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Verkehrsunfall: In Grundstückseinfahrt abbiegendes Fahrzeugs mit überholenden Fahrzeug

OLG Koblenz – Az.: 12 U 554/19 – Urteil vom 08.06.2020

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 13.03.2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger keinesfalls eine höhere (weitere) Schadensersatzforderung zusteht, als sie ihm bereits von dem Landgericht zuerkannt worden ist.

Der Unfall hat sich im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem von dem Kläger durchgeführten Abbiegevorgang nach links auf sein eigenes Grundstück ereignet. Soweit sich ein Unfall im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Linksabbiegevorgang ereignet, spricht nach aller Lebenserfahrung vieles dafür (Anscheinsbeweis), dass der Linksabbieger die ihm nach § 9 Abs. 1 StVO obliegenden Sorgfaltsanforderungen nicht ausreichend beachtet hat (OLG Koblenz in DAR 2005, 403; OLG Koblenz 12 U 315/92, Urteil vom 08.03.1993, juris; OLG Köln in DAR 2005, 403; KG Berlin in NZV 2006, 309). § 9 Abs. 1 StVO findet hierbei auch im Falle des Abbiegens auf ein Grundstück seine Anwendung (BGH in VersR 1972, 459; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 9 StVO Rn. 44). Um seiner eigenen Haftung zu entgehen wäre es somit an dem Kläger gewesen darzulegen und zu beweisen, dass ein sogenannter atypischer Geschehensablauf vorlag (mit zahlreichen Nachweisen Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, Einleitung Rn. 157a). Der Kläger ist dieser Darlegungs- und Beweislast in keiner Weise gerecht geworden. Gemäß § 9 Abs. 1 StVO muss, wer nach links abbiegen will, sich möglichst weit links einordnen, seine Abbiegeabsicht rechtzeitig und deutlich durch Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers kundtun und vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen durch Rückschau auf den nachfolgenden Verkehr achten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2019 eingeräumt, er könne nicht sagen, ob und wann er einen Blinker gesetzt habe. Auch könne er sich nicht sicher erinnern, ob er unmittelbar vor dem Abbiegen nochmals nach hinten gesehen habe. Der Kläger hat damit aber bereits nach seiner eigenen Einlassung massiv gegen die Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 1 StVO verstoßen.

Dem Kläger ist es nicht gelungen zu beweisen, dass die Beklagte zu 1 ebenfalls schuldhaft zu dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls beigetragen hat.

Der Sachverständige Dr. Ing. …[A] ist in seinem Gutachten vom 05.03.2020 zu dem Ergebnis gelangt, dass sich anhand der verwertbaren Unfallspuren keine höhere Ausgangsgeschwindigkeit und Kollisionsgeschwindigkeit für die Beklagte zu 1. als 50 km/h ableiten lasse. Ein Verstoß der Beklagten zu 1. gegen § 3 StVO (Höchstgeschwindigkeit) ist somit von dem Kläger nicht bewiesen worden. Ebenso wenig konnte der Sachverständige bestätigen, dass die Beklagte an der kurz vor der Unfallstelle befindlichen Verkehrsinsel links (statt rechts) vorbeigefahren sein müsse. Gleiches gilt bezüglich der Behauptung des Klägers, die Beklagte zu 1. habe auch dadurch massiv gegen die Regelungen der StVO verstoßen, dass sie bei ihrem Überholvorgang über die Fahrbahn hinaus auch den links befindlichen Gehweg in Anspruch genommen habe. Auch insoweit hat der Sachverständige überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, der Pkw der Beklagten zu 1. habe sich zum Kollisionszeitpunkt zwar mit den linken Rädern tatsächlich auf dem Gehweg befunden. Es sei aber darstellbar, dass sich die Beklagte zu 1. erst ca. eine Sekunde vor dem Kollisionspunkt K gezwungen gesehen habe, auf den Gehweg auszuweichen (Hervorhebung durch den Senat). Der Sachverständige hat auch überzeugend nachvollziehbar dargelegt wie er zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist. Einwände gegen die Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen sind von den Parteien nicht erhoben worden. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen vollumfänglich an.

Anders als das Landgericht geht der Senat auch nicht von dem Vorliegen einer unklaren Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 StVO) auf Seiten der Beklagten zu 1. aus. Von einer unklaren Verkehrslage ist dann auszugehen, wenn sich für den nachfolgenden Kraftfahrer nicht sicher beurteilen lässt, was der Vorausfahrende sogleich tun wird (OLG Koblenz in NZV 2005, 413). Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn aus dem Fahrverhalten des Vorausfahrenden der Anschein erweckt wird, er wolle in naher Zukunft abbiegen. Keine unklare Verkehrslage wird hingegen dann angenommen, wenn der Vorausfahrende (nur) relativ langsam fährt, sonst aber keine weiteren Auffälligkeiten vorliegen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 5 StVO Rn. 35). Die Verkehrslage wird selbst dann nicht unklar, wenn ein Vorausfahrender vor einer linken Abzweigung langsamer fährt, ohne aber nach links zu blinken oder sich einzuordnen (OLG Koblenz in VRS 70, 467). Wie bereits oben dargelegt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2019 angegeben, er könne nicht sicher sagen ob (Hervorhebung durch den Senat) und wann er einen Blinker gesetzt habe. Die somit allein feststehende Reduzierung der Geschwindigkeit vor dem Grundstück des Klägers führt aber nach den obigen Ausführungen des Senats nicht zu dem Vorliegen einer unklaren Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 StVO. Demgemäß ist der Beklagten auch keine der Situation unangepasste Geschwindigkeit anzulasten.

Da auch ein sonstiges schuldhaftes Verhalten der Beklagten zu 1. für den Senat nicht ersichtlich ist, war im Ergebnis von einer alleinigen Unfallverursachung durch den Kläger selbst auszugehen.

Bei der gem. § 17 StVG vorzunehmenden Haftungs-/Schadensverteilung waren somit auf Seiten des Klägers dessen erheblicher Verstoß gegen § 9 StVO, auf Seiten der Beklagten hingegen lediglich die von dem Pkw der Beklagten zu 1. ausgehende Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Der Senat wertet diese Betriebsgefahr in dem hier zu beurteilenden Einzelfall in einer Größenordnung von bis zu 25 %.

Was den ersatzfähigen Schaden des Klägers angeht, blieb in erster Instanz streitig (und ungeklärt), ob der Pkw des Klägers unfallbedingt eine Wertminderung von 500,00 € erfahren hat. Diese Frage muss von dem Senat nicht entschieden werden. Der Gesamtschaden des Klägers (inklusive der Wertminderung) würde sich auf 9.881,63 € belaufen. Durch die von den Beklagten an den Kläger bereits erbrachten Zahlungen in einer Gesamthöhe von 2.812,99 € haben sie den auf ihre Haftungsquote maximal entfallenden Schadensanteil somit bereits hinreichend ausgeglichen. Eine weitere Schadensersatzforderung kann dem Kläger danach keinesfalls mehr zuerkannt werden.

Die Berufung war folglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.068,64 € festgesetzt.

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