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Verkehrsunfall – Mietwagenanmietung mit Zusatzkosten für Winterreifen zulässig?


AG Bremen

Az.: 9 C 128/13

Urteil vom 25.07.2013


Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Umfang von erstattungsfähigen Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall.

Die Klägerin ist ein Mietwagenunternehmen, welches die Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht gegen den Haftpflichtversicherer aus dem in Bremen erfolgten Unfall vom 10.12.2012 geltend macht. Eine Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Der in …. wohnhafte Geschädigte mietete bei der Klägerin einen Opel Meriva als Ersatzfahrzeug für seinen Opel Zafira für den Zeitraum vom 13.12.2012 bis zum 21.12.2012 an. Dafür erstellte die Klägerin eine Rechnung in Höhe von 808,00 €. Mit Vereinbarung vom 13.12.2012 trat der Geschädigte seine entsprechenden Ersatzansprüche an die Klägerin ab (Bl. 7 d.A.).

Vorgerichtlich glich die Beklagte einen Betrag von 507,00 € aus und lehnte die Zahlung des überschüssigen Betrages mit Schreiben vom 19.01.2013 ab.

Die Klägerin forderte die Beklagte zuletzt am 26.02.2013 anwaltlich zur Zahlung des Restbetrages auf.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die erstattungsfähigen Kosten aus dem Mittelwert des einschlägigen Normaltarifs nach Schwackeliste und der Liste des Fraunhofer Instituts zu bilden sei. Die Klägerin behauptet, der Opel Zafira sei gemäß der Schwacke-​Liste der Gruppe 6 und der Opel Meriva der Gruppe 4 zuzuordnen. Sie meint daher, dass ein Vorteilsausgleich nicht in Betracht komme. Die Klägerin ist der Ansicht, sie könne darüber hinaus zusätzliche Kosten für eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung, Winterreifen sowie für die Zustellung und Abholung (Fa. W./Opel in O.) verlangen.

Die Klägerin beantragt, 1.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 253,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-​Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.01.2013 zu zahlen,

2.die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte………. in Höhe von 46,41 € freizuhalten.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet sowohl bei dem Opel Zafira als auch bei dem Opel Meriva handele es sich um Fahrzeuge die der Gruppe 5 zuzuordnen seien.

Sie ist der Ansicht die verlangten Mietwagenkosten seien überhöht und entsprächen nicht dem marktüblichen Preisen. Sie behauptet dazu, es wäre dem Geschädigten/Zedenten ohne weiteres möglich gewesen ein Ersatzfahrzeug zu einem geringeren Preis anzumieten.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 21.06.2013 eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein weiterer Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht lediglich in titulierter Höhe zu (§§ 7, 249 I BGB, 115 I Nr. 1 VVG, 398 BGB).

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Forderung auf Erstattung der Mietwagenkosten aus dem Verkehrsunfall vom 10.12.2012 in der Osterholzer Heerstraße in Bremen wurde am 13.12.2012 durch den Zedenten an die Klägerin abgetreten. Dass die Forderungshöhe damals noch nicht feststand ist unschädlich, da für eine Forderungsabtretung die Bestimmbarkeit ausreichend ist (BGH, VersR 2011, 1008). In dem Abtretungsvertrag vom 13.12.2012 werden die Beteiligten und das Unfallereignis hinreichend konkret benannt.

Es ist kein Verstoß gegen das RDG gegeben. Über die Erstattungspflicht dem Grunde nach besteht kein Streit. Bei der Durchsetzung der Forderung handelt es sich demzufolge um eine bloße Nebentätigkeit neben der eigentlichen Vermietertätigkeit, die grundsätzlich erlaubt ist (BGH, VersR 2012, 458).

In Streit steht nur die Höhe der zu erstattenden Kosten. Grundsätzlich kann der Geschädigte nur diejenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH, NJW 2012, 2026).

Auszugehen ist dabei von dem am Markt üblichen Normaltarif, den das Gericht gemäß 287 ZPO schätzen darf. Grundlage der Schätzung können sowohl die Werte der Schwacke- als auch die Werte der Fraunhoferliste sein (vgl. BGH NJW 2008, 1519; NJW 2011, 1947).

Um die Nachteile sowohl Schwacke- als auch der Fraunhoferliste auszugleichen erscheint es geboten, das arithmetische Mittel der einschlägigen Werte aus den Listen zu bilden (LG Bremen, Urt. v. 23.02.2012, Az. 7 S 262/11, MDR 2012, 708). Dabei sind unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von dem ermittelten Normaltarif gegebenenfalls Ab- oder Zuschläge vorzunehmen.

Bei dem beschädigten Fahrzeug handelt es sich um einen Opel Zafira. Dieser ist der Gruppe 6 zu zuordnen. Bezogen auf den PLZ-​Bereich 288… ergibt sich nach der Schwackeliste ein Achttagespreis von 644,24 Euro und nach der Fraunhoferliste ein Preis von 283,76 Euro. Abzustellen ist auf den gemittelten Wochenpreis (LG Freiburg BB 2012, 2766; OLG, NJW-​RR 2012, 802). Es ergibt sich somit ein Mittelwert von 464,00 Euro.

Die Zusatzkosten für eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung sind vorliegend nicht erstattungsfähig. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass hinsichtlich des beschädigten Opel Zafira ein Vollkaskoversicherungsschutz ohne Selbstbeteiligung bestand. Bestand einer solcher Schutz, der eher die Ausnahme darstellt, nicht, kann hinsichtlich des Ersatzfahrzeugs ein umfassender Versicherungsschutz nur dann verlangt werden, wenn der Geschädigte während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (BGHZ 61, 325, 331); andernfalls wäre er bereichert. Ein solches erhöhtes Risiko ist vorliegend nicht ersichtlich (ausführlich: AG Bremen, Urteil vom 27.06.2013, Az 9 C 102/13-​JURIS entgegen LG Bremen, a.a.O.). Denn der beschädigte Zafira war zum Unfallzeitpunkt erst 4 Jahre alt und ist eine Fahrzeugklasse höher als das Mietfahrzeug Opel Meriva einzuordnen. Nach Einschätzung der Klägerin soll der Zafira der Gruppe 6 und der Meriva lediglich der Gruppe 4 zuzuordnen sein. Somit ist nicht ersichtlich, dass das Mietfahrzeug eines besonderen Schutzes bedurft hätte, weil es deutlich werthaltiger als das beschädigte Fahrzeug gewesen ist. Nach dem Abtretungsvertrag vom 13.12.2012 hatte der Meriva im Anmietungszeitpunkt bereits eine Laufleistung von 30.603 km und war also keineswegs neuwertig. Die Kosten einer Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung sind in den herangezogenen Werten der Listen 2012 zudem bereits enthalten.

Die Kostenposition Winterbereifung ist nach Ansicht des Gerichts – entgegen der herrschenden Meinung (u.a. LG Bremen, a.a.O., OLG Celle, a.a.O.) – nicht erstattungsfähig. Dahingestellt mag bleiben, ob Mietwagen im Winterhalbjahr auf dem freien Markt nur gegen eine zusätzliche Gebühr zu erhalten sind. Denn es erscheint als willkürliche Kostenfestsetzung der Anbieter, die Winterbereifung eines Mietfahrzeugs dem Kunden im Winterhalbjahr zusätzlich in Rechnung zu stellen. Schließlich schuldet das Mietwagenunternehmen die Überlassung eines verkehrstauglichen Fahrzeugs. Ein solches besitzt eine der Jahreszeit entsprechende Bereifung. Die entsprechenden Kosten sind daher im Mietzins enthalten. Zusatzkosten können denklogisch nur für Zusatzleistungen, die über die geschuldete Hauptleistung hinausgehen, verlangt werden. Reifen sind aber keine (Luxus-​) Zusatzleistung. Zwar muss der Anbieter zweimal im Jahr die Reifen des Mietfahrzeugs wechseln. Diese fest kalkulierbaren Kosten sind vom Vermieter aber ebenso wie Inspektionskosten, TÜV-​Kosten u.ä. bereits in den Mietzins einzupreisen. Es gibt tatsächlich keine Zusatzkosten im Winter. Es gibt nur die auf das Gesamtjahr gerechneten Zusatzkosten für zweimaligen Reifenwechsel von Sommer- auf Winter- und sodann von Winter- auf Sommerreifen. Insofern könnten im Sommerhalbjahr – statt im Winterhalbjahr – genauso plausibel Zusatzkosten für die Sommerbereifung geltend gemacht werden. Die Schlechterstellung von Kunden bzw. der Versicherungen des jeweiligen Unfallgegners bei Unfällen im Winterhalbjahr ist daher nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen erscheinen die geltend gemachten Kosten vollkommen überhöht: Der Gewinn des Unternehmens ist bereits im Mietzins enthalten. Zusatzkosten, die vom Kunden verlangt werden, sollen tatsächliche Mehrkosten des Anbieters abdecken. Vorliegend macht die Klägerin 12,16 € pro Tag geltend. Bei einer winterhalbjährig unterstellten Vermietung des Fahrzeugs würde also eine Kostenerstattung von 2.346,95 € anfallen, und zwar für einen zweimaligen Reifenwechsel, der jeweils ca. 30 Minuten dauern dürfte.

Die Ausweisung der Zusatzkostenposition Winterreifen in der Schwackeliste hat für das Gericht keine Bindungswirkung. Ohnehin ist zu vermuten, dass sich die Preislisten der Anbieter im Segment Unfallersatzfahrzeug (auf Kosten der Versicherer) mittlerweile – auch – an der Schwackeliste orientieren und nicht umgekehrt.

Die Klägerin kann die Kosten für das Bringen und Abholen des Fahrzeugs in Höhe von 52,36 € ersetzt verlangen. Aus der Sicht eines wirtschaftlich und vernünftig denkenden Geschädigten ist es nicht zu beanstanden, dass hierfür Zusatzkosten anfallen (LG Bremen / S 262/11). Aufgrund des Auseinanderfallens des Wohnorts des Geschädigten und dem Sitz der Reparaturwerkstatt ist davon auszugehen, dass ansonsten Kosten in unbekannter Höhe für den Geschädigten angefallen wären. Schließlich war der Zafira nach dem Unfall nicht mehr verkehrstauglich; der Unfall ereignete sich in Bremen; die Werkstatt W. und der Wohnort des Geschädigten befanden sich in … Kosten in Höhe von 52,36 € für Hin- und Rücktransport erscheinen insofern nicht überhöht.

Vorliegend ist ein Fahrzeug einer niedrigeren Fahrzeugklasse angemietet worden, weshalb ein Vorteilsausgleich entfällt. Der Opel Meriva unterfällt nach seiner Ausstattung der Gruppe 5; er kostet als Neuwagen mehrere Tausend Euro weniger als ein Zafira Modell.

Es ergeben sich insgesamt zu erstattenden Kosten von 516,36 €. Von diesem Betrag hat die Beklagte vorgerichtlich bereits 507,00 € gezahlt, sodass der Anspruch in dieser Höhe durch Erfüllung erloschen ist. Es bleibt ein Restforderungsanspruch von 9,36 €.

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Zusatzkosten wegen Zweitfahrerberechtigung wurden nicht geltend gemacht (§ 308 ZPO).

Vorgerichtliche Anwaltsgebühren kann die Klägerin nicht ersetzt verlangen, da die vorgerichtlich Beklagte hinreichend deutlich erklärt hat, sie werde den Restbetrag nicht begleichen. Diese Kosten waren daher nicht erforderlich. Im Übrigen ist die Klägerin, die Prozesse der vorliegenden Art regelmäßig führt, hinreichend geschäftserfahren und bedarf insofern nicht der vorgerichtlichen Forderungsanmahnung durch einen Rechtsanwalt. Der Klägerin ist bekannt, dass es die Beklagte in Fällen der vorliegenden Art stets zum Prozess kommen lässt. Außerdem wurde vorliegend ein deutlich überhöhter Forderungsbetrag geltend gemacht (vgl. Palandt, 71. A., § 286, Rn. 20).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Gemäß § 511 IV ZPO war zugunsten der Klägerin die Berufung zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Klage der vorliegenden Art gehen beim Amtsgericht Bremen ständig ein; das erkennende Gericht folgt hinsichtlich der Frage Erstattungsfähigkeit der Kosten für Vollkaskoschutz ohne Selbstbeteiligung und Winterreifen vorliegend nicht der Ansicht des Landgerichts Bremen, Zivilkammer 7.

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