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Verkehrssicherungspflicht bei Natursteinpflaster

OLG Koblenz, Az.: 1 U 149/18, Urteil vom 26.07.2018

In dem Rechtsstreit hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2018 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das vorbezeichnete Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Unfallereignis in Anspruch.

Die Beklagte betreibt in Mayen den regelmäßig stattfindenden Wochenmarkt. Üblicherweise findet dieser auf dem Marktplatz statt. Am 10.09.2016 wurde dieser wegen der zeitgleichen Abhaltung des Stein- und Burgfestes in die Hahnengasse verlegt. Am 10.09.2016 wurde die Klägerin nach einem Sturz in das St. Elisabeth Krankenhaus nach Mayen transportiert; dort wurde eine Mehrfachfraktur der rechten Patella (Kniescheibe) diagnostiziert.

Verkehrssicherungspflicht bei Natursteinpflaster
Symbolfoto: Profmon/Bigstock

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe am 10.09.2016 den Wochenmarkt in Mayen besucht; sie habe flache Schuhe, sog. Ballerinas getragen. In der Hahnengasse sei sie beim Begehen einer beschädigten und ungleichen Basalt-Platte, die einen erheblichen Niveauunterschied zu den übrigen Platten gehabt habe, ins Stolpern geraten und mit dem rechten Knie auf die Kante der nächst höher stehenden scharfkantigen Platte aufgeschlagen. Stolperursache seien Unebenheiten im Straßenbelag in der Hahnengasse mit einem Niveauunterschied von mehr als 2,5 cm gewesen. Die Basaltplatte, über die die Klägerin gestürzt sei, sei ohne Plattenabdeckung rau zerrissen und bröckelig gewesen und habe zum Unfallzeitpunkt tiefer als die benachbarten Platten gelegen. Der Beklagten sei eine grobe Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen. Vor dem Hintergrund, dass Besucher auf dem Wochenmarkt ihre Einkäufe erledigten und hierdurch ihre Aufmerksamkeit auf die Auslagen und nicht auf den Straßenbelag gelenkt sei, bestünden höhere Anforderungen an die Sicherheit des Straßenbelags. Jedenfalls sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die vorhandenen Gefahrenstellen zu beseitigen oder zumindest vor ihnen zu warnen. Während die Basalt-Platten im Unfallbereich später ausgetauscht worden seien, seien andere Platten mit ähnlichem Niveauunterschied weiterhin als Gefahrenquelle vorhanden geblieben.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zum Ausgleich der bisher entstandenen materiellen Schäden einen Betrag in Höhe von 374,12 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag in Höhe von 280,54 Euro seit Rechtshängigkeit der Klage und aus einem Teilbetrag in Höhe von 93,58 Euro ab dem 15.10.2017 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zum Ausgleich der bisher entstandenen und abrechenbaren immateriellen Schäden einen Betrag zu zahlen, dessen Höhe vom Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen ist, der aber einen Betrag von 15.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Haushaltsführungsschaden zu zahlen, dessen Höhe vom Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO geschätzt werden sollte, und zwar für die Zeit vom 10.09.2016 bis vorläufig 30.06.2017 und der einen Betrag von 5.500,00 Euro nicht unterschreiten sollte zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage;

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch den weiteren Haushaltsführungsschaden zu ersetzen, und zwar für die Zeit ab dem 01.07.2017 unter Einbeziehung auch des späteren Ergebnisses der ärztlichen Nachuntersuchung, die für September 2017 vorgegeben ist;

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Sturz vom 10.09.2016 in der Hahnengasse in Mayen künftig noch entstehen bzw. künftig erst bezifferbar werden, zu ersetzen, soweit sie nicht von Dritten ausgeglichen werden oder auf diesen übergehen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der nähere Hergang des Unfallgeschehens werde mit Nichtwissen bestritten. Die auf den von der Klägerin eingereichten Bildern erkennbare Kante zu einer in der Deckschicht beschädigten Platte weise einen Höhenunterschied von höchstens 1,5 cm auf. Davon unabhängig habe im Bereich der behaupteten Unfallstelle schon objektiv kein abhilfepflichtig verkehrswidriger Zustand vorgelegen. Die spätere Sanierung der Beläge sei nicht aus Sicherheitsgründen, sondern aus Gründen der Optik geschehen. Der Klägerin sei überdies ein anspruchsausschließendes Eigenverschulden anzulasten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch aus Amtshaftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu. Die Verwendung von Natursteinpflaster in Gehwegbereichen stelle trotz der damit verbundenen Unebenheiten und der unterschiedlichen Fugenbreite keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar, wenn diese Gegebenheiten zu erkennen seien. Von dem Fußgänger könne bei erkennbar unebenen und holprigen Flächen eine erhöhte Aufmerksamkeit erwartet werden. Unter Berücksichtigung der nicht zu vernachlässigenden Eigenverantwortlichkeit und der Lage und Verkehrsbedeutung der gepflasterten Natursteinflächen sei eine Unebenheit der in einer Nebenstraße einer kreisangehörigen Stadt vorliegend hinzunehmen. Dabei habe die Kammer durchaus berücksichtigt, dass am Unfalltag ein Wochenmarkt stattgefunden habe, wodurch Besucher und Passanten in gewissem Maße abgelenkt würden. Niveauunterschiede von 2 bis 3 cm im Fußgängerbereich seien hinzunehmen. Für die Klägerin wäre bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ohne Weiteres die unfallursächliche Stolperstelle zu erkennen gewesen, es habe sich nach den vorgelegten Lichtbildern um eine „Allerweltsstolperstelle“ gehandelt; der Verkehrssicherungspflichtige habe darauf vertrauen dürfen, dass der Verkehrsteilnehmer sich auf die sichtbare Bodenunebenheit einstellen werde. Eine andere Beurteilung rechtfertige sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Basalplatte, bei welcher die glatte Plattendeckung gefehlt habe, nach dem Unfall der Klägerin durch glatte, aber kleinere Platten ersetzt worden sei. Die Klage sei auch wegen eines der Klägerin anzulastenden weit überwiegenden Mitverschuldens abzuweisen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Die Klägerin trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor,

das Landgericht habe rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die unfallursächliche Stolperstelle als „Allerweltsstolperstelle“ anzusehen sei und die Klägerin bei Anwendung der üblichen Sorgfalt diese hätte erkennen können. Das Landgericht habe den Zustand der Lauffläche in der Hahnengasse unzutreffend gewichtet und nicht in die Betrachtung die durch die Marktsituation eingetretene Ablenkung vom Pflaster- und Plattenbelag einbezogen. So sei nicht zutreffend aufgenommen worden, dass unmittelbar nach dem Unfallereignis die Unfallstelle in Gänze repariert worden und mit neuen Platten belegt worden sei. Dies sei entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht aus optischen Gründen und überobligatorisch erfolgt. Der Beklagten sei im Hinblick darauf, dass es in der Hahnengasse und nicht nur an Markttagen mehrfach zu Stürzen gekommen sei (Beweis: Zeugnis Annemarie F., Karin L., Heinz W., Manfred C.), klar gewesen, dass die Schadhaftigkeit der Unfallstelle zu beheben gewesen sei. Das Landgericht nehme zu Unrecht an, dass es sich bei dem Plattenbelag in der Hahnengasse um einen historischen Belag gehandelt habe. Der Sturz habe sich auf den gepressten Basaltplatten, die jeweils seitlich von dem Basaltpflaster begrenzt wird, ereignet. Die Kammer habe unberücksichtigt gelassen, dass die Platten nicht nur scharfkantig nach oben gestanden hätten, sondern auch keine Abdeckung mehr gehabt hätten. Unberücksichtigt sei geblieben, dass die Klägerin die unfallursächliche Stolperstelle nicht habe wahrnehmen können, weil sie sich zusätzlich auf die entgegenkommenden Marktbesucher habe einstellen müssen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr den materiellen Schaden in Höhe von 374,12 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 280,54 Euro seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen und aus einem Teilbetrag von 93,58 Euro ab dem 15.10.2017;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zum Ausgleich der bisher entstandenen und abrechenbaren Schäden einen Betrag zu zahlen, dessen Höhe vom Gericht gemäß § 287 Abs.1 ZPO zu schätzen sei, der aber einen Betrag von 15.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Haushaltsführungsschaden zu zahlen, dessen Höhe vom Gericht gemäß § 287 Abs.1 ZPO geschätzt werden sollte, und zwar für die Zeit vom 10.09.2016 bis vorläufig 30.06.2017 und der einen Betrag von 5.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage;

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet bleibe, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Sturz vom 10.09.2016 in der Hahnengasse in Mayen künftig noch entstehen bzw. künftig erst bezifferbar werden, zu ersetzen, soweit sie nicht von Dritten ausgeglichen werden oder auf diese übergehen.

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Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und trägt nunmehr vor, aufgrund der vorgelegten Lichtbilder sei erkennbar, dass von einem objektiv verkehrswidrigen Zustand der Unfallstelle bzw. einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten nicht ausgegangen werden könne. Sämtliche Lichtbilder zeigten eine in sich inhomogene Oberfläche, bestehend aus mehreren parallel verlaufenden Bändern aus Basaltplatten, die jeweils durch ein Band aus kleinformatigen Natursteinen voneinander getrennt seien. An das jeweils äußere Band aus Basalplatten schließe sich ein Natursteinpflasterbelag an mit Unebenheiten und unterschiedlichen Fugenbreiten, wie sie für einen Natursteinpflasterbelag typisch seien. Die aus Basaltplatten bestehenden „Laufbänder“ seien teilweise mit industriell gefertigten Verbundsteinen unterschiedlicher Farbgebung unterbrochen. Bei einem Oberflächenbelag, wie aus den Lichtbildern ersichtlich, müsse mit Unebenheiten, auch über 2 cm, jederzeit gerechnet werden. Der Umstand, dass sich das Unfallgeschehen, dessen Hergang und genaue Örtlichkeit bestritten bleibe, während des Wochenmarktes zugetragen habe, führe zu keiner anderen Betrachtung. Die Durchführung eines Wochenmarktes entbinde den Besucher nicht von einer der für ihn selbst bestehenden Verantwortung. Jeder Besucher des Wochenmarktes hätte sich bei Anwendung der auch nur durchschnittlichen Sorgfalt problemlos auf die Wegeoberfläche mit den Unebenheiten einstellen können. Der Einwand des überwiegenden und damit anspruchsmindernden Eigenverschuldens sei gerechtfertigt. Der Höhenversatz habe nicht 2,5 cm, sondern nur maximal 15 mm betragen. Ein solch geringer Höhenversatz sei selbst innerhalb einer belebten Fußgängerzone hinzunehmen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

1) Das Landgericht hat zu Recht die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche auf materiellen Kostenersatz und Ersatz eines Haushaltsführungsschadens sowie Schmerzensgeldansprüche wegen schuldhafter Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gemäß Art. 34 S.1 GG, §§ 839 Abs. 1, 253 BGB, 48 Abs. 2, 14 LStrG Rhl.-Pf. verneint.

a) Gemäß § 48 Abs. 2 i. V. m. § 14 LStrG Rhl.-Pf. obliegt den Gemeinden als Träger der Straßenbaulast der Bau, die Unterhaltung und die Verwaltung der öffentlichen Straßen sowie die Überwachung der Verkehrssicherheit als Amtspflichten in Ausübung der öffentlichen Gewalt.

b) Die Straßenverkehrssicherungspflichten sind nur ein Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Verkehrsflächen (vgl. hierzu Itzel, Neuere Entwicklungen im Amts- und Staatshaftungsrecht – Rechtsprechungsüberblick 2009, MDR 2010, 426 ff., 427; derselbe, Neuere Entwicklungen im Amts- und Staatshaftungsrecht – Rechtsprechungsüberblick 2011, MDR 2012, 564, 566). Jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, muss diejenigen ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen, die zur Abwendung der Dritten drohenden Gefahren geboten sind (BGH, Urteil vom 18.12.1972 – III ZR 121/70 – BGHZ 60, 54, 55 f. = NJW 1973, 460 Beck OGK, Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer/Spickhoff-Dörr, Stand 01.01.2016, BGB § 839 Rn. 221, 233).

c) Der Inhalt der Straßenverkehrssicherungspflicht geht dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen – wie alle sonstigen einem Verkehr eröffneten Räume oder Sachen – möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmer aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand drohen (BGH, aaO). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Straße praktisch völlig gefahrlos sein muss. Denn das ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen und kann von dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht verlangt werden. Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich vielmehr den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (vgl. BeckOK BGB Bamberger/Roth/Hau/Poseck-Reinert, 46. Edition, Stand 01.05.2018, § BGB § 839 Rn. 48).

d) Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag. Ob danach eine Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand ist, entscheidet sich im Ergebnis nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seine Bedeutung sind dabei zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78 – VersR 1979, 1055; Urteil vom – 02.07.1970 – III ZR 45/67 – NJW 1970, 1682, Urteil vom 10.07.1980 – III ZR 58/79 – VersR 1980, 946, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78 – III ZR 58/78 – VersR 1979, 1055, vgl. BeckOK BGB Bamberger/Roth/Hau/Poseck-Reinert, 46. Edition, Stand 01.05.2018, § BGB § 839 R. 48).

e) Ein Fußgänger hat in gewissem Umfang Niveauunterschiede und Unebenheiten im Bereich von Straßen und Plätzen hinzunehmen. Eine Verkehrssicherungspflicht beginnt erst dort beginnt, wo auch für den aufmerksamen Fußgänger eine Gefahrenlage völlig überraschend eintritt oder nicht ohne weiteres erkennbar ist (BGH, Urteil vom 10.07.1980, aaO).

Welcher Niveauunterschiede bei Unebenheiten im Fußgängerbereich aus Sicht des Verkehrssicherungspflichtigen noch tolerabel sind, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass Niveauunterschiede selbst wenn sie 2 cm nicht erreichen nicht mehr hinzunehmen sind (so OLG Oldenburg, Urteil vom 20.12.1985 – 6 U 72/85 – NJW-RR 1986, 903 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 28.06.2000 – NJW-RR 2001, 457 f.; OLG Celle, Urteil vom 23.12.1997 – 9 U 120/97 – MDR 1998, 1031 f.).

Zutreffend führt das Landgericht aus, dass ein Niveauunterschied von ca. 2 bis 3 cm vom Fußgänger regelmäßig hinzunehmen sei (Senatsurteil vom 23.06.2010 – 1 U 1526/09; OLG Frankfurt, Urteil vom 10.02.2003 – 1 U 153/01 – OLGR Frankfurt 2003, 418 f.; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2. Auflage 2012, Rn. 541). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine starre Grenze.

Es kann nicht allein auf die absolute Höhe des Unterschieds des Plattenbelags abgestellt werden. Vielmehr ist die durch den Höhenunterschied bedingte Gefährdung im Zusammenhang mit besonderen Umständen der einzelnen Örtlichkeit zu sehen und im Blick auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu beurteilen (BGH, Urteil vom 27.10.1966 – III ZR 132/65 – MDR 1967, 387 f. = VersR 1967, 281).

f) Das Landgericht stellt zu Recht darauf ab, dass unter Berücksichtigung der Verkehrsbedeutung der Unfallstelle, bei der Hahnengasse in Mayen handelt es sich um eine Nebenstraße einer kreisangehörigen Stadt und nicht etwa um eine großstädtische Fußgängerzone, keine überzogenen Anforderungen an die Oberflächenbeschaffenheit des Weges zu stellen seien.

g) Weiter führt das Landgericht zutreffend unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung (Senatsurteil vom 12.03.1997 – 1 U 207/96 – OLGR Koblenz 1997, 213 f.) aus, dass nach der Rechtsprechung die Verwendung von Natursteinpflaster – hier von Basaltplatten und Basaltpflaster – trotz seiner Unebenheiten und unterschiedlichen Fugenbreiten keine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten darstelle, wenn diese Gegebenheiten deutlich zu erkennen seien. Denn auf erkennbar unebenen und holprigen Flächen könne eine erhöhte Aufmerksamkeit des Fußgängers erwartet werden. Es sei nicht zuletzt aus Gründen der tatsächlichen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit hinzunehmen, dass eine historische Pflasterung, die Unebenheiten aufweise, nicht ausgetauscht werde.

h) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass vorliegend die unfallursächliche Stolperstelle bei Anwendung der üblichen Sorgfalt und Wahrung der zu erwartenden Eigenverantwortung der Klägerin ohne Weites zu erkennen und zu bewältigen gewesen wäre.

i) Das Landgericht nimmt aufgrund der zur Gerichtsakte vorgelegten Lichtbilder (vgl. Anlage K 7 Schriftsatz vom 07.06.2017 (Klageschrift) zu Recht an, dass die von der Basaltplatte ausgehende Gefahr als relativ gering anzusehen gewesen sei, es sich dabei, wie es das Landgericht formuliert, um eine „Allerweltsstolperstelle“ gehandelt habe, die die Klägerin bei Anwendung der üblichen Sorgfalt hätte erkennen können. Zu berücksichtigen ist schließlich mit dem Landgericht, dass die Klägerin durch Vorlage weiterer Lichtbilder selbst vorgetragen hat, dass der Natursteinbelag in der Hahnengasse insgesamt einen gealterten, schadhaften Eindruck vermittelt habe, so dass ein Fußgänger dort mit gewissen Unebenheiten und Stolperstellen habe rechnen müssen.

j) Entgegen den Ausführungen der Berufung (BB 2, Bl. 117 d. A.) hat das Landgericht nicht rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die unfallursächliche Stolperstelle bei Anwendung der üblichen Sorgfalt zu erkennen und zu bewältigen gewesen sei. Auch die Einordnung der Stolperstelle als „Allerweltsstolperstelle“ ist nicht zu beanstanden.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch aus Sicht des Senats nicht aus dem Umstand, dass die Basaltplatte, bei welcher die glatte Plattenabdeckung gefehlt hat, nach dem Unfallereignis mit anderen sich anschließenden Platten entfernt und durch glatte, aber kleinere Platten ersetzt worden ist (vgl. Anlage K 8 zur Klageschrift).

k) Entgegen den Ausführungen der Berufung (BB 2, Bl. 117 d. A.) stellt der Umstand, dass die Unfallstelle nach dem Unfallereignis in Gänze repariert bzw. saniert worden sei, kein gesichertes Indiz dafür dar, dass die Unfallstelle sich zuvor in einem schadhaften Zustand befunden habe. Aus der späteren Reparatur der Basaltplatten und Sanierung der Unfallstelle lässt sich, wie der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2018 ausführlich ausgeführt hat (vgl. Sitzungsprotokoll vom 05.07.2018, S. 2, Bl. 154 d. A.), entgegen den Ausführungen der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 27.08.2016 (dort S. 2, Bl. 154 d. A.) kein Anscheinsbeweis dafür herleiten, dass die Unfallstelle zuvor in einem verkehrswidrigen Zustand gewesen sei.

l) Die Einschätzung des Landgerichts, dass es bei den Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen um ein überobligatorisches Verhalten der Beklagten gehandelt habe (LU 5), ist nicht zu beanstanden.

m) Der Senat hat zudem bereits in der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2018 dargelegt, dass bei der Frage einer etwaigen Amtspflichtverletzung die Frage der Verkehrssicherungspflicht von der Straßenunterhaltungspflicht zu trennen sei (vgl. Sitzungsprotokoll vom 05.07.2018, S. 2, Bl. 154 d. A.).

Nach h. M. im Schrifttum und in der Rechtsprechung stellen die straßenrechtlichen Bau- und Unterhaltungspflichten keine drittgerichteten bzw. bürgergerichteten Amtspflichten dar (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30.04.1953 – III ZR 377/51 – BGHZ 9, 373 ff. (385); LG Bielefeld, Urteil vom 11.10.1965 – 6 O 74/65 – VersR 1966, 1088; MünchKommBGB-Papier/Sharvani, 7. Auflage 2017, BGB § 839 Rn. 181).

n) Die Berufung der Klägerin meint, aufgrund des in der Hahnengasse stattfindenden Wochenmarktes sei sie derart abgelenkt worden, dass sie auf den Plattenbelag nicht habe achten können. Dieser Angriff verfängt nicht.

Zwar ist richtig, dass ein Fußgänger in einer Fußgängerzone, in denen er durch Auslagen in den Geschäften abgelenkt ist, auf ein erhöhtes Maß an Verkehrssicherheit vertrauen darf (OLG Oldenburg; Urteil vom 20.12.1985 – 6 U 72/85 – NJW-RR 1986, 903). Im Bereich von Fußgängerzonen gelten erhöhte Sicherheitsanforderungen. So gelten an Tagen, an denen ein Wochenmarkt abgehalten wird, höhere Anforderungen, weil die Aufmerksamkeit für den Besucher für die Straßenverhältnisse abgelenkt wird (OLG Celle, Urteil vom 07.08.2017 – 8 U 123/17 – NJW-RR 2017, 1300 ff.). Allerdings darf auf den Verkehrssicherungspflichtigen nicht das allgemeine Lebensrisiko abgewälzt werden (OLG Koblenz, Urteil vom 13.05.1998 – 1 U 105/97 – MDR 1999, 39 f.; Urteil vom 24.03.1998 – 1 U 516/98 – OLGR 1999, 397 f.; Urteil vom 12.03.1997 – 1 U 207/96 – OLGR Koblenz 1997, 311 ff; vgl. BeckOK BGB Bamberger/Roth/Hau/Poseck-Reinert, 46. Edition, Stand 01.05.2018, § BGB § 839 R. 48).

Trotz der auf dem Wochenmarkt in der Hahnengasse befindlichen Marktstände hätte die Klägerin, die die Erkennbarkeit der Unebenheiten der Basaltplatten in dem gesamten Bereich selbst durch Vorlage ihrer Lichtbilder dokumentiert hat, bei Anwendung der üblichen Sorgfalt und Wahrung der Eigenverantwortung erkennen können.

Dem Beweiserbieten der Klägerin – Zeugnis der Zeugen Annemarie F., Karin L., Heinz W. und Manfred C. -, dass es in der Hahnengasse und nicht nur an Markttagen mehrfach zu Stürzen gekommen sei und deshalb der Plattenbelag nach dem Unfallereignis repariert bzw. saniert worden sei, war im Hinblick auf die klare Erkennbarkeit der Unebenheiten der Basaltplatten und der von der Klägerin zu wahrenden Sorgfalt bei Begehung des Belags und ihre Eigenverantwortung nicht nachzugehen.

2) Die Klägerin hat aus vorgenannten Gründen – mangels Anspruchs aus Amtshaftung dem Grunde nach – keinen Anspruch auf Feststellung gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Sturz vom 10.09.2016 in der Hahnengasse in Mayen künftig noch entstehen bzw. künftig erst bezifferbar werden, zu ersetzen, soweit sie nicht von Dritten ausgeglichen werden oder auf diese übergehen.

Die Berufung der Klägerin war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.875,00 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO.

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