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Verkehrsunfall – Prozessstandschaft – Erstattungsansprüche

Reparaturwerkstatt  – Schadensgutachter

AG Bremen – Az.: 9 C 513/19 – Urteil vom 27.03.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt weiteren Schadensersatz.

Am 04.10.2018 verschuldete ein Versicherungsnehmer der Beklagten zu Lasten des Klägers einen Verkehrsunfall. Das klägerische Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … wurde hinten links beschädigt.

Das Fahrzeug des Klägers wurde vom 05.10. bis zum 23.10.2018 in der Werkstatt der Firma B… repariert. Auf die Rechnung über 6.608,05 € brutto zahlte die Beklagte vorgerichtlich 4.765,33 €. Auf die Rechnung des Sachverständigen R… über 874,23 € brutto zahlte die Beklagte 715 €. Auf die anwaltlichen Schreiben vom 21. und 26.11.2018 wurden keine weiteren Zahlungen geleistet.

Der Kläger trägt vor, dass nach Abtretung der Ansprüche weitere Zahlungsansprüche in Höhe von 1.842,72 € bestünden, die im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht werden dürften; die Beklagte sei auch zur Erstattung der Abschleppkosten (280,00 €), der Mietwagenkosten (1.242,00 €) und der Verbringungskosten (26,50 €) verpflichtet. Wegen der Schadensfeststellungskosten seien weitere 159,23 € geschuldet.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die B… zur Rechnung vom 07.November 2018 mit der Nr. 100071 einen Betrag in Höhe von 1.842,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 6. Dezember 2018 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an das Kfz-Sachverständigenbüro R… zur Rechnung vom 08. Oktober 2018 mit der Nr. 105981 einen Betrag in Höhe von 159,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 11. Dezember 2018 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der vorgerichtlichen Vertretung durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten, den Rechtsanwälten H… in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei, weil die Erstattungsansprüche abgetreten wurden; die teilweise geschwärzt zur Akte gereichten Abrechnungen seien nicht aussagekräftig.

Das Gericht hat den Parteien im Termin vom 24.01.2020 einen Hinweis erteilt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bezüglich der Anträge zu 1 und 2 unzulässig.

Der Kläger ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. dem Ende der Stellungnahmefrist nicht mehr Inhaber etwaiger Ansprüche aus §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 823, 249 BGB gewesen. Denn er trug vor, dass er die Ansprüche nach dem Unfallereignis abgetreten habe (Bl. 7, 9, 56 d.A.). Folglich ist der Kläger nicht mehr berechtigt, auf Freistellung (257 BGB) oder Zahlung an sich selbst (§ 250 S. 2 BGB) zu klagen.

Dementsprechend begehrt der Kläger mit den Hauptforderungsanträgen zu 1 und 2 auch keine Zahlung an sich, sondern Zahlung an die Firma B… und den Gutachter R…

Die Prozessführungsbefugnis ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Zöller, 30. A., Vor § 50, Rn. 47a).

Ein Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft liegt nicht vor.

Die gewillkürte Prozessstandschaft setzt ein schutzwürdiges Interesse des Rechteinhabers und des Dritten voraus (vgl. Zöller, 30. A., Vor § 50, Rn. 42, 44). Ein solches ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts vorliegend nicht gegeben: Die Werkverträge (Beauftragung Fa. B…, SV R…) und die diesbezüglichen Abtretungsverträge sind nicht zur Akte gereicht worden. Es liegen nur die einseitigen Erklärungen der Zessionare vom 04.07.2019 (Bl. 40, 43 d.A.) vor. Offenbar arbeiten diese Firmen mit einem Abtretungsmodell. Der Kläger führt den vorliegenden Prozess de facto für die Firma B… und den Gutachter R… Er übernimmt deren Prozessrisiko und muss den Prozess auch vorfinanzieren. Dass der Kläger für Dritte einen im Fall der Begutachtung sehr teuren Prozess altruistisch (?) führt, ist bemerkenswert und möglicherweise den im Zuge des Abtretungsmodells getroffenen Vereinbarungen geschuldet. Warum sich der Kläger auf eine Verschiebung der Prozessrollen eingelassen hat, bleibt mangels substantiierten Vortrags im Dunkeln. Die Führung des Prozesses liegt jedenfalls nicht im wohlverstandenem objektiven Interesse des Klägers als ursprünglichen Rechteinhaber. Ein anerkannter Fall der Prozessstandschaft (hierzu: Zöller, a.a.O., Rn. 49) liegt nicht vor. Denn der Kläger hätte nach dem Unfall zeitnah und in eigener Sache auf Freistellung klagen können. Stattdessen entschloss er sich aus nicht offen gelegten Motiven zur Abtretung seiner Ansprüche an Dritte und führt nunmehr für diese – als ehemaliger Rechteinhaber und Geschädigter – deren Prozesse. Es kann wegen der Abtretung nicht eindeutig zwischen den schutzwürdigen Interessen der heutigen Rechteinhaber und dem Kläger als ursprünglichen Rechteinhaber unterschieden werden (hierzu: Zöller, a.a.O., Rn. 44). Ein schutzwürdiges Interesse des Prozessstandschafters, fremde Rechte geltend zu machen, ist nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten beeinflusst (Thomas/Putzo, 39. A., § 51, Rn. 34 m.w.N.). Hierzu hat der Kläger trotz Hinweises nicht substantiiert vorgetragen. Auch mit Schriftsatz vom 13.02.2020 wurden die Abtretungserklärungen nicht vorgelegt. Es bleibt also offen, ob die Forderungen der Zessionare durch die Abtretung gemäß § 364 BGB endgültig erloschen sind (Leistung an Erfüllungs statt). In diesem Fall schiede ein schutzwürdiges Interesse des Klägers aus, weil der Ausgang des hiesigen Verfahrens keinen Einfluss auf seine rechtlichen Erfüllungspflichten hätte. Selbst bei einer Abtretung erfüllungshalber (hierzu: Palandt, 78. A., § 364, Rn. 5), bestünde nach Ansicht des erkennenden Gerichts kein schutzwürdiges Interesse. Zwar besäße der Kläger dann hinsichtlich der Prozessführung ein eigenes wirtschaftliches Interesse, weil er verhindern wollte, dass seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Zessionaren wieder auflebten. Allerdings würde das auf die Prozessebene erweiterte Abtretungsmodell der Zessionare dazu führen, dass die Rechte des Prozessgegners beeinträchtigt werden. Erwähnenswert ist insofern, dass im hiesigen Verfahren geschwärzte Rechnungen zur Akte gereicht wurden (Bl. 39 d.A.); die Parteien streiten sich insbesondere über die Höhe des erstattungsfähigen Schadens. Würden die Zessionare als Rechteinhaber den Prozess selbst führen, könnten sie sich als Zeugen für den streitigen Arbeits-, bzw. Kostenumfang nicht benennen, da sie Partei wären. Die gewillkürte Prozessstandschaft würde zur Umgehung dieser Rechtsfolge führen und also die Beklagte in ihrer Verteidigung benachteiligen. Tatsächlich wurde der Inhaber der Firma B… im vorliegenden Verfahren auch als Zeuge benannt (Bl. 69 d.A.). Das gewerbsmäßige Abtretungsmodell der Verkehrsunfallwirtschaft darf daher nicht auf die prozessuale Ebene erweitert werden, da es die Versicherungswirtschaft bzw. die Gemeinschaft der Versicherten in ihren schutzwürdigen Belangen grundsätzlich beeinträchtigte (vgl. Zöller, a.a.O., Rn. 44). Vielmehr mag entweder der Geschädigte auf Leistung an sich, oder – nach Abtretung – der Zessionar auf Leistung an sich klagen. Denn die Zulassung einer gewillkürten Prozessstandschaft ginge im Zweifel auf Kosten der Geschädigten und diente primär den Interessen der Werkstätten und Gutachter. Diese könnten versucht sein, überhöhte Preise festzusetzen, da der Kunde zunächst mit dem Versprechen, dass er unmittelbar nichts bezahlen müsse, geworben wird. Anschließend soll der Kunde auf eigenes finanzielles Risiko den Prozess um die streitigen Kostenanteile zu Gunsten der Zessionare führen. Ob Abtretungsklauseln (erfüllungshalber) mit Prozessführungsverpflichtung des Verbrauchers im Fall der (teilweisen) Leistungsverweigerung der Versicherung des Unfallgegners gemäß §§ 305 ff. BGB rechtsunwirksam wären, kann dahinstehen, weil die Klägerseite diesbezüglich nicht substantiiert vortrug.

Die Klage ist bezüglich der Nebenforderung (Antrag zu 3) zulässig, aber unbegründet. Es bleibt offen, ob die hiesigen Klägervertreter vorgerichtlich für den Kläger oder die Dritten tätig wurden. Eine Anwaltsrechnung nach § 10 RVG, die Voraussetzung für die Fälligkeit der Nebenforderung wäre, wurde nicht zur Akte gereicht; ebenso wenig die Anschreiben vom 21. und 26.11.2018. Da zum Zeitpunkt der Abtretungen nicht vorgetragen wurde (s.o.), bleibt ungewiss, wer im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Mandatierung bzw. des Verfassens der Schreiben Rechteinhaber gewesen ist.

Die Nebenentscheidungen basieren auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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