AG Bad Oeynhausen, Az.: 18 C 364/13, Urteil vom 04.09.2014
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 478,13 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2013.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Beklagten dürfen die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt gegen sie vollstreckbaren Betrages, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Nach einem Verkehrsunfall streiten die Parteien um drei Schadenspositionen:
1. Kosten für ein ergänzendes Privatgutachten
212,42 €
2. Aufschläge auf die unverbindliche Preisempfehlung des Ersatzteilherstellers (sogenannte „UPE-Aufschläge“)
75,41 €
3. Beilackierungskosten
190,57 €
Am 16.10.2012 kam es gegen 15.55 Uhr an der Jahnstraße 45 in Löhne zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Mazda 2 der Klägerin (Kennzeichen: …) beschädigt wurde. Der Unfall wurde durch die Beklagte zu 1. verursacht, welche einen Toyota fuhr (Kennzeichen: …); dieser Toyota ist bei der Beklagten zu 2. versichert. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagtenseite zu 100 % für die Schäden haftet, die der Klägerin aus dem Unfall entstanden sind.
Die Klägerin rechnet ihren Schaden fiktiv ab auf der Basis eines Gutachtens des Sachverständigen …, der einen Schaden von insgesamt 1.820,61 € netto ermittelt hat (Einzelheiten: Anlage zur Klageschrift, Bl. 10 f. d. A.). Weil die Beklagten dieses Privatgutachten nicht vollständig akzeptierten und hierzu eine Stellungnahme der Dekra einholen ließen (Einzelheiten: Anlage zur Klageschrift, Bl. 5 f. d. A.), beauftragte die Klägerin den Privatgutachter … ein zweites Mal, um eine Stellungnahme zu dem Dekra-Bericht abzugeben. Der Privat-Sachverständige … gab eine solche Stellungnahme ab (Einzelheiten: Anlagen zur Klageschrift, Bl. 23 ff. d. A.) und stellte hierfür 212,42 € in Rechnung.
Die Beklagten zahlten an die Klägerin 1.554,90 €, um den Schaden zu ersetzen. Diesen Betrag errechneten die Beklagten, indem sie von den 1.820,61 € netto 265,71 € abzogen. Von diesen 265,71 € entfallen 75,14 € auf UPE-Aufschläge und 190,57 € auf Beilackierungskosten (Einzelheiten: Seite 2 der Klageerwiderung, Bl. 83 d. A.).
Beilackierungskosten sind die Kosten, die anfallen, wenn unbeschädigte Fahrzeugteile lackiert werden. Unbeschädigte Fahrzeugteile werden lackiert, wenn das beschädigte Fahrzeugteil – nachdem es repariert und lackiert worden ist – nicht exakt den Farbton hat, den die umliegenden, unbeschädigten Fahrzeugteile haben. Der Farbtonunterschied zwischen dem ehemals beschädigten und den unbeschädigten Fahrzeugteilen fällt dem menschlichen Auge sofort auf. Um dieses Problem zu beheben, werden die umliegenden Fahrzeugteile so lackiert, dass auf ihnen ein stufenloser Farbübergang hergestellt wird. Auf der Seite, die an das ehemals beschädigte Teil grenzt, haben sie die Farbe dieses Fahrzeugteils. Auf ihrer anderen Seite behalten sie die ursprüngliche Farbe. Dieser Farbübergang auf dem unbeschädigten, nun beilackierten Fahrzeugteil ist für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar. Das Fahrzeug erweckt den Eindruck, es habe an allen Fahrzeugteilen denselben Farbton.
Zu den Sachverständigenkosten behauptet die Klägerin, 212,42 € seien angemessen. Sie meint, ein Schädiger müsse auch die Kosten für ein ergänzendes Privatgutachten des Geschädigten ersetzen, wenn der Schädiger auf das erste Privatgutachten mit einer Stellungnahme eines eigenen Privatgutachters reagiert habe.
Zu den UPE-Aufschlägen behauptet die Klägerin, diese seien im Bereich Bad Oeynhausen bei Mazda-Markenwerkstätten üblich. Sie meint, die UPE-Aufschläge könne sie auch verlangen, wenn sie fiktiv abrechne, sofern die UPE-Aufschläge bei regionalen Markenwerkstätten üblich seien.
Zu den Beilackierungskosten meint die Klägerin, diese auch bei einer fiktiven Abrechnung verlangen zu können.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 478,13 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 28.08.2013;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Rechtsanwälte … und Kollegen vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 83,54 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, die 212,42 € seien zu hoch angesetzt, weil der Sachverständige lediglich einzelne Daten in einer vorgefertigten Stellungnahme ausgetauscht habe. Sie meinen, die weitere Stellungnahme des Privat-Sachverständigen … gehöre nicht zu den notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung. UPE-Aufschläge und Beilackierungskosten könnten bei einer fiktiven Abrechnung nicht verlangt werden.
Die Klage ist am 27.08.2013 zugestellt worden. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (Ergebnis der Beweisaufnahme: Gutachten des Sachverständigen … vom 17.06.2014).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet; lediglich hinsichtlich des Zinsbeginns und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist sie unbegründet.
1. Kosten für die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen
Die Beklagten müssen auch die Kosten für die weitere Stellungnahme des Privat-Sachverständigen zahlen. Die Kosten der Schadensfeststellung sind nämlich Teil des zu ersetzenden Schadens; der Schädiger muss die Kosten von Sachverständigengutachten ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Grüneberg in: Palandt, § 249, Rn. 58). Ein Geschädigter kann nämlich regelmäßig nicht selbst einschätzen, wie hoch sein Schaden ist, denn diese Frage ist für einen technischen Laien zu kompliziert.

Dies ist nicht auf die Kosten eines ersten Gutachtens beschränkt. Wenn der Schädiger einen eigenen Privatsachverständigen beauftragt, der das Gutachten des Geschädigten-Privatsachverständigen angreift, dann kann sich der Geschädigte der Hilfe seines Geschädigten-Privatsachverständigen bedienen, um einzuschätzen, ob die Angriffe des Schädiger-Privatsachverständigen erheblich sind. Wenn der Geschädigte nicht selbst einschätzen kann, wie hoch sein Schaden ist, weil die technischen Fragen für einen Laien zu kompliziert sind, dann kann der Geschädigte auch nicht selbst beurteilen, ob Angriffe eines Schädiger-Privatsachverständigen zutreffen oder nicht. Es kann einem Geschädigten nicht zugemutet werden, auf der Basis von zwei sich widersprechenden Privatgutachten Klage zu erheben und erst durch den vom Gericht bestellten Sachverständigen zu erfahren, welcher der beiden Privatsachverständigen Recht hatte. Außerdem kann dies einen Rechtsstreit vermeiden, denn es ist möglich, dass der Schädiger-Privatsachverständige den Geschädigten-Privatsachverständigen auf einen Fehler hinweist, den dieser sodann korrigiert.
Die erforderlichen Kosten für die weitere Stellungnahme schätzt das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 212,42 €. Als Schätzgrundlage nimmt das Gericht die entsprechende Rechnung des Privatsachverständigen …. Die Angriffe der Beklagtenseite gegen diese Rechnung sind nicht so gravierend, dass ihre Eignung als Schätzgrundlage entfallen würde: Selbst wenn der Sachverständige in der Stellungnahme Formulierungen benutzt hat, die auch in anderen Gutachten auftauchen, so bedeutet dies nicht, dass der Privatsachverständige die Einwände der Dekra nicht sorgfältig geprüft hat. Es ist in der Praxis üblich, dass man auf Formulierungen zurückgreift, die man in vergleichbaren Situationen bereits einmal benutzt hat. Ein Privatsachverständiger erhält seine Vergütung nicht, um bei jedem Gutachten neue Formulierungen zu entwerfen, sondern er erhält seine Vergütung, weil er den Fall prüft. Dass sich der Privatsachverständige mit der Stellungnahme der Dekra nicht ausreichend auseinandergesetzt hätte, ist nicht ersichtlich.
2. UPE-Aufschläge
Die Beklagten müssen der Klägerin auch die UPE-Aufschläge erstatten. Prozentuale Aufschläge auf Ersatzteilpreise können auch bei der fiktiven Abrechnung verlangt werden, wenn und soweit sie regional üblich sind (OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2012, Az. 9 U 5/12, Rn. 22). Hierbei ist auf die regionale Üblichkeit bei Markenwerkstätten abzustellen, weil die Beklagten nicht dargelegt haben, dass sich die Klägerin auf eine markenfreie Werkstatt verweisen lassen müsste (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2012, Az. 1 U 139/11).
Aufschläge üblich sind. Dies hat der Sachverständige durch eine Umfrage ermittelt (Seite 20 des Gutachtens). Allerdings hat der Sachverständige seine Umfrage zu weit ausgedehnt, denn es kam hier nicht auf die Umfrage bei freien Werkstätten an, sondern nur auf Markenwerkstätten. Die beiden befragten Mazda-Werkstätten (…) gaben an, UPE-Aufschläge in Höhe von 10 % zu nehmen.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass diese Feststellung des Sachverständigen korrekt ist. Die Parteien haben keine erheblichen Einwände gegen diese Feststellung (soweit sie die Mazda-Markenwerkstätten betrifft) vorgetragen. Die Feststellung deckt sich zudem mit den Erkenntnissen, die das Gericht aus zahlreichen ähnlich gelagerten Verfahren gewinnen konnte, wonach im Bereich Bad Oeynhausen bei Markenwerkstätten grundsätzlich Verbringungskosten anfallen, weil diese in der Regel keine Lackiererei haben.
3. Beilackierungskosten
Die Beklagten müssen der Klägerin auch die Kosten erstatten, die notwendig sind, um eine Beilackierung durchzuführen.
Es ist umstritten, ob die Kosten einer Beilackierung bei einer fiktiven Abrechnung erstattungsfähig sind oder nicht. Das Landgericht Frankfurt hat dies bejaht (Urteil vom 27.09.2012, Az.: 2-23 U 99/12), das Landgericht Aachen hat dies verneint (Urteil vom 24.08.2012, Az.: 6 S 60/12).
Der Sachverständige hat festgestellt, dass Beilackierungskosten in der Regel anfallen, dass es aber unter besonderen Umständen auch sein kann, dass das beschädigte Teil in exakt dem Farbton lackiert ist, den auch die umliegenden (nicht beschädigten) Teile haben. Allerdings ist dies eher vom Zufall abhängig und kann in den meisten Fällen nicht erreicht werden.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass auch diese Feststellung korrekt ist. Auch hiergegen haben die Parteien keine Einwände erhoben.
Damit eine Schadensposition auch bei einer fiktiven Abrechnung berücksichtigt werden kann, ist es nicht erforderlich, dass diese Schadensposition zwingend in allen Fällen anfällt; es genügt, wenn sie üblicherweise anfällt.
Insofern ist die Frage, ob Beilackierungskosten in einer fiktiven Abrechnung berücksichtigt werden können, identisch mit der Frage, ob UPE-Aufschläge in einer fiktiven Abrechnung verlangt werden können: Auch bei den UPE-Aufschlägen geht es um die Frage, ob sie nur verlangt werden können, wenn sie zwingend anfallen oder auch, wenn sie nur üblicherweise anfallen. In dem Urteil vom 30.10.2012 hat sich das OLG Hamm bezüglich der UPE-Aufschläge der Auffassung angeschlossen, dass es nicht erforderlich ist, dass diese zwingend immer anfallen, sondern dass es genügt, wenn sie regional üblich sind (am angegebenen Ort, Rn. 22).
Es gibt keinen Grund, warum für Beilackierungskosten etwas anderes gelten sollte.
4. Zinsen
Zinsen kann die Klägerin erst ab Rechtshängigkeit verlangen. Für einen früheren Zinsbeginn (ab dem 28.02.2013) hat sie nichts vorgetragen.
5. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Die Beklagte muss die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin nicht an den Klägervertreter bezahlen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr Vertreter aktivlegitimiert ist. Hierzu hätte sie darlegen müssen, dass sie ihren Schadensersatzanspruch an ihren Anwalt abgetreten hat. Dies hat sie jedoch nicht dargelegt.
6. Nebenentscheidungen und Streitwertbeschluss
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Das Gericht hat die Berufung zugelassen, weil es in der Rechtsprechung umstritten ist, ob die Beilackierungskosten bei einer fiktiven Abrechnung berücksichtigt werden können.
Streitwert: 478,13 €.