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Verkehrsunfall – Bemessung von Schmerzensgeld- und Schmerzensgeldrente

Bereitschaftszeiten Familienangehöriger

OLG Frankfurt, Az.: 16 U 102/12, Urteil vom 24.01.2013

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.4.2012 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gießen teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,

1. über die in erster Instanz zugesprochene Summe hinaus an den Kläger weitere 10.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszins aus einem Betrag von 10.000,00 € seit 23.01.2009, aus einem Betrag von jeweils weiteren 400,00 € seit dem 12.09.2009, 1.10.2009, 1.11.2009, 1.12.2009, 1.01.2010, 1.02.2010, 1.03.2010, 1.04.2010, 1.05.2010, 1.06.2010, 1.07.2010, 1.08.2010, 1.09.2010, 1.10.2010, 1.11.2010, 1.12.2010, 1.01.2011, 1.02.2011, 1.03.2011, 1.04.2011, 1.05.2011, 1.06.2011, 1.07.2011, 1.08.2011, 1.09.2011, und 1.10.2011 zu zahlen;

2. an den Kläger ab dem 1.11.2011 über die bereits ausgeurteilte Mehrbedarfsrente hinsichtlich der Pflegekosten hinaus weitere 400,00 € monatlich zu zahlen;

3. an den Kläger 14.737,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 23.1.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz haben der Kläger 80 % und die Beklagten 20 % zu tragen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten. Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht in dem vorliegenden Verfahren Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am ….2008 auf der Landstraße zwischen O1 und O2 ereignet hat. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine Myelonkontusion HWK 4 bis HWK 6, eine Spinalkanalstenose Maximum HWK 4/HWK 6, eine Gelenkfraktur HWK linksseitig, eine Instabilität der Halswirbelsäule HWK 5/6 und eine Tetraparese. Er befand sich bis zum 12.1.2009 in stationärer Behandlung in Klinik1 und Klinik2 und sodann bis zum 15.7.2009 in einer Anschlussheilbehandlung in der Klinik3 in O3.

Die im Arztbericht der Klinik3 vom 17.6.2009 gestellte Diagnose lautet auf eine motorisch inkomplette Querschnittslähmung unterhalb C5, funktionell komplett unterhalb C7, sensibel durchgehend inkomplett nach HWK 6-Gelenkfraktur und spinaler Kontusion (BI. 24 bis 28 d. A.).

Seit seiner Entlassung aus der Anschlussheilbehandlung hält sich der Kläger wieder in seinem Haus in O4 auf und wird dort von einem ambulanten Pflegedienst und seinen Angehörigen betreut.

Infolge der unfallbedingten Verletzungen ist der Kläger bei den Verrichtungen des täglichen Lebens hilfebedürftig. Er sitzt im Rollstuhl, die unteren Extremitäten sind gelähmt; er ist steh- und gehunfähig, die oberen Extremitäten sind beidseitig gelähmt, wobei die Armhebung passiv beidseitig möglich ist; die Motorik der Hände ist gestört. Die Nahrungsaufnahme kann nicht selbständig erfolgen; der Kläger ist stuhl- und harninkontinent, es besteht eine Versorgung mit einem Blasendauerkatheter, der etwa fünfmal täglich gelehrt wird, die Stuhlabführung erfolgt dreimal wöchentlich durch Einläufe und anschließendes digitales Ausräumen, wegen der Inkontinenz muss der Kläger zusätzlich Windeln tragen.

Zur Dekubitusprophylaxe muss der Kläger nachts bzw. bei Ruhephasen tagsüber regelmäßig umgelagert werden.

Außerdem leidet der Kläger – nicht unfallbedingt – an arterieller Hypertonie und Hyperthyreose.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Zwischen den Parteien im Streit standen im Wesentlichen die Höhe des von dem Kläger zu beanspruchenden Schmerzensgeldes und einer Schmerzensgeldrente, Ansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse für häusliche Pflege, der Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens, der Anspruch auf Ersatz der Kosten für einen behindertengerechten Umbau des Hauses des Klägers (inkl. Gutachten und Architektenkosten), der Anspruch auf Ersatz der Anschaffungskosten für einen (behindertengerechten) PKW sowie der Anspruch auf Ersatz von Fahrtkosten der Angehörigen des Klägers.

Durch die angefochtene Entscheidung hat das Landgericht dem Kläger ein Schmerzensgeld von insgesamt 200.000,00 € zugebilligt, wobei es im wesentlichen auf die Schwere der Verletzungen abgestellt hat, nachdem ein besonders missbilligenswertes Verhalten des Beklagten zu 2) (Vorfahrtverletzung) nicht festgestellt werden konnte.

Die Höhe der Schmerzensgeldrente hat das Landgericht auf 300,00 € monatlich festgesetzt.

Im Weiteren hat es neben einem unstreitig gewordenen Haushaltsführungsschaden von 500,00 € monatlich auf der Grundlage der von ihm eingeholten Gutachten der Sachverständigen A sowie auf der Grundlage der Angaben der vernommenen Zeuginnen B und C einen Pflegeaufwand für den Kläger von 6 Stunden täglich (ohne die reinen Haushaltstätigkeiten) geschätzt, wobei der Kläger in der ersten Instanz gegen die in den Gutachten getroffenen Feststellungen im wesentlichen keine Einwendungen erhoben hat.

Von diesen 6 Stunden Pflegeleistungen pro Tag hat das Landgericht 1 Stunde als auf die Leistungen des durch die Krankenkasse vergüteten ambulanten Pflegedienstes anzurechnen angesehen, die verbleibenden 5 Stunden werden von den Angehörigen des Klägers erbracht. Für diese Stunden sieht das Landgericht einen Stundensatz von 11,00 € als angemessen an.

Im Weiteren ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass die Angehörigen des Klägers eine „Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft“ für ihn aufrechterhalten, hat aber eine stundenmäßige Vergütung für die Tätigkeit abgelehnt, vielmehr eine monatliche Pauschale von 500,00 € für die Ehefrau des Klägers und von weiteren 100,00 € pro Monat für die zeitweise Bereitschaft einer anderen Person aus dem Kreis der Angehörigen des Klägers für gerechtfertigt erachtet.

Hinsichtlich der Umbaukosten hat das Landgericht – wiederum gestützt auf ein Gutachten – dem Begehren des Klägers im Wesentlichen entsprochen. Nicht stattgegeben hat es, soweit seitens des Klägers ein Vorschuss auf den Umbau von Räumlichkeiten begehrt wird, die nicht von ihm genutzt werden, sowie für erforderliche Umbauarbeiten zum Erreichen des Kellergeschosses, in dem sich ein Partyraum, ein Fitnessraum und eine Sauna befinden.

Abgelehnt hat das Landgericht ebenfalls den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Anschaffungskosten für einen behindertengerechten PKW. Wegen der Begründung hierzu sowie wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

II.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er einen Teil der in erster Instanz nicht berücksichtigten Ansprüche weiterverfolgt.

Hinsichtlich des Schmerzensgeldes hält er einen Betrag von insgesamt 300.000,00 € sowie eine Schmerzensgeldrente von 500,00 € monatlich für angemessen.

Hinsichtlich des Pflegedienstes seiner Angehörigen meint er, dass insoweit entgegen der Ansicht des Landgerichts keine Bereitschaftsbetreuung, sondern eine rund um die Uhr zu leistende vollumfängliche Betreuung erforderlich sei, die – insoweit wird das landgerichtliche Urteil hingenommen – mit 11,00 € pro Stunde für 24 Stunden anzusetzen sei.

Hinsichtlich der Umbaukosten für das Haus macht der Kläger weiterhin die Kosten für den Umbau des Zugangs zum Kellergeschoß geltend und trägt hierzu vor, dass der im Keller befindliche Partyraum für ausgiebige Feiern genutzt worden sei, welche zum Familienleben dazugehören und an denen er nach wie teilnehmen können müsse. Die Kosten schätzt der Kläger auf 50.000,00 €.

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Ferner macht er weiterhin die Anschaffungskosten für das jetzt von ihm genutzte behindertengerechte Fahrzeug geltend, wobei er zugesteht, dass die Kosten für einen behindertengerechten Umbau eines Fahrzeugs bezahlt sind. Zur Begründung dieses Anspruchs verweist er darauf, dass er nach der irreparablen Zerstörung seines Fahrzeugs mit Rücksicht auf sein fortgeschrittenes Alter (weit über 70 Jahre vor dem Unfall) kein neues Fahrzeug gekauft hätte. Das neue Fahrzeug sei allein für den Transport des Klägers angeschafft worden und könne aus steuerlichen Gründen auch nur allein von ihm genutzt werden.

Zusammenfassend macht er folgende Rechnung auf:

Schmerzensgeld (Kapitalbetrag) 100.000,00 €

offene Rentenzahlung bis März 2012 7.948,38 €

Pflegekosten 158.642,00 €

Umbau Kellergeschoß 50.000,00 €

Anschaffungskosten PKW 31.349,71 €

Gesamt 347.940,09 €

Der Kläger beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag von 347.940,09 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszins aus einem Betrag von 107.948,38 € seit 23.01.2009, aus einem Betrag von 81.349,29 € seit dem 12.09.2009 zu zahlen und aus einem Betrag von 3.028,96 € seit 12.09.2009, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 0110.2009, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.11.2009, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.12.2009, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.12.2009, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.01.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.02.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.03.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.04.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.05.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.06.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.07.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.08.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.09.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.10.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.11.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.12.2010, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.01.2011, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.02.2011, aus einem Betrag von 5.763.45 € seit dem 01.03.2011, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.04.2011, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.05.2011, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.06.2011, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.07.2011, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem. 01.08.2011, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.09,2011, aus einem Betrag von 5.763,45 € seit dem 01.10.2011 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm eine Schmerzensgeldrente von monatlich 500,00 €, beginnend mit dem 01.04.2012, zu zahlen,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm eine Mehrbedarfsrente hinsichtlich der Pflegekosten in Höhe von monatlich 8.030,00, abzüglich Barleistungen der Pflegekasse ab dem 01.11.2011 zu zahlen.

 

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Pflegesituation des Klägers weisen die Beklagten im wesentlichen darauf hin, dass – so ihre teilweise Richtigstellung des klägerischen Vortrags und des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils – dem vom Kläger mit Schriftsatz vom 21.02.2012 vorgelegten Gutachten des MDK vom 02.02.2011 zu entnehmen sei, dass der Kläger die Arme nicht nur passiv, sondern auch aktiv bewegen könne. Es werde beschrieben, dass die Armhebung links bis Schulterhöhe möglich sei und die Armhebung rechts bis Brusthöhe. Richtig sei, dass eine Kontraktur und Spastik beider Hände mit Störungen der Feinmotorik beider Hände bestehe. Arm- und Handbewegungen seien unkontrolliert, so dass Getränke und Nahrung, auch mundgerecht zubereitet, komplett angereicht werden müssten.

An den unteren Extremitäten bestehe eine Parese. Der Kläger sei geh- und stehunfähig, ein Aufstehen aus sitzender Position sei aber mit Hilfe von zwei Pflegepersonen möglich. Die Kommunikation mit dem Kläger sei möglich. Im Pflegegutachten werde beschrieben, dass der Kläger orientiert sei und selbständig und adäquat antwortete. Die Alltagskompetenz des Klägers werde als nicht eingeschränkt beschrieben. Der Kläger werde in der Erdgeschosswohnung seines Hauses gepflegt und versorgt, nämlich von seiner Ehefrau sowie seiner Tochter, die im Obergeschoß des Hauses wohnhaft sei. Darüber hinaus komme morgens täglich für gut 1 Stunde ein ambulanter Pflegedienst, der die morgendliche Grundpflege verrichtet, den Kläger ankleidet und in den Rollstuhl setzt. Fünfmal in der Woche erhalte der Kläger zu Hause Krankengymnastik und Ergotherapie. In der Vergangenheit habe es einmalig, nämlich im August 2010, einen Vorfall gegeben, in dessen Verlauf der Kläger Erbrochenes aspiriert habe. Es sei aber nicht so, dass der Kläger permanent drohe, sich zu verschlucken oder zu erbrechen und es sei auch nicht so, dass deshalb fortwährend eine Person anwesend sein müsste. Wohl sei eine Rufbereitschaft erforderlich. Tatsächlich sei es auch so, dass der Kläger – etwa auf der Terrasse – auch allein im Rollstuhl sitzen könne, während die Ehefrau sich im Wohnzimmer oder in der Küche aufhalte. Auch beim Lesen der Zeitung oder beim Fernsehen im Wohnzimmer oder auch im Schlafzimmer, wenn er sich früher hinlegen möchte, müsse sich nicht eine andere Person unmittelbar bei dem Kläger aufhalten.

Ergänzend weisen die Beklagten darauf hin, dass das Landgericht – was der Kläger in seiner Berufungsbegründung außer acht gelassen habe – für die Pflege durch die Familienangehörigen einen monatlichen Betrag von 600,00 € in Ansatz gebracht habe, der nicht zu gering bemessen sei.

In Bezug auf die PKW-Anschaffungskosten verweisen die Beklagten darauf, dass sie den Fahrzeugschaden in vollem Umfang ersetzt haben.

Im Übrigen verteidigen sie das angefochtene Urteil.

Zur Ergänzung wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

III.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache aber nur teilweise begründet.

Dem Kläger stehen über die vom Landgericht zuerkannten Schadensersatzbeträge nur geringfügige weitere Ansprüche zu.

Hinsichtlich des Schmerzensgeldes und der Schmerzensgeldrente sind die vom Landgericht dem Kläger zuerkannten Beträge nicht zu beanstanden, insbesondere nicht zu niedrig angesetzt.

Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Bemessung eines Schmerzensgeldes entwickelten Kriterien gehen davon aus, dass sich die Höhe eines angemessenen Schmerzensgeldes nach dem Ausmaß und der Schwere der psychischen und physischen Störungen, dem Maß der Lebensbeeinträchtigung, der Größe, Dauer und Heftigkeit der Schmerzen, Leiden und Entstellungen, der Dauer der stationären Behandlung, der Arbeitsunfähigkeit und der Trennung von der Familie, der Unübersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufs, der Fraglichkeit der endgültigen Heilung, dem Alter und den persönlichen Lebensverhältnissen des Verletzten und des Schädigers sowie dem Grad des Mitverschuldens des Verletzten sowie dem Grad des Verschuldens und des Verhaltens des Schädigers nach der Verletzungshandlung richtet (OLG Düsseldorf Schaden-Praxis 2009, 396 unter Verweis auf BGH NJW 1993, 1531).

Diese Voraussetzungen hat das Landgericht zutreffend unter Heranziehung der von ihm zitierten Rechtsprechung bei der von ihm vorgenommenen Bemessung des Schmerzensgeldes beachtet, einen Fehler vermag der Senat insoweit nicht festzustellen.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann und muss das Lebensalter des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes mit herangezogen werden. Dies geschieht in der Rechtsprechung allerdings regelmäßig in der umgekehrten Form, indem nämlich das relativ geringe Lebensalter eines in demselben Ausmaß wie der Kläger verletzten Opfers als schmerzensgelderhöhend herangezogen wird. Dies ist auch nachvollziehbar, denn es macht einen Unterschied aus, ob das verletzte Opfer in der Gewissheit leben muss, dass die ihm auferlegten Behinderungen sich noch für Jahre und Jahrzehnte auswirken werden. Angesichts dessen vermag der Senat dem fast 80 Jahre alten Kläger die von ihm begehrte Erhöhung des Schmerzensgeldbetrages sowie der Schmerzensgeldrente nicht zuzuerkennen.

Im Zusammenhang mit der von dem Kläger begehrten Zubilligung eines erhöhten Pflegesatzes für seine Verwandten ist das Landgericht zunächst unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung dem Grunde nach zutreffend davon ausgegangen, dass in den Fällen, in denen notwendige Pflegeleistungen gänzlich oder – wie hier – teilweise von den Verwandten des Betroffenen erbracht werden, diese grundsätzlich zu vergüten sind, wobei maßgebend ist, wie der Bedarf in der von dem Geschädigten und seinen Angehörigen gewählten Lebensgestaltung tatsächlich anfällt. Richtig hat das Landgericht hierbei auch darauf abgestellt, dass der Umfang der erforderlichen Aufwendungen nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung der nachvollziehbaren Angaben der mit der Betreuung befassten Angehörigen und unter Zugrundelegung von Erfahrungswerten zu schätzen ist. Dabei ist eine Entschädigung auch zu leisten für sogenannte Bereitschaftszeiten für gelegentliche Hilfeleistungen bei Pflegeanlässen, die unvorhergesehen zu jeder Tages- und Nachtzeit auftreten können.

Auf dieser Grundlage hat sich das Landgericht, auf dessen Ausführungen insoweit verwiesen wird, auch mit der in der Berufung allein streitigen Frage der Vergütung für die Bereitschaftszeiten auseinandergesetzt und ist dabei zu dem auch für den Senat schlüssigen Ergebnis gekommen, dass eine bloße Bereitschaft wirtschaftlich geringer zu bewerten ist als ein pflegerischer Aufwand. Zutreffend hat das Landgericht weiter darauf hingewiesen, dass anders als bei reinen Pflegeleistungen in den Bereitschaftszeiten, wenn auch eingeschränkt durch die Notwendigkeit der Anwesenheit, andere Tätigkeiten wie die Besorgung des Haushalts, aber auch Freizeitbeschäftigungen erfolgen können. Deshalb allein ist es schon entgegen der Ansicht des Klägers nicht gerechtfertigt, für diese Bereitschaftszeiten die gleiche Entschädigung zu fordern, wie dies für die Pflegezeiten angemessen ist.

Nicht zu beanstanden ist dem Grunde nach weiterhin die von dem Landgericht vorgenommene Schätzung, für die Bereitschaftszeiten der Ehefrau des Klägers einen Betrag von 500,00 € pro Monat und für die zeitweise Bereitschaft einer Person aus dem Kreis der Angehörigen einen Betrag von 100,00 pro Monat anzusetzen. Der Senat folgt grundlegend dieser Schätzung auf dem Hintergrund der von den Beklagten zutreffend mitgeteilten Einschätzung der Situation des Klägers, welche angesichts der Alltagsfähigkeit des Klägers trotz der Notwendigkeit einer ständigen Bereitschaft diese als nicht so gravierend erscheinen lässt. Im Gegensatz zum Landgericht ist der Senat aber zu der Auffassung gelangt, dass ein Betrag von 1.000,00 € pro Monat der besonderen Situation des Klägers und der ihn pflegenden Angehörigen eher gerecht wird, so dass in der Berufung dem Kläger ein weiterer Betrag von 400,00 € monatlich zuzusprechen war.

Die von dem Kläger im weiteren begehrten Kosten, die den Umbau des Zugangs zum Kellergeschoß betreffen, hat das Landgericht ebenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Zwar ist das von dem Kläger geltend gemachte Interesse durchaus anzuerkennen, es ist aber im vorliegenden Fall mehr als zweifelhaft, ob ihm auch in einer die Umbaukosten rechtfertigenden Art und Weise nachgekommen werden soll. Unabhängig davon, dass – wie der Kläger selbst in seinem Schriftsatz vom 1.8.2012 vorträgt – er aufgrund der Unfallfolgen verbittert, aggressiv und unleidlich geworden ist, was einem Interesse an in kurzen Intervallen stattfindenden Feierlichkeiten eher entgegensteht, vermag der Senat dieses Interesse auch deswegen nicht in hinreichendem Maße festzustellen, weil der Kläger keine erkennbaren Schritte von sich aus unternommen hat, um ihm diese Feiermöglichkeiten außerhalb des eigentlichen Wohnbereichs zu ermöglichen. Er verlangt einen durch nichts schlüssig dargelegten Betrag von 50.000,00 € als angeblich erforderliche Umbaukosten – insofern wäre es ein Leichtes gewesen, bereits einen Kostenvoranschlag einzuholen und vorzulegen, was der Kläger indes nicht getan hat. Im weiteren ist auch nicht erkennbar, in welchem Umfang der Keller für die von dem Kläger beschriebenen Feierlichkeiten tatsächlich genutzt worden ist; der insoweit erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gehaltene Vortrag des Klägers war nicht zu berücksichtigen.

Hinsichtlich des Begehrens des Klägers auf Erstattung der Anschaffungskosten für den PKW1 sieht der Senat in Anbetracht der von dem Kläger erlittenen Verletzungen und der Tatsache, dass er zum Transport auf ein solches Fahrzeug angewiesen ist, einen solchen Anspruch grundsätzlich als gerechtfertigt an. Allerdings hat der Kläger keinen Anspruch auf den Erwerb eines Neuwagens, so dass im Hinblick auf einen vorhandenen Gebrauchtwagenmarkt ein Abzug gerechtfertigt ist. Diesen schätzt der Senat auf ein Drittel der Kosten eines Neuwagens.

Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich folgende Abrechnung: Von den geltend gemachten Erwerbskosten für das Fahrzeug in Höhe von 31.349,72 € sind die unstreitig bereits von den Beklagten gezahlten Umbaukosten in Höhe von 6.243,10 € abzusetzen, so dass ein Betrag von 25.106,62 € verbleibt. Auf die hiervon anzusetzenden 2/3 (= 16.737,75 €) ist der von dem Kläger genannte Zeitwert des von ihm nicht mehr genutzten PKW2 in Höhe von 2.000,00 € abzusetzen, so dass der zugesprochene Betrag von 14.737,75 € verbleibt.

Den von dem Kläger in erster Instanz noch geltend gemachten und vom Landgericht ebenfalls abgewiesenen Anspruch auf Zahlung der Unterhaltskosten für dieses Fahrzeug hat er in der Berufungsinstanz nicht weiterverfolgt. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Kläger und seine Frau tatsächlich auf ein zweites Fahrzeug verzichtet hätten, muss daher nicht mehr stattfinden. Ebenso kommt es auf die steuerlichen Fragen nicht an, die ohnehin nur die laufenden Kosten des Betriebs des Fahrzeugs betreffen.

Die Zinsen waren insoweit aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Danach waren dem Kläger die gesamten Kosten des Berufungsrechtszugs aufzuerlegen, weil das Unterliegen der Beklagten relativ geringfügig war und keine zusätzlichen Kosten verursacht hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, denn weder hat die Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

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