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Verkehrsunfall – Abtretung etwaiger Regressansprüche gegen Schadensgutachter

AG Kassel – Az.: 435 C 449/21 – Urteil vom 14.05.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 319,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.03.2021 Zug-um-Zug gegen Abtretung der etwaigen Ersatzansprüche des Klägers gegenüber der Fa. A, B, aus der Reparaturkostenrechnung der Fa. A vom 04.08.2020 zur Rechnungsnummer 110025490 sowie gegen Abtretung der etwaigen Ersatzansprüche des Klägers gegenüber der Fa. C, D, aus der Gutachterrechnung der Fa. C vom 29.07.2020 zur Rechnungsnummer 4002627919 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger und die Beklagte jeweils die Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung wird gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Nach dem im tatsächlichen unstreitigen Sachverhalt ist die Klage wegen des Verkehrsunfallereignisses vom 28.07.2020 auf dem E in F aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der §§ 7, 17 StVG, 3 PflVersG, 115 VVG, 249 ff. BGB nur teilweise begründet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (zuletzt Urteile vom 09.11.2020 – 435 C 1273/20, vom 12.07.2019 – 435 C 119/19, vom 05.06.2018 – 435 C 923/18 und vom 28.01.2019 – 435 C 3410/18, zit. n. juris) ergibt sich für die Abwicklung von Verkehrsunfallschäden – die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist hier unstreitig – folgendes Bild:

Im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem sind diejenigen Abrechnungspositionen der Reparaturrechnung zu erstatten, bei denen vom Geschädigten nicht verlangt werden kann, dass er die fehlende inhaltliche Berechtigung erkennen musste. Denn nach § 249 Abs. 1 BGB ist der Schädiger verpflichtet, den Geschädigten so zu stellen, als hätte das schädigende Ereignis nicht stattgefunden. Im Falle der Sachbeschädigung bedeute dies, dass die notwendigen Reparaturkosten zu erstatten sind, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGHZ 115, 364, 369; 160, 377; 162, 161, 165). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 9. März 2010 – VI ZR 6/09, VersR 2010, 1053 f.). Die Schadensbetrachtung hat sich nicht nur an objektiven Kriterien zu orientieren, sondern ist auch subjektbezogen (BGHZ 54, 82, 85; BGH NJW 1992, 302, 303; BGH NJW 1992, 1618, 1619). Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGHZ 115, 364, 3681; 132, 373, 3761; 155, 1,41; 162, 161,164 f.; 163, 362, 365).

Hinsichtlich der Schadensbeseitigung nach einem Verkehrsunfallereignis bedeutet dies, dass unter Berücksichtigung der Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten der Pflicht zur Schadensminderung im Sinne des § 254 BGB hinsichtlich der Höhe einer Reparaturkostenrechnung regelmäßig Grenzen gesetzt sind. Dies gilt vor allem dann, wenn – wie hier die Klägerin – der Geschädigte insbesondere nach Einholung eines Schadensgutachtens den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei der Wiederherstellung des vorherigen Zustandes im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (BGHZ 63, 182, 185, OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995. BeckRS 1995, 01930). Das Werkstattrisiko (wie auch das Prognoserisiko) geht insofern zulasten des Schädigers (BGHZ 63, 182, 185; BGH NJW 1992, 302, 303). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, BeckRS 1995, 01930; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.2004, NJW-RR 2005, 248, 249). Es besteht kein Grund dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Denn hätte der Schädiger selbst die Schadensbeseitigung übernommen, hätte er sich in gleichem Maße mit einem entsprechenden Verhalten des Reparaturbetriebes auseinandersetzen müssen. Folglich ist kein anerkennenswerter Grund ersichtlich, der es ermöglichen kann, diese Auseinandersetzung, die der Schädiger aufgrund seiner Verantwortung für das Schadensereignis zu führen hat, auf den insoweit verursachungsbeitragslosen Geschädigten abzuwälzen.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot verlangt jedoch nicht vom Geschädigten, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGHZ 115, 364, 369; BGHZ 154, 395, 398). In letzterem Fall würde ansonsten der Geschädigte nicht selten Verzicht üben oder Anstrengungen unternehmen, die im Verhältnis zum Schädiger überobligatorisch wären und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Der Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll, muss beachtet werden. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGHZ 115, 364, 369; BGHZ 115, 375, 378). Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH NJW 2014, 1947 ).

Verkehrsunfall - Abtretung etwaiger Regressansprüche gegen Schadensgutachter
(Symbolfoto: AK-GK Studio /Shutterstock.com)

Der Geschädigte genügt folglich seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe bei Sachverständigenkosten regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Gleiches gilt für Reparaturkosten. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend (BGHZ 132, 373, 381 m. w. N.). Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und einer etwaig ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Dabei ist allerdings auf die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten abzustellen (LG Kassel, Urteil v. 13.11.2014 – 1 S 165/14).

Selbst dann, wenn die entsprechende Rechnung noch nicht ausgeglichen sein sollte und folglich nur ein Freistellungsanspruch bestünde, wandelt sich ein solcher dann in einen Zahlungsanspruch, wenn der Schädiger die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert und damit die eigentlich nach § 250 S. 2 BGB erforderliche Fristsetzung obsolet macht, wobei die Umwandlung in eine Geldforderung in demjenigen Zeitpunkt stattfindet, in dem der Geschädigte Geldersatz fordert (ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, z.B. Urteil vom 15.03.2019 – 431 C 3409/18, zit. n. juris; s. auch OLG Oldenburg, NJW-RR 2012, 927 und BGH NJW-RR 2011, 910). So ist hier, da die Beklagte durch die vorprozessuale Behandlung insbesondere mit dem Regulierungsschreiben vom 26.08.2020 (Bl. 24 d.A.) hinreichend deutlich gemacht hat, entsprechende Positionen endgültig nicht auszugleichen. Denn sie warf darin dem Kläger vor, gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen zu haben, so dass sie nur die nach ihrem Honorartableau – welches keine gesonderten Nebenkosten aufweist – sich ergebenden Beträge ausgleichen werde.

Etwas anderes kann sich allenfalls dann ergeben, wenn der Geschädigte aus anderen Gründen hinreichende Erkenntnisse hat, dass Positionen auf der ihm gestellten Reparaturrechnung von ihm nicht geschuldet sind, etwa weil diese nach dem erteilten Reparaturauftrag von vornherein nicht geschuldet sind, unabhängig ob aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, oder weil er anderweitig hinreichend Anlass dafür hatte, den Reparaturauftrag so zu erteilen, dass nicht notwendige Kosten im Zusammenhang mit der Durchführung der Reparatur erst gar nicht anfallen. Denn dies wäre in einer Situation, in denen der Geschädigte nicht den Reparaturaufwand ganz oder teilweise an einen Dritten etwa im Wege der Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen weiterreichen kann, wiederum eine den Geschädigten originär treffende Sorgfaltspflicht in eigener Angelegenheit, seinen eigenen Aufwand so gering wie möglich und rechtlich zulässig zu halten (ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, s.o.).

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen entsteht dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gemäß § 255 BGB in analoger Anwendung gegen die Werkstatt verlangen kann, um der Gefahr zu begegnen, dass im Zuge der Schadensregulierung eine den Wertungen des Schadensrechts fremde ungerechtfertigte Bereicherung durch den Schadensausgleich entsteht (BGHZ 63, 182, 187; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008 – 1 U 246/07 m.w.N., zit. n. juris; LG Saarbrücken, Urteil vom 19.10.2012 – 13 S 38/12, zit. n. juris). Insofern hat er die gleiche Rechtstellung, als wenn er die Reparatur gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst in Auftrag gegeben hätte (LG Hamburg Urt. v. 4.6.2013 – 302 O 92/11, BeckRS 2014, 01082, beck-online).

Im Einzelnen hat das für die hier streitigen Positionen folgende Konsequenzen:

Zum Sachverständigenhonorar gem. Rechnung vom 29.07.2020 (Bl. 15 d.A.):

Das Grundhonorar, welches der Sachverständige G dem Kläger unter dem 29.07.2020 in Rechnung stellte, ist danach erstattungsfähig. Vom durchschnittlichen Geschädigten kann weder erwartet werden, dass er das Marktniveau für die Vergütung von Leistungen eines Schadensgutachters kennt noch dass ihm die einschlägigen Tabellen etwas des BVSK oder des Honorartableaus der Beklagten bekannt sind (wobei letzteres ohnehin allenfalls als Teil des Vorbringens der Beklagten verstanden werden kann, nicht jedoch als objektive Entscheidungsgrundlage, da es lediglich im Interesse bzw. im Auftrag der Beklagten erstellt wurde, wenn nicht gar von der Beklagten selbst). Anders als bei der Anmietung eines Mietwagens nach Erleiden eines Verkehrsunfalles kann vom Geschädigten auch nicht verlangt werden, sich erst hinsichtlich des gegebenenfalls zu entrichtenden Honorares kundig zu machen, welches der günstigste Sachverständige ist. Zum einen handelt es sich um eine Tätigkeit, die als Dienst höherer Art besondere Qualifikationen und ein besonderes Vertrauen erfordert, was sich auch in der Höhe des Honorars niederschlagen kann. Zum anderen ist etwa bei einer telefonischen Abfrage nicht zu erwarten, dass belastbare Informationen gegeben werden, da die Honorarhöhe für die Erstellung eines Schadensgutachtens insbesondere vom Umfang des Schadens am Kraftfahrzeug abhängt, was ein Sachverständiger erst durch Inaugenscheinnahme des konkreten PKW erfassen kann. Mithin ist eine telefonische Anfrage schlechterdings nicht geeignet, um ein Ergebnis zu erhalten, welches die Auswahlentscheidung bezüglich des Schadensgutachters in irgendeiner Form geeignet beeinflussen könnte.

Bei den Nebenkosten ist darauf abzustellen, ob diese sich als Auslagen für tatsächlich angefallene Aufwendungen für Nebenleistungen usw. darstellen und dies typischerweise nicht als mit dem Grundhonorar abgegoltener Aufwand zu klassifizieren ist. Anhalt für diese Unterscheidung bieten regelmäßig feststehende Übungen oder entsprechende Regelungen in gesetzlichen oder in sonstiger Weise anerkennten Vergütungsnormen. Auch wenn der Geschädigte mit dem Schadensgutachter keine Verabredung über Nebenkosten geschlossen haben sollte, schadet dies nicht. Da Nebenkosten gerade nicht das Grundhonorar betreffen, handelt es sich bei Abreden hierüber nicht umso genannte essentialia negotii mit der Folge, dass eine fehlende Abrede in Ansehung des § 632 Abs. 2 BGB dazu führt, dass wenigstens die üblichen Nebenkosten vergütungspflichtig sind. Folglich ist es nicht zu beanstanden, wenn hierfür das JVEG als einschlägiges Regelwerk als Anhalt wie auch als Schätzungsgrundlage für die Höhe der erstattungsfähigen Beträge herangezogen wird (BGH, Urteil v. 26.04.2016 – VI ZR 50/15, zit. n. juris, LG Saarbrücken, Urteile v. 29.07.2103 und v. 19.12.2014 – 13 S 41/13, zit. n. juris, sowie ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts seit Urteil vom 20.03.2015 – 435 C 332/14, zit. n. juris, wobei dies auch der jahrzehntelangen Beschäftigung des Abteilungsrichters mit der Behandlung von Verkehrsunfällen entspricht).

Danach sind schadensrechtlich die geltend gemachten Kosten für die Anfertigung und Vervielfältigung von Lichtbildern uneingeschränkt erstattungsfähig und –pflichtig, weil hier in der Rechnung vom 29.07.2020 (Bl. 15 d.A.) exakt die von § 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG vorgesehenen Sätze von 2,00 € bzw. 0,50 € für 11 Lichtbilder in Ansatz gebracht wurden. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte bei ihrer ex-post-Betrachtung nicht alle der angefertigten Lichtbilder für erforderlich hält. Maßstab ist alleine, ob der geschädigte Kläger erkennen konnte, dass der von ihm beauftragte Schadensgutachter zu viele Lichtbilder angefertigt hatte. Da bereits die beklagte nicht dazulegen vermochte, welche Lichtbilder überflüssig sein sollen, kann dies erst recht nicht vom Kläger als Laien ohne Erfahrungen in der Abwicklung von Verkehrsunfällen erkennen. Zudem vermag auch das Gericht unter den konkreten elf Lichtbildern ein überflüssiges festzustellen. Auch die Ablichtung schadensfreier Bereiche eines Kfz ist geboten, um etwa den Restwert feststellen zu können oder das Fehlen von Vor- oder Altschäden zu dokumentieren. Die konkret monierten Lichtbilder 9 und 10 zeigen Beschädigungszonen unter der Karosserie, die ansonsten nicht erkennbar sind.

Anders stellt sich dies indes bei den pauschaliert abgerechneten Telefon- und Portokosten dar. Die einschlägigen Regelungen der §§ 6, 7, 12 JVEG sehen hierfür keine pauschale Abrechnung vor, sondern lediglich die Möglichkeit, konkreten Aufwand zu berechnen. Das Absehen von einer Pauschale rechtfertigt sich insbesondere auch daraus, dass die Formen der modernen Telekommunikation kaum noch zu ausscheidbaren und im Einzelfall messbaren Kosten führen, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Hier hat der Sachverständige indes nur pauschal abgerechnet. Dies vermag auch jedem Laien als Geschädigten ohne weiteres einzuleuchten. Folglich kürzt sich der erstattungsfähige Schaden des Klägers an dieser Stelle um 15,00 € netto bzw. 17,40 € brutto.

Die abgerechneten Schreibkosten unterschreiten überschlägig die Sätze des § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG.

Soweit die Position der „gutachterlichen Hilfestellung“ betroffen ist, handelt es sich um Auslagen, die der insbesondere auch durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten hervorgerufenen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts Rechnung tragen. Denn die in diesem Zusammenhang auch in der Rechnung erwähnte Reparaturwerkstatt der Firma H A (bzw. deren konzernverschwisterte Unternehmen) hat in der etwas weiter zurückliegenden Vergangenheit diese Position in den Reparaturkostenrechnungen „untergebracht“, ohne dass dem eine entsprechende Vereinbarung zwischen Geschädigtem und Reparaturfirma zugrunde lag, weil es sich um eine gegenüber dem Schadensgutachter aufgrund einer mit diesem getroffenen vertraglichen Abrede geltend zu machende Vergütung der Reparaturfirma handelt (s. dazu AG Kassel, Urteile vom 08.02.2018 – 435 C 4137/17, zit. n. juris, und vom 05.06.2018 – 435 C 923/18). Mithin handelt es sich um Auslagen des Sachverständigen. Sollte die Beklagte der Auffassung sein, dass die Reparaturwerkstatt keinen Anlass dafür hatte, insoweit eine Rechnung zu stellen, mag sie sich dorthin wenden.

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Zur Reparaturrechnung vom 04.08.2020 (Bl. 16 ff. d.A.):

Zwar moniert die Beklagte die doppelte Abrechnung der Position „Auslesen des Fehlerspeichers“. Ausweislich der Rechnung erfolgte die Tätigkeit je einmal sowohl vor als auch nach der Reparatur. Ob auch das zweite Auslesen erforderlich und notwendig ist, erschließt sich jedoch dem Laien nicht. Denkbar ist zumindest, dass die Wiederholung zur Feststellung dienen könnte, ob die Reparatur erfolgreich war. Selbst wenn dies aus technischer Sicht anders beurteilt werden müsste, so erfordert dies durch spezifische Kenntnisse, die beim durchschnittlichen Geschädigten nicht vorhanden sind. Spezielle Kenntnisse des Klägers sind nicht ersichtlich. Die Klärung einer solchen Frage mit den Reparaturbetrieb ist einem Geschädigten folglich regelmäßig nicht zuzumuten, dies hat der Schädiger selbst im Wege des evtl. Regresses gegenüber Letzterem vorzunehmen.

Gleiches gilt für die Kosten für die Innenreinigung i.H.v. 20,00 € netto erstattungsfähig sind, denn ein durchschnittlicher Geschädigter kann nicht erkennen, dass diese Reinigungskosten nicht unfallbedingt anfallen. Denn der durchschnittliche Geschädigte kann nicht ausschließen, dass im Zuge der Reparatur Schmutz entsteht, der nach deren Abschluss wieder zu entfernen ist (vgl. AG Kassel, Urteil v.12.07.2019 – 435 C 119/19, zit. n. juris). Das Gericht kann auch nicht feststellen, dass diese Kosten bereits in anderen Abrechnungspositionen im Zusammenhang mit den Lackierarbeiten abgegolten wären. Die entsprechende Vermutung ist von der Beklagten auch durch nichts belegt worden.

Auch die Fragestellung, ob Verbringungskosten wucherisch überhöht sind oder nicht – auch wenn der Vortrag der Beklagten geeignet ist, entsprechende Zweifel zu erregen –, wird von einem durchschnittlichen Geschädigten eines Verkehrsunfalles nicht erkannt werden können. Das Erleiden eines Verkehrsunfalles gehört zu den Ausnahmeerscheinungen des Lebensalltags. Welche Kosten hierfür konkret aufzuwenden sind, erschließt sich mithin typischerweise gerade nicht aus der allgemeinen Lebenserfahrung. Gleiches gilt für die Frage, welchen Aufwand ein Reparaturbetrieb im Zusammenhang mit der Schadensbehebung betreiben muss. Auch gibt es keine zumutbaren Möglichkeiten, sich im Vorfeld eines Reparaturauftrages darüber Kenntnis zu verschaffen. Da die meisten Reparaturbetriebe nicht über eine eigene Lackiererei verfügen und selbst dann, wenn eine solche vorhanden sein sollte, in Konstellationen mit Überlast insoweit immer wieder eine fremde Dienstleistung in Anspruch genommen wird, kann auch nicht erwartet werden, dass sich ein Geschädigter im Interesse der Schadensminderungspflicht darum bemüht, im Vorfeld des Auftrages abzuklären, ob Verbringungskosten und wenn ja in welcher Höhe anfallen. Bei dieser Schadensposition handelt es sich um ein typisches Risiko des Geschädigten, welches er im Falle einer rechtlich unzulässigen überhöhten Abrechnung im Verhältnis zur Reparaturwerkstatt auflösen müsste. Hinzu kommt, dass der Kläger nicht notwendigerweise erkennen können musste, dass insoweit eine Einzelposition der Abrechnung problematisch ist, da die Firma H hier eine Fremdleistung mit dem Endbetrag dem Kläger in Rechnung stellte, ohne dass sich daraus die Aufschlüsselung im Einzelnen ergab. Die fremde Rechnung ihrerseits war vom Lackiererbetrieb an die Firma H adressiert (vgl. AG Kassel, Urteil v. 24.05.2018 – 435 C 1009/18).

Hier ergibt sich für einen Laien eine nur schwer erkennbare Überhöhung der Abrechnung. Zwar sind unstreitig Reparaturwerkstatt (mit Sitz im I in F) und Lackiererei (J) im K in F nur ca. fünf Fahrminuten voneinander entfernt. Unter Zugrundlegung nachfolgender Erwägungen ergäbe sich nur ein abrechnungsfähiger Zeitaufwand von ca. einer Stunde (vgl. AG Kassel, Urteil vom 27.03.2020 – 430 C 3469/19):

Für das Be- und Entladen des Fahrzeuges schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO einen Zeitaufwand von jeweils wenigstens zehn Minuten. Das Gericht kann diese Schätzung deswegen vornehmen, weil der Abteilungsrichter an solchen Vorgängen bereits mehrmals persönlich teilgenommen hat. Unter Berücksichtigung der Vorbereitung des Transportfahrzeuges, des Aufladens an sich und des Durchführens von Absicherungsmaßnahmen, deren Lösung beim Entladen, des Endlagers an sich und der Wiederherstellung eines verkehrstauglichen Zustandes des Transportfahrzeuges für die Leerfahrt zurück zum Ausgangsort bzw. sonstigen nächsten Einsatzort erscheinen nach den gewonnenen Erfahrungen des Gerichts auch für geübte Kräfte diese Zeiten regelmäßig als nicht zu unterschreiten. Diese Zeiten sind jedenfalls dann, wenn man mit der Klägerin den Einsatz von Auszubildenden für geboten erachtet, entsprechend signifikant nach oben auszuweiten. Vor diesem Hintergrund bedarf es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mehr. Dabei hält das Gericht allerdings auch eine geringfügige Pauschalierung für zulässig, die wenige (d.h. bis zu fünf) Minuten einer etwaigen Zeitersparnis bei besonders günstigen Verhältnissen außer Acht lassen kann. Denn der Reparaturbetrieb schuldet insoweit dem jeweiligen Auftraggeber keine genauere Abrechnung, da typischerweise Reparaturarbeiten nach sogenannten Arbeitswerten (AW) abgerechnet werden, die gemeinhin mit fünf oder sechs Minuten bewertet werden.

Der Be- und Entladevorgang findet sowohl beim Transport des Fahrzeuges zur Lackiererei als auch wieder zurück zur Beklagten statt, so dass der Zeitaufwand von zehn Minuten insgesamt viermal anfällt. In der Addition mit dem Fahrtaufwand von jeweils fünf Minuten für vier Fahrten ergibt sich somit für diesen Vorgang insgesamt ein Zeitbedarf von einer Stunde. Daraus ergibt sich zwar zwanglos, dass der von Lackiererei abgerechnete Betrag von 185 € netto bei weitem überhöht ist. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich aber auch, dass ein durchschnittlicher Unfallgeschädigter über die für derartige Überlegungen notwendige Kenntnis der Parameter nicht weiß und auch nicht wissen kann oder gar muss. Die daraus folgende Problematik muss der Schädiger vielmehr mit dem überhöht abrechnenden Betrieb klären.

Der Zinsanspruch ist gem. §§ 288, 291 BGB begründet.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen ist die Beklagte aber nur zur Zahlung Zug um Zug gegen die Abtretung von etwaigen Ansprüchen gegenüber Reparaturfirma und Sachverständigen zu verurteilen, wie es die Beklagte hilfsweise begehrt hat. Denn das Gericht kann nicht ausschließen – ohne dass es an dieser Stelle einer Entscheidung darüber bedarf –, dass an der einen oder anderen Stelle gegenüber dem Kläger in rechtlich nicht zulässigerweise überhöht abgerechnet wurde. Daraus ergibt sich zwanglos gegenüber der ihn schädigenden Partei, hier der Beklagten, die Verpflichtung, diese bei der Geltendmachung entsprechender Ansprüche gegenüber den Rechnungsstellern in geeigneter Weise zu unterstützen, was typischerweise etwa durch Abtretung etwaiger Ansprüche geschehen kann.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, weswegen die Verurteilung Zug –um-Zug gegen Abtretung etwaiger Regressansprüche erfolgt. Insoweit hält das erkennende Gericht nicht an seiner früheren Rechtsprechung fest, dass dies kostenneutral sein soll. Denn der Kläger hatte es in der Hand, auf die erstmalige Geltendmachung dieses Rechts in einer Weise zu reagieren, die in ihrer Wirkung eines sofortigen Anerkenntnis gleichklommt. Daran fehlt es. Nur dann verbliebe es bei einer alleinigen Kostenlast der Beklagten, wobei hier das Teilunterliegen des Klägers in Ansehung des geringen Wertanteiles in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen war.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 336,72 € festgesetzt.

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