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Verfassungsbeschwerde gegen Corona-Verordnung

Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg – Az.: 1 VB 104/20 – Beschluss vom 02.11.2020

Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1. Die Verfassungsbeschwerde ist insgesamt unzulässig.

a) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht, soweit sie sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Mai 2020 richtet, immer noch entgegen, dass der Beschwerdeführer noch nicht i. S. v. § 55 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG den Rechtsweg erschöpft hat. Über die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen den Beschluss ist – soweit ersichtlich – nach wie vor noch nicht entschieden worden. Eine Vorabentscheidung nach § 55 Abs. 2 Satz 2 VerfGHG ist dem Verfassungsgerichtshof nach § 55 Abs. 2 Satz 3 VerfGHG verwehrt (s. den Beschluss vom 24.6.2020 – 1 VB 64/20 -, Juris Rn. 2).

Abgesehen davon weist auch die Begründung der neuen Verfassungsbeschwerde das im Beschluss vom 24. Juni 2020 (Juris Rn. 3) beschriebene Begründungsdefizit auf.

b) Soweit Gegenstand der Verfassungsbeschwerde der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. August 2020 ist, genügt die Begründung nicht den Anforderungen an eine solche nach § 15 Abs. 1 Satz 2 und § 56 Abs. 1 VerfGHG.

Verfassungsbeschwerde gegen Corona-Verordnung
Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com

§ 15 Abs. 1 Satz 2 und § 56 Abs. 1 VerfGHG verlangen, dass der Beschwerdeführer nicht nur den der behaupteten Verletzung von in der Landesverfassung enthaltenen Rechten zugrundeliegenden Sachverhalt schlüssig und substantiiert darlegt, sondern auch substantiiert darstellt, inwiefern die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Recht verletzen soll (VerfGH, Beschluss vom 29.8.2016 – 1 VB 70/16 -, Juris Rn. 2; Beschluss vom 16.10.2017 – 1 VB 25/17 -, Juris Rn. 3; Beschluss vom 22.2.2018 – 1 VB 54/17 -, Juris Rn. 3).

aa) Die Begründungsanforderungen verfehlt hat der Beschwerdeführer zunächst, soweit er behauptet, der Verwaltungsgerichtshof verletze dadurch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (der Sache nach gemeint: Art. 67 Abs. 1 LV), dass er die mit dem Abänderungsantrag vorgenommene Antragserweiterung als unzulässig angesehen hat. Insoweit lässt sich der Begründung der Verfassungsbeschwerde schon nicht hinreichend entnehmen, dass der Beschwerdeführer das tragende Argument der notwendigen Identität von ursprünglichem Streitgegenstand und Streitgegenstand des Abänderungsverfahrens überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Erst recht legt er nicht hinreichend dar, weshalb die Annahme der Unzulässigkeit einer Antragserweiterung im Abänderungsverfahren gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes verstoßen soll.

bb) Hat der Beschwerdeführer schon nicht substantiiert die Beschränkung der Sachprüfung des Verwaltungsgerichtshofs auf den Streitgegenstand des ursprünglichen Eilverfahrens in Frage gestellt, so laufen seine Angriffe gegen die Vorschriften der Corona-Verordnung, die der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Sache geprüft hat, ins Leere.

cc) Unzureichend sind die Ausführungen des Beschwerdeführers auch, soweit er sich gegen die Annahme der Unbegründetheit des Abänderungsantrags im Übrigen wendet.

Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, § 32 Satz 1 IfSG sei verfassungswidrig und stelle deshalb keine taugliche Rechtsgrundlage für die Corona-Verordnung dar. Die diesbezügliche Begründung ist erheblich defizitär.

Nach Auffassung des Beschwerdeführers folgt die Verfassungswidrigkeit des § 32 Satz 1 IfSG daraus, dass die §§ 28 bis 31 IfSG das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht beachten. Die §§ 28 bis 31 IfSG ermächtigen – so der Beschwerdeführer – die Verwaltung zu Eingriffen in die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 12 Abs. 2 GG; diese Vorschriften würden aber in den §§ 28 bis 31 IfSG nicht genannt.

Dass die §§ 28 bis 31 IfSG tatsächlich zu das Zitiergebot auslösenden Eingriffen in die genannten Grundrechte ermächtigten, legt der Beschwerdeführer in der Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht näher dar. Unter anderem beschäftigt er sich nicht mit der nahe liegenden Überlegung, ob die Vorschriften gerade aus dem Grund nicht zu solchen Eingriffen ermächtigen, weil in den jeweiligen Vorschriften (§ 28 Abs. 1 Satz 4, § 29 Abs. 2 Satz 6, § 30 Abs. 2 Satz 3 IfSG; vgl. auch § 32 Satz 3 IfSG) die Art. 6 Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 (im Übrigen genannt in § 30 Abs. 3 Satz 6 IfSG) und Art. 12 Abs. 2 GG nicht als einschränkbare Grundrechte genannt sind (vgl. zu einer entsprechenden Überlegung BVerfGE 130, 151, 204 – Juris Rn. 172 f.; auch Huber: in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 19 Rn. 101). Ebenso wenig beschäftigt sich der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nur „wirklich gewollte Eingriffe“ erfassen soll (BVerfGE 64, 72, 79 – Juris Rn. 26). Die Landesregierung will mit der Anordnung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ersichtlich nicht in die körperliche Unversehrtheit eingreifen; die Verpflichtung besteht nämlich gerade nicht für Personen, denen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 der aktuellen Corona-Verordnung).

Soweit der Beschwerdeführer zur Begründung der Verfassungswidrigkeit der Corona-Verordnung erneut einen Verstoß gegen Art. 71 Abs. 4 LV behauptet, ist bereits nicht ersichtlich, dass er die diesbezügliche Argumentation des Verwaltungsgerichtshofs zur Kenntnis genommen hat. In dem Beschluss vom 26. August 2020 betont der Verwaltungsgerichtshof, dass er im Beschluss vom 18. Mai 2020 nicht angenommen habe, dass sich ein Bürger auf einen Verstoß gegen Art. 71 Abs. 4 LV nicht berufen könne; er habe vielmehr ausgeführt, dass ein etwaiger Verstoß gegen Art. 71 Abs. 4 LV in der nach § 47 Abs. 6 VwGO gebotenen Abwägung ein Gebotensein einer einstweiligen Anordnung nicht begründen könne, da die Vorschrift allein die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften schütze.

Worin die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Inkonsistenzen der aktuellen Regelungen über die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und zur Einhaltung eines Mindestabstands liegen sollen, lässt sich der Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht entnehmen.

c) Die Verfassungsbeschwerde ist schließlich auch unzulässig, soweit sich der Beschwerdeführer unmittelbar und ohne Beschränkung auf einzelne Vorschriften gegen die Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 vom 23. Juni 2020 (Corona-Verordnung) in ihrer Fassung zum Zeitpunkt der Einreichung der Vb., mithin also aufgrund der Änderungsverordnung vom 22. September 2020 (GBl. S. 721), wendet. Ihr steht insoweit ebenfalls entgegen, dass der Rechtsweg noch nicht erschöpft bzw. noch nicht einmal eingeschlagen worden ist.

Im Übrigen leidet die Verfassungsbeschwerde auch insoweit an erheblichen Begründungsdefiziten. Das gilt namentlich hinsichtlich der im Zentrum des Vorbringens stehenden Behauptung der Grundgesetzwidrigkeit des § 32 Satz 1 IfSG (s. oben).

d) Von einer weitergehenden Begründung wird nach § 58 Abs. 2 Satz 4 VerfGHG abgesehen.

2. Durch die Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. VerfGH, Beschluss vom 24.6.2020 – 1 VB 64/20 -, Juris Rn. 8). Soweit der Beschwerdeführer auch begehrt, dass der Verwaltungsgerichtshof zu einer unverzüglichen Entscheidung über die Anhörungsrüge verpflichtet wird, fehlt es im Übrigen jedenfalls an einem Hauptsacheverfahren, dessen Erfolg mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung gesichert werden könnte.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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