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Verkehrsunfall – Erstattungsfähigkeit Anwaltskosten bei Beauftragung verschiedener Anwälte

Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten in Verkehrsunfällen

In dem zugrundeliegenden Fall ging es um die Frage der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten bei der Beauftragung verschiedener Anwälte in Verkehrsunfallverfahren. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die besondere Situation, in der der Kläger und Beklagte denselben Haftpflichtversicherer hatten und eine Widerklage vorlag.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 W 143/20 >>>

Die Ausgangssituation

Ein Fahrzeughalter verklagt nach einem Unfall den gegnerischen Fahrer. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung erhebt der Beklagte Widerklage. Der Kläger beauftragt daraufhin auf Weisung seines Haftpflichtversicherers einen anderen Rechtsanwalt zur Verteidigung gegen die Widerklage. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob die zusätzlichen Kosten, die durch die Beauftragung des zweiten Rechtsanwalts entstehen, erstattungsfähig sind.

Das Prinzip der Erstattungsfähigkeit

Grundsätzlich sind die Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe aus Sicht des Geschädigten als notwendig und zweckmäßig erscheint. In diesem Fall wäre es jedoch so, dass der Kläger, wenn er den gleichen Rechtsanwalt sowohl für die Klage als auch für die Verteidigung gegen die Widerklage eingesetzt hätte, weniger Kosten gehabt hätte. Daher sind normalerweise nur die fiktiven Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfähig.

Ausnahme bei Interessenskollision

Eine Ausnahme von dieser Regel kann es geben, wenn ein besonderer sachlicher Grund für die Beauftragung von zwei Rechtsanwälten vorliegt. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn eine Interessenskollision vorliegt, etwa wenn der Unfall manipuliert wurde. Auch wenn Kläger und Beklagter bei demselben Versicherer haftpflichtversichert sind, könnte dies eine solche Interessenskollision darstellen, die ausnahmsweise die Beauftragung verschiedener Anwälte rechtfertigt.

Schlussbetrachtung zum Fall

In dem vorliegenden Fall wurde jedoch entschieden, dass die durch die Beauftragung eines zweiten Anwalts entstandenen Mehrkosten nicht erstattungsfähig sind. Begründet wurde dies damit, dass die Erstattungsfähigkeit solcher Mehrkosten das Vorliegen eines besonderen sachlichen Grundes für die Einschaltung von zwei Rechtsanwälten erfordert. Ein solcher Grund wurde in diesem Fall nicht als gegeben angesehen.

Dieses Urteil verdeutlicht die komplexen Aspekte bei der Beauftragung von Rechtsanwälten in Verkehrsunfallverfahren und der damit verbundenen Frage der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten. Im Zweifel sollten Geschädigte daher im Vorfeld klären, welche Kosten sie zu tragen haben und welche Kosten sie von der gegnerischen Versicherung erstattet bekommen können.


Das vorliegende Urteil

OLG Stuttgart – Az.: 8 W 143/20 – Beschluss vom 04.08.2020

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss 1 der Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn vom 23.01.2020, Az. Aß 2 O 74/19, abgeändert:

Auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Heilbronn vom 31.10.2019 sind von den Beklagten Ziff. 1 und 2 als Gesamtschuldnern an den Kläger zu erstatten: € 2.053,89 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus € 910,35 seit dem 12.11.2019 und aus weiteren € 1.143,54 seit dem 03.12.2019.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen tragen die Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: € 1.037,15

Gründe

Verkehrsunfall: Erstattung von Anwaltskosten bei mehreren Anwälten
Betrachtung der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten bei Verkehrsunfällen – Ein komplexer Rechtsfall unterstreicht die Notwendigkeit, vorab Klarheit über anfallende Kosten zu schaffen. (Symbolfoto: Studio Romantic /Shutterstock.com)

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache Erfolg. Der Kläger hat im vorliegenden Fall ausnahmsweise Anspruch auf Erstattung der Kosten zweier Rechtsanwälte, die in Bezug auf verschiedene Gegenstände für ihn tätig waren, nämlich die Rechtsanwälte W. … & Kollegen in Bezug auf die Klage und die Rechtsanwälte F. … & Partner in Bezug auf die Widerklage.

Im Ausgangspunkt ist es allerdings zutreffend, dass dann, wenn wie hier der Beklagte Widerklage erhebt, der Kläger grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten hat, die dadurch entstanden sind, dass er – und sei es auf Weisung eines Haftpflichtversicherers – zur Verteidigung gegen die Widerklage einen anderen als den im Klageverfahren tätigen Rechtsanwalt betraut hat (OLG Nürnberg MDR 2011, 1284; OLG Stuttgart/Senat, Beschluss vom 07.03.2014, Az. 8 W 93/14, Beschluss vom 27.11.2017, Az. 8 W 386/16 sowie Beschluss vom 17.10.2019 Az. 8 W 14/19 [jeweils nicht veröffentlicht]). Erstattungsfähig sind insoweit grundsätzlich nur die fiktiven Kosten eines Rechtsanwalts.

Der Umstand, dass nach den im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Haftpflichtversicherung geltenden Versicherungsbedingungen der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt hat, Vollmacht zu erteilen hat, rechtfertigt es nicht, dem Gegner die hierdurch entstehenden Mehrkosten aufzuerlegen. Vielmehr erfordert die Erstattungsfähigkeit solcher Mehrkosten das Vorliegen eines besonderen sachlichen Grundes für die Einschaltung von zwei Rechtsanwälten, der im Falle eines „normalen“ Verkehrsunfalls nicht gegeben ist, da eine Interessenkollision nicht besteht wie etwa bei einem manipulierten Unfall (BGH NJW-RR 2004, 536 m.w.N.; vgl. ebenso OLG Stuttgart/Senat, Beschluss vom 07.03.2014, Az. 8 W 93/14, Beschluss vom 27.11.2017, Az. 8 W 386/16, sowie Beschluss vom 17.10.2019, Az. 8 W 14/19, alle mit Widerklage und Drittwiderklage [jeweils nicht veröffentlicht]).

Kostenerstattungsrechtlich ist es deshalb verfehlt, allein auf ein Prozessführungsrecht des Haftpflichtversicherers – oder gar ein besonderes Vertrauensverhältnis – zu verweisen, um solche Mehrkosten zur Festsetzung zu bringen (OLG Köln, Beschluss vom 19.12.2006, Az. 17 W 255-261/06, zitiert nach JURIS, m.w.N.).

Im hier vorliegenden Einzelfall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Kläger und der Beklagte Ziff. 1 bei derselben Haftpflichtversicherung versichert sind, nämlich bei der … (der Beklagten Ziff. 2). Hieraus resultiert eine Interessenkollision, auf die der Kläger in seiner Beschwerde zu Recht hingewiesen hat: Der mit der Klage gegen die Beklagten Ziff. 1 und 2 beauftragte Rechtsanwalt muss den Kläger in dieser Rolle unter anderem gegen die … (Beklagte Ziff. 2) vertreten. Neben dieser in Bezug auf die Bekl. Ziff. 2 gegnerischen Rolle müsste er darüber hinaus, wenn er den Kläger auch hinsichtlich der Widerklage verträte, Ansprüche des widerklagenden Beklagten Ziff. 1 abwehren, die die Bekl. Ziff. 2 als zugleich eigener Haftpflichtversicherer des Klägers zu bedienen hätte. Er wäre daher insofern in einer Abwehrrolle zugunsten der Bekl. Ziff. 2. Der Anwalt stünde daher in ein und demselben Rechtsstreit zugleich in Gegnerschaft zum Haftpflichtversicherer und an seiner Seite. Der Interessengegensatz in Fällen, in denen Kläger und Beklagter bei demselben Versicherer haftpflichtversichert sind, rechtfertigt im Falle der Streitgenossenschaft von Fahrer/Halter und Versicherer kostenrechtlich ausnahmsweise die Beauftragung verschiedener Anwälte (vgl. Schulz in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 6. Auflage 2020, § 100 ZPO, Rdnr. 23; vgl. dazu auch LG Mainz, AGS 2019, 149 [Widerklage nur erwogen]). Dies muss auch dann gelten, wenn es wie hier um die Vertretung des Klägers hinsichtlich der Klage einerseits und hinsichtlich der Widerklage andererseits geht. In dieser besonderen Konstellation ist die Vertretung durch zwei Rechtsanwälte geboten und daher auch kostenrechtlich ausnahmsweise nicht zu beanstanden.

Es ergeben sich damit auf Seiten des Klägers außergerichtliche Kosten in Höhe von insgesamt € 4.107,77, von denen die Beklagten Ziff. 1 und 2 als Gesamtschuldner die Hälfte – mithin € 2.053,89 – zu tragen haben. Die angegriffene Kostenfestsetzung war entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, Nr. 1812 KV GKG.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Rechtsgebiet: Zivilprozessrecht / Verfahrensrecht
    • Rechtsnormen: § 91 ZPO (Zivilprozessordnung)

    Der Text beschäftigt sich stark mit den Kosten eines Rechtsstreits, insbesondere den Anwaltskosten und ihrer Erstattungsfähigkeit. Gemäß § 91 ZPO ist die unterliegende Partei dazu verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, einschließlich der Anwaltskosten der Gegenpartei. Die Textpassage befasst sich explizit mit der Situation, in der verschiedene Anwälte in einem Rechtsstreit beauftragt werden und ob die damit verbundenen Mehrkosten erstattungsfähig sind.

  2. Rechtsgebiet: Schadensersatzrecht / Deliktsrecht
    • Rechtsnormen: §§ 823 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)

    Der Text geht auf den Kontext eines Verkehrsunfalls ein, was das Schadensersatzrecht und speziell das Deliktsrecht relevant macht. Bei einem Verkehrsunfall können Schäden entstehen, für die der Verursacher haften muss. Gemäß §§ 823 ff. BGB haftet jeder, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Dies schließt auch die Verpflichtung ein, den durch den Unfall verursachten Schaden zu ersetzen.

  3. Rechtsgebiet: Versicherungsrecht
    • Rechtsnormen: VVG (Versicherungsvertragsgesetz)

    Der Text beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen dem Kläger und seiner Haftpflichtversicherung, insbesondere der Frage, wer im Falle eines Rechtsstreits die Prozessführung übernehmen sollte. Das Versicherungsrecht, speziell das VVG, enthält Regelungen dazu, wie Versicherungsverträge abgeschlossen werden, welche Pflichten Versicherer und Versicherungsnehmer haben und wie im Falle eines Schadens verfahren wird.

  4. Rechtsgebiet: Anwaltsrecht
    • Rechtsnormen: BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung)

    Das Anwaltsrecht kommt ins Spiel, da im Text verschiedene Anwälte in einem Rechtsstreit beauftragt werden. In der BRAO sind unter anderem die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, die Rechte und Pflichten von Rechtsanwälten sowie die Berufshaftpflichtversicherung geregelt. Dies könnte relevant werden, wenn es um die Frage geht, ob und inwiefern es zulässig und angemessen ist, dass verschiedene Anwälte in einem Rechtsstreit beauftragt werden.

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