BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Az.: 2 BvR 1797/06
Beschluss vom 23.10.2006
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 21. Juli 2006 -2 Ws 157/06- und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Absatz 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 23. Oktober 2006 einstimmig beschlossen:
Der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 21. Juli 2006 – 2 Ws 157/06 – verletzt die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Artikel 6 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes und den Beschwerdeführer zu 1. darüber hinaus in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Verfassungsbeschwerde, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, betrifft die im Untersuchungshaftvollzug für den Besuch von Familienangehörigen zu gewährenden Besuchszeiten.
1.
Der Beschwerdeführer zu 1. befindet sich im Vollzug von Untersuchungshaft in der Untersuchungshaftvollzugsanstalt Holstenglacis. Er wurde mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Februar 2006 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen das Urteil hat der Beschwerdeführer zu 1. Revision eingelegt. Die Beschwerdeführerin zu 2. ist die am 6. Februar 2006 nichtehelich geborene Tochter des Beschwerdeführers zu 1. Sie nimmt seit dem 17. Februar 2006 gemeinsam mit ihrer Mutter regelmäßig eine Besuchserlaubnis wahr, die zweiwöchentlich zu einem Besuch von 30 Minuten Dauer bei dem Beschwerdeführer zu 1. berechtigt. Mit Schreiben vom 15. Februar 2006 beantragte der Beschwerdeführer zu 1., die Besuchserlaubnis auf wöchentliche Besuche von einstündiger Dauer auszudehnen.
2.
Hierzu teilte das Landgericht Hamburg mit Schreiben vom 24. Februar 2006 mit, der Vorsitzende Richter der zuständigen Großen Strafkammer lehne den Antrag auf Erweiterung der Besuchszeiten ab. Zur Begründung werde auf die Stellungnahme der Anstaltsleitung verwiesen. Diese hatte ausgeführt, der Beschwerdeführer zu 1. habe keine unaufschiebbaren persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Gründe im Sinne von Nr. 25 Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) angeführt, aufgrund deren eine Ausdehnung seines Besuchsrechts in Betracht gezogen werden könne. Die seit langem bestehende Überbelegung der Anstalt lasse es daher nicht zu, dem Beschwerdeführer zu 1. Sonderbesuche zu gestatten. Im Hinblick auf den besonderen Schutz der Ehe sei die Besuchsmöglichkeit für Ehepartner von Untersuchungsgefangenen auf bis zu eine Stunde pro Woche erweitert worden, wobei im Regelfall eine halbe Stunde pro Woche gewährt werde. Da der Beschwerdeführer zu 1. jedoch ledig sei, sei diese Regelung auf ihn nicht anwendbar.
3.
Der Beschwerdeführer zu 1. erwiderte, die zum besonderen Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft in Betracht gezogene Erweiterung der Besuchszeiten sei erst recht für Besuche zwischen Vätern und Kindern geboten. In Anbetracht des Alters der Beschwerdeführerin zu 2. bestehe ein besonders großes Bedürfnis nach affektiver Zuwendung. Das Bundesverfassungsgericht habe dem spezifischen Erziehungsbeitrag des Vaters besonderes Gewicht bei der Abwägung mit dem Interesse der Bundesrepublik an Maßnahmen beigemessen, die eine Trennung von Vater und Kind zur Folge hätten.
4.
Nachdem der Vorsitzende Richter seine ablehnende Entscheidung auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens bestätigt hatte, erhoben die Beschwerdeführer unter dem 31. Mai 2006 gemeinsam Beschwerde. Der Verweis auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer zu 1. ledig sei, gehe fehl, weil das Bedürfnis von Vater und Kind nach einem wöchentlichen Beisammensein sogar höher zu bewerten sei als das Interesse an der Pflege ehelicher Beziehungen. Die Ausdehnung der Besuchszeit sei auch deshalb geboten, weil den Beschwerdeführern eine Kontaktmöglichkeit außerhalb von Besuchen nicht zur Verfügung stehe. Gerade bei Kleinkindern komme der affektiven Zuwendung ein großer Stellenwert zu; sie sei von großer Bedeutung für die kindliche Entwicklung. Die Anstalt habe darüber hinaus nicht die ihr zumutbaren Anstrengungen zur Ausschöpfung der für Besuche zur Verfügung stehenden Kapazitäten unternommen. Eine Erweiterung der Besuchszeit zwischen Vater und Kind dürfe schließlich nicht an die Notwendigkeit geknüpft werden, unaufschiebbare persönliche, rechtliche oder geschäftliche Angelegenheiten zu erörtern. Mit ergänzendem Schreiben legten die Beschwerdeführer ein ärztliches Attest des Kinderarztes der Beschwerdeführerin zu 2. vor, aus dem hervorgeht, dass dieser eine regelmäßige Kontaktaufnahme zwischen Vater und Kind zur Entwicklung einer Beziehung für geboten erachtet.
5.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2006 verwarf das Hanseatische Oberlandesgericht die Beschwerde. Der Vorsitzende Richter habe eine Erweiterung der Besuchserlaubnis zu Recht abgelehnt. Gemäß § 119 Abs. 3 StPO dürften dem Untersuchungsgefangenen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erforderten. Wie alle grundrechtseinschränkenden Bestimmungen sei auch diese Vorschrift an den durch sie eingeschränkten Grundrechten zu messen; ihre Auslegung habe der Tatsache Rechnung zu tragen, dass ein Untersuchungsgefangener noch nicht (rechtskräftig) verurteilt sei und deshalb allein den unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden dürfe, wobei die in § 119 Abs. 3 StPO enthaltenen Generalklauseln voll ausgeschöpft werden dürften. Zu diesen unvermeidlichen Beschränkungen gehörten zwangsläufig auch alle diejenigen Begrenzungen der persönlichen Freiheit, die sich aus der Tatsache des Freiheitsentzuges und der Unterbringung in einer Vollzugsanstalt mit Notwendigkeit aus der „Natur der Sache“ heraus ergäben. Besuche eines Untersuchungsgefangenen durch außerhalb der Anstalt lebende Personen seien deshalb nur in begrenztem Umfang möglich, wobei sowohl die Untersuchungsgefangenen als auch die an einem Besuch interessierten Personen solche Einschränkungen als natürliche Folge des Freiheitsentzuges hinnehmen müssten. Bei alledem seien auch die räumliche und personelle Ausstattung der jeweiligen Justizvollzugsanstalt und die sich daraus ergebenden Grenzen für die Möglichkeit der Durchführung von Besuchen in Betracht zu ziehen. Die äußerste Grenze der Zulässigkeit einer Beschränkung von Besuchsmöglichkeiten sei erst dann überschritten und damit Verfassungsrecht verletzt, wenn die Verweigerung einer Besuchserlaubnis weder zur Sicherung der Haftzwecke noch zur Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung geboten sei und in ihrer Belastung für die Betroffenen über das situationsbedingt typische Ausmaß erheblich hinausreiche.
Dies gelte vor allem dann, wenn hierdurch Elemente der verfassungsrechtlich festgelegten Wertordnung berührt würden. Als solche wertentscheidende Grundsatznorm erheische insbesondere auch Art. 6 Abs. 1 GG Beachtung. Neben der Ehe stehe nach dieser grundgesetzlichen Bestimmung die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Der in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm komme daher auch im Haftvollzug besondere Bedeutung zu. Jede Untersuchungshaft von längerer Dauer stelle für die Beziehungen des Betroffenen zu seiner Familie regelmäßig eine empfindliche Belastung dar. Ihr Vollzug beeinträchtige die notwendige Kommunikation zwischen dem Inhaftierten und seinen in Freiheit lebenden Angehörigen und könne dazu beitragen, dass sie einander tiefgreifend entfremdet würden. Aufgabe des Staates sei es, in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, für die Erhaltung von Ehe und Familie zu sorgen, solche nachteiligen Auswirkungen des Freiheitsentzuges im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, aber auch unter angemessener Beachtung der Belange der Allgemeinheit zu begrenzen. Daraus folge, dass die zuständigen Behörden die erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen unternehmen müssten, um in angemessenem Umfange Besuche von Ehegatten und Kindern von Untersuchungsgefangenen zu ermöglichen. Dies bedeute, dass das für die Haftausgestaltung zuständige Gericht Untersuchungsgefangenen Besuche von Ehegatten und Kindern in dem Umfang zu gestatten habe, der ohne Beeinträchtigung der Ordnung in der Anstalt möglich sei. So seien jedenfalls wöchentliche Besuche von mindestens 30 Minuten dann zu gewähren, wenn die Gegebenheiten in der Justizvollzugsanstalt dies ohne weiteres zuließen.
Die begehrte Erweiterung der Besuchserlaubnis sei nicht mit der Ordnung in der Anstalt verträglich. Die Voraussetzungen für eine Abweichung von dem in Nr. 24 Abs. 1, 25 UVollzO vorgesehenen Regelfall zweiwöchiger Besuche von 30 Minuten Dauer seien nicht gegeben. Dies ergebe eine Abwägung der betroffenen Belange anhand der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Besuch von Familienangehörigen entwickelten Parameter auch im Lichte der Grundrechtspositionen der Beschwerdeführer, vor allem des besonderen Schutzanspruches der Familie gegenüber der staatlichen Ordnung (Art. 6 Abs. 1 GG), des natürlichen Elternrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), des Gleichstellungs- und Förderungsanspruches des nichtehelichen Kindes (Art. 6 Abs. 5 GG) sowie des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Der bei allem im Vordergrund stehende Schutz des Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG gelte dabei zunächst und zuvörderst der Familie als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft. Die leibliche und seelische Entwicklung der Kinder finde in der Familie und der elterlichen Erziehung eine wesentliche Grundlage. Familie als verantwortliche Elternschaft werde von der prinzipiellen Schutzbedürftigkeit des heranwachsenden Kindes bestimmt. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob eine Hausgemeinschaft vorliege und ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte, wobei in Rechnung zu stellen sei, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes seitens der Mutter entbehrlich werde. Auch lasse eine verantwortungsvoll gelebte und dem Schutzzweck des Art. 6 GG entsprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes werde nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt. Der Gesetzgeber habe durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) die familienrechtlichen Rahmenbedingungen verändert. Nach § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB gehöre zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gemäß § 1684 Abs. 1 BGB habe das Kind Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil sei zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Das bis dahin lediglich als Elternrecht ausgestaltete Umgangsrecht solle in der Neufassung des § 1684 BGB einen Bewusstseinswandel bei den Eltern bewirken, dass sie nicht nur ein Recht auf Umgang hätten, sondern im Interesse des Kindes auch die Pflicht, diesen Umgang zu ermöglichen. Das Kind sei nicht nur Objekt des elterlichen Umgangs; vielmehr diene der Umgang der Eltern mit ihrem Kind ganz wesentlich dessen Bedürfnis, Beziehungen zu beiden Elternteilen aufzubauen und erhalten zu können. Die gesetzliche Umgangspflicht solle Eltern darauf hinweisen, dass der Umgang mit ihnen, auch und gerade wenn das Kind nicht bei ihnen lebe, für die Entwicklung und das Wohl des Kindes eine herausragende Bedeutung habe.
Die gewachsene Einsicht in die Bedeutung des Umgangsrechts eines Kindes mit beiden Elternteilen, wie sie in § 1626 Abs. 3 Satz 1 und § 1684 Abs. 1 BGB n. F. zum Ausdruck komme, könne - auch im hier vorliegenden Fall gemeinschaftlicher elterlicher Sorge bei tatsächlicher Kindesbetreuung allein durch die Mutter – auf die Auslegung und Anwendung des § 119 Abs. 3 StPO nicht ohne Auswirkung bleiben. Die Vorstellung dessen, was „Familie“ und schützenswert sei, die in der Wertentscheidung des Gesetzgebers des Kindschaftsrechtsreformgesetzes zum Ausdruck komme, sei selbst vom Verfassungsrecht geprägt und könne auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung bei der Bewertung einer familiären Situation nicht außer Betracht bleiben. Die Verfassung gewährleiste Ehe und Familie nicht abstrakt, sondern in der verfassungsgeleiteten Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspreche. Die Reichweite der Schutzwirkungen des Art. 6 GG werde insoweit von den das verfassungsrechtliche Bild von Ehe und Familie auch im Allgemeinen prägenden Regelungen der §§ 1626 ff. BGB mitbestimmt. Die §§ 1626 ff. BGB stellten seit ihrer Neufassung durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz das Kindeswohl in den Mittelpunkt und anerkennten die Beziehung jedes Elternteils zu seinem Kind als grundsätzlich schutz- und förderungswürdig. Darin seien sie ihrerseits geprägt durch den hohen Rang, der dem Kindeswohl von Verfassungs wegen für die Ausgestaltung des Familienrechts zukomme. In diesem Zusammenhang sei davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienten und das Kind beide Elternteile brauche.
Bei der erforderlichen Würdigung im Einzelfall, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit bestehe, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen sei, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt werde und welche Folgen eine Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte, sei deshalb – bei maßgeblichem Abstellen auch auf die Sicht des Kindes – davon auszugehen, dass grundrechtlichen Schutz bezüglich beider Beschwerdeführer auch der hier intendierte Aufbau einer Beziehung zwischen Vater und neugeborenem Kind genieße. Vorliegend bestehe zwar eine familiäre (Lebens-)Gemeinschaft im Sinne durchgehender Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung und tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes nebst emotionaler Verbundenheit nach Haftsituation des Angeklagten und Alter des Kindes noch nicht; indes solle eine solche – grundrechtlich geschützte – Gemeinschaft begründet und aufgebaut werden. Zu berücksichtigen sei aber, dass es sich bei der Beschwerdeführerin zu 2. um ein Kleinkind in den ersten Lebensmonaten mit altersgemäß noch sehr geringen Interaktionsmöglichkeiten handele. Im Vordergrund stehe daher vorerst der Aufbau einer emotionalen Bindung, während die bei einem größeren Kind unter Umständen anzunehmende Gefahr emotionaler Trennungsverluste und tiefgreifender Entfremdung in dieser Weise noch nicht bestehe. Dabei sei weiter von Bedeutung, dass Kontakte bereits jetzt stattfänden, ein Beziehungsaufbau somit möglich sei und einer künftigen Entfremdung schon im Ansatz vorgebeugt werde. Dies gelte umso mehr in Anbetracht der begrenzten zeitlichen Dauer der Untersuchungshaft, welche angesichts der allein noch ausstehenden Revisionsentscheidung voraussichtlich in absehbarer Zeit in Strafhaft einmünden werde. Dass darüber hinaus weitergehend familiäre Probleme zwischen dem Inhaftierten und dem Besucher zu erörtern und zu regeln seien, sei angesichts des Alters des Kindes nicht vorstellbar. Nach alledem müsse im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Anstaltsbetriebs der durch die Untersuchungshaftvollzugsanstalt geltend gemachten Rücksichtnahme auf die Kapazitätsprobleme der Anstalt der Vorrang vor den Interessen der Beschwerdeführer zukommen.
6.
Mit Beschluss vom 12. Juli 2006 hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Februar 2006 bezüglich eines Falles sowie bezüglich des Ausspruches über die Gesamtstrafe auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.
II.
1.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 1, 2 und 5, Art. 20 Abs. 3 und Art. 104 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführer wiederholen ihren Vortrag aus dem Verfahren vor den Fachgerichten und führen ergänzend aus, das Oberlandesgericht habe die gebotene Güter- und Interessenabwägung nicht vorgenommen. Die Ausführungen zu der zwischen den Beschwerdeführern bestehenden Bindung ließen nur den Schluss zu, dass das Gericht davon ausgehe, die Beziehung verdiene erst mit voranschreitendem Kindesalter mehr Schutz. Dies stehe jedoch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich geplanter aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen Väter von Kleinkindern, in der gerade die besondere Bedeutung des Kontakts im frühen Kindesalter herausgestellt worden sei. Die entwicklungsbedingt im frühen Alter notwendige gemeinsame Zeit sei mit dem Älterwerden nicht mehr nachzuholen. Zu berücksichtigen sei, dass sich die Dauer der Untersuchungshaft durch den teilweisen Erfolg der Revision unbestimmt verlängere. Ein wöchentlicher Besuchskontakt sei auch medizinisch indiziert. Die Folgen der restriktiven Besuchsregelung für die Beschwerdeführerin zu 2. seien eventuell erst in der Zukunft feststellbar. Zudem bestehe die Möglichkeit, dass es zu Kompensationshandlungen der Beschwerdeführerin zu 2. komme, die einen Zusammenhang mit dem geringen Besuchskontakt nach außen hin nicht erkennen ließen. Der Beschluss verstoße zudem gegen das Prinzip der Unschuldsvermutung: Indem das Gericht die Auffassung vertrete, es sei davon auszugehen, dass die Untersuchungshaft nach Ergehen der Revisionsentscheidung in Strafhaft einmünden werde, gebe es zu erkennen, dass es von der Schuld des Angeklagten ausgehe, anstatt – wie dies verfassungsrechtlich geboten sei – einen Eingriff in die Rechte eines Unschuldigen zugrundezulegen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei geboten, da die Beschwerdeführerin zu 2. durch eine weitere Versagung der wöchentlichen Besuchskontakte fast gänzlich ohne den Bezug zu ihrem Vater aufwachsen würde.
2.
Die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie vertritt die Auffassung, die medizinische Indiziertheit wöchentlicher Besuchskontakte zwischen den Beschwerdeführern sei „in dieser Weise und mit diesen Worten“ erstmals im Verfassungsbeschwerdeverfahren geltend gemacht worden. Auch die im Rahmen der Verfassungsbeschwerde angestellten Folgebetrachtungen zu möglichen „Kompensationshandlungen“ der Beschwerdeführerin zu 2. seien zuvor nicht in das Verfahren eingeführt worden. Das im fachgerichtlichen Verfahren vorgelegte Attest des behandelnden Kinderarztes enthalte keine medizinische Indikation, aus der sich die begehrte Besuchszeitregelung herleiten ließe. Es enthalte nichts Weitergehendes als das, wovon auch das Oberlandesgericht in seinem Beschluss ausgegangen sei.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
1.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Rechnung getragen. Soweit die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg beanstandet, einzelne Gesichtspunkte seien im fachgerichtlichen Verfahren nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Weise wie mit der Verfassungsbeschwerde vorgetragen worden, ergibt sich daraus nicht die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde aus Subsidiaritätsgründen. Auf die besondere Bedeutung, die – auch im Vergleich zu familiären Beziehungen anderer Art – ihren Besuchskontakten für die Entwicklung der Beschwerdeführerin zu 2. gerade angesichts ihres frühkindlichen Entwicklungsstandes zukommt, als den für die grundrechtsrelevante Abwägung entscheidenden Gesichtspunkt haben die Beschwerdeführer bereits im fachgerichtlichen Verfahren in einer Weise hingewiesen, die das Oberlandesgericht zu angemessener Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts veranlassen musste. Eine zulässige Ergänzung dieses Vortrags im Verfassungsbeschwerdeverfahren (vgl. BVerfGE 81, 208 <214 f.>; 109, 279 <305>) ändert nichts daran, dass der Vortrag der Beschwerdeführerin zu 2. im fachgerichtlichen Verfahren zur Wahrung der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ausreichend war.
2.
Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und den Beschwerdeführer zu 1. darüber hinaus in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
a) Das Oberlandesgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu einem getrennt lebenden Elternteil grundrechtlich geschützt ist, dass der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient, und dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes seitens der Mutter entbehrlich wird (vgl. BVerfGE 56, 363 <384>; 79, 51 <63 f.>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 1997 – 2 BvR 260/97 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1001/04 -, FamRZ 2006, S. 187 <188 f.>).
Das Gericht hat auch die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung des Schutzes von Ehe und Familie bei der Entscheidung über Besuche Familienangehöriger in der Untersuchungshaft entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfGE 42, 95 <100 ff.>; Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. August 1993 – 2 BvR 1469/93 -, NJW 1993, S. 3059 und vom 25. Juli 1994 – 2 BvR 806/94 -, NStZ 1994, S. 604 ff.) nicht übersehen. Es hat jedoch bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt deren Bedeutung für die Grundrechte der Beschwerdeführer verkannt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>). Die Annahme des Gerichts, einer Erweiterung der Besuchszeiten bedürfe es vor allem deshalb nicht, weil wegen der altersbedingt sehr geringen Interaktionsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin zu 2. in der Beziehung zwischen den Beschwerdeführern vorerst der Aufbau einer emotionalen Bindung im Vordergrund stehe, während die bei einem größeren Kind unter Umständen bestehende Gefahr emotionaler Trennungsverluste und tiefgreifender Entfremdung in dieser Weise noch nicht zu gewärtigen sei, wird der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen nicht gerecht; sie beruht auf sachfremden Erwägungen.
Die Entscheidung lässt bereits nicht erkennen, aus welchen Quellen sich die zugrundeliegende Annahme des Gerichts speist, für den Aufbau der Beziehung zwischen einem Elternteil und einem Kind in den ersten Lebensmonaten bedürfe es angesichts altersbedingt begrenzter Interaktionsmöglichkeiten geringerer Kontaktmöglichkeiten als für die Vermeidung einer Entfremdung im Verhältnis zu älteren Familienangehörigen, zu denen eine familiäre Nähebeziehung schon in der Vergangenheit aufgebaut werden konnte. Angesichts einschlägiger, großenteils auch bereits in das Allgemeinwissen übergegangener entwicklungspsychologischer Erkenntnisse über die Komplexität der kommunikativen Frühentwicklung des Kindes und die Bedeutung eines kontinuierlichen Beitrages der Eltern zu diesem Prozess (vgl. etwa Rauth, in: Oerter/Montada, Entwicklungspsychologie, 5. Aufl., 2002, S. 131 ff. <183 ff., 190 ff.>; Papoušek/Papoušek, Intuitive elterliche Früherziehung in der vorsprachlichen Kommunikation, in: Annunciato u.a., Kindliche Sozialisation und Sozialentwicklung, 1999, S. 113 ff.) hätte dies näherer Begründung bedurft.
Die aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zutreffend wiedergegebene Feststellung, nach der die Entwicklung eines Kindes nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt wird (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 2002 – 2 BvR 231/00 -, FamRZ 2002, S. 601 <603>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1001/04 -, FamRZ 2006, S. 187 <188>), wäre grundlegend missverstanden, wenn sie in diesem Zusammenhang als eine Aussage gedeutet würde, die die Schutzwirkung des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG in Bezug auf die Möglichkeit des Kontakts zwischen Eltern und Kindern relativiert, soweit es dabei um quantitative Fragen wie die Dauer der zuzugestehenden Besuchsmöglichkeiten geht. Ebensowenig folgt aus ihr, dass der grundrechtliche Schutz dieses Kontakts von geringerem Gewicht wäre, soweit er Kinder betrifft, mit denen eine geistige Auseinandersetzung noch nicht möglich ist.
Für die Annahme, die bislang geltende Besuchsregelung genüge für den Aufbau einer emotionalen Bindung zwischen den Beschwerdeführern, ist der angegriffenen Entscheidung eine ausreichende Begründung nicht zu entnehmen. Unter anderem mit der allgemeinkundigen Tatsache, dass Kinder häufig in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres – meist zwischen dem achten und dem zwölften Monat – eine ausgeprägte Scheu vor nicht hinreichend vertrauten Menschen entwickeln („Fremdeln“; vgl. Rauth, a.a.O., S. 188 ff.), und der sich aufdrängenden Frage, welche Bedeutung der beantragten Erweiterung der Besuchsmöglichkeit vor diesem Hintergrund zukommt, hat das Gericht sich nicht auseinandergesetzt.
b) Da es an einer nachvollziehbaren Begründung dafür fehlt, dass wegen des Säuglingsalters der Beschwerdeführerin zu 2. ein geringerer schutzwürdiger Kontaktbedarf als im Verhältnis zu älteren Angehörigen bestehe, ist der Entscheidung des Oberlandesgerichts auch keine sachliche Rechtfertigung dafür zu entnehmen, dass den Beschwerdeführern eine Ausdehnung der Besuchszeit nicht gewährt wird, während die Anstalt Eheleuten eine Erweiterung der Besuchsmöglichkeiten auf bis zu einer Stunde pro Woche zugesteht. Die angegriffene Entscheidung verletzt daher auch Art. 3 Abs. 1 GG, der vor sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierungen schützt (vgl. BVerfGE 111, 176 <184> – stRspr).
Der Hinweis der Anstaltsleitung auf Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigt die Ungleichbehandlung nicht, weil diese Norm Ehe und Familie unter den Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Für die Verteilung von Begünstigungen zwischen „Ehe“ und „Familie“ ist ihr daher kein Maßstab zu entnehmen (vgl. BVerfGE 11, 64 <69>).
Eine Rechtfertigung für die von der Anstalt vorgenommene Differenzierung kann auch nicht in dem durch das Oberlandesgericht hervorgehobenen Umstand gesehen werden, dass eine Erörterung und Regelung familiärer Probleme zwischen den Beschwerdeführern, die eine Ausnahme von den allgemeinen Regelbesuchszeiten erforderlich machen würde, aufgrund des Alters der Beschwerdeführerin zu 2. nicht in Betracht komme. Sollten diese Ausführungen als Bezugnahme auf den in Nr. 25 Satz 2 UVollzO enthaltenen Ausnahmetatbestand aufzufassen sein, wonach Besuche über den in Satz 1 der Bestimmung vorgesehenen in der Regel zweiwöchigen Rhythmus hinaus zugelassen werden sollen, wenn sie anders nicht zu erledigenden unaufschiebbaren persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Regelungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung lediglich um nicht bindende Vorschläge an den Richter handelt (vgl. BVerfGE 15, 288 <293>; 34, 369 <379>). Es liegt auf der Hand, dass die Anwendung der in § 25 Satz 2 UVollzO genannten Kriterien auf eine maßgeblich durch nichtsprachliche Kommunikation geprägte familiäre Beziehung, wie sie zwischen den Beschwerdeführern besteht, nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen kann. In diesem Zusammenhang hätte das Gericht auch auf den von den Beschwerdeführern hervorgehobenen Umstand eingehen müssen, dass Eheleuten in der Regel die Möglichkeit schriftlicher oder fernmündlicher Kommunikation offensteht, während es für eine dem Aufbau einer emotionalen Bindung dienliche und der Entwicklung der Beschwerdeführerin zu 2. förderliche Interaktion zwischen den Beschwerdeführern zwingend des unmittelbaren Kontakts zwischen den Beschwerdeführern bedarf.
c) Im Hinblick auf die von der Anstaltsleitung angeführte Überbelegungssituation ist darauf hinzuweisen, dass sich der Staat gegenüber dem Untersuchungsgefangenen bzw. besuchswilligen Eheleuten und Familienangehörigen nicht darauf berufen kann, dass er seine Vollzugsanstalten nicht so ausstattet, wie es zur Wahrung des in Art. 6 Abs. 1 GG normierten Schutzauftrages erforderlich wäre (vgl. BVerfGE 42, 95 <102>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 1994, a.a.O., S. 605).
d) Ob durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts weitere Grundrechte der Beschwerdeführer verletzt worden sind, kann angesichts des festgestellten Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG offen bleiben.
e) Die angefochtene Entscheidung beruht auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Sie ist daher aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 GG). Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
3.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.