrenz aufgeklärt werden; es ist grundsätzlich Sache des Mieters, sich zu vergewissern, ob die ihm angebotenen Vertragsbedingungen für ihn von Vorteil sind oder nicht. Bietet der Vermieter dem Unfallgeschädigten aber einen Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, so muss er den Mieter darüber aufklären. Danach ist es erforderlich, aber auch ausreichend, den Mieter unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.

b) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, vorab müsse geklärt werden, welche Ansprüche der Geschädigte gegen den Schädiger habe. Ein Anspruch wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht sei, falls er überhaupt bestehe, subsidiär und komme nur in Betracht, wenn der Haftpflichtversicherer die Mietwagenkosten nicht voll übernehmen müsse. Dieser Auffassung liegt die unzutreffende Vorstellung zugrunde, dass der Geschädigte einen Unfallersatztarif regelmäßig ersetzt verlangen könne. Dem ist aber nicht so.

aa) Nach der neueren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu den Unfallersatztarifen (Nachweise im Senatsurteil vom 28. Juni 2006 aaO) ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners gerade nicht ohne weiteres zur Erstattung von über dem „Normaltarif“ liegenden „Unfallersatztarifen“ verpflichtet. Vielmehr kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für die Anmietung eines Unfallersatzwagens bedeutet dies, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzwagens (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis ersetzt verlangen kann.

bb) Soweit nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – NJW 2006, 1506) eine Erstattungspflicht des Unfallersatztarifes – ausnahmsweise – zu bejahen ist, weil dem Geschädigten im Hinblick auf die gebotene subjektive Schadensbetrachtung unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war, kann die Durchsetzung mit Schwierigkeiten verbunden sein. Verweigert der Versicherer die Erstattung des Unfallersatztarifes mit der Begründung, der Mieter habe zu einem niedrigeren Tarif abschließen können, trifft den Mieter die Beweislast. Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats (aaO) muss er darlegen und beweisen, dass ihm kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, erhält er nur den Normaltarif erstattet. Dies bedeutet, dass die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs, falls er denn besteht, mit Schwierigkeiten und Risiken behaftet ist. Davor soll die Aufklärungspflicht des Mietwagenunternehmers den Mieter schützen. Diesem soll klargemacht werden, dass, wenn er zum Unfallersatztarif anmietet, die Erstattung der über dem Normaltarif liegenden Miete mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Diese Aufklärungspflicht verlöre ihren Sinn, wenn der Geschädigte vor Inanspruchnahme des Vermieters klären lassen müsste, ob der Unfallersatztarif – ausnahmsweise – zu erstatten ist.

Soweit die Revision in diesem Zusammenhang meint, dem Mietwagenunternehmer sei die Aufklärung nicht zuzumuten, weil er das Risiko einer eingeschränkten Erstattungsfähigkeit des Unfallersatztarifes nicht zuverlässig beurteilen könne, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Revision verkennt, dass der Vermieter nicht darüber aufklären soll, ob dem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz des Unfallersatztarifs zustehe, sondern darüber, dass die Durchsetzbarkeit mit Schwierigkeiten verbunden sein könne (Senatsurteil vom 28. Juni 2006 aaO).

c) Die Revision kann auch keinen Erfolg haben, soweit sie geltend macht, der Beklagte könne sich nicht auf eine fehlende Aufklärung durch die Klägerin berufen, weil er genügend Zeit gehabt habe, sich über die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten zu informieren; der Unfall habe sich am 3. Oktober 2003 ereignet, das Unfallfahrzeug habe der Beklagte aber erst am 28. Oktober 2003 zur Reparatur weggegeben und erst ab diesem Zeitpunkt ein Ersatzfahrzeug angemietet.

Zwar hätte der Beklagte im Streitfall ausreichend Zeit gehabt, sich über die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten zu erkundigen. Die Tarifspaltung und die damit drohenden Nachteile sind dem Mieter aber in der Regel nicht bekannt. Er geht vielmehr davon aus, dass der Unfallersatztarif gerade für seine Situation entwickelt worden sei, von der gegnerischen Haftpflichtversicherung akzeptiert werde und für ihn insgesamt eine günstige Regelung darstelle. Demgegenüber weiß der Vermieter, dass die Tarifspaltung für den Mieter nachteilig sein kann und er weiß auch, dass dem Mieter weder die Tarifspaltung noch die ihm daraus drohenden Gefahren vertraut sind, sondern dieser davon ausgeht, dass ihm die Mietwagenkosten vollständig ersetzt werden und ihm kein Nachteil entsteht (Senatsurteil vom 28. Juni 2006 aaO). Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dem Beklagten bei Abschluss des Mietvertrages zu dem von der Klägerin angebotenen Unfallersatztarif bekannt war oder er damit rechnen musste, die gegnerische Haftpflichtversicherung werde den Unfallersatztarif nicht erstatten.

d) Zu Unrecht beruft sich die Revision darauf, die Klägerin habe vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Beklagte bei Vorlage des Mietvertrages gefragt worden sei, ob er nicht eine Sicherheitsleistung erbringen wolle, da ansonsten lediglich eine Vermietung zum Unfallersatztarif möglich sei. Ein ausreichender Hinweis, dass es beim Abschluss zu diesem Tarif zu Schwierigkeiten bei der Erstattung kommen könne, liegt darin nicht. Ob dem Beklagten, wie die Revision meint, der Normaltarif nicht zugänglich war, ist nicht entscheidungserheblich, da, wie unter b) ausgeführt, die Aufklärungspflicht nicht davon abhängt, ob dem Geschädigten – ausnahmsweise – ein Anspruch auf Erstattung des Unfallersatztarifes zusteht.

e) Danach steht dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 BGB) zu, den er der geltend gemachten Mietzinsforderung entgegenhalten kann (Senatsurteil vom 10. Januar 2007 aaO). Nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen hätte der Beklagte bei ausreichender Aufklärung ein Kraftfahrzeug zum Normaltarif angemietet und sich damit Kosten in Höhe der Klageforderung erspart.

 

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