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Verkehrsunfall im Zusammenhang mit Überholvorgang

Haftungsrechtliches Urteil zu Überholmanöver-Unfall auf Landstraße 92

In einem Verkehrsunfall, der während eines Überholmanövers entstand, wurde der Kläger teilweise geschädigt und verklagte daraufhin die Beklagten auf Schadenersatz. Das Gericht entschied, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger Schadenersatz zu leisten haben, wobei eine Haftungsquote von 80 % zu Lasten der Beklagten festgelegt wurde. Die Kosten des Rechtsstreits wurden anteilig aufgeteilt, und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 O 27/21 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt worden.
  2. Eine Haftungsquote von 80 % wurde zu Lasten der Beklagten festgelegt.
  3. Der Kläger erhält Schadenersatz für verschiedene Schadenspositionen, einschließlich Reparaturkosten und Nutzungsausfall.
  4. Das Gericht hat ein Feststellungsinteresse des Klägers für zukünftige Schäden anerkannt.
  5. Die Kosten des Rechtsstreits wurden anteilig aufgeteilt.
  6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  7. Die Beweisaufnahme und die Zeugenaussagen spielten eine wesentliche Rolle bei der Urteilsfindung.
  8. Verhaltensweisen beider Parteien, insbesondere im Zusammenhang mit dem Überholmanöver, wurden detailliert bewertet.

Rechtliche Herausforderungen bei Überholmanövern

Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit Überholvorgängen sind keine Seltenheit und bringen oft komplexe rechtliche Fragen mit sich. Die Abklärung der jeweiligen Haftung stellt eine entscheidende Herausforderung dar, insbesondere wenn es um die Klärung von Schuld und Schadensersatzansprüchen geht. Insbesondere für Motorradfahrer gelten besondere Regeln und Einschränkungen im Hinblick auf Überholvorgänge. Auffahrunfälle nach Abschluss eines Überholmanövers können außerdem von einem Anscheinsbeweis geprägt sein. Eine sorgfältige Analyse sowohl der individuellen Umstände als auch der einschlägigen Rechtsprechung ist entscheidend, um in solchen Fällen eine gerechte Lösung zu erzielen.

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Verkehrsunfall: Überholmanöver als Ursache
Crash beim Überholen: Rechtliche Folgen (Symbolfoto: ILYA AKINSHIN /Shutterstock.com)

Bei einem Verkehrsunfall auf der Landstraße 92, der während eines Überholmanövers entstand, kam es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und den Beklagten, die vor dem Landgericht Lübeck verhandelt wurde. Der Kläger, der hinter einem Traktor und zwei weiteren Fahrzeugen fuhr, entschied sich zu überholen, nachdem ein Überholverbot aufgehoben wurde. Während seines Überholvorgangs kollidierte er jedoch mit dem Vorderrad des Traktors, was zu erheblichen Schäden an seinem Fahrzeug führte.

Schadensersatzforderungen nach einem Überholmanöver

Der Kläger machte diverse Schäden geltend, darunter Reparaturkosten in Höhe von über 39.000 Euro, Nutzungsausfall, Wertminderung und Sachverständigenkosten, die insgesamt eine erhebliche finanzielle Belastung darstellten. Trotz sofortiger Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung, die einen Großteil der Kosten deckte, blieben dem Kläger ungedeckte Schäden, für die er die Beklagten zur Verantwortung ziehen wollte.

Die rechtliche Herausforderung des Überholens

Die zentrale rechtliche Frage dieses Falles drehte sich um die Haftungsverteilung zwischen den Parteien. Während der Kläger behauptete, die Beklagte zu 2 habe plötzlich und ohne vorherige Ankündigung ausgeschert, wodurch ihm keine andere Möglichkeit blieb, als nach rechts auszuweichen und dabei den Unfall zu verursachen, führten die Beklagten an, dass der Kläger die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe. Die Klärung dieser Situation erforderte eine detaillierte Beweisaufnahme und die Berücksichtigung von Zeugenaussagen.

Komplexe Beweislage und Entscheidungsfindung

Das Gericht musste die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen bewerten und feststellen, inwieweit das Verhalten der Beklagten zu 2. als Ursache für den Unfall angesehen werden kann. Die Bewertung der Zeugenaussagen und des Verhaltens beider Parteien führte zu der Entscheidung, dass die Beklagten eine überwiegende Schuld am Unfall trugen, was sich in einer Haftungsquote von 80 % zu ihren Lasten niederschlug.

Haftungsquote und Schadensregulierung

Aufgrund der festgestellten Haftungsquote wurden die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz an den Kläger verurteilt. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, sämtliche aus dem Unfall resultierenden Schäden zu ersetzen, was dem Kläger ein gewisses Maß an rechtlicher Sicherheit für zukünftig entstehende Schäden bietet.

Fazit: Das Landgericht Lübeck entschied, dass die Beklagten aufgrund ihres überwiegenden Verschuldens am Zustandekommen des Unfalls dem Kläger Schadensersatz zu leisten haben. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der sorgfältigen Bewertung von Überholmanövern und der damit verbundenen Risiken sowie die Rolle der Beweisaufnahme und der Zeugenaussagen in solchen Verfahren.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall bestimmt?

Die Bestimmung der Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall ist ein komplexer Prozess, der von den spezifischen Umständen jedes einzelnen Falles abhängt. Grundsätzlich haftet der Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung für die entstandenen Sach- und Personenschäden. Sind mehrere Verkehrsteilnehmer für den Unfall verantwortlich, wird die Haftung nach dem jeweiligen Verschulden aufgeteilt, indem eine Haftungsquote gebildet wird.

Die allgemeine Betriebsgefahr eines Pkw beträgt 20–25 %, bei Lkw 30–40 %. Diese Werte gelten jedoch nur, wenn auch dem Unfallgegner ein Verschulden am Unfall trifft. Bei unklarem Unfallhergang und ohne nachweisbares Verschulden eines Beteiligten kann es zu einer Haftungsquote von 50 % zu Lasten jedes Beteiligten kommen.

Die Haftungsquote wird durch die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs und etwaige Verstöße gegen Verkehrsvorschriften bestimmt. Jeder Verstoß gegen eine Bestimmung des Straßenverkehrsrechts erhöht die Betriebsgefahr und somit die Haftungsquote.

Bei der Bestimmung der Haftungsquote sind sowohl die Verursachung des Schadens als auch etwaige Verschuldensbeiträge zu berücksichtigen. Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Geschädigten bleibt unberücksichtigt, wenn dem Schädiger ein überragendes Fehlverhalten zur Last fällt und auf Seiten des Geschädigten keine erhöhte Betriebsgefahr und kein Verschuldensvorwurf besteht.

Die konkrete Haftungsquote ist immer im Einzelfall zu bestimmen, wobei Quotentabellen eine erste Einschätzung ermöglichen können. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Eingreifen des Anscheinsbeweises.

In der Praxis haben sich für häufig vorkommende Unfallsituationen, wie etwa Unfälle beim Wenden oder Überholen, bestimmte Standardquoten für die Haftungsverteilung herausgebildet. Diese Standardquoten dienen als Orientierung, jedoch ist die individuelle Situation jedes Unfalls entscheidend.

Für eine genaue Bestimmung der Haftungsquote und die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen kann die Unterstützung durch einen Rechtsanwalt im Verkehrsrecht von Vorteil sein, da dieser die Interessen des Mandanten vertritt und bei der Kommunikation mit Versicherungen, Behörden und anderen Beteiligten unterstützt.

Welche Rolle spielen Zeugenaussagen bei der Klärung von Unfallhergängen?

Zeugenaussagen spielen eine entscheidende Rolle bei der Klärung von Unfallhergängen, da sie wichtige Informationen über den Ablauf und die Umstände eines Unfalls liefern können. Sie ermöglichen es, ein detaillierteres Bild des Geschehens zu rekonstruieren, insbesondere wenn der Unfallhergang unklar ist oder es widersprüchliche Angaben gibt. Zeugenaussagen können zur Identifizierung von Tatverdächtigen, zur Beschreibung des Unfallablaufs und zur Feststellung von Verantwortlichkeiten beitragen.

In rechtlichen Auseinandersetzungen, wie bei der Klärung von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall, stützen sich Gerichte häufig auf Zeugenaussagen, um den Unfallhergang zu rekonstruieren und die Schuldfrage zu klären. Dabei werden Zeugenaussagen oft durch Sachverständigengutachten ergänzt, um eine objektive Bewertung des Unfallgeschehens zu ermöglichen. Sachverständige können aufgrund ihrer fachlichen Expertise komplexe technische Zusammenhänge erläutern und so zur Klärung des Unfallhergangs beitragen.

Allerdings ist bei der Bewertung von Zeugenaussagen Vorsicht geboten, da die Erinnerung von Zeugen durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden kann, wie z.B. die Zeit, die seit dem Unfall vergangen ist, oder psychologische Effekte, die die Wahrnehmung und Erinnerung verzerren können. Daher ist es wichtig, Zeugenaussagen kritisch zu prüfen und sie im Kontext anderer Beweismittel zu betrachten.

Die Polizei und Versicherungen nutzen Zeugenaussagen, um Unfallprotokolle zu erstellen und den Unfallhergang zu dokumentieren. Diese Protokolle sind entscheidend für die weitere Bearbeitung von Unfällen, insbesondere wenn es um die Regulierung von Schäden oder die rechtliche Aufarbeitung geht.

Insgesamt sind Zeugenaussagen ein unverzichtbares Element bei der Aufklärung von Unfallhergängen. Sie tragen dazu bei, ein umfassendes Verständnis des Geschehens zu entwickeln und die Grundlage für rechtliche Entscheidungen zu schaffen. Dennoch ist es wichtig, ihre Grenzen und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Bewertung im Kontext anderer Beweismittel zu erkennen.


Das vorliegende Urteil

LG Lübeck – Az.: 9 O 27/21 – Urteil vom 28.07.2023

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.117,50 € nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.08.2020 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.713,78 € nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.2021 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche Schäden, die diesem aus dem Unfall vom 20.04.2020 auf der Landstr. 92, Km 3,4 Abschnitt 220,….., …… um ca. 08:45 Uhr entstanden sind oder noch entstehen werden, unter Berücksichtigung einer Haftungsquote der Beklagten von 80 % zu ersetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 32 % und die Beklagten zu 68 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Der Streitwert wird bis zum 06.05.2021 auf bis zu 20.000,00€ und für die Zeit danach auf bis zu 13.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom 20.04.2020.

Der Kläger fuhr mit seinem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …..auf der L92 Richtung Braak. Vor ihm fuhren zwei weitere Fahrzeuge hinter einem Traktor. Die Beklagte zu 2. fuhr mit dem Pkw der Marke Volvo, mit dem amtlichen Kennzeichen ….., dessen Halterin die Beklagte zu 1. ist, hinter dem Traktor. Das Fahrzeug der Beklagtenseite ist bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversichert. Der Kläger begann, nachdem zuvor ein Überholverbot aufgehoben wurde, einen Überholvorgang. Während des Überholvorgangs kam der Kläger mit seinem Fahrzeug gegen das Vorderrad des Traktors und schrammte daran entlang. Der genaue Ablauf des Geschehens ist zwischen den Parteien streitig. Eine Berührung zwischen den Fahrzeugen der Parteien fand nicht statt. Der Kläger machte Reparaturkosten in Höhe von 39.463,01 €, Nutzungsausfall in Höhe von 7.875,00 €, eine Wertminderung in Höhe von 2.500,00 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 2.357,99 € sowie eine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € geltend. Die Beklagte zu 3. wurde mit Schreiben vom 20.04.2020 und unter Fristsetzung bis zum 27.04.2020 zur Zahlung aufgefordert. Im weiteren Verlauf nahm der Kläger seine Vollkaskoversicherung in Anspruch, woraufhin er von der Vollkaskoversicherung einen Betrag in Höhe von 39.163,01 € nach Abzug der Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 € erhielt. Der Kläger macht ebenfalls einen Höherstufungsschaden in Höhe von 2.877,87 € unter Berufung auf eine Schätzung seiner Versicherung geltend.

Die Beklagte zahlte nach Klagerhebung einen Betrag in Höhe von 8.237,99 €. Der Betrag umfasste die Zahlung auf die Wertminderung in Höhe von 2.500,00 €, die Sachverständigenkosten in Höhe von 2.357,99 €, Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 €, Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 3.062,50 €, sowie die Nebenkostenpauschale in Höhe von 17,50 €.

Der Kläger behauptet, er habe sich nach Aufhebung des Überholverbotes vergewissert, dass kein Gegenverkehr herrscht und kein anderes Fahrzeug überholen wollte. Dann habe er zum Überholvorgang angesetzt. Die Beklagte zu 2. sei, als er das erste vor ihm fahrende Fahrzeug bereits überholt hatte, plötzlich und ohne Blinker oder Schulterblick ausgeschert, um ihrerseits den Trecker zu überholen, obwohl sich der Kläger mit seinem Fahrzeug unmittelbar neben dem von ihr gelenkten Fahrzeug auf Höhe der Fahrertür befand.

Der Kläger habe versucht, nach links auszuweichen, um eine Kollision zu verhindern. Da sich weiter links der Straßengraben befand sei er gezwungen gewesen nach rechts zu lenken und kam aufgrund der Schaukelbewegung an das Vorderrad des Treckers. Der Unfall sei für den Kläger unvermeidbar gewesen.

Das Fahrzeug sei in der Folge für 45 Tage zur Nutzung ausgefallen. Ebenfalls liege aufgrund des zu erwartenden Höherstufungsschadens ein Feststellungsinteresse vor.

Der Kläger hat ursprünglich mit dem Klagantrag zu 1. eine Zahlung in Höhe von 15.935,86 € begehrt. Mit Schriftsatz vom 06.05.2021 hat er den Anspruch teilweise für erledigt erklärt. Die Beklagten haben sich dieser Teilerledigungserklärung angeschlossen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 7.697,87 € nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.08.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.955,06 € nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.2021 zu zahlen.

3. Festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche Schäden, die diesem aus dem Unfall vom 20.04.2020 auf der Landstr. 92, Km 3,4 Abschnitt 220,22946 Brunsbek, …… um ca. 08:45 Uhr entstanden sind oder noch entstehen werden, zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 2. habe den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und habe sich etwas zur Fahrbahnmitte eingeordnet, um an dem vorausfahrenden landwirtschaftlichen Gerät vorbeischauen zu können. Der Kläger habe die Kontrolle über sein Fahrzeug im Rahmen des Überholvorgangs verloren. Die Beklagte ist der Auffassung, es sei lediglich eine Haftungsquote von 70 % anzusetzen. Bei der Nutzungsentschädigung seien lediglich 25 Tage anzusetzen gewesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig, auf Seiten des Klägers liegt insbesondere das notwendige Feststellungsinteresse vor. Der Kläger kann den Anspruch über den bereits bezifferten Schaden hinaus insgesamt im Wege der Feststellungsklage geltend machen. Das hierfür erforderliche und von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist für den künftigen Schaden zu bejahen, weil noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Rückstufung im Vermögen des Klägers tatsächlich nachteilig auswirken wird (vgl. BGH VersR 1992. 244). Soweit der Antrag des Klägers den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung betrifft, könnte die Klägerin den Schaden zwar beziffern. Doch ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig, weil sich der Schaden noch in der Fortentwicklung befindet (vgl. BGH VersR 1991,7881).

II. Die Klage ist teilweise begründet.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 2.117,50 € gemäß §§ 7 Abs.1, 2, 17,18 StVG, § 823 BGB i.V.m. § 115 VVG zu.

a) Der Verkehrsunfall ereignete sich bei Betrieb des Beklagtenfahrzeugs.

Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ ist weit auszulegen. Hier ist ausreichend, wenn sich eine von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr mit ausgewirkt hat und das Schadengeschehen in dieser Weise durch das Fahrzeug mitgeprägt worden ist. Das wäre nicht anzunehmen, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will. Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es darauf an, ob sich der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang des Fahrzeugs abgespielt hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Führer des im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs verkehrswidrig verhalten hat. Die bloße Anwesenheit genügt demgegenüber für eine Haftung nicht. Insbesondere bei einem Unfall ohne Berührung, wie er vorliegend gegeben ist, ist Voraussetzung für die Zurechnung, dass über die bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten des Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat (BGH, Urt. v. 22. 11. 2016 – VI ZR 533/15, r+s 2017, 95).

Die Beklagte selbst gab an, dass sie beabsichtigte den Trecker zu überholen und dafür etwas nach links, maximal bis zur Mittellinie, gefahren zu sein. Als sie gesehen habe, dass das klägerische Fahrzeug kam, sei sie direkt zurückgezogen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich das klägerische Fahrzeug auf Höhe ihrer Hinterreifen befunden. Bereits aus diesem Vortrag ergibt sich ein Fahrverhalten der Beklagtenseite, welches über eine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinausgeht. Dieses Fahrverhalten hat das Fahrverhalten des Klägers mit Rücksicht auf den zeitlichen und örtlichen Zusammenhang beeinflusst.

b) Bei der Abwägung der jeweiligen Verschuldensbeiträge nach § 17 StVG war von einer Haftung der Beklagtenseite in Höhe von 80 % auszugehen.

Für die Beurteilung der Verursachungsbeiträge ist nach § 17 Abs. 1 StVG auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzustellen. Bei der Abwägung sind lediglich unstreitige, zugestandene oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jeder Halter hat dabei grundsätzlich die Umstände zu beweisen, welche dem anderen zum Verschulden reichen und aus denen er für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (OLG Schleswig, Beschluss v. 30.01.2020 – 7 U 210/19, NJW-RR 2020, 800).

aa) Auf Seiten der Beklagten ist ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 StVO anzunehmen. Nach dieser Vorschrift hat sich derjenige, welcher zum Überholen ausscheren will, so zu verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Dabei treffen den Verkehrsteilnehmer gesteigerte Sorgfaltspflichten. Aufgrund dieser gesteigerten Sorgfaltspflichten spricht für ein Verschulden – wie auch bei § 7 Abs. 5 StVO, wonach das Wechseln des Fahrstreifens ebenfalls nur gestattet ist, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist – der Beweis des ersten Anscheins, wenn sich ein Unfall im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Überholvorgang ereignet hat (OLG Rostock Beschl. v. 10.7.2015 – 5 U 67/14, BeckRS 2016, 10158).

Dabei war zunächst davon auszugehen, dass die Beklagte zum Überholen ausscherte. Sie gab im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung selbst an, dass sie beabsichtigte den Trecker zu überholen und sich daher nach links orientierte. Nach ihren eigenen Angaben habe sie die Mittellinie jedoch noch nicht überfahren.

Demgegenüber bekundete die Zeugin ….., die Beklagte sei im Zuge dessen bereits über die Mittellinie hinausgefahren, als sie zu dem Zeitpunkt ausscherte, als sich das klägerische Fahrzeug bereits auf Höhe des Beklagtenfahrzeugs befunden hat. Diese Angaben sind nachvollziehbar und widerspruchsfrei und daher glaubhaft.

Die Zeugin ….. bekundete zwar zunächst, dass sie nicht wisse, ob das Beklagtenfahrzeug zum Überholen angesetzt habe oder der Wagen so geblieben ist, wie er war. Auf Vorhalt der E-Mail, welche die Zeugin in nahem zeitlichen Zusammenhang an den Klägervertreter verfasste (Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.01.2022, Bl.73 d. A.), und in welcher sie geschrieben hatte, dass die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs in dem Moment, als der Kläger auf deren Höhe war, entschied, zum Überholen ausscheren zu können, bekundete die Zeugin, dass dies wohl aktueller gewesen sein wird. Sie könne nicht sagen, wie sich die Beklagte verhalten habe, also ob sie noch weiter nach links gefahren sei. Wenn sie aber damals geschrieben habe, dass ein aktives Ausscheren nach links durch die Beklagte erfolgte, dann werde das so gewesen sein. Die Angaben der Zeugin waren nachvollziehbar und widerspruchsfrei, sie räumte ebenfalls Erinnerungslücken ein. Dabei ist es für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht nachteilig, dass sie sich zu dem Zeitpunkt nicht daran erinnern konnte, ob die Beklagte zu 2. zum Überholen ausscheren wollte. Im Zusammenhang mit der nach dem Unfall erstellten E-Mail und der Bestätigung, dass diese E-Mail von der Zeugin stammte und es aufgrund des geringeren zeitlichen Abstandes sich dann so ereignet habe, wie in der E-Mail geschildert, legte sie diese Erinnerungslücke nachvollziehbar dar.

Aufgrund der Abgabe der Zeugin ….., dass die Angaben in der E-Mail aktueller seien und es nach ihrer Erinnerung damals so gewesen sei, dass die Beklagte aktiv ausgeschert sei, welche darüber hinaus mit den Angaben der Zeugin ….. und des Klägers dahingehend übereinstimmt, dass die Beklagte zum Überholvorgang angesetzt habe, als sich das Fahrzeug des Klägers bereits auf Höhe des Beklagtenfahrzeugs befunden habe, ist das Gericht ausreichend davon überzeugt, dass die Beklagte zu 2. zum Überholen ansetzte.

Den oben geschilderten Anscheinsbeweis dafür, dass die Beklagte sich zuvor nicht hinreichend versicherte, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts entkräftet.

Die Beklagte gab zwar im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung an, dass sie bevor sie beabsichtigte zu überholen auch den Schulterblick betätigte und sich vergewisserte, dass die Strecke frei ist. Das Fahrzeug des Klägers sei ihr jedoch erst aufgefallen, als sich dieses auf Höhe ihrer Hinterreifen befunden habe. Insbesondere gab auch die Zeugin ….. nachvollziehbar und daher glaubhaft an, dass sie das klägerische Fahrzeug bereits wahrgenommen habe, als es sich noch hinter ihr auf der Gegenfahrbahn befunden habe. Auch nach diesen Angaben sei der Zeugin ….. das klägerische Fahrzeug erst plötzlich aufgefallen. Dennoch hat sie dies nach eigenen Angaben rechtzeitig wahrnehmen können. Warum der Klägerin dies nicht auch zu einem früheren Zeitpunkt hätte auffallen können, erschließt sich dem Gericht nicht.

bb) Demgegenüber ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausreichend davon überzeugt, dass für den Kläger eine unklare Verkehrslage i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO vorlag, aufgrund derer er nicht hätte überholen dürfen.

Von einer unklaren Verkehrslage ist dann auszugehen, wenn sich für den nachfolgenden Kraftfahrer nicht sicher beurteilen lässt, was der Vorausfahrende jetzt sogleich tun wird. Für diese Annahme sind konkrete Anhaltspunkte notwendig, etwa wie das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer oder die Örtlichkeiten. Das Überholen einer Kolonne an sich ist dabei nicht verboten und stellt für sich genommen auch keine unklare Verkehrslage dar (OLG Celle Urteil vom 8.6.2022 – 14 U 118/21, NJW 2022, 3086). Ebenfalls ausreichend ist es (für sich genommen) nicht, wenn sich der zu Überholende leicht zur Mitte hin orientiert (NK-GVR/Sebastian Gutt StVO § 5 Rn. 22).

Darlegungs- und beweisbelastet für die Behauptung der Beklagtenseite, der Kläger habe im Rahmen einer unklaren Verkehrslage überholt, sind die Beklagten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht mit ausreichender Überzeugung des Gerichts fest, dass eine solche unsichere Verkehrslage vorlag, als der Kläger zum Überholen ansetzte.

Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Dabei ist nicht erforderlich, dass bezüglich einer Behauptung eine absolute Gewissheit besteht. Vorliegen muss jedoch ein Grad der Gewissheit, welcher Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Ausreichend ist dabei nicht, wenn eine Behauptung für „eher wahr als falsch“ bewertet wird (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 286 ZPO, Rn 17ff.).

(a) Die Beklagte gab im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung an, sie selbst sei nicht über den Mittelstreifen gefahren, als sie nach links ausscherte, um an dem Trecker vorbeizugucken. Bereits die eigenen Angaben der Beklagten sprechen eher gegen die Annahme einer unklaren Verkehrslage, da eine bloße Orientierung des Wagens zur Mittellinie für sich genommen für eine solche Annahme nicht ausreicht. Darüber hinaus gab die Beklagte selbst an, in dieser Situation den Blinker nicht betätigt zu haben, was ebenfalls gegen die Erkennbarkeit der Überholabsicht der Beklagten durch den Kläger spricht.

Sowohl der Kläger, als auch die Zeugin ….. gaben an, dass die Fahrzeuge in der Kolonne keine Anstalten gemacht hätten, selbst zu überholen. Der Kläger erklärte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung, er habe bei dem Beklagtenfahrzeug kein Blinken wahrgenommen. Erst als er bereits auf Höhe der Fahrertür des Beklagtenfahrzeugs war, sei dieses nach links ausgeschert, sodass er die Ausweichbewegung vorgenommen hat. Der Wagen vor ihm hätte keine Bewegung gemacht, um selbst zum Überholen anzusetzen.

Dies bestätigt die Zeugin ….. mit der Angabe, dass der Kläger sich erst vergewissert habe, dass beispielsweise keine Motorräder entgegenkommen, wie es an der Stelle manchmal der Fall sei. Sie könne jedoch nicht mehr sagen, ob der Kläger nach ein oder zwei Sekunden zum Überholvorgang angesetzt habe. Die beiden Fahrzeuge, welche sich vor dem klägerischen Fahrzeug befunden haben, hätten nicht geblinkt und keine Anstalten gemacht zu überholen. Erst als sie bereits auf Höhe des Beklagtenfahrzeugs gewesen seien, hätte dieses geblinkt und sei gleichzeitig ausgeschert, woraufhin der Kläger nach links ausgeschert sei. Den Blinker habe die Beklagte gleichzeitig mit dem Ausscheren betätigt. Dies habe die Zeugin in dem Zeitpunkt gesehen, als sie sich mit der Front des klägerischen Fahrzeugs bereits fast an der Fahrertür des Beklagtenfahrzeugs befunden hätten. Die Beklagte habe dann auch ein Drittel der Gegenfahrbahn eingenommen, als sie ausgeschert sei. Die Angaben der Zeugin ….. sind nachvollziehbar und widerspruchsfrei und daher glaubhaft. Anhaltspunkte, welche an der Glaubwürdigkeit der Zeugin zweifeln ließen, liegen, auch wenn es sich um die Ehefrau des Klägers handelt, nicht vor.

Die Zeugin ….., welche das Fahrzeug zwischen dem klägerischen und dem Beklagtenfahrzeug führte, bekundete dagegen, dass sowohl sie als auch das Beklagtenfahrzeug nach der Aufhebung des Überholverbotes nach links ausscherten, um an dem Trecker vorbeischauen zu können. Die Zeugin ….. gab weiter an, dass sie bei ihrem letzten Blick nach hinten dann das klägerische Fahrzeug wahrgenommen hat und daher wieder eingeschert sei. Das Fahrzeug des Klägers habe sie das erste Mal gesehen, als es noch hinter ihr auf der Gegenfahrbahn gewesen sei. Sie selbst sei über die Mittellinie gefahren, um nach vorne zu blicken. Ob das Fahrzeug der Beklagten auch so weit herausgeschert war, konnte sie jedoch nicht sagen. Sie selber habe keinen Blinker gesetzt.

Die Zeugin gab ebenfalls an, dass sich das klägerische Fahrzeug zu dem Zeitpunkt, zu dem sie nach links ausgeschert sei, auf der Gegenfahrbahn befunden habe. Zuvor habe sie das klägerische Fahrzeug nicht wahrgenommen. Aus dieser Angabe ist nicht sicher zu entnehmen, dass die Zeugin ….. nach links ausgeschert war, als das klägerische Fahrzeug noch nicht zum Überholen angesetzt hatte.

Auch die Angaben der Zeugin ….. sind nachvollziehbar und daher glaubhaft. Anhaltspunkte, welche an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln ließen, waren nicht zu erkennen.

Der Zeuge ….. bekundete zwar, dass sich drei Fahrzeuge hinter ihm befunden hätten. Weiter habe er aber nichts sehen können. Die Angaben des Zeugen ….. sind hinsichtlich der Frage, ob eine unklare Verkehrslage vorgelegen hat, daher unergiebig.

Aufgrund der obigen Zeugenaussagen und Angaben der Parteien im Rahmen der persönlichen Anhörung steht für das Gericht nicht mit der ausreichenden Überzeugung fest, dass die Beklagte oder die Zeugin ….. vor dem Beginn des Überholvorgangs durch den Kläger bereits deutlich nach links ausgeschert waren oder sonstige Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Überholvorgang der vorfahrenden Fahrzeuge vorlagen. Im Gegensatz zu der obigen Würdigung der Aussagen zu der Behauptung, dass die Beklagte zum Überholvorgang angesetzt hatte, als sich das klägerische Fahrzeug auf Höhe ihres Fahrzeugs befunden habe, bei welcher die Angaben des Klägers, sowie der Zeuginnen übereinstimmte, stimmen die Angaben der Zeugin ….. hier nicht mit den Schilderungen des Klägers oder der Zeugin ….. überein. Sie stimme jedoch ebenfalls nicht mit der Schilderung der Beklagten überein, welche angab, die Mittellinie nicht überfahren zu haben, als sie an dem Trecker vorbeischauen wollte. Nach Würdigung der Aussagen verbleiben zumindest Zweifel, denen kein Schweigen geboten werden kann.

(b) Eine unklare Verkehrslage ist auch nicht deswegen anzunehmen, da der Kläger kurz nach der Aufhebung eines Überholverbotes überholt hat.

Eine unklare Verkehrslage kann grundsätzlich auch dann angenommen werden, wenn sich nach längerer Zeit in einer Kolonnensituation die Möglichkeit für ein Überholmanöver bietet (LG Mönchengladbach Urt. v. 29.4.2021 – 12 O 157/20, BeckRS 2021, 12620). Dies ist im vorliegenden Verfahren nicht anzunehmen. Zwar behauptete die Beklagtenseite zunächst, dass sich bereits ab dem Ort Großensee bis zu der Stelle, an der sich der Unfall ereignet hat, keine Überholmöglichkeit bot. Dem Vortrag der Klägerseite, welche daraufhin darlegte, welche einzelnen Überholmöglichkeiten vorher vorgelegen haben, ist sie jedoch nicht weiter entgegengetreten. Zwar waren auch nach der Schilderung des Klägers einige von den Überholmöglichkeiten selbst aus Sicht des Klägers nicht ratsam, zumindest eine Überholmöglichkeit habe es jedoch vorher gegeben. Dies wird auch bestätigt durch die Angaben der Zeugin ….., welche angab, dass es zuvor einen längeren Abschnitt gab, an dem man hätte überholen können. Dies nicht unbedingt als Dritter in der Kolonne, aber die vorderen Fahrzeuge hätten dies tun können.

Auch der Zeuge ….. gab im Rahmen seiner Vernehmung an, dass bereits vorher Fahrzeuge den Trecker überholt hatten.

cc) Auf Seiten des Klägers war jedoch die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs zu berücksichtigen, welches sich mit einem Mitverschuldensanteil von 20 % niederschlägt. Die Betriebsgefahr tritt auch nicht hinter das Verhalten der Beklagten zurück. Ebenso ist eine Haftung des Klägers nicht aufgrund der Unvermeidbarkeit des Unfalls nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen. Ein Unfall ist dann unabwendbar, wenn er auch durch eine äußerst mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinaus. Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrsumstände wie ein Idealfahrer verhalten haben. Dabei darf sich die Prüfung nicht nur auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein Idealfahrer reagiert hat. Vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein Idealfahrer überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre (OLG Rostock Urt. v. 23.2.2007 – 8 U 39/06, BeckRS 2007, 4828).

Auch wenn das Überholen einer Kolonne nicht unzulässig war, hätte zumindest ein Idealfahrer dies angesichts der damit verbundenen abstrakten Selbst- und Fremdgefährdung unterlassen (OLG Celle Urteil vom 8.6.2022 – 14 U 118/21, NJW 2022, 3086).

c) Der Kläger kann aufgrund des Unfallereignisses noch einen Betrag in Höhe von 2.117,50 € verlangen. Die Beklagten haben die geforderten Beträge für Wertminderung, Sachverständigenkosten und Selbstbeteiligung, bei welchen es sich um quotenbevorrechtigte Positionen handelt, bereits vollständig reguliert. Die Positionen der Kostenpauschale und Nutzungsausfallentschädigung, bei welchen es sich um nicht quotenbevorrechtigte Positionen handelt, regulierte sie nur anteilig.

aa) Bezüglich der geltend gemachten Nutzungsausfallentschädigung steht dem Kläger noch ein Betrag in Höhe von 2.117,50 € zu.

In Bezug auf den Nutzungsersatz macht der Kläger ein Schaden in Höhe von 7.875,00 € für 45 Tage geltend. Die Nutzungsentschädigung ist für die Dauer zu erstatten, für die auch die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs gerechtfertigt wäre. Der Geschädigte hat dabei grundsätzlich sobald wie möglich den Reparaturauftrag zu erteilen (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Wimber BGB § 249 Rn. 198). Im Reparaturfalle ist auch die Zeitspanne zu berücksichtigen, die bis zur Vergabe eines Reparaturtermins bei einer geeigneten Reparaturwerkstatt oder bis zum Eintreffen benötigter Ersatzteile vergeht. Verzögerungen beim Gutachter gehen ebenso wie solche bei der Reparatur, sofern sie der Geschädigte nicht zu vertreten hat, zu Lasten des Schädigers, weil Gutachter und Werkstatt insoweit nicht Erfüllungsgehilfen des Geschädigten sind (MüKoStVR/Almeroth BGB § 249 Rn. 308).

Der Kläger hat unter Vorlage des Reparaturablaufplans (Anlage K2a) nachvollziehbar dargelegt, dass er den Wagen direkt am Tag nach dem Unfall in die Werkstatt gebracht habe. Der Klägervertreter erhielt das erstellte Gutachten nach eigenen Angaben am 24.04.2020, welches er nach eigenen Angaben per Post an den Kläger weiterleitete. Die Klägerseite gab im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 07.01.2022 noch an, dass dem Kläger persönlich das Gutachten am 27. Oder 28.04 zugegangen sein müsste und der Kläger sofort den Auftrag zur Reparatur erteilt habe, was von der Beklagtenseite bestritten wurde.

Jedenfalls wäre dem Kläger jedoch bei Annahme des Zugangs des Gutachtens bereits am 24.04. eine Überlegungszeit bis zum 27.04. einzuräumen gewesen, sodass es hierauf nicht entscheidend ankommt. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit dem 27./28.04. angibt, das Gutachten erhalten und sofort danach den Auftrag erteilt zu haben, steht dies im Widerspruch zu den Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 01.07.2021, wo er vorgetragen hat, dass am 04.05.2020 die Vollkaskoversicherung des Klägers eingeschalten wurde, welche das Gutachten und den Schadensverlauf zunächst prüfte. Erst nach Freigabe sei mit den Arbeiten begonnen worden.

Diese Verzögerung zwischen dem 27.04.2021 und dem Beginn des Auftrags ist der Beklagtenseite jedoch nicht zuzurechnen. Zwar kann eine unterbleibende Regulierung der gegnerischen Versicherung dazu führen, dass die darauf beruhende Verzögerung nicht dem Geschädigten zur Last fallen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass es dem Geschädigten nicht möglich ist, die geforderten Kosten zu tragen, sodass er aus finanziellen Gründen gehindert ist, den Reparaturauftrag zu erteilen. Auf dieses Hindernis hat der Geschädigte die in Anspruch genommene Versicherung auch hinzuweisen (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Wimber BGB § 249 Rn. 201). Es wird klägerseits bereits nicht vorgetragen, dass dieser zur Übernahme der Kosten für die Reparatur nicht in der Lage gewesen sei. Es ist im Zusammenhang mit dem Vortrag und des Reparaturablaufplans jedoch von einer Auftragserteilung spätestens am 06.05.2020 auszugehen. Aus dem Ablaufplan ergibt sich nicht, an welchem konkreten Tag der Auftrag erteilt wurde. Allerdings ergibt sich daraus, dass bereits am 06.05.2020 Ersatzteile bestellt wurden, sodass davon auszugehen ist, dass zu diesem Zeitpunkt der Auftrag erteilt war.

Der Kläger kann mithin Nutzungsersatz für den Zeitraum vom 21.04. – 27.04.2020, sowie vom 06.05.2020 – 04.06.2020 und daher für insgesamt 37 Tage verlangen. Dies führt zu einer Forderung in Höhe von 6.475,00 € (37 x 175,00 €, wobei Höhe des Tagessatzes nicht bestritten wurde). Aufgrund der zu berücksichtigen Haftungsquote kann der Kläger hiervon 80 % und somit 5.180,00 € verlangen. Hierauf hat die Beklagtenseite bereits 3.062,50 € gezahlt, sodass ein Restanspruch in Höhe von 2.117,50 € verbleibt.

bb) Für die geforderte Kostenpauschale kann der Kläger keine weitere Zahlung verlangen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass dem Kläger grundsätzlich nur eine Kostenpauschale in Höhe von 20,00 € zusteht (OLG Schleswig, Urteil vom 15. 4. 2010 – 7 U 17/09, SVR 2011 Heft 3, 100). Hiervon steht im aufgrund der zu berücksichtigen Haftungsquote von 80 % daher 16,00 € zu, welche die Beklagten mit ihrer Zahlung bereits vollständig beglichen haben.

cc) Des Weiteren kann der Kläger (derzeit) keine Zahlung in Bezug auf den geltend gemachten Höherstufungsschaden geltend machen, da sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers nicht ergibt, dass ihm bereits ein Schaden in der angegebenen Höhe entstanden ist. Der Kläger legt hier zwar eine Berechnung seiner Versicherung vor. Nach eigenem Vortrag handelt es sich hierbei jedoch lediglich um eine Schätzung und einen „prognostizierten“ Betrag (Schriftsatz v. 06.05.2021, Bl. 24 d. A.). Eine abschließende und sichere Bezifferung ist auch nach Angaben des Klägers erst nach mehreren Jahren möglich. Bei dem angegebenen Betrag handelt es sich nach eigenen Angaben lediglich um einen prognostizierten Betrag. Es wurde damit demnach auch kein Mindestschaden angegeben. Dies ergibt sich auch aus der Berechnung der Versicherung (Anlage K14), welche in der Aufstellung angab, dass es sich bei der aufgelisteten Berechnung um eine solche handelt, welche darstellt, wie sich die Rückstufung auf die Beitragsentwicklung auswirken „kann“.

2. Dem Kläger steht darüber hinaus der Anspruch auf Feststellung der Regulierung weiterer Schäden – unter Berücksichtigung einer Haftungsquote der Beklagten in Höhe von 80 % – zu. Er hat unter Vorlage der Berechnungen seiner Versicherung (Anlage 14) konkret dargelegt, dass ihm ein Schaden aufgrund der Höherstufung entstehen kann, dessen konkrete Bezifferung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich ist.

3. Dem Kläger steht darüber hinaus ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.713,78 € zu. Die Kosten waren anhand der berechtigten Forderung des Klägers zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18.7.2017 – VI ZR 465/16, NJW 2017, 3588). Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt, zu dem der Rechtsanwalt beauftragt wurde, sodass hier auch die geforderten Reparaturkosten bei Ermittlung des Gegenstandswertes zu berücksichtigen waren. Zu berücksichtigen sind hier allerdings die Erstattungsfähigen Kosten auch unter Berücksichtigung der anteiligen Haftung. Denn der Kläger hat erst nach Beauftragung seines Anwalts die Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen (vgl. LG Lüneburg: Quotenvorrecht für einzelne Schadenspositionen (NZV 2016, 376)). Daher ist für die Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ein Gegenstandswert in Höhe von 42.478,58 € anzusetzen. Die 1,3 Gebühr beträgt dabei 1.414.40 €. Hinzuzurechnen ist zum einen die Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 €. Die weiteren von der Klägerseite angeführten Positionen wie Dokumentenpauschale für Kopien in Höhe von 31,00 € oder Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 € wurden von der Beklagtenseite nicht angegriffen. Zuzüglich der von der Klägerseite selbst anzusetzenden Mehrwertsteuer in Höhe von 16 % ergibt sich der oben genannte Erstattungsbetrag.

4. Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91a, 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten für den für erledigt erklärten Teil haben die Beklagten zu tragen. Sie sind der Forderung, auf welche sich die Teilerledigungserklärung bezieht nicht entgegengetreten.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.

IV. Der Streitwert war bis zum 06.05.2021 auf bis zu 20.000,00 € und für die Zeit danach auf bis zu 13.000,00 € festzusetzen.

a) Der Antrag zu 1) war dabei zunächst auf 15.935,86 € und nach der teilweisen Erledigungserklärung auf 7.697,87 € festzusetzen.

b) Der Antrag zu 2) beinhaltete eine Nebenforderung, welche nicht zu berücksichtigen war.

c) Der Antrag zu 3) war auf 4000,00 € festzusetzen. Soweit ein Feststellungsantrag einen nicht bezifferten und/oder künftigen Schaden umfasst, ist der Wert gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen (BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 256 Rn. 49). Nach dem Vortrag der Klägerseite ist mit einem noch nicht konkret bezifferbaren Höherstufungsschaden zu rechnen. Diesen hat sie vorläufig mit 2.877,87 € beziffert, wobei es sich nach eigenen Angaben nur um einen prognostizierten Wert handelte. Der Wert des Interesses für die Feststellung war nach § 3 ZPO auf 5.000,00 € festzusetzen, wobei aufgrund des Feststellungsantrags ein Abschlag von 20 % vorzunehmen war, sodass für den Antrag ein Wert in Höhe von 4.000,00 € anzusetzen ist. Weitere künftige oder schon bestehende und noch nicht bezifferbare Schäden wurden nicht vorgetragen. Insbesondere war in den Wert nicht der Wert des Gesamtschadens mit einzuberechnen, da dieser soweit er mit dem Zahlungsantrag geltend gemacht wurde bereits dort berücksichtigt war. Der Wert der Reparaturkosten war ebenfalls nicht einzuberechnen, da dieser unstreitig von der Vollkaskoversicherung des Klägers erstattet wurde. Aus diesem Grund entsteht dem Kläger ja möglicherweise ein Höherstufungsschaden, welcher für die Bezifferung des Wertes herangezogen wurde.

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