OLG Koblenz, Az.: 5 U 1455/01, Urteil vom 13.06.2002
Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. August 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klägerin beansprucht von den Beklagten Ersatz materiellen Schadens (3.014,00 DM), die Zahlung von Schmerzensgeld (10.000,00 DM) und sie begehrt die Feststellung der Verpflichtung zum Ausgleich künftig eintretender Schäden.
Am 21. August 1999 war die Klägerin bei den Beklagten zu Besuch. Gegen 23.15 Uhr gingen sie und die Beklagte zu 2. nebeneinander die zur Wohnung der Beklagten führende Außentreppe hinab. In dem im unteren Bereich der Treppe gewendelten Teil stürzte die Klägerin und brach sich das Sprunggelenk. Sie war längere Zeit arbeitsunfähig.
Sie hat vorgebracht:
Die Treppenanlage sei nicht verkehrssicher. Die Treppe biete auf der Innenseite des gewendelten Teils kaum Auftrittsfläche und sei am Unfallabend auch nicht genügend ausgeleuchtet gewesen. Das Geländer biete eine nur unzureichende Sicherung, denn es knicke in Höhe der 8. Stufe plötzlich nach rechts ab.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Treppe sei im Hinblick auf ihre bauliche Ausgestaltung verkehrssicher. Nach den Ausführungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren sei die Treppe für eine Einzelperson gut begehbar, denn die Auftrittsfläche betrage 35 cm bzw. 50 cm vom Geländer entfernt 26 bis 30 cm. Soweit die Klägerin eine mangelhafte Beleuchtung rüge, komme es darauf nicht an, weil die Lampe im ersten Obergeschoss nur am Unfalltag defekt gewesen sei und nicht bereits längere Zeit. Die Klägerin müsse sich auch ein überwiegendes Verschulden entgegen halten lassen. Sie habe die Treppe aufgrund zahlreicher Besuche gekannt und habe sie, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit ersichtlich sei, auf der Innenseite neben der Beklagten zu 2. begangen.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel ein: Sie habe die Treppenmitte nicht benutzen können, denn hieran sei sie durch die Beklagte zu 2. gehindert worden. Im inneren Bereich sei das Verhältnis von Tritt- zu Setzstufen wesentlich ungünstiger als in der vom Gutachter untersuchten Lauflinie. Ein Bereich von 20 cm neben dem Geländer – fast senkrecht abfallend – sei gänzlich unbenutzbar. Wegen der ausgefallenen Beleuchtung hätte sie, Klägerin, aufgefordert werden müssen, sich unter größter Vorsicht äußerst links die Treppe hinabzutasten. Ein Mitverschulden bestehe nicht. Sie habe den umgebauten Zustand der Treppenanlage nicht erkannt.
Dem sind die Beklagten entgegengetreten.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Auf die Entscheidung wird vorab zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO).
Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Die Beklagten haften nicht aus dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (§ 823 BGB). Es kann daher dahinstehen, ob die Beklagte zu 2. als Nichteigentümerin des Anwesens aus einem anderen rechtlichen Grund verkehrssicherungspflichtig war.
1. Die allgemeine Rechtspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung Anderer zu nehmen, beruht auf dem Gedanken, dass jeder, der Gefahrenquellen schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen hat. Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muss nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Vielmehr sind nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer und bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (BGH NJW 1985, 1076; NJW 1978, 1629). Treppen und ihre Umgebung müssen so beschaffen sein, dass Unfällen vorgebeugt wird (vgl. BGH NJW-RR 1990, 409/410).
Sie haben den bauordnungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen (vgl. § 33 LBO n.F. 1999 = § 30 LBO a.F.) und müssen, da sich die Sicherungspflicht nicht im Einhalten von Bauvorschriften erschöpft (BGH VersR 1964, 1245/1246), eventuell darüber hinausgehenden Versicherungspflichten genügen.
2. In der baulichen Ausgestaltung der Freitreppe ist eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht zu sehen.
a) Nach den Erhebungen des Sachverständigen, Dipl.-Ing. Herbert G., der im selbständigen Beweisverfahren die Treppe in Augenschein genommen und ein schriftliches Gutachten erstattet hat, entspricht die Ausführung der Treppe den von der LBO gestellten Sicherheitsanforderungen. Die nutzbare Breite der Stufen ist ausreichend (§ 30 Abs. 5 LBO a.F.) und das Geländer ordnungsgemäß (§ 30 Abs. 8 LBO a.F.). Die Trittstufenbreite ist auch im gewendelten Bereich im Verhältnis von 18 cm (Setzstufe) zu 27 cm (Trittstufe) ausgebildet und weist in der Lauflinie ein Auftrittsmaß von 26 bis 30 cm auf.
Die Ausbildung der beiden untersten Stufen kann außer Betracht bleiben, da die Klägerin auf der vierten Stufe von unten zu Fall gekommen ist.
Die Treppe verfügt an beiden Seiten über einen Handlauf und geht damit über die Anforderungen nach DIN 18065 hinaus (vgl. Stich/Gabelmann/Porger, LBO, Lieferung März 2000, § 33 Rn. 49, Bild 33.7.2).
Die Treppe bezeichnet der Sachverständige als gut begehbar. Eine Gefahr für den Benutzer erkennt er nicht.
Der Umstand, dass das Auftrittsmaß bei einer Wendeltreppe im Innenbereich gegen null gehen kann, bedeutet nicht, dass eine solche Treppe baurechtlich nicht zugelassen und unsicher wäre.
Zwar ist eine solche Treppe, anders als bei einläufigen Treppen etwa, nicht in der ganzen Breite in gleicher Weise nutzbar. Hierauf kommt es aber nicht an. Der Benutzer hat sich auf die bauliche Ausführung der Treppe einzustellen und hat bei einer Wendeltreppe den Bereich zu wählen, wo die Stufen eine – noch – ausreichende Aufsetztiefe gewähren. Das war nach den Ausführungen des Gutachters eine Lauflinie im Wendelbereich, die vom Geländer ca. 35 cm entfernt verläuft (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH VersR 1964, 1246 unter 3.).
b) Die Klägerin ist im Hinabgehen jenseits dieser Lauflinie gewesen und im gering bemessenen Auftrittsbereich der viertuntersten Stufe gestürzt. Das kann den Beklagten haftungsrechtlich nicht zur Last gelegt werden, denn die Klägerin war nicht gehalten, die Treppe auf diesem Weg zu begehen. Indem sie neben ihrer Gastgeberin und nicht vor oder hinter ihr hinabstieg, hat sich zwar eine Gefahr verwirklicht. Die durch diese freie Willensentscheidung hervorgerufenen Folgen hat sich die Klägerin aber selbst zurechnen zu lassen.
3. Es kann dahinstehen, ob die Treppe am Unfalltag ausreichend beleuchtet war.
a) Der Gutachter geht davon aus, die Beleuchtung sei ausreichend, da eine Beleuchtung über eine durch einen Bewegungsmelder ausgelöste Lampe sowie durch die Straßenbeleuchtung erfolgte.
b) Die Klägerin macht geltend, die zusätzlich installierte Lampe sei in der Unfallnacht defekt gewesen.
Wenn dem so war, kann hieraus eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht hergeleitet werden, denn den Beklagten kann nicht angesonnen werden, noch in der Nacht die Lampe zu reparieren und es erst danach zuzulassen, dass die Klägerin über die Treppe das Anwesen verließ.
Selbst wenn man aber in der mangelhaften Beleuchtung der Treppe – in dieser Nacht – eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sehen wollte, tritt diese hinter dem nach § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigenden erheblichen Mitverschulden der Klägerin vollständig zurück.
Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Selbstverantwortung des Einzelnen verwiesen, der bei unzureichenden Lichtverhältnissen eine Wendeltreppe eben nicht im Innenbereich und schon gar nicht – im Gespräch mit der Gastgeberin – neben ihr hergehend benutzen durfte.
Da die Berufung der Klägerin keinen Erfolg hat, sind ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 7.165,24 EUR.
In dieser Höhe ist die Klägerin durch das Urteil des Senats beschwert (§ 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. § 544 ZPO).
Für die Zulassung der Revision sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben.