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Verkehrsunfall – Reparaturkosten für Straßenbeleuchtungsmast – Abzug „neu für alt“

LG Halle (Saale) – Az.: 1 S 253/18 – Beschluss vom 07.03.2019

In der Rechtssache … beabsichtigt die Kammer, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Den Parteien, insbesondere die Berufungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, hierzu bis zum 28.03.2019 Stellung zu nehmen.

Im Hinblick auf die erteilten Hinweise wird dem Berufungsbeklagten zunächst keine Frist zur Berufungserwiderung gesetzt.

Gründe

I. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Die Berufungsbegründung enthält keine neuen Tatsachen, die nach Maßgabe der §§ 529, 520 Abs. 3 Nr. 4, 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wären.

Das Vorbringen in der Berufungsbegründung ist nicht geeignet, die Erwägungen des Amtsgerichts zu entkräften. Das Berufungsvorbringen bietet auch keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung in dem angefochtenen Urteil im Sinne des § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO begründen. Vielmehr hat das Amtsgericht den erstinstanzlichen Vortrag der Parteien erschöpfend und richtig beurteilt.

Insbesondere ist auch nicht zu erkennen, dass das Amtsgericht, wie die Berufungsbegründung rügt, aufgrund einer unvollständigen oder fehlerhaften Beweiswürdigung zu einem falschen Ergebnis gekommen sei.

Das Amtsgericht hat zu Recht keinen Abzug „neu für alt“ vorgenommen.

Zutreffend dürfte sich die Anspruchsgrundlage wie die Berufung zu Recht aufzeigt, nicht aus der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 17 Abs. 2 StrG LSA ergeben, sondern diese vielmehr nach § 7 StVG i.V.m. § 115 VVG und § 1 PflVersG gegeben sein. Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 StVG ist insofern verwirklicht, die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten als Haftpflichtversicherer für den Schaden der Klägerin ist ebenso unstreitig.

Allerdings würde im vorliegenden Einzelfall ein Abzug „neu für alt“ mit dem Schutzgedanken des § 249 BGB nicht im Einklang stehen.

Verkehrsunfall – Reparaturkosten für Straßenbeleuchtungsmast - Abzug "neu für alt"
(Symbolfoto: Von Bekir Vahit Telli /Shutterstock.com)

Nach § 249 Satz 1 BGB hat, wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist, wie im vorliegenden Falle, wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen; einen solchen Anspruch macht die Klägerin hier für die Stadt … als Geschädigte geltend.

Das Gesetz stellt damit nicht auf die Herstellung genau des gleichen Zustandes ab, wie er vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden hat, sondern es kommt darauf an, wie sich der wirtschaftliche Zustand des Geschädigten ohne das schadensstiftende Ereignis darstellen würde. Die danach erforderliche Vermögensvergleichung spiegelt den Grundgedanken des Schadensersatzrechts wieder, zu erreichen, dass der Geschädigte durch die Ersatzleistung nicht ärmer, aber auch nicht reicher gemacht werde. (vgl. bereits BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58 –, BGHZ 30, 29-36, Rn. 5). Auf diese Grundsätze nimmt die obergerichtliche und höchste Rechtsprechung nach wie vor Bezug (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.1987 – VI ZR 53/87 – juris; OLG Naumburg, Urteil vom 25.11.2015 – 12 U 85/15 – juris).

Welcher und ob ein Vorteil ggf. anzurechnen ist, bedarf deshalb der Prüfung in jedem einzelnen Fall nach dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht. Bei der Entscheidung der Anrechenbarkeit eines Vorteils ist eine Gesamtschau über die Interessenlage vorzunehmen, wie sie durch das schädigende Ereignis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten besteht. Der Grundsatz, dass ein durch die Schädigungshandlung adäquat kausal verursachter Vorteil anzurechnen ist, gilt nicht ausnahmslos. Einerseits soll der Schadensersatz grundsätzlich nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen, andererseits soll aber der Schädiger nicht unbillig begünstigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58 –, juris). Bei der rechtlichen Abwägung sind u.a. der Wertzuwachs der beschädigten Sache, eine ggf. erhöhte Lebensdauer oder auch das Hinausschieben künftig nötig werdender Reparaturen bedeutsam.

Allerdings kommt es bei der Abwägung nicht lediglich auf die wirtschaftliche oder steuerrechtliche Betrachtungsweise an (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58 –, BGHZ 30, 29-36, Rn. 10). Für die zivilrechtliche Beurteilung ist deshalb auch nicht einfach der bloße Verkaufswert der (alten) Sache vor ihrer Beschädigung zugrunde zu legen, sondern ihr Wert gerade für den Geschädigten (BGH a.a.O.).

Im vorliegenden Fall kommt es deshalb, wie die Berufung meint, bei der zivilrechtlichen Abwägung der Anrechnung eines Vorteils nicht darauf an, wie sich die Erstattung von Reparaturkosten ggf. auf das Betriebsergebnis der Klägerin auswirkt. Diese Sichtweise lässt auch außer Betracht, dass vorliegend der Geschädigte nicht die Klägerin ist, sondern vielmehr die Stadt … als Eigentümerin des beschädigten und erneuerten Straßenbeleuchtungsmastes. Die Klägerin ist lediglich ermächtigt, Ansprüche der Stadt geltend zu machen.

Würde man zudem allein auf den durch den Sachverständigen ermittelten Sachzeitwert des alten Mastes von 0 € abstellen, würde das zu dem Ergebnis führen, dass ein Schadensersatzanspruch der Stadt nicht gegeben wäre. Damit würde im vorliegenden Fall der Schädiger in unbilliger Weise entlastet werden und könnte sich dadurch seiner Haftung vollständig entziehen. Dies würde jedoch dem Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts, s.o., nicht entsprechen. Denn der Geschädigte hat einen Anspruch darauf, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dass die Lichtmastanlage bereits erheblich in die Jahre gekommen ist und der Reparaturaufwand nunmehr kostenintensiver ist, darf deshalb nicht zulasten des Geschädigten gehen. Andererseits entspricht es auch der Auffassung der Kammer, dass durch die Reparatur die Geschädigte keinen Vermögensvorteil im Sinne einer Bereicherung erlangen darf.

Nach umfassender Abwägung ist vorliegend jedoch kein Vermögenszuwachs der geschädigten Stadt durch die Reparatur des Lichtmastes in einem Umfang von 2518,46 € erkennbar, die einen Abzug „neu für alt“ rechtfertigen würde. Hierbei ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass die Reparaturkosten sich aus Lohnkosten mit Bereitschaftszuschlägen und Materialkosten zusammensetzen.

Gestiegene Materialpreise und Arbeitslöhne beim Wiederaufbau sind allerdings bei der Bemessung des Ersatzanspruchs nach § 249 Abs. 2 BGB grundsätzlich dem Schädiger anzulasten (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58 –, BGHZ 30, 29-36, Rn. 10).

Eine etwaige Wertsteigerung könnte sich allenfalls in Bezug auf die Materialkosten ergeben (Kabel 2,35 €, Freileitungsseil 15,60 €, Holzmasten 238,27 €, Rammstützen 53,72 €, Leuchtmittel 4,38 €, Schuch-Leuchte 182,17 €, Klemme 19,52 €, gesamt: 516,01 €). Hierbei vertritt die Kammer jedoch die Auffassung, dass ein Lichtmast aus dem Jahre 1975 mit veralteter Technik durch die Reparatur funktionsuntüchtiger Teile keinen messbaren Wertzuwachs erfährt. Es ist insofern eine allgemeinkundige Tatsache, dass das hier streitgegenständliche Lichtsystem mit Freileitungskomponenten im Stadtgebiet … kaum noch festzustellen ist, sondern vielmehr Leuchten mit Erdkabelanlage vorzufinden sind. Dies dürfte im Übrigen auch nicht nur auf das Stadtgebiet … begrenzt sein. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwiefern durch das Einbauen von neuen Ersatzteilen, eine technisch völlig überholte Lichtmastanlage, die ihre betrieblich vorbestimmte Nutzungsdauer von 40 Jahren bereits überschritten hat und deshalb nur noch mit einem Sachwert von 0 € sachverständig bestimmt wird, ein für den Geschädigten messbaren Vermögensvorteil erlangt hat. Denn der Lichtmast ist nach Angabe der Klägerin Teil eines Freileitungssystems. Insofern fällt bei dem Umknicken eines Lichtmastes durch die Unterbrechung der Freileitung auch die Beleuchtung der nachgeschalteten Straßenlampen aus. Wenn mithin in der Folgezeit ein anderer als der streitgegenständliche Lichtmast aus dem Beleuchtungssystem ausfällt, ist folglich auch der instandgesetzte streitgegenständliche Lichtmast vom Lichtausfall betroffen, ohne dass die erneuerten Ersatzteile einen messbaren Wert beinhalten würden. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich ein Vermögensvorteil der veralteten Freikabeltechnik nicht ansatzweise beimessen.

Es ist auch nicht erkennbar, dass ein etwaiger Reparatur- oder Wartungsmodus der Klägerin hinausgezögert werden würde, woraus sich ein Vorteil für die geschädigte Stadt ergeben könnte. Denn Wartungszyklen erfolgen nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin in einem Straßenzug, ebenso wie ein etwaiger Austausch von Straßenbeleuchtungssystemen, ohne dass es deshalb darauf ankäme, zu welchem Zeitpunkt die Ausbesserung des streitgegenständlichen Lichtmastes stattgefunden hat. Das bedeutet, dass unabhängig von der stattgefundenen Reparatur bei dem nächsten Wartungstermin des Straßenzuges Wartungsarbeiten auch an dem streitgegenständlichen Lichtmast stattfinden.

Unter diesen Umständen ist ein die Geschädigte bereichernder Wertzuwachs nicht festzustellen.

II. Es wird deshalb anheim gestellt, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. In einem solchen Fall ermäßigen sich die Gerichtskosten auf 2,0 Gebühren (Nr. 1222 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ), während im Fall eines Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO 4,0 Gebühren anfallen ( Nr. 1220 der Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ).

(Nur falls der Streitwert sich nicht offensichtlich aus den Leistungsantrag ergibt:)

III. Es ist beabsichtigt, den Streitwert gemäß §§ 47 GKG, 3 ZPO Streitwert auf 2.218,46 € festzusetzen.

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