LG München – Az.: 17 S 11554/22 – Beschluss vom 08.11.2022
In dem Rechtsstreit wegen Forderung erteilt das Landgericht München 1 – 17. Zivilkammer – am 08.11.2022 folgenden Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 22.07.2022, Az. 337 C 13337/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist,
Die Kammer weist darauf hin, dass eine Berufung nur darauf gestützt werden kann, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die Tatsachenfeststellung unrichtig ist oder neue berücksichtigungsfähige Angriffs- und Verteidigungsmittel vorliegen. Im Berufungsrechtszug ist das Gericht grundsätzlich nicht mehr umfassend zweite und neue Tatsacheninstanz. Soweit es keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Beweiswürdigung, ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (Anschluss BGH, 19. April 2005, VI ZR 175/04, VersR 2005, 945) gibt, ist das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden (OLG München, Urteil vom 21. Juni 2013 —10 U 1206113).
Vorliegend ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die Ausführungen des Erstgerichts.
Der gerichtliche Sachverständige führte aus, dass sich an der Fahrzeugfront Vor-/Altschäden ergeben haben. Aufgrund von diesen bzw. nicht zuordenbaren Beschädigungen in Verbindung mit den eher untergeordneten Beschädigungen an der Stoßfängereinheit wäre am Klägerfahrzeug keine nachweisbare Schadenserweiterung bzw. kein deutlich abgrenzbarer Schaden eingetreten. Folglich sind die Ausführungen des Erstgerichts zur Höhe der Reparaturkosten nicht zu beanstanden.
Ob sich der Kläger auf etwaige Ausführungen seines Parteigutachters verlassen durfte, spielt im Rahmen der fiktiven Abrechnung keine Rolle. Nachdem der Kläger fiktiv abrechnet, kommt es nur auf die tatsächlich unfallbedingt erforderlichen Reparaturkosten an. Aufgrund der obigen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sind die Ausführungen des Erstgerichts hierzu aber nicht zu beanstanden.
Durchgreifende Bedenken bestehen auch nicht im Hinblick auf die dem Kläger vom Erstgericht nicht zugesprochenen Desinfektionskosten. Unabhängig von der Frage, ob diese Kosten überhaupt dem Unfallgegner in Rechnung zu stellen sind, erscheint angesichts zunehmender Lockerungen im Hinblick auf die Corona-Pandemie schon fraglich, inwieweit in den Werkstätten überhaupt noch regelmäßig entsprechende Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt werden und inwieweit diese noch dazu im vorliegenden Fall erforderlich wären. Die vom Kläger zitierten Urteile stammen sämtlich aus den Jahren 2020 und 2021, in denen noch ganz andere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie erforderlich waren, und sind damit zeitlich überholt. Gleiches gilt auch im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers zur „Delta“-Variante. Unter diesen Umständen ist die Kammer der Auffassung, dass die Ausführungen des Erstgerichts auch insoweit nicht zu beanstanden sind.
Nicht nachvollziehbar sind schließlich die Ausführungen des Klägers zur merkantilen Wertminderung, da eine solche zu keinem Zeitpunkt Streitgegenstand war.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Die Kammer regt daher an, die Berufung zurückzunehmen.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.