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Verbraucherdarlehen – sittenwidrige Überschreitung des marktüblichen Zinssatzes

Sittenwidrige Zinsen: Bank vor Gericht – Verbraucher im Recht

Das Urteil des LG Ravensburg behandelt die Sittenwidrigkeit eines überhöhten Effektivzinssatzes in einem Verbraucherdarlehen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 261/23   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte des Urteils:

  1. Verurteilung des Beklagten: Der Beklagte wird zur Zahlung von 2.317,85 € sowie Verzugszinsen an die Klägerin, eine Bank, verurteilt.
  2. Sittenwidriger Zinssatz: Der im Vertrag festgelegte Effektivzinssatz von 11,11 % wird als sittenwidrig eingestuft, da er deutlich über dem marktüblichen Zinssatz liegt.
  3. Vergleich zum Marktüblichen: Der marktübliche Effektivzinssatz für ähnliche Kredite lag bei 5,94 %, der vereinbarte Zinssatz überstieg diesen deutlich.
  4. Bereicherungsanspruch: Die Klägerin hat aufgrund der Sittenwidrigkeit des Vertrags einen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 BGB.
  5. Kündigung des Darlehensvertrags: Nach mehrfachen Mahnungen und Ausbleiben der Zahlungen wurde das Darlehen von der Klägerin gekündigt.
  6. Verzugszinsen und Nebenforderungen: Zusätzlich zu den Hauptforderungen wurden Verzugszinsen und Kosten für Rücklastschriften und Mahnungen geltend gemacht.
  7. Rolle der Deutschen Bundesbank: Das Gericht bezog sich auf Informationen der Deutschen Bundesbank zur Bestimmung des marktüblichen Effektivzinssatzes.
  8. Kosten des Rechtsstreits: Die Kosten des Rechtsstreits wurden zwischen Klägerin und Beklagtem aufgeteilt, wobei der Beklagte einen höheren Anteil tragen muss.

Ursachen und Hintergründe des Falles

Sittenwidrige Kreditzinsen
(Symbolfoto: Andrii Yalanskyi /Shutterstock.com)

Der Fall dreht sich um ein Verbraucherdarlehen, das von der Klägerin, einer Bank, an den Beklagten vergeben wurde. Die Kernproblematik liegt in der sittenwidrigen Überschreitung des marktüblichen Zinssatzes. Der Beklagte hatte am 13.09.2021 ein Darlehen von 7.500,00 € aufgenommen, das inklusive Sollzinsen und Kosten für eine Restkreditversicherung auf einen Gesamtbetrag von 14.111,68 € anstieg. Die Rückzahlung sollte in 84 Raten erfolgen. Schwierigkeiten begannen, als der Beklagte ab Januar 2022 mit den Ratenzahlungen in Rückstand geriet und daraufhin das Darlehen von der Klägerin gekündigt wurde.

Die rechtliche Auseinandersetzung und Klageforderungen

Die Klägerin erhob Klage und forderte die Rückzahlung des Restbetrags des Darlehens sowie Verzugszinsen. Zentral für die Klage war die Behauptung der Klägerin, dass der effektive Jahreszins von 11,11 % als unbedenklich und nicht sittenwidrig anzusehen sei. Der Beklagte wurde für die Nichterfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen verantwortlich gemacht, wobei die Klägerin auch Verzugszinsen sowie Kosten für Rücklastschriften und Mahnschreiben geltend machte.

Entscheidungsgründe des Gerichts

Das Gericht stellte fest, dass der Darlehensvertrag aufgrund des sittenwidrig überhöhten Effektivzinssatzes nichtig ist. Gemäß § 138 Abs. 1 BGB lag ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, da der Zinssatz den marktüblichen Zinssatz um fast 100 % überschritt. Darüber hinaus wurden Aspekte wie eine überhöhte Vermittlungsprovision und die Ausnutzung der schwächeren Lage des Beklagten als Verbraucher in die Entscheidung mit einbezogen.

Urteil und dessen Konsequenzen

Das Gericht entschied, dass der Klägerin ein Bereicherungsanspruch zusteht, aber nur für den Betrag, der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fällig war, welcher 2.317,85 € betrug. Darüber hinaus wurden Verzugszinsen zugesprochen. Für die restlichen Beträge wurde der Klägerin nur eine gestaffelte Forderung nach Fälligkeit gewährt. Die Klage wurde im Übrigen abgewiesen, und die Klägerin wurde verpflichtet, 40 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Schlussfolgerung

Dieses Urteil beleuchtet die Bedeutung sorgfältiger Prüfung von Darlehenskonditionen und die Rolle des Gerichts im Schutz von Verbrauchern vor unangemessen hohen Zinsforderungen. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer angemessenen Balance zwischen den Interessen von Kreditgebern und Kreditnehmern, insbesondere im Kontext des Verbraucherschutzes.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wird der „marktübliche Zinssatz“ für Verbraucherdarlehen ermittelt und abgegrenzt?

Der „marktübliche Zinssatz“ für Verbraucherdarlehen in Deutschland wird durch eine Reihe von Faktoren bestimmt und abgegrenzt.

Zunächst einmal ist der marktübliche Zinssatz ein durchschnittlicher Zinssatz für vergleichbare Kredite, die Banken an Verbraucher vergeben. Dieser Durchschnitt wird aus den Zinssätzen ermittelt, die Banken für ihre Kredite berechnen. Die Deutsche Bundesbank erhebt diese Zinsstatistik für Zwecke der monetären Analyse und stellt deren Ergebnisse auch der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Die Banken müssen bei ihren Kreditwerbungen mit einem Zinssatz den sogenannten 2/3-Zins angeben. Zwei Drittel der Verbraucher, die einen Kredit erhalten, würden diesen oder einen besseren Zinssatz erhalten. So sollen die Kredite vergleichbar sein und Lockangebote verhindert werden.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Zins weder 100 Prozent höher sein darf als marktüblich, noch darf die Zinsdifferenz zwischen Markt und Kreditzins mehr als 12 Prozent betragen.

Neben dem Sollzins muss auch der Effektivzinssatz im Vertrag angegeben werden, der alle obligatorischen Gebühren und Kosten enthält. Dadurch soll dem Verbraucher ein transparenter Kreditvergleich ermöglicht werden.

Es gibt auch gesetzliche Regelungen, die die Höhe der Zinsen begrenzen. So darf der gesetzliche Zinssatz im bürgerlichrechtlichen Verkehr 4 %, im kaufmännischen Verkehr 5 % nicht überschreiten.

Es ist auch zu erwähnen, dass der Bundesgerichtshof im Mai 2014 die Erhebung von Bearbeitungsentgelten bei Verbraucherdarlehen für unzulässig erklärt hat.

Zusätzlich zu diesen Faktoren kann der individuelle Zinssatz eines Verbraucherdarlehens auch von der Bonität des Kreditnehmers abhängen. Wenn ein bonitätsabhängiger Zinssatz für einen Verbraucherkredit vorgesehen ist, muss die Bank bei der Bewerbung darauf hinweisen und ein repräsentatives Beispiel angeben.

Diese Faktoren zusammen bestimmen den „marktüblichen Zinssatz“ für Verbraucherdarlehen in Deutschland.


Das vorliegende Urteil

LG Ravensburg – Az.: 2 O 261/23 – Urteil vom 25.04.2023

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.317,85 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 71,71 € für den Zeitraum 13.01.2022 – 31.03.2023, sowie weitere Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab 01.04.2023 aus 2.317,85 € zu bezahlen.

II. Weiter wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin folgende Beträge zu bezahlen:

– 169,00 € am 01.04.2023 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.04.2023

– 169,00 € am 01.05.2023 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.05.2023

– 169,00 € am 01.06.2023 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.06.2023

– 169,00 € am 01.07.2023 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.07.2023

– 169,00 € am 01.08.2023 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.08.2023

– 169,00 € am 01.09.2023 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.09.2023

– 169,00 € am 01.10.2023 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.10.2023

– 169,00 € am 01.11.2023 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.11.2023

– 169,00 € am 01.12.2023 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.12.2023

– 169,00 € am 01.01.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.01.2024

– 169,00 € am 01.02.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.02.2024

– 169,00 € am 01.03.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.03.2024

– 169,00 € am 01.04.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.04.2024

– 169,00 € am 01.05.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.05.2024

– 169,00 € am 01.06.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.06.2024

– 169,00 € am 01.07.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.07.2024

– 169,00 € am 01.08.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.08.2024

– 169,00 € am 01.09.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.09.2024

– 169,00 € am 01.10.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.10.2024

– 169,00 € am 01.11.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.11.2024

– 169,00 € am 01.12.2024 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.12.2024

– 169,00 € am 01.01.2025 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.01.2025

– 169,00 € am 01.02.2025 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.02.2025

– 169,00 € am 01.03.2025 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.03.2025

– 169,00 € am 01.04.2025 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.04.2025

– 169,00 € am 01.05.2025 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.05.2025

– 169,00 € am 01.06.2025 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.06.2025

– 56,85 € am 01.07.2025 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus ab 02.07.2025

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 40 % und der Beklagte 60 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 8.158,58 €

Tatbestand

Die Klägerin, eine Bank mit Sitz in Nürnberg, trägt mit der Klage Folgendes vor:

Der Beklagte hat bei der Klägerin am 13.09.2021 ein Darlehen gem. Darlehensvertrag vom 13.09.2021 in Kopie (Anlage K1) in Höhe von 7.500,00 € beantragt und erhalten.

Unter Berücksichtigung der Sollzinsen = 4.312,77 € sowie der Kosten für eine Restkreditversicherung = 2.298,91 € ergab sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 14.111,68 €, welcher wie folgt zurückgeführt werden sollte, und zwar in insgesamt 84 Raten ab dem 01.11.2021, wobei die Raten 169,00 € und die Schlussrate 84,68 € betragen sollten.

Maßgeblich für das Darlehenskonto sind die Darlehensbedingungen, welche sich auf dem Darlehensvertrag befinden. Diese sind dem Beklagten zur Kenntnis gelangt und wurden von diesem anerkannt.

Die oben genannten errechneten Zinsen beziehen sich auf eine hypothetische Auszahlung am 01.10.2021. Tatsächlich ausgezahlt wurde das Darlehen am 15.09.2021. Deswegen erhöhte sich die erste Rate um die zusätzlich angefallenen Zinsen für den Zeitraum 15.09.2021 – 30.09.2021.

Der Verlauf des Darlehenskontos ergibt sich aus dem beigefügten Kontoauszug (Anlage K 2).

Hiernach wurden die Raten bis einschließlich Dezember 2021 bezahlt. Ab Januar 2022 wurden alle Ratenzahlungen als Rücklastschriften zurück gebucht. Am 13.01.2022 erfolgte noch eine Zahlung in Höhe von 169,00 €, die jedoch nicht ausreichend war, um den Ratenrückstand vollständig zu begleichen. Darüber hinaus erfolgten keine Zahlungen mehr.

Nachdem der Beklagte seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, hat die Klägerin den Beklagten zunächst mehrfach – auch qualifiziert – gemahnt. Sodann wurde das Darlehen mit Schreiben vom 21.06.2022 (Anlage K4) gekündigt sowie die Restforderung in Höhe von 10.081,15 € fällig gestellt.

Nach dem zuletzt gültigen Ratenplan und einem ursprünglichen Nennbetrag des Darlehens von 9.798,91 € befand sich der Beklagte zum Zeitpunkt der Kündigungsandrohung mit mindestens zwei aufeinander folgenden Raten und mehr als 5 % des Nennbetrages (= 489,95 €) in Verzug.

Aufgrund der Kündigung des Darlehensvertrages wurde auch die Restkreditversicherung gekündigt. Hierdurch ergab sich eine Erstattung nicht verbrauchter Kosten in Höhe von 1.900,17 €, welche dem Darlehenskonto gutgeschrieben wurde.

Der Beklagte hat nach der Kündigung keine Zahlungen geleistet. Aufgrund der Kontobewegungen ergibt sich zum 23.06.2022 eine Resthauptforderung von 8.158,58 €. Dies stellt die Hauptforderung dar (Forderungsaufstellung gem. Anlage K 5).

Vor der Kündigung sind Rücklastschriftkosten für fünf Rücklastschriften je 2,98 € sowie Mahnkosten für drei Mahnschreiben am 04.02.2022, am 04.03.2022 und am 08.04.2022 in Höhe von je 2,50 €, insgesamt also 22,40 € angefallen, welche als Nebenforderung geltend gemacht werden.

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Geltend gemacht werden ab 21.06.2022 Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszins aus der Hauptforderung. Für den Zeitraum 21.06.2022 bis zum 17.10.2022 sind Zinsen in Höhe von 109,90 € angefallen.

Die Klägerin meint, der Beklagte hafte aus Vertrag. Die Klägerin hält insbesondere den im Kreditvertrag vom 13.09.2021 (Anlage K 1) genannten effektiven Jahreszinssatz von 11,11 % für unbedenklich und nicht für sittenwidrig.

Die Klägerin hält ihre Forderung aufgrund der Kündigung und der darin enthaltenen Aufforderung zur sofortigen Zahlung für gesamtfällig und meint, der Beklagte sei im Verzug, so dass er auch den entstandenen Verzugsschaden gemäß §§ 280/286 BGB zu ersetzen habe.

Die Rücklastschriftkosten entstünden als Fremdbankkosten und müssten von der Klägerin zunächst verauslagt werden. Sie würden als Schadenersatz wegen Verzuges zurückverlangt. Bei den Mahnkosten handele es sich um pauschale Mahnkosten.

Hilfsweise macht die Klägerin einen Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der darlehensweise gewährten 7.500,– € abzüglich der geleisteten Teilzahlung von 507,– € geltend.

Die Klägerin beantragt,

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.158,58 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 109,90 € für den Zeitraum 21.06.2022 – 17.10.2022, weitere, laufende Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 8.158,58 € seit 18.10.2022 sowie Kosten in Höhe von 22,40 € zu bezahlen.

2. hilfsweise: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.993,– € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. äußerst hilfsweise: wie erkannt worden ist.

Der Beklagte war in der mündlichen Verhandlung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten.

Gem. § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hat das Gericht die Deutsche Bundesbank um eine amtliche Auskunft zur Frage gebeten, zu welchem durchschnittlichen Effektivzinssatz deutsche Banken

Im September 2021 Konsumentenkredite im Neugeschäft an private Haushalte mit einer anfänglichen Zinsbindung von 84 Monaten (sieben Jahre) ausgereicht haben, und hilfsweise um Mitteilung, ob und gegebenenfalls welche genaueren statistischen Daten es zum Effektivzins für Konsumentenkredite mit einer anfänglichen Zinsbindung von mehr als fünf Jahren gibt. Die Auskunft der Bundesbank hierzu war jedoch unergiebig.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2023 und die Auskunft der Bundesbank vom 09.01.2023 verwiesen (Bl. 125 d. A.).

Entscheidungsgründe

I.

Da für den Beklagten kein Rechtsanwalt im Verhandlungstermin erschienen ist und er somit säumig war, war ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten auf Grundlage des Klägervortrags zu erlassen, soweit die Klage begründet ist.

Der Klägerin steht als Folge der Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages (dazu sogleich unter Ziff. II) ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der ausbezahlten Darlehensvaluta von 7.500,– € abzüglich den vom Beklagten bezahlten 507,– € zu, also eines Betrages von 6.993,– €.

Allerdings ist dieser Betrag noch nicht in voller Höhe zur Rückzahlung fällig. Nach § 817 Satz 2 BGB verbleibt dem Beklagten zwar nicht das Darlehenskapital, jedoch das Kapitalnutzungsrecht, das ihm nach dem Tilgungsplan (Seite 2 des Darlehensvertrages) gestaffelt bis zum 01. Oktober 2028 zusteht (Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, § 817 Rn. 21). Aus der von der Klägerin vorgelegten Forderungsberechnung gem. Anl. K 6 ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2023 das gekündigte Kapital zur Rückzahlung nur in Höhe von 2.317,85 € zur Zahlung fällig war.

Hinzu kommen gem. §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 71,71 € für den Zeitraum 13.01.2022 bis 31.03.2023 (siehe Forderungsberechnung gem. Anl. K 6) sowie weitere Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab 01.04.2023 aus 2.317,85 €.

Die restlichen Beträge kann die Klägerin so wie im zweiten Hilfsantrag formuliert, nur gestaffelt mit der jeweiligen Fälligkeit nebst Zinsen verlangen. Das Rechtsschutzinteresse für den Antrag auf künftige Leistung ergibt sich aus der Tatsache, dass der Beklagte schon vor der Kündigung des Darlehensvertrages die jeweils fälligen Beträge nicht bezahlt hat.

II.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet, so dass ein sogenanntes unechtes Versäumnisurteil in Form eines Endurteils gegen die Klägerin zu ergehen hat.

Vertragliche Zahlungsansprüche der Klägerin bestehen nämlich nicht. Der Darlehensvertrag ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da der Effektivzinssatz sittenwidrig überhöht ist.

1. Der objektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB erfordert ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 138 Rn. 27). Die Rechtsprechung bejaht ein solches Missverhältnis, wenn der marktübliche Zinssatz um 100 % überschritten wird. Aber auch wenn der Effektivzinssatz den marktüblichen Zinssatz um weniger als 100 %, aber mehr als 90 % übersteigt, kann bei einer Gesamtwürdigung ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung angenommen werden (Grüneberg/Ellenberger, a.a.O., Rn. 28).

Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist der marktübliche Effektivzinssatz nach der Zinsstatistik SUD 115 der Deutschen Bundesbank betreffend „Konsumentenkredite an private Haushalte, anfängliche Zinsbindung von über 5 Jahren“.

Der Effektivzinssatz beträgt bei dem vorliegenden Vertrag 11,11 % p.a. Nach der Zinsstatistik SUD 115 beläuft sich der marktübliche Effektivzinssatz für Verträge, die im April 2021 abgeschlossen wurden, auf 5,94 % p.a., der Grenzwert für die Sittenwidrigkeit liegt also bei 11,88 %. Der vorliegend vereinbarte Effektivzinssatz von 11,11 % liegt also mit 93,5 % knapp unter dem Grenzwert.

a) Die Gesamtwürdigung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass ein auffälliges Missverhältnis vorliegt. Dabei ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte der Klägerin als möglicher Kreditkunde von der Volksbank U. gegen Bezahlung einer überhöhten objektiv sittenwidrigen Provision vermittelt wurde. Im Kreditvertrag wird zur Vermittlungsprovision auf Seite 1 mitgeteilt:

Kreditvermittlung

Die Volksbank U. eG vermittelt easyCredit ausschließlich an die T.Bank AG (nachfolgend T.Bank genannt). Die Partnerbank erhält von der T.Bank für die Vermittlung des easyCredit-Vertrags eine Provision in Höhe von 877,53 EUR.

Weiter ist in Ziff. 13 der easyCredit-Bedingungen geregelt:

13. Die vermittelnde Bank vermittelt den Ratenkredit ausschließlich an die T.Bank in Nürnberg. Ansonsten vermittelt sie Ratenkredite an keine anderen Banken.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass bei Finanzierungsvermittlungen eine Provision von maximal 5 % des Nettokreditbetrags marktüblich ist (vgl. LG Aachen, Urteil vom 04.02.1987 – 4 O 286/86 m. w. Nachw.: bis zu 3 % des Nettokreditbetrages; auf der bekannten Kreditplattform „Auxmoney“ [https://www.auxmoney.com/kredit/darlehen-kreditmarktplatz.html] werden durchschnittlich 3,5% des genannt; selbst bei der viel aufwendigeren Grundstücksvermittlung liegt der übliche Provisionssatz bei lediglich 3 – 5 %, vgl. BGH, Urteil vom 30.05.2000 – IX ZR 121/99, NJW 200, 2669). Die Provision von 11,7 % des Nettokreditbetrages im vorliegenden Kreditvertrag übersteigt die marktübliche Provision damit um mehr als 100 % und ist objektiv sittenwidrig. Es ist zwar richtig, dass die Provision nicht vom Beklagten bezahlt werden musste, sondern nur „nachrichtlich“ im Kreditvertrag mitgeteilt worden ist. Das führt jedoch nicht zu einer anderen Bewertung des Verhaltens der Klägerin. Denn die Bezahlung von überhöhten Vermittlungsprovisionen ist offenbar Bestandteil des Geschäftskonzeptes der Klägerin und der vermittelnden Volksbank. Nicht nur kann die Volksbank dadurch überhöhte Provisionsätze einnehmen, die sie sich von dem Kreditinteressenten wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nicht wirksam versprechen lassen dürfte. Auch die Klägerin profitiert von dieser Vorgehensweise, indem die Volksbank Ratenkredite ausschließlich an die Klägerin vermittelt (vgl. oben den Hinweis auf Seite 1 des Darlehensvertrages und Ziff. 13 der easyCredit-Bedingungen). Es spricht hier auch nichts dafür, dass die Klägerin die überhöhte Vermittlungsgebühr aus ihrem Gewinn finanziert hat. Durch den 93,5 % über dem Marktzins liegenden Effektivzins wird indiziert, dass die Klägerin die Provision auf den Vertragszins umgelegt hat.

b) Zwar ist unter Umständen bei der Beurteilung des Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung zugunsten der Bank zu berücksichtigen, dass in einer Niedrigzinsperiode ein Kredit langfristig ohne Zinsänderungsvorbehalt gewährt worden ist (BGH, Urteil vom 11.12.1990 – XI ZR 69/90, juris Rn. 12). Dies ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nur bei äußerst lang laufenden Kreditverträgen angenommen worden (BGH, Urteil vom 9.11.1989 – III ZR 108/88, juris Rn. 18 mit einer Ratenzahlung über 144 Monate). Der vorliegende Vertrag mit einer Ratenzahlung von 84 Monaten erfüllt diese Voraussetzung eines lang laufenden Kredits noch nicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich das erhöhte Zinsänderungsrisiko bei länger laufenden Verträgen bereits im Durchschnittszins nach der jeweiligen Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank spiegelt. Der Effektivzinssatz nach der Zinsstatistik SUD 114 der Deutschen Bundesbank betreffend „Konsumentenkredite an private Haushalte, anfängliche Zinsbindung von über 1 Jahr bis 5 Jahre“ war im maßgeblichen Zeitraum September 2021 wesentlich niedriger als der Zinssatz nach der Zinsstatistik SUD 115, er hat lediglich 4,29 % betragen. Diesen Durchschnittswert übertrifft der vorliegende vereinbarte Effektivzinssatz von 11,11 % sogar um 134 %.

2. Außer dem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung setzt der Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB in subjektiver Hinsicht voraus, dass die schwächere Lage des Kunden vorsätzlich oder grob fahrlässig ausgenutzt wird. Allerdings begründet die objektive Sittenwidrigkeit bei einem Verbraucher die tatsächliche Vermutung, dass auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 138 Rn. 30). Diese Vermutung greift im vorliegenden Fall ein, da es sich bei dem Beklagten, wie die Formulierung des Darlehensvertrages mit Widerrufsbelehrung zeigt, um einen Verbraucher handelt.

III.

Dem erheblichen Teilunterliegen der Klägerin sowohl bei der Höhe der Hauptforderung als auch bei der über den Zeitraum von zweieinviertel Jahren gestaffelten Fälligkeit und bei der Zinsforderung wird pauschal gem. §§ 91, 92 ZPO dadurch Rechnung getragen, dass die Klägerin 40 % und der Beklagte 60 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 2, Nr. 11, 711 ZPO.

 

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