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Verkehrssicherungspflichtverletzung – Haftung des Aufzugsbetreibers als Verschuldenshaftung

OLG München – Az.: 1 U 1798/11 – Beschluss vom 25.08.2011

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 06.04.2011, Az. 22 O 568/10, durch einstimmigen Beschluss nach § 522 II Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Hierzu wird binnen 3 Wochen ab Zugang Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

II. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.571,12 € festzusetzen.

Gründe

I.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die Klägerin macht geltend, sie sei bei der Benutzung einer Aufzugsanlage, deren Betreiberin die Beklagte ist, zu Schaden gekommen und meint, hierfür treffe die Beklagte die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit. Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagten eine schuldhafte Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflichten nicht vorgeworfen werden könne.

Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung begründet weder Zweifel an der Tatsachenfeststellung des Landgerichts, noch lässt die Entscheidung Rechtsfehler erkennen. Für die Durchführung einer weiteren Beweisaufnahme besteht keine Veranlassung. Vielmehr hat das Landgericht im Einklang mit der Rechtsprechung zur Haftung bei Störungen von Aufzugsanlagen die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt.

Im Einzelnen:

Verkehrssicherungspflichtverletzung - Haftung des Aufzugsbetreibers als Verschuldenshaftung
Symbolfoto: Von thanatphoto/Shutterstock.com

1. Die Haftung des Aufzugsbetreibers ist keine Gefährdungshaftung, sondern eine Verschuldenshaftung. Allein der Umstand, dass eine Person durch einen technischen Defekt eines Aufzugs zu Schaden kommt, begründet noch keine Ersatzpflicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der Schaden Folge einer schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist. Angesichts der technischen Komplexität einer Aufzugsanlage kann ein Betreiber in der Regel nicht selbst für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Kontrolle der Anlage sorgen, sondern benötigt die Unterstützung eines Fachmanns. Lässt er die Aufzugsanlage in angemessen Intervallen von einer zuverlässigen Fachfirma warten und die vorgeschriebenen Kontrollen vom technischen Überwachungsverein vornehmen, genügt er in aller Regel seiner Verkehrssicherungspflicht (vgl. OLG München vom 10.07.2006, Az. 1 U 2923/06).

2. Soweit die Klägerin ihre Berufung auf verbleibende Überwachungs- und Kontrollpflichten der Beklagten bei Delegation ihrer Verkehrssicherungspflichten auf Dritte stützt, lässt sie außer Betracht, dass eine Haftung der Beklagten nur dann in Betracht kommt, wenn der fragliche Aufzug von der beauftragten Firma nicht hinreichend kontrolliert und ordnungsgemäß gewartet worden ist und dies der Beklagten bekannt war oder wegen unzureichender Vergewisserung, ob die Fachfirma den übernommenen Aufgaben hinreichend nachkommt, hätte bekannt sein müssen. Die Feststellung des Landgerichts, dass dies nicht der Fall war, beruht auf einer ordnungsgemäßen Beweiswürdigung und ist frei von Rechtsfehlern

a) Der streitgegenständliche Aufzug wurde am Tag vor dem fraglichen Vorfall von der Streitverkündeten gewartet und überprüft. Mängel, insbesondere solche, die den von der Klägerin geschilderten Vorfall am 09.03.2010 erklären würden, wurden nicht festgestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Streitverkündete nicht ordnungsgemäß arbeitet oder ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht hinreichend nachkommt, liegen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht vor. Eine 6 Tage nach dem Vorfall durchgeführte Prüfung durch den Technischen Überwachungsverein ergab ebenfalls keinen Anhalt für eine technische Fehlfunktion, insbesondere wiesen der Geschwindigkeitsbegrenzer und die Fangvorrichtung keinen Defekt auf. Lediglich der Rückruf der Notrufleitzentrale funktionierte nicht. Desweiteren kontrolliert Personal der Beklagten zumindest wöchentlich, ob die Aufzugsanlage einen offensichtlichen Fehler oder Mangel hat.

Den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht sind damit Genüge getan.

b) Die Argumente der Klägerin in der Berufung, auf die sie eine unzureichende Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht stützt, vermögen nicht zu überzeugen.

– Soweit die Klägerin auf etwaige Leistungsausschlüsse im Wartungsvertrag zwischen der Streitverkündeten und der Beklagten hinweist, ist nicht ersichtlich, welche Relevanz dies für den von der Klägerin behaupteten Störungsfall der Anlage haben sollte. Ausweislich des Wartungsvertrages hat die Streitverkündete die Aufzugsanlage regelmäßig auf Mängel zu kontrollieren und zu warten. Von der Leistungspflicht der Beklagten ausgenommen sind nur durch bestimmte Ursachen veranlasste Instandhaltungsarbeiten und bestimmte Zusatzleistungen. Wie dargelegt, gab es bei der tags zuvor durchgeführten Kontrolle und Wartung des Aufzugs keinen Anhalt für einen Mangel oder Defekt, somit stellt sich auch nicht die Frage, wer diesen zu beseitigen gehabt hätte.

– Soweit die Klägerin meint, die Beklagte hätte sich pflichtwidrig auf die Streitverkündete verlassen, lässt sie außer Betracht, dass wöchentliche (Sicht-) Kontrollen auf offensichtliche Mängel durchgeführt wurden. Eine noch engmaschigere oder intensivere Kontrolle schuldete die Beklagte nicht, abgesehen davon fand am Tag vor dem Vorfall, wie dargelegt, eine fachmännische Wartung und Kontrolle des Aufzugs seitens der Streitverkündeten statt. Zu einer täglichen eigenen Kontrolle des Aufzugs ist die Beklagte nicht verpflichtet, ebenso wenig muss sie technisch sachverständiges Personal vorhalten und laufend eigene eingehende Untersuchungen der Anlage vornehmen.

– Auch der Hinweis auf einzelne Störfälle in den 2 ½ Jahren seit Inbetriebnahme des Aufzugs ist unbehelflich. Weder ist ersichtlich, dass die im vorgelegten Zeitungsbericht genannten technische Mängel oder durch Vandalismus aufgetretenen Störungen in der Funktionsfähigkeit der Anlage nicht beseitigt waren – die letzte Sperrung wegen unsachgemäßem Gebrauch war im November 2009, noch lassen die in dem Zeitungsartikel genannten Vorfälle den Schluss zu, dass die Streitverkündete ihre Tätigkeit nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und deshalb hätte gekündigt werden müssen. Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, die an einem öffentlichen Bahnhof befindliche Aufzugsanlage gänzlich stillzulegen oder Warnschilder anzubringen, bloß weil es in der Vergangenheit zu einigen Störfällen und Vandalismus gekommen ist.

– Die Tatsache, dass es zu einem technischen Problem gekommen ist und dass der Notruf zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht funktioniert hat, besagt nicht, dass die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht erfüllt hat. Zum mehr als der Sicherstellung regelmäßiger Kontrollen und ordnungsgemäßer Wartung ist die Beklagte als Aufzugbetreiberin nicht verpflichtet. Sie haftet, was die Klägerin möglicherweise verkennt, nicht für jeden spontan auftretenden technischen Defekt, mag dieser auch zu gesundheitlichen Nachteilen für einen Nutzer führen. Insoweit bestand und besteht auch keine Veranlassung für eine Beweisaufnahme zum Unfallhergang, der Kausalität des Ablaufs und den Verletzungen der Klägerin.

– Ob die Beklagte ihren Verkehrssicherungspflichten genügt hat oder nicht, ist eine Rechtsfrage, keine Sachverständigenfrage. Konkrete technische Vorgänge, die eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage rechtfertigen würden, hat die Klägerin weder substantiiert behauptet noch unter Beweis gestellt, wobei sich dabei auch die Frage stellen würde, welche technischen Feststellungen ein Sachverständiger nunmehr hinsichtlich einer im März 2010 aufgetretenen Störung der Anlage noch treffen könnte.

Bei dieser Sachlage vermag die Klägerin mit ihren Ansprüchen nicht durchzudringen.

II.

Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, liegen auch die weiteren Voraussetzungen für einen Zurückweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vor.

Der Klägerin wird empfohlen, die Berufung zur Kostenminderung zurückzunehmen.

III.

Der Streitwert errechnet sich aus der Addition der Berufungsanträge (3.000 € Schmerzensgeld, 71,12 € materieller Schaden, 1.500 € Feststellungsantrag).

 

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