LG Berlin – Az.: 16 O 62/21 – Urteil vom 27.01.2022
1. Das Versäumnisurteil vom 8. April 2021 wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 8. April 2021 darf nur nach Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden und zusätzlich hinsichtlich der Ziff. 1 des Versäumnisurteils vom 08. April 2021 nach Leistung einer Sicherheit in Höhe von EUR 15.000,- und im Übrigen gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 27 weiterer verbraucher- und sozialorientierten Organisationen in Deutschland und ist in der vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Nach seiner Satzung bezweckt der Kläger, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung des Verbrauchers in der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.
Die Beklagte betreibt die Internetseite wwwxxxx.de, auf welcher sie eine Flirt- und Dating-Plattform anbietet, über die Verbraucher andere Nutzer kennenlernen können. Hierzu müssen sich die Verbraucher beim Portal der Beklagten registrieren und ein Nutzerprofil anlegen.
Auf der Startseite, auf der ein sich umarmendes Paar abgebildet ist, warb die Beklagte am 11. November 2020 u.a. mit folgenden Formulierungen:
- „Jetzt online neue Bekanntschaften schließen“
- „Hohe Flirtchancen – Im Match-Game entscheidest du mit einer simplen Swipe, wen Du kennenlernen möchtest.“
- „Täglich neue Singles – bei uns registrieren sich täglich über 5000 neue Mitglieder, die auf der Suche nach ihrem Glück sind.“
- „Nutzer aus deiner Nähe – Flirten, chatten & schließe neue Bekanntschaften aus deiner Umgebung. Einfach treffen & Spaß haben.“
Wegen des genauen Inhalts der Startseite wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen.
Hinter den Profilen, welche der Nutzer auf der Plattform auswählen kann, stecken nicht nur tatsächlich existierende Personen. Die Datenbank enthält auch von der Beklagten erstellte und betriebene Profile.
Hierzu heißt es in Ziffer 1.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten:
„Die Datenbank beinhaltet reale Profile aber auch seitens der Anbieterin erstellte und betriebene Profile (nachfolgend: „iNutzer“). Die iNutzer sind ausschließlich zur Ausübung von virtuellen Fantasien gedacht und es sind keine realen Treffen möglich. Die kostenpflichtige Kommunikation mit den iNutzern vielfältige Möglichkeiten sich zu unterhalten (sic). iNutzer werden von Operatoren betrieben (bei Kommunikation wie Chats, Nachrichten, E-Mails usw.) und dienen der reinen Unterhaltung sowie auch der Qualitätssicherung und Service Tests. Reale Treffen oder ähnliches sind nur mit realen Nutzern möglich.“
Mit Schreiben vom 8. November 2020 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Im Rahmen der darauffolgenden Korrespondenz gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung mit folgendem Inhalt ab:
„Hiermit verpflichtet sich die
(…)
dazu,
(…)
es zu unterlassen, bei Betrieb einer Singlebörse im Internet unter der URL www.xxxxx.de gegenüber Verbrauchern den Eindruck zu erwecken, dass sich hinter Nutzerprofilen ausschließlich andere Nutzer befinden, obwohl auch eigene von der S. GmbH selbst angelegte und moderierte Profile vorhanden sind
(…)“
Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 sowie 5a Abs. 2 UWG zustehe. Die auf der Startseite enthaltenen Aussagen seien irreführend, da hierdurch gegenüber dem Durchschnittsverbraucher der Eindruck erweckt werde, dass er nach einer entsprechenden Online-Anmeldung mit anderen Nutzern in Kontakt treten und flirten könne. Der Verbraucher gehe aufgrund der dortigen Aussagen davon aus, dass in dem Portal nur „echte“ Kontakte eingestellt seien, also Kontakte solcher Mitglieder, die sich ebenfalls in dem Portal angemeldet haben, um andere Menschen kennenzulernen und mit diesen zu flirten. Da die Beklagte angebe, dass die Nutzer neue Bekanntschaften schließen könnten und auch mit deren Ortsnähe werbe, dürfe der Verbraucher annehmen, dass über den Onlineaustausch hinaus ein persönliches Kennenlernen möglich sei. Auch aufgrund der Werbeaussagen, dass die Mitglieder der Beklagten „auf der Suche nach ihrem Glück“ seien und die Verwendung der Schlagwörter „treffen & Spaß haben“ gehe der Verbraucher davon aus, dass reale Personen hinter den Profilen steckten. Schließlich deute auch die Abbildung des sich umarmenden Paares auf ein Kennenlernen, mögliche Treffen, Bekanntschaften und gemeinsames Glück hin, welches nur mit einer realen Person möglich sei.
Der so beim Verbraucher hervorgerufene Eindruck sei jedoch fehlerhaft, da sich hinter den Profilen auch iNutzer befinden könnten, bei denen ein „Bekanntschaften schließen“, ein Kennenlernen oder Treffen ausgeschlossen sei.
Indem die Beklagte nicht auf ihrer Startseite, sondern nur in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinweise, dass auf ihrer Plattform nicht nur Profile von realen Nutzern vorhanden sind, enthalte sie dem Verbraucher zudem eine wesentliche Information vor, welche dieser benötige, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können und deren Vorenthalten geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Da sich der Verbraucher auf einer solchen Plattform anmelde, um andere Nutzer kennenzulernen und dabei davon ausgehe, dass es sich dabei um reale Nutzer handele, die ebenso wie er selbst andere Personen zum Flirten kennenlernen wollen, stelle der Umstand, dass das Gegenüber auch ein von den Beklagten künstlich generiertes Profil sein könne – insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kommunikation mit diesen für den Verbraucher kostenpflichtig sei – eine für ihn wesentliche Information dar.
Die Information über den Einsatz von iNutzern werde dem Verbraucher vorenthalten, da sie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen „versteckt“ sei.
Die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung sei nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen, da diese nicht hinreichend klar sei. Die Formulierung „den Eindruck zu erwecken“ sei ohne jegliche Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform und in seiner Reichweite unklar.
In der Klageschrift hat der Kläger folgende Klageanträge angekündigt:
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Internet für die Nutzung eines Flirtportals, wie in der Anlage K3 abgebildet, zu werben bzw. werben zu lassen, in dem Verbraucher mit anderen Nutzern in Kontakt treten können,
a. wenn sich hinter Profilen, die Nutzern erscheinen, nicht ausschließlich Privatpersonen befinden, sondern auch Profile, die von der Beklagten künstlich angelegt und inhaltlich bedient werden;
und/oder
b. ohne vor der Registrierung der Nutzer darauf hinzuweisen, dass sich hinter Profilen, die Nutzer erscheinen, nicht ausschließlich Privatpersonen befinden, sondern auch Profile, die von der Beklagten künstlich angelegt und inhaltlich bedient werden
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 210 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Nachdem die Beklagte in dem vom Gericht angeordneten schriftlichen Vorverfahren ihre Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt hatte, hat das Gericht die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 08.04.2021 antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses – beiden Parteien am 14.04.2021 zugestellte – Versäumnisurteil hat die Beklagte am 27.04.2021 Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt nun, das Versäumnisurteil des Landgerichts Berlin vom 08.04 2021 aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass der Anteil der moderierten Profile lediglich 1,36 % betrage. So stünden den 8200 moderierten Profilen fast 600.000 reale Profile von echten Nutzern gegenüber.
Sie ist der Ansicht, dass ihre Werbung nicht irreführend sei. Insbesondere seien die Werbeaussagen nicht unrichtig. So sei es auch auf einem Dating-Portal, welches moderierte Profile einsetze, möglich, neue Bekanntschaften zu schließen. Dass es sich bei den potentiellen neuen Bekanntschaften ausschließlich um reale Nutzer handele, werde nicht ausdrücklich behauptet. Auch Chats mit Moderatoren seien „neue Bekanntschaften“. Bei einem Kontakt mit einem moderierten Profil lerne man die dahinterstehende Person kennen. Schließlich seien auch mit den Moderatoren „Flirts“ möglich.
Unabhängig davon sei angesichts des verschwindend geringen Anteils an moderierten Profilen, die Chancen der Nutzer, mit realen Personen in Kontakt zu treten, sehr hoch. Mit einer durchschnittlichen 98,64 %igen Wahrscheinlichkeit handelte es sich bei dem Chatpartner um einen realen Flirtpartner, den man dann auch treffen könne. Da die moderierten Profile nur rund ein Hundertstel der gesamten Dienstleistung ausmachen würde, könne ein prominenterer Hinweis auf die iNutzer als in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht erwartet werden. Von einem durchschnittlichen Verbraucher könne erwartet werden, dass er die mehrfach verlinkten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zumindest im Ansatz überfliege. Angesichts des geringen Anteils der moderierten Profile handele es sich auch nicht um eine wesentliche Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers.
Die iNutzer seien mit Models auf diversen (erotischen) Portalen vergleichbar, bei denen der Nutzer mit den Akteuren vor der Kamera in Livestream flirten oder intime Fotos gegen Geld freischalten könne. Solche Portale seien zunehmend populär, auch wenn mit den Akteuren ein reales Treffen nicht möglich sei. Die moderierten Portale dienten der Auslebung von virtuellen Fantasien.
Zudem sei die Wiederholungsgefahr durch die abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 07.12.2020 vollständig ausgeräumt. Sie habe sich damit verpflichtet, es strafbewehrt zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern den Eindruck zu erwecken, dass sich hinter allen Nutzerprofilen ausschließlich andere Nutzer befinden. Dies entspräche der Beschreibung des gerügten Verhaltens, die Formulierung sei allgemein gehalten und erfasse damit jegliche Wiederholung des gerügten Verhaltens.
Der vom Kläger eingeklagte Unterlassungsanspruch gehe zudem deutlich zu weit. So sei von dem Antrag auch das reine Werben für die Nutzung eines Flirtportals erfasst, sofern moderierte Profile eingesetzt werden. Das Problem sei nicht die Werbung für die Nutzung des Flirtportals an sich, sondern die Irreführung bzw. mangelnde ausdrückliche Aufklärung. Mit dem Antrag werde jedoch auch eine Werbung für ein Flirtportal verboten, wenn auf der Startseite deutlich auf moderierte Profile hingewiesen werde.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten, da die Klage zulässig und begründet ist.
I.
Der Einspruch gegen das Versäumnisteil vom 08.04.2021 ist zulässig, insbesondere ist er innerhalb der Frist des § 339 Abs. 1 ZPO eingelegt worden, so dass der Prozess durch diesen gemäß § 342 ZPO wieder in die Lage vor der Säumnis versetzt wurde.
II.
Die Klage ist zulässig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Berlin ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 UWG.
Der Antrag ist durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform auch hinreichend bestimmt.
III.
Die Klage ist auch begründet.
1.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung entsprechend dem Tenor zu 1. des Versäumnisurteils vom 08.04.2021 aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 3, 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 5a Abs. 2 UWG zu.
Das Angebot der Beklagten, wie es sich in dem als Anlage K 3 eingereichten Ausdruck darstellt, ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG (dazu unter 1.3 a.).
Indem die Beklagte auf der Startseite ihrer Webseite nicht darauf hinweist, dass sie in ihrem Dating-Portal künstliche Profile einsetzt, enthält sie den Verbrauchern zudem eine wesentliche Information vor, die diese benötigen, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (dazu unter 1.3 b.).
1.1
Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert, was von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt wird.
1.2
Das auf der Webseite der Beklagten enthaltene Angebot, sich in dem von ihr betriebenen Flirt- und Dating-Portal anzumelden, stellt eine geschäftliche Handlung dar.
1.3
Diese ist sowohl unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG als auch aus dem Gesichtspunkt des § 5a Abs. 2 UWG unlauter.
a.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale einer Dienstleitung enthält.
aa.
Bei der Prüfung, ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, kommt es nicht auf den objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage über die Ware oder gewerbliche Leistung verstanden haben will. Entscheidend ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Auflage, 2022, § 5 Rn. 1.57). Da sich die Dienstleitungen der Beklagten an ein allgemeines Publikum richten, ist auf das Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers abzustellen.
bb.
Dieser versteht das Angebot der Beklagten insbesondere aufgrund dessen Aufmachung wie sie sich aus dem als Anlage K 3 vorgelegten Screenshot in seiner Gesamtheit ergibt, dahingehend, dass er nach einer entsprechenden Anmeldung mit anderen Nutzern in Kontakt treten kann, die sich ebenfalls auf dem Portal angemeldet haben, um andere Menschen kennenzulernen, mit diesen zu flirten, diese zu treffen und die den grundsätzlichen Wunsch haben, mit den dort angemeldeten anderen Nutzern eine wie auch immer geartete nähere Beziehung einzugehen. Dabei rechnet er nicht damit, dass er auch auf Profile treffen kann, hinter denen keine echten Nutzer stehen, sondern die von der Beklagten erstellt sind und von Moderatoren bedient werden und mit denen ein Treffen und ein Kennenlernen gar nicht möglich ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte ein Dating-Portal anbietet, bei dem der Nutzer grundsätzlich davon ausgeht, dass er dort ausschließlich auf andere echte Nutzer trifft, welche zumindest die grundsätzliche Bereitschaft besitzen, andere angemeldete Nutzer näher kennenzulernen, zu treffen und mit diesen im Idealfall eine nähere Beziehung einzugehen. Diese Erwartung wird vorliegend zudem durch die konkrete Aufmachung des Angebots verstärkt. Dies ergibt sich zum einem aus dem Umstand, dass auf der Startseite ein sich umarmenden Paar abgebildet ist, als auch aus den werbenden Aussagen, die auf der Startseite eingestellt werden. So wirbt die Beklagte damit, dass man auf ihrer Plattform neue Bekanntschaften schließen, andere kennenlernen, mit Nutzern aus der näheren Umgebung flirten und chatten und sich mit diesen treffen und Spaß haben könne. Soweit die Beklagte eingewandt hat, dass man auch mit den iNutzern flirten könne, man durch die Kommunikation mit den iNutzern, die hinter dem Profil stehende Person auch kennenlerne und auch diese „neue Bekanntschaften“ seien, lässt sie dabei außer Acht, dass der Nutzer, der sich auf einem Flirt- und Dating-Portal anmeldet, dies in der Regel deshalb tut, weil er andere Menschen sucht, die er näher kennenlernen und zu denen er eine nähere Beziehung aufbauen will. Dies ist mit dem Moderator eines künstlichen Profils nicht möglich. Es geht dem Nutzer eines Dating-Portals nicht um das „Chatten“ bzw.„Flirten“ um dessen selbst willen, sondern als Zweck, den Menschen hinter dem Profil kennenzulernen und mit diesem eine nähere Beziehung aufzubauen.
Soweit die Beklagte vorträgt, dass es bei den iNutzern um das Ausleben virtueller Fantasien gehe und dass sich Dienstleistungen, bei denen der Nutzer über Chats mit Akteuren, mit denen ein reales Treffen nicht möglich sei, vor der Kamera flirten und sich von diesen gegen Entgelt intime Fotos freischalten lassen könne, großer Beliebtheit erfreuen würden, ist festzustellen, dass die Beklagte eine solche Leistung nach der Aufmachung ihres Angebot gerade nicht anbietet. Der Verbraucher, der sich bei ihr anmeldet, erwartet daher eine solche Leistung auch nicht.
cc.
Da sich auf der Plattform nicht nur Profile echter Nutzer, sondern auch künstlich angelegte und moderierte Profile befinden, ist das durch das streitgegenständliche Angebot beim Verbraucher hervorgerufene Verständnis über die angebotene Dienstleistung unrichtig.
dd.
Dieses Verständnis wird auch nicht in geeigneter Weise durch den Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen korrigiert. Allgemeine Geschäftsbedingen werden von dem Durchschnittsverbraucher in der Regel nicht gelesen. Zudem sind die Allgemeinen Geschäftsbedingen auch nicht der Ort, wo der Verbraucher wesentliche Informationen zu der ihm angebotenen Leistung erwartet. Insbesondere muss er nicht damit rechnen, dass ihm dort Informationen über den Inhalt der ihm angebotenen Leistung präsentiert werden, welche zu der Erwartungshaltung, die das Angebot objektiv hervorruft, im Widerspruch stehen.
ee.
Die somit unwahre Angabe ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung – hier die Anmeldung zur Plattform und den späteren kostenpflichtigen Kontaktaufnahmen zu anderen Profilen – zu bewegen, die er sonst nicht getroffen hätte. Dabei ist es unerheblich, dass auf der Plattform der Beklagten auch reale Nutzer registriert sind und wie hoch der Anteil der iNutzer im Verhältnis zu den realen Nutzern ist. Ein Verbraucher, der sich dafür interessiert, andere Menschen näher kennenzulernen, die wie er auf der Suche nach neuen Bekanntschaften bzw. Beziehungen sind, wird davon Abstand nehmen, sich auf einer Dating-Plattform anzumelden, von welcher er weiß, dass auch nur die Möglichkeit besteht, dass sich hinter den Profilen, die er kontaktiert bzw. von denen er angeschrieben wird, möglicherweise keine Person mit einem echten Interesse an einem näheren Kennenlernen steckt, sondern jemand, der nicht den Angaben des Profils entspricht und nur gegen Entgelt mit ihm kommuniziert. Dies gilt insbesondere, wenn für ihn nicht erkennbar ist, bei welchem Profil es sich um ein iNutzer-Profil handelt. Das Wissen, dass er gegebenenfalls umsonst Geld und Zeit in die Kommunikation mit einem Profil investiert, hinter dem nicht die in dem Profil beschriebene Person mit einem echten grundsätzlichen Interesse an einem näheren Kennenlernen steht, ist geeignet, ihn von der Wahrnehmung des Angebots abzuhalten. Unabhängig davon kann man auch nicht – wie es die Beklagte tut – von der Anzahl der iNutzer-Profile bzw. deren zahlenmäßigen Verhältnis zur Gesamtzahl der Profile darauf schließen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, auf einen iNutzer-Profil zu treffen. Denn dies hängt nicht allein von der reinen Anzahl der iNutzer-Profile, sondern entscheidend von deren Aktivität ab. Dabei ist davon auszugehen, dass iNutzer-Profile, die professionell von Moderatoren betrieben werden, wesentlich aktiver sind, als die Profile von echten Nutzern.
b.
Darüber hinaus stellt der Umstand, dass der Verbraucher nicht bereits auf der Startseite, sondern erst in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Einsatz von künstlichen Profilen hingewiesen wird, eine Irreführung durch Unterlassen im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG dar.
Gemäß § 5a Abs. 2 Nr. 2 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
aa.
Der Umstand, dass die Beklagte auf ihrem Dating-Portal künstliche Profile einsetzt, ist für den Verbraucher eine wesentliche Information, die er benötigt um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können.
Dabei ist eine Information nicht allein deshalb wesentlich im Sinne dieser Bestimmung, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt (BGH, GRUR 2012, 1275 Rn. 36 – Zweigstellenbriefbogen; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, Rn. 3.11). Was wesentlich i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG ist, steht nicht von vornherein fest, sondern hängt von einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls ab (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, Rn. 3.14).
Abzuwägen ist im konkreten Einzelfall das Verkehrsinteresse an wesentlichen Informationen gegen das Unternehmerinteresse an der Nichterteilung der Information.Dabei besteht eine gewisse Wechselwirkung: Je wichtiger die betreffende Information für eine informierte Entscheidung des Verbrauchers ist, desto eher ist dem Unternehmer auch ihre Bereitstellung zumutbar (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, Rn. 3.15).
Für den Verbraucher, der sich auf einem Flirt- und Dating-Portal in der berechtigten Erwartung anmeldet, dort andere Menschen anzutreffen, die auf der Suche nach neuen Bekanntschaften oder Beziehungen sind, kommt der Information, dass dort auch künstliche Profile vorhanden sind, hinter denen keine dem Profil entsprechende und an einem echten Kennenlernen und Treffen interessierte Person stecken, ein erhebliches Gewicht zu. Denn er muss abwägen können, ob er das Risiko, auf ein solches Profil zu treffen, eingehen will.
Diesem Verkehrsinteresse an der Information über den Einsatz der künstlichen Profile stehen auch keine überwiegenden Interessen der Beklagten gegenüber, da die Information ohne großen zeitlichen und kostenmäßigen Aufwand erfolgen kann, was sich auch daran zeigt, dass die Information an anderer Stelle – in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen – erfolgt.
bb.
Die Beklagte enthält dem Verbraucher die Information auch vor, da sie diese Information nicht auf der Startseite oder einer ähnlich prominenten Stelle darstellt, sondern lediglich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Hinweis auf die iNutzer platziert hat.
Denn der Begriff des Vorenthaltens ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Bereitstellung einer Information völlig unterlassen wurde, sondern erfasst darüber hinaus auch die Darstellung von Informationen an einer für den interessierten Personenkreis unerwarteten Stelle (Alexander in MüKo zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage, 2020, § 5a, Rn. 254).
Dies ist vorliegend der Fall, da kein durchschnittlich aufmerksamer, verständiger und informierter Verbraucher umfassend die Allgemeinen Geschäftsbedingungen studieren wird. Auch wenn dies im Grundsatz vorstellbar ist, kann dies für den Durchschnittskunden, auf den es hier alleine ankommt, nicht angenommen werden. Hinzukommt, dass der Verbraucher – wie oben ausgeführt – nicht damit rechnen muss, dass ihm in den Allgemeinen Geschäftsbedingen wesentliche Informationen über den Inhalt der ihm angebotene Leistungen mitgeteilt werden, insbesondere nicht solche, die zu der Erwartungshaltung, die das Angebot objektiv hervorruft, im Widerspruch stehen.
cc.
Das Vorenthalten der Information ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Wie oben dargelegt ist die Information über den Einsatz von künstlichen Profilen auf der Dating-Plattform der Beklagten geeignet, den Verbraucher von dem Angebot der Beklagten Abstand nehmen zu lassen.
1.4
Der von dem Kläger gestellte Antrag geht auch nicht über den ihm zustehenden Anspruch hinaus.
Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass der Unterlassungsantrag zu 1. a. deshalb zu weit sei, da ihr damit jegliche Werbung für die Nutzung eines Flirtportals verboten werde, wenn dort moderierte Profile enthalten sind, mithin auch dann, wenn sie auf der Startseite auf solche hinweise, trifft dies nicht zu. Denn der Antrag bezieht sich durch Bezugnahme auf die Anlage K3 auf die konkrete Verletzungsform – mithin das Angebot, wie es in der Anlage K 3 wiedergegeben ist. Dort ist kein Hinweis auf moderierte Profile enthalten, so dass eine so gestaltete Startseite, auf der in eindeutiger Weise auf die iNutzer-Profile hingewiesen wird, nicht von dem Verbotstenor erfasst wird.
Das Gleiche gilt für den Einwand, dass ihr durch den Tenor auch auf der Startseite enthaltene Aussagen verboten würden, die in keinem Zusammenhang mit einer möglichen Irreführung stehen. Denn durch die Bezugnahme auf die Startseite ist diese in ihrer Gesamtheit die untersagt. Der Beklagten wird die Verwendung einzelner dort enthaltenen Aussagen nicht verboten.
1.5
Die erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die Verletzungshandlung indiziert und kann nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung beseitigt werden.
Die von der Beklagten am 07.12.2020 abgegebene Unterlassungserklärung genügt insoweit jedoch nicht, da sie aufgrund der gewählten Formulierung „gegenüber den Verbrauchern den Eindruck zu erwecken“ ohne die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform nicht hinreichend bestimmt ist. In der Unterlassungserklärung muss die zu unterlassende Verletzungshandlung so genau wie möglich beschrieben werden, so dass erkennbar ist, welches Verhalten noch darunterfällt. Dies kann zwar auch durch eine abstrakte Beschreibung des zu unterlassenden Verhaltens geschehen, wenn sich hieraus erkennen lässt, welche Verletzungshandlungen darunterfallen. Dies ist bei der Formulierung „nicht den Eindruck zu erwecken“ jedoch nicht der Fall. Hier kann erst durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform eine hinreichende Bestimmtheit erreicht werden. Denn erst hierdurch ist erkennbar, welche Gestaltung / Formulierungen den irreführenden Eindruck erwecken, dessen Erzeugung verboten sein soll und kann beurteilt werden, welche (kerngleiche) Gestaltungen / Formulierungen unter das vertragliche vereinbarte Verbot fallen.
2.
Daneben besteht ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von EUR 210,- aus § 13 Abs. 2 UWG.
Für einen Verband, dem es zuzumuten ist, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen, steht ein Anspruch auf anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale zu. Üblich sind Abmahnpauschalen in Höhe der durchschnittlich anfallenden Kosten (Brüning in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Auflage, 2021, § 13, Rn. 89).
Nach dem unstreitigen klägerischen Vortrag betragen die durchschnittlichen Kosten für eine Abmahnung 213,65 €, so dass die veranschlagte Kostenpauschale in Höhe von 200 € nebst 5 % Mehrwertsteuer – mithin 210 € – angemessen ist.
3.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 2 ZPO
IV.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.