OLG Celle, Az.: 14 U 109/15, Beschluss vom 01.09.2015
I. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.546,73 € festgesetzt.
II. Es wird erwogen, die Berufung der Klägerin gegen das am 2. Juni 2015 verkündete Urteil die Einzelrichterin der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch Beschluss nach 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses gegeben
Gründe
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg:
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Im vorliegenden Fall ist unter keinem der vorgenannten Gesichtspunkte eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts veranlasst. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
1. Anders als die Klägerin meint, ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, der Bruder der Klägerin, …, sei zum Unfallzeitpunkt Inhaber des Rechtsgutes gewesen. Wie das Landgericht ausführlich in den Entscheidungsgründen dargestellt hat, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat die Klägerin nicht mit vereinzeltem Tatsachenvortrag einen Eigentumsübergang auf sie dargetan. Ob Kosten des Fahrzeugs über den Betrieb der Klägerin abgerechnet worden sind, ist unerheblich, da eine dingliche Übereignung nicht aufgezeigt worden ist.
2. Entgegen der Annahme der Klägerin hat das Landgericht zutreffend Tatsachen, die auf finanzielle Engpässe hindeuten, als Indiz bewertet. Ob es daneben auch Gesichtspunkte gibt, die auf ein in der Familie tatsächlich vorhandenes gewisses Vermögen hindeuten könnten, ist im Ergebnis unerheblich. Es bleibt schließlich dabei, dass es umfangreiche belastbare Tatsachen gibt, die auf eine angespannte finanzielle Situation hindeuten können.
3. Bei einer Betrachtung der Gesamtumstände ist das Vorliegen eines gestellten Unfalls anzunehmen. Dies vermag die Klägerin nicht zu entkräften, so dass ihr kein Anspruch gegen die Beklagten auf Schadensersatz zusteht. Auch wenn jedes dieser Indizien für sich genommen nicht zwangsläufig ein Anzeichen eines einverständlichen Schädigungsgeschehens darstellt, so begründet jedenfalls das kumulative Vorliegen einer Vielzahl solcher Umstände den dringenden Verdacht einer Manipulation. In diesem Zusammenhang ist ausschließlich von Bedeutung, ob die unstreitigen oder als erwiesen anzusehenden Tatsachen in ihrer Gesamtheit eine vernünftige Zweifel ausschließende Gewissheit für das Vorliegen eines gestellten Unfallgeschehens begründen. Die zu dieser Gewissheit führenden Indizien sind dabei nicht zwangsläufig immer identisch, sondern können – je nach Lebenssachverhalt – sogar erheblich voneinander differieren. Im vorliegenden Fall liegen insgesamt ausreichende Indiztatsachen vor, die die Annahme eines gestellten Unfallgeschehens rechtfertigen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit zunächst auf die Auflistung im Urteil des Landgerichts (Seite 8 bis Seite 12 des Urteils) verwiesen.
4. In der Berufungsbegründung verkennt die Klägerin, dass es nicht ausreicht, jedes einzelne Indiz „aus dem Felde zu schlagen“, sondern gerade die Gesamtschau auf die Vielzahl typischer Indizien im vorliegenden Fall den Schluss rechtfertigt, es habe sich um einen gestellten Unfall gehandelt.
Anders als die Klägerin meint, hat das Landgericht die Umstände, die nicht typischerweise für einen gestellten Unfall sprechen, nicht falsch bewertet. Es ist vielmehr zutreffend, dass die Gesamtschau – auch unter Berücksichtigung der untypischen Abläufe – die Annahme eines fingierten Schadensereignisses begründet.
5. Der Umstand, dass keine Tatsachen ersichtlich sind, die belegen würden, dass sich die Parteien vor dem behaupteten Unfallgeschehen kannten (auch nicht der Bruder der Klägerin und der Beklagte zu 1) ist keineswegs untypisch.
Da eine Bekanntschaft zwischen zwei vermeintlichen Unfallbeteiligten als ein gravierendes Indiz für die Annahme einer Unfallmanipulation bewertet wird, wird bei gestellten Unfällen in besonderem Maße versucht, die Modalitäten der Kontaktaufnahme zwecks Absprache des einverständlichen Unfallgeschehens zu verschleiern. Dass eine persönliche Bekanntschaft vor dem vermeintlichen Unfall nicht nachgewiesen ist, steht der Annahme einer einvernehmlichen Schädigungshandlung somit nicht entgegen. Die Abrede über den gestellten Unfall kann außerdem mit einem im vorliegenden Rechtsstreit unbekannt gebliebenen Dritten erfolgt sein, der dann seinerseits den Beklagten zu 1 mit der Durchführung beauftragte.
6. Inzwischen werden gerade gestellte Unfälle keineswegs mehr überwiegend an unbelebten Orten und zur Nachtzeit vorgenommen, weil es sich eher als vorteilhaft erweist, wenn eventuell Zeugen vorhanden sind, die das tatsächlich erfolgte Beschädigen des – wie hier – stehenden Fahrzeuges durch das vorbeifahrende bestätigen können.
7. Die Klägerin sollte vor diesem Hintergrund prüfen, ob das Berufungsverfahren weiter durchgeführt werden soll. Lediglich vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass sich im Fall einer Rücknahme des Rechtsmittels die anfallenden Gerichtskosten deutlich ermäßigen würden.