AG Wuppertal, Az.: 32 C 66/15, Urteil vom 16.02.2017
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 05.07.2014 auf der Autobahn M 1 in Ungarn ereignete.
Der Kläger war Fahrer seines Pkw Opel Vectra C mit dem amtlichen Kennzeichen … Der Beklagte zu 1) war Fahrer des Pkw Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen … das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.
Der Kläger befuhr die M 1 Richtung Budapest/Belgrad, wobei streitig ist, auf welcher Fahrspur er sich befand. Ca. 70 km hinter der ungarischen Grenze befand sich ein ADAC-Fahrzeug auf der linken der beiden Fahrspuren, welches das Warnblinklicht angeschaltet hatte. Der Beklagte zu 1) befand sich zunächst auf der linken der beiden Fahrspuren. Zwischen den Fahrzeugen kam es zur Kollision, wobei die Einzelheiten streitig sind.
Die Beklagte zu 2) regulierte den unfallbedingten Schaden bereits außergerichtlich zu in Höhe von 2.431,74 EUR, so dass noch 2.124,24 EUR offen sind.
Der Kläger behauptet, er habe sich auf der rechten von zwei Fahrspuren befunden. Das ADAC-Fahrzeug habe er schon aus der Entfernung wahrgenommen und seine Geschwindigkeit verringert. Der Beklagte zu 1) habe sich auf der linken Spur seitlich versetzt zum klägerischen Fahrzeug befunden. Kurz vor dem ADAC-Fahrzeug sei der Beklagte zu 1) von der linken Spur auf die rechte gezogen, ohne dabei zu blinken oder auf das klägerische Fahrzeug zu achten. Dabei sei es zur Kollision gekommen. Er habe sofort eine Vollbremsung eingeleitet und noch versucht, sein Fahrzeug nach rechts zu ziehen.
Der Kläger beziffert seinen Schaden wie folgt:
- Wiederbeschaffungswert 4.655,00 EUR
- Abzügl. Restwert -1.000,00 EUR
- Auslagenpauschale 25,00 EUR
- Gutachterkosten 770,98 EUR
- Nutzungsausfall für 3 Tage 105,00 EUR
Gesamt 4.555,98 EUR
Er beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.124,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.04.2015, sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 229,91 EUR zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, der Kläger sei hinter dem Beklagten zu 1) auf der mittleren von drei Fahrspuren auf der M 1 gefahren. Als der Beklagte zu 1) wegen des ADAC-Fahrzeuges abgebremst habe, habe der Kläger auf dieses Abbremsen zu spät reagiert und im letzten Moment versucht, sein Fahrzeug auf die rechte Spur zu lenken. Dabei sei er mit der vorderen linken Seite seines Fahrzeugs mit der hinteren rechten Ecke des Beklagtenfahrzeugs kollidiert. Ursache des Unfalls sei allein das unachtsame Auffahren des Klägers gewesen, da der Spurwechsel des Beklagten zu 1) zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig abgeschlossen gewesen sei. Außerdem bestreiten sie die Höhe des geltend gemachten Schadens.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … … … und … . Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2015 wird insoweit verwiesen. Das Gericht hat ferner gemäß Beweisbeschluss vom 18.04.2016 Beweis erhoben durch Einholung eines Rechtsgutachtens zum ungarischen Verkehrsrecht des Instituts für Ostrecht und durch Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen R….
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten kein über die bereits erfolgte Regulierung herausgehender Anspruch auf Schadensersatz zu.
1.
Das Gericht hat vorliegend bezüglich des Schadensersatzanspruchs des Klägers das deutsche Recht anzuwenden, weil der Wohnsitz beider Parteien in Deutschland liegt. Das anwendbare Straßenverkehrsrecht ist hingegen das Recht des Unfallortes, mithin das ungarische Recht (vgl. Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht vom 24.06.2016).
2.
Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 StVG, 115 VVG, die als Anspruchsgrundlagen des deutschen Rechts anwendbar sind.
a)
Die grundsätzliche Haftung der Parteien hinsichtlich des Verkehrsunfalls ergibt sich für den Kläger und den Beklagte zu 2) aus der Halter-, bzw. Fahrerhaftung gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, für die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1) ergibt sie sich aus § 115 VVG.
b)
Nach § 17 Abs. 1, 2 StVG ist der jeweilige Haftungsanteil der Parteien an Hand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, insbesondere danach, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Daneben ist ein etwaiges Verschulden der Beteiligten zu berücksichtigen. Berücksichtigung finden – wie grundsätzlich – allerdings nur Aspekte, die unstreitig oder bewiesen sind. Nimmt der Verursachungsanteil oder das Verschulden einer Partei ein derart hohes Maß an, dass dahinter die Mitursächlichkeit der anderen Partei nicht ins Gewicht fällt, so hat diese den Schaden alleine zu tragen. Andernfalls ist die Haftung im Rahmen einer umfassenden Abwägung anhand der jeweiligen Beiträge nach § 17 Abs. 1, 2 StVG aufzuteilen (vgl. Burmann u.a., 22. Aufl., § 17 StVG Rn. 11 ff.).
Die vorzunehmende Abwägung ergibt vorliegend, dass der Schaden zwischen den Parteien hälftig aufzuteilen ist, denn der genaue Unfallhergang bleibt auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme unaufklärbar, so dass sich die jeweiligen Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge gleichwertig gegenüber stehen. Eine Verletzung der jeweiligen Verkehrspflichten des Klägers bzw. des Beklagten zu 1) war demgegenüber nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar, namentlich ist keiner der Parteien der Nachweis gelungen, dass dem Kläger oder dem Beklagte zu 1) ein Verstoß gegen die Vorschriften des ungarischen Straßenverkehrsrechts vorzuwerfen ist. Dabei steht insbesondere nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 1) gegen § 6 Abs. 3 StVG Ungarn verstoßen hätte oder dem Kläger ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 StVO Ungarn vorzuwerfen wäre. Es bleibt unaufklärbar, welches Verhalten letztlich zu der Kollision der Fahrzeuge führte.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme vermochte das Gericht im Rahmen der ihm nach § 286 Abs. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung nicht zu der Überzeugung zu gelangen, allein die Unfalldarstellung des Klägers oder der Beklagten als bewiesen anzusehen. Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Eine unumstößliche Gewissheit, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist, ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet. Entscheidend ist, ob das Gericht die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann (st. Rspr. BGH, Urt. v. 18.01.2000 – VI ZR 375/98 m.w.N.). Ein solcher Grad an Gewissheit ist vorliegend nicht gegeben.
Die Parteien haben zum Unfallgeschehen widersprüchliche Angaben gemacht. Die Aussagen der von ihnen benannten Zeugen sind für das Gericht jedoch unergiebig. So haben die vom Kläger benannten Zeugen … und … … ausgesagt, der Beklagte zu 1) habe überholt und auf die rechte Spur gewechselt, was letztlich ursächlich für den Unfall gewesen sei. Den genauen Hergang der Kollision haben sie aber nicht so genau schildern können, als dass sich hieraus Rückschlüsse für das Gericht ziehen ließen. Die Aussage des Zeugen … war letztlich für das Gericht nicht ergiebig, weil schon nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Zeuge die eigentliche Kollision tatsächlich gesehen hätte. Ebenso sind die Aussage der Zeugen … … und … für das Gericht unergiebig, da diese die Kollision nach eigenen Angaben nicht gesehen hätten. Auch die Aussage der Zeugin … ist insoweit unergiebig für das Gericht, weil diese sich nach eigenen Angaben nicht mehr an den genauen Ablauf der Kollision hat erinnern können.
Das verkehrsanalytische Gutachten des Sachverständigen R… führt ebenfalls nicht zu einer Aufklärung des Unfallgeschehens. Dieser hat in seinem Gutachten vielmehr nachvollziehbar und damit zur Überzeugung des Gerichts festgestellt, dass der Hergang des Verkehrsunfalls nicht rekonstruierbar sei. Es sei nicht aufzuklären, ob sich der Unfall im Zuge eines Spurwechsels oder als Auffahrunfall ereignet habe. Aus den Schadensspuren sei zu folgern, dass die Kollision nur mit sehr geringer seitlicher Überdeckung stattgefunden habe. Der genaue Kollisionswinkel sei jedoch nicht feststellbar. Die Intensität der Beschädigung lasse in mechanischer Hinsicht auf eine Überschussgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs von etwa 15 km/h schließen. Dementsprechend sei möglich, dass die Kollision Folge eines Fahrspurwechsels sei. Ebenso könne sich der Zusammenstoß jedoch auch als Auffahrunfall entwickelt haben, nachdem der Beklagte zu 1) bereits einige Zeit vor dem Zusammenstoß sein Spurwechselmanöver ausgeführt hatte.
c)
Aus dem ungarischen Recht sind entsprechend dem Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht keine Vermutungsregeln oder ähnliches ersichtlich, die eine anderweitige Bewertung des Sachverhaltes rechtfertigen.
3.
Mangels Begründetheit des Hauptanspruchs stehen dem Kläger weder der geltend gemachte Zinsanspruch noch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 2.124,24 EUR festgesetzt.