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Verkehrsunfall – Fahrzeugbeschädigung vor Eheschließung durch Verlobten

LG Limburg – Az.: 3 S 109/20 – Urteil vom 26.03.2021

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Wetzlar vom 10.09.2020 (Aktenzeichen: 32 C 1157/19 (34) abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.414,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.06.2020 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.414,07 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger war Eigentümer eines Audi A6, den er mit Kaufvertrag vom 12.01.2017 zu einem Kaufpreis von 4.500,00 Euro erworben hatte. Der Kläger überließ der Beklagten am 04.04.2018 das Fahrzeug und die Beklagte beschädigte das Fahrzeug, indem sie auf ein anderes, stehendes Fahrzeug auffuhr. Am 18.08.2018 heirateten die Parteien. Im November 2018 kam es zur Trennung der Parteien. Hinsichtlich des Schadens an dem Kfz ließ der Kläger ein Sachverständigengutachten erstellen, das auf den 15.02.2019 datiert und er veräußerte das Fahrzeug im Anschluss unrepariert. Er forderte mit anwaltlichem Schreiben vom 10.04.2019 die Beklagte zur Zahlung von 2.414,07 Euro Schadensersatz auf und setzte ihr hierfür eine Zahlungsfrist bis zum 30.04.2019.

Der Kläger hat auf Basis des eingeholten Gutachtens den Schadensersatzanspruch wie folgt beziffert:

  • Wiederbeschaffungswert: 2.000,00 Euro
  • Restwert: – 100,00 Euro
  • Gutachterkosten: 489,07 Euro
  • Unkostenpauschale: 25,00 Euro
  • Saldo: 2.414,07 Euro

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in vorgenannter Höhe zustehe und er weiterhin einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro habe. Der Anspruch sei auch nicht verwirkt. Es seien weder das Umstands- noch das Zeitmoment gegeben. Im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls seien die Parteien nicht verheiratet gewesen und für eine Haftungsprivilegierung sei ohnehin kein Raum, da sich der Unfall im Straßenverkehr abgespielt habe. Auch ein konkludenter Haftungsausschluss sei nicht anzunehmen. Ein Teilkaskoversicherer sei nicht in Anspruch genommen worden.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.414,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Anspruch auf Schadensersatz verwirkt sei, da der Kläger sich erst nach der Trennung entschlossen habe, die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, um seiner Ehefrau zu schaden. Die Beklagte habe aufgrund der Eheschließung nicht mehr mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen rechnen müssen. Auch sei ein Verstoß gegen das Schikaneverbot gegeben. Weiterhin werde aufgrund der zwischenzeitlichen Veräußerung des Fahrzeuges im Februar 2019 die Schadenshöhe bestritten. Aufgrund des Gutachtens ergebe sich, dass an dem Fahrzeug der Scheinwerfer vorne links eingedrückt und verschoben sei, sowie der Erneuerung bedürfe. Es habe zum Unfallzeitpunkt für das Fahrzeug eine Teilkaskoversicherung bestanden, sodass der Kläger einen Teil des Schadens (Ss. vom 23.12.2020, Bl. 50 d.A.) gegenüber der Teilkaskoversicherung geltend machen müsse. Auch der Restwert sei zu bestreiten, denn dieser sei mit 100,00 Euro nicht nachvollziehbar.

Verkehrsunfall - Fahrzeugbeschädigung vor Eheschließung durch Verlobten
(Symbolfoto: Prostock-studio/Shutterstock.com)

Das Amtsgericht Wetzlar hat mit Urteil vom 10.09.2020 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob der Anspruch der Höhe nach gegeben sei, da er jedenfalls verwirkt sei. Sowohl Umstands- als auch Zeitmoment seien gegeben. Es liege zwar nur eine Spanne von ca. einem Jahr zwischen Unfall und Geltendmachung des Schadens, aber aufgrund der Umstände des Einzelfalles sei dies ausreichend. Die Beklagte habe aufgrund der Eheschließung darauf vertrauen dürfen, dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen unterbleiben werde. Sie habe von einem stillschweigenden Verzicht auf den Anspruch ausgehen dürfen.

Der Kläger vertritt mit der Berufung die Auffassung, dass das Amtsgericht § 242 BGB unzutreffend angewandt habe. Es sei kein Fall der Verwirkung gegeben. Auch bei Ehegatten gäbe es bei Unfällen im Straßenverkehr keinerlei Haftungsprivilegierung und weder das Umstands- noch das Zeitmoment seien gegeben. Der Kläger habe weder ausdrücklich einen Verzicht erklärt, noch sei aufgrund der Umstände von einem konkludenten Haftungsverzicht auszugehen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.414,07 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte in Höhe von 334,75 Euro nebst 5 % Zinsen seit Erstellung des Mahnbescheides zu zahlen, hilfsweise den Kläger vor dieser Forderung freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt zur Begründung des Antrages aus, dass das erstinstanzliche Urteil nicht zu beanstanden sei. Die Ansprüche der Ehegatten würden sich gegen die Haftpflichtversicherung richten, die eintrittspflichtig sei. Der Anspruch sei auch verwirkt. Die Beklagte hätte den Kläger nicht geheiratet, wenn der Kläger seine Ansprüche vor der Hochzeit geltend gemacht hätte. Die Hochzeit sei als konkludente Verzichtserklärung zu werten. Nach Kenntnis des Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien die Parteien inzwischen wieder zusammen. Die Beklagte könne sich auch nicht hälftig an den Kosten wie in „Doppelverdiener-Ehe“ beteiligen, denn sie mache derzeit eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin.

II.

Die Berufung ist zulässig und auch begründet.

Es kann dahinstehen, ob vorliegend eine sonstige Familiensache im Sinne von § 266 FamFG gegeben ist, da nach § 17a Abs. 5, 6 GVG die Berufungskammer vorliegend die zumindest stillschweigend seitens des Amtsgerichts angenommene Zuständigkeit nicht zu prüfen hat.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.414,07 Euro zu.

Die Beklagte hat bei einem Unfall, der sich im Straßenverkehr ereignete, ein Kraftfahrzeug beschädigt, das im Unfallzeitpunkt im Eigentum des Klägers stand und ist hiernach zu Erstattung des unfallkausal entstandenen Schadens verpflichtet.

Der Anspruch ist auch nicht verwirkt.

Die zeitlich nach dem Verkehrsunfall erfolgte Eheschließung ist kein Umstand, der es treuwidrig erscheinen lässt, dass der Kläger Schadensersatzansprüche geltend macht. Darüber hinaus ist bei einer Geltendmachung eines Anspruches zirka ein Jahr nach Anspruchsentstehung auch das Zeitmoment nicht gegeben.

Auch während der bestehenden Ehe kann einem Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten ein deliktischer Schadensersatzanspruch zustehen. Eine entsprechende Anwendung der Haftungsprivilegierung des § 1359 BGB auf den vor Eheschließung entstandenen Anspruch scheitert bereits daran, dass § 1359 BGB sich nur auf Ansprüche im häuslichen Bereich bezieht und für Ansprüche aus dem Straßenverkehr eine Anwendung generell ausgeschlossen ist. Im Straßenverkehr kann sich niemand darauf berufen, dass er gewöhnlich sorglos sei (BGHZ 53, 352; BGHZ 61, 101; BGHZ 63, 51; BGH NJW 2009, 1875).

Weiterhin ist kein Raum für die Annahme eines stillschweigenden Haftungsausschlusses zwischen den Parteien. Der Kläger hat der Beklagten sein Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt, damit war zwischen den Parteien nicht die Erwartung verknüpft, dass die Beklagte für eine Beschädigung des Fahrzeuges nicht, oder nur eingeschränkt haften sollten. Auch kann in der späteren Eheschließung kein stillschweigender Verzicht auf deliktische Ansprüche gesehen werden.

Es kann auch nicht im vorliegenden Einzelfall aus § 1353 Abs. 1 BGB hergeleitet werden, dass während der bestehenden Ehe der deliktische Anspruch nicht geltend gemacht werden kann. Ein Gebot, zunächst von der Geltendmachung des Anspruches abzusehen, kann nur dann im Einzelfall angenommen werden, wenn der schädigende Ehegatte sich im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten bemüht hat, den Schäden auszugleichen (vgl. BGHZ 53, 352; BGH NJW 1988, 1208). Ein solcher Versuch der Schadenswiedergutmachung ist jedoch nicht dargetan. Die Beklagte trägt vielmehr im Berufungsverfahrung vor, dass sie, da sie sich in der Ausbildung befinde, sich nicht an den Kosten beteiligen könne. Es kann vor diesem Hintergrund auch dahinstehen, ob die Parteien sich wieder versöhnt haben. Weiterhin war der Kläger auch nicht verpflichtet, eine eventuell bestehende Teilkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, dass er die Versicherung in Anspruch genommen habe wird nicht dargetan.

Es sind auch keine Umstände dargetan, nach denen sich die Durchsetzung des Anspruches (nach Trennung) als Schikane darstellen würde.

Auch soweit die Beklagte die Schadenshöhe bestritten hat, ist dies unerheblich. Der Kläger hat den Schaden anhand eines Sachverständigengutachtens substantiiert dargetan und begehrt die Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert), Gutachterkosten, sowie die Erstattung einer Kostenpauschale. Er beziffert nach Maßgabe des Gutachtens den Restwert mit 100,00 Euro. Die Beklagte hat diesen Wert zwar bestritten und darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug (unstreitig) im Februar 2019 veräußert wurde. Die Beklagte behauptet jedoch nicht, dass der Kläger einen Restwert über 100,00 Euro hinaus erzielt habe. Sie trägt lediglich vor, dass der Restwert nicht nachvollziehbar sei und bietet insoweit Sachverständigenbeweis an. Dem war nicht nachzugehen, da die Kammer in der Lage ist, aufgrund der seitens des Klägers eingeholten Gutachtens den Schaden zu schätzen. Ausweislich dieses Gutachtens wurde der bei dem Unfall beschädigte Audi A6 am 05.11.2001 erstmalig zugelassen und hatte im Zeitpunkt der Begutachtung 251.813 Kilometer Laufleistung. Ausweislich des Kaufvertrages vom 12.01.2017 hatte es an diesem Tage bereits eine Laufleistung von 198.381 Kilometer. Dem Gutachten liegen weiterhin als Anlagen zwei Restwertangebote bei und aus diesen beiden Restwertangeboten, die sich beide auf das unfallbeschädigte Kraftfahrzeug beziehen, lässt sich einmal ein Restwertangebot von 30,00 Euro sowie einmal ein Restwertangebot von 100,00 Euro ersehen. Ein solcher Restwert erscheint auch nach allgemeiner Lebenserfahrung bei einer unfallbedingten Beschädigung eines Frontscheinwerfers eines Kraftfahrzeuges mit hoher Laufleistung und über 16 Jahren Nutzung plausibel.

Dem Kläger stehen weiterhin gemäß §§ 286, 288 BGB Verzugszinsen zu und er hat einen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in zuerkannter Höhe. Hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten wird der Antrag so ausgelegt, dass einen Tag nach Zustellung des Mahnbescheides die Zinsen begehrt werden (Beginn der Verzinsungspflicht einen Tag nach Verzug).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Die Schuldnerschutzanordnungen unterbleiben, weil die Voraussetzungen, nach denen ein Rechtsmittel stattfindet, nicht vorliegen (§§ 713, 544 ZPO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 GKG, 3 ZPO.

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