Thüringer Oberlandesgericht – Az.: 2 U 1250/20 – Urteil vom 13.04.2022
1. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 22.10.2020, Az. (159) 1 O 547/17, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 2.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.09.2016 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 484,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 21.09.2016 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 175,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21.09.2016 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Schadensereignis vom 02.07.2015 zu ersetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin und die weitergehende Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 35% und die Beklagte 65% zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 54% und die Beklagte 46% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um restliche Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 02.07.2015 ereignete.
Die Klägerin fuhr zum Unfallzeitpunkt mit ihrem Fahrzeug, einem VW Sharan mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der Umgehungsstraße bei S… nach K….
Im Bereich der Einmündung in S… kam der zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten haftpflichtversicherte Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … aus einer untergeordneten Straße herausgefahren. Dieses Fahrzeug missachtete die Vorfahrt des klägerischen Fahrzeugs, wodurch es zur Kollision kam.
Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Klägerin wurde durch den Verkehrsunfall verletzt. Sie erlitt zumindest eine Prellung des linken Brustkorbs, der Lendenwirbelsäule, des Kreuzbeins, der linken Schulter, des linken Schlüsselbeins, des rechten Kniegelenks und eine Zerrung des rechten Handgelenks. Bis zum 07.08.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig.
Das Fahrzeug der Klägerin war nicht mehr fahrbereit und erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden. Die Klägerin holte bezüglich des Fahrzeugschadens ein außergerichtliches Schadensgutachten ein. Das Gutachten vom 13.07.2015 erhielt die Klägerin frühestens am 16.07.2015. Der Sachverständige bezifferte den Wiederbeschaffungswert mit 1.200,00 €, die Wiederbeschaffungsdauer mit 14 Kalendertagen, den Restwert mit 60,00 € und die Nutzungsausfallentschädigung mit 35,00 € pro Tag.
Das Klägerfahrzeug wurde vor dem Unfallereignis auch durch die Tochter der Klägerin und durch den Lebensgefährten der Klägerin mitgenutzt.
Die Klägerin bemühte sich erst nach dem 07.08.2015 um den Kauf eines Ersatzfahrzeuges. Die Zulassung des Ersatzfahrzeugs erfolgte am 14.09.2015.
Die Beklagte zahlte an die Klägerin eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 840,00 € (24 Tage x 35,00 €).
Mit der Klage begehrt die Klägerin eine weitere Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 455,00 € (13 Tage x 35,00 €), d. h. insgesamt für 37 Tage.
Die Beklagte zahlte an die Klägerin außergerichtlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 €. Mit der Klage begehrt die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 €.
Auf den Haushaltsführungsschaden zahlte die Beklagte an die Klägerin 200,00 €. Die Klägerin begehrt weitere 1.765,60 €.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe unfallbedingt erhebliche Schmerzen und Beschwerden sowie ein HWS-Schleudertrauma erlitten. Die unfallbedingten Behandlungen hätten sich auch nach Eintritt der Erwerbsfähigkeit fortgesetzt. Schmerzen habe sie immer noch. Vorher sei sie symptomfrei gewesen. Sie habe durch den Unfall einen Dauerschaden erlitten in Form von Schmerzen am Daumensattelgelenk und einen Druckschmerz im Gurtverlauf. Durch die Schmerzen sei sie nach wie vor beeinträchtigt. Auch nach der Arbeitsunfähigkeit habe sie Schmerzmittel eingenommen und sei in ärztlicher Behandlung gewesen.
Sie habe für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit auch ihren Haushalt nicht führen können. Bezüglich eines wöchentlichen Aufwands von 32,4 Stunden zu je 14,00 € ergäbe sich insofern ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 1.965,60 €. Abzüglich der Zahlungen der Beklagten verbleibe ein Restanspruch in Höhe von 1.765,60 €.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, sie habe sich verletzungsbedingt nicht früher um die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges bemühen können, insbesondere habe sie vorher keine Probefahrt durchführen können.
Die Klägerin hat in der 1. Instanz beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 455,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch einen weiteren Betrag von 4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2016.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.765,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2016 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Schadensereignis vom 02.07.2015 zu ersetzen.
Die Beklagte hat in der 1. Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, der von der Klägerin angenommene Stundensatz von 14,00 € im Rahmen des Haushaltsführungsschadens sei überhöht. Im Übrigen bestehe auch keine Unterhaltspflicht gegenüber dem Lebensgefährten. Eine vollständige Einschränkung der haushaltsspezifischen Leistungsfähigkeit habe nicht vorgelegen. Im Übrigen wäre eine Umverteilung der Arbeit im Haushalt möglich gewesen.
Die unfallbedingten Verletzungen seien im Übrigen nach wenigen Wochen ausgeheilt gewesen. Daran anschließende Behandlungen hätten ausschließlich auf degenerativen Vorerkrankungen beruht.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 1.500,00 € und eines weiteren Haushaltsführungsschadens in Höhe von 684,00 € verurteilt sowie im Übrigen festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Hiergegen richten sich die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten.
Die Klägerin trägt weiter vor, das Landgericht habe es versäumt, die festgestellten Primärverletzungen im Rahmen der Beurteilung eines angemessenen Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Das Landgericht habe lediglich die erlittenen Dauerschäden berücksichtigt. Im Hinblick auf die nachgewiesenen langwierigen Beschwerden und die Dauerschädigung im Anschluss an die erlittenen Primärverletzungen sei es geboten, das angemessene Schmerzensgeld deutlich höher anzusetzen. Der zuerkannte Betrag bilde nicht die zahlreichen Primärverletzungen ab. Dass diese überhaupt Eingang gefunden haben in die Schmerzensgeldbemessung gehe aus den Entscheidungsgründen des Landgerichts nicht hervor. Die unfallbedingte HWS-Verletzung habe maximal ein Jahr nach dem Unfall bestanden. Nur die anhaltenden Beschwerden im Anschluss daran seien unfallunabhängige Verschleißschäden.
Als Dauerschaden liege eine sehr schmerzhafte eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit des rechten Daumens vor und im Endstadium drohe eine Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Daumens mit der Folge einer notwendigen Operation. Die Nutzbarkeit der rechten Hand sei erheblich eingeschränkt. Es verbleibe im Übrigen die Druckschmerzhaftigkeit im Gurtverlauf, was bei vermehrter Belastung dazu führe, dass der linke Arm nicht mehr funktionsfähig eingesetzt werden könne.
Die geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung sei unter Berücksichtigung eines Überlegungszeitraums erstattungsfähig.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
1. Das Urteil des Landgerichts Meiningen abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über das erstinstanzlich zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 1.500,00 € hinaus, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2016 zu zahlen, wobei das Schmerzensgeld nicht das Risiko einer Gebrauchsunfähigkeit des rechten Daumens durch eine fortschreitende Arthrose und/oder das Risiko einer notwendigen Operation und deren Folgen umfasst.
2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 455,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Rahmen der Anschlussberufung beantragt die Beklagte, das Urteil des Landgerichts Meiningen abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld von mehr als 1.000,00 € sowie einen weiteren Betrag von (mehr als) 484,00 € zu zahlen.
Die Beklagte trägt vor, die Beschwerden der HWS seien auf bestehende Verschleißerscheinungen zurückzuführen.
Im Rahmen der Nutzungsausfallentschädigung sei kein Überlegungszeitraum zu berücksichtigen. Es sei jedem Laien klar gewesen, dass es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden handele. Darüber hinaus sei die Klägerin auch nicht in der Lage gewesen, ein Fahrzeug zu führen.
Bezüglich des Haushaltsführungsschadens sei der Zeitaufwand für die Tierhaltung nicht zu berücksichtigen, da es sich hierbei um ein Hobby handle.
Bezüglich des angenommenen Bruttolohns sei ein Abzug vorzunehmen von 30 %.
Nicht zu berücksichtigen sei der Teil der Haushaltsführung, den die Klägerin für ihren Lebensgefährten erbringe. Es fehle insofern an einer familienrechtlichen Unterhaltspflicht.
Die Klägerin beantragt im Übrigen, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage und eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die schriftliche Aussage des Zeugen Dr. M … vom 23.03.2018 (Bl. 56 f der Akte) und auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. med. O. M… vom 18.12.2018, 02.08.2019, 13.02.2020 (Anlagen), den Ergänzungen vom 06.03.2019, 03.02.2020 (Bl. 119, 171 ff der Akte) sowie der mündlichen Anhörung des Sachverständigen vom 19.02.2020 (Bl. 177 ff der Akte).
II.
Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
1.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten über das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,- € einen weiteren Anspruch in Höhe von 2.500,- € gemäß §§ 7, 17, 18, 11 S. 2 StVG; 823 Abs. 1, 253 BGB i.V.m. 115 VVG.
a)
Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Beklagten unstreitig.
b)
Nach § 11 S. 2 StVG; 253 Abs. 2 BGB ist bei einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit etc. wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld zu leisten.
aa)
Für Umfang und Reichweite des Schadensersatzanspruchs aus § 253 Abs. 2 BGB ist die Bestimmung der Funktionen und Ziele des Schmerzensgeldes sowie ihr Zusammenspiel im konkreten Fall von essentieller Bedeutung. Rechtsprechung und Literatur unterschieden im Rahmen von § 847 BGB aF bislang im Wesentlichen die Ausgleichs- und die Genugtuungsfunktion. Eine Aufspaltung des geforderten Schmerzensgeldes in eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion ist indes nicht zulässig, da es sich um einen einheitlichen Anspruch handelt (BGHZ 128, 117 = NJW 1995, 781 f.). Vorrang hat der Ausgleich von immateriellen Schäden des Verletzten, insbesondere hinsichtlich der erlittenen Einbußen an Lebensfreude und -chancen. Entsprechend der Durchbrechung der Grundregel des Abs. 1 im Rahmen des Schadensrechts muss das Schmerzensgeld als eine Art immaterielle „Naturalrestitution“ wirken, auch wenn erlittene psychische Beeinträchtigungen oder Schmerzen gewiss nicht mit Geld aufgewogen werden können. Obgleich eine Sühne des Schädigers dem Deliktsrecht grundsätzlich fremd ist und dem Strafrecht vorbehalten sein sollte, wird dieser Grundsatz bei § 847 BGB aF durch die Rechtsprechung in Form der Anerkennung einer Genugtuungsfunktion durchbrochen (BeckOK BGB/Spindler, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 253 Rn. 14-16). In der Regel hat die Ausgleichsfunktion ein wesentlich größeres Gewicht als die Genugtuungsfunktion. Insbesondere bei Straßenverkehrsunfällen tritt die Genugtuungsfunktion weitgehend in den Hintergrund (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Oktober 2011 – I-1 U 236/10 -, Rn. 107, juris).
Der Maßstab für eine billige Entschädigung im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB muss unter Berücksichtigung ihrer Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Wägung aller ihn prägenden Umstände neu gewonnen werden. Bei der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes unterliegt der Tatrichter von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen. Hierbei muss er aber im Hinblick auf den Gleichheitssatz das gewonnene Ergebnis anhand von in sog. Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfällen überprüfen, wobei die dort ausgewiesenen Beträge schon wegen der meist nur begrenzt vergleichbaren Verletzungsbilder nicht schematisch übernommen werden dürfen (OLG Hamm, Urteil vom 12. September 2003 – 9 U 50/99 -, juris; OLG München, Urteil vom 27. Oktober 2006 – 10 U 3345/06 -, juris). Insoweit sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte zu benennen, genügt allein nicht. Ausgangspunkt sind Art der Behandlung (Krankenhaus/Reha) und Dauer der Beeinträchtigung (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 2018 – 22 U 97/16 – juris, Rn. 62). Bei der Heranziehung von Vergleichsfällen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung bei der Bemessung von Schmerzensgeld nach gravierenden Verletzungen deutlich großzügiger verfährt als früher und zu Gunsten eines Geschädigten die zwischenzeitliche Geldentwertung zu berücksichtigen ist (OLG München, Urteil vom 9. September 2020 – 10 U 1722/18 – juris, Rn. 24; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Januar 2021 – I-7 U 18/20 -, Rn. 26, juris).
bb)
Nach den Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils hat die Klägerin durch den Unfall zunächst folgende Verletzungen erlitten: eine Prellung des linken Brustkorbs, der Lendenwirbelsäule, des Kreuzbeins, der linken Schulter, des linken Schlüsselbeins, des rechten Kniegelenks und eine Zerrung des rechten Handgelenks.
Bis zum 07.08.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme geht das Gericht auch von einer unfallkausalen und noch andauernden Verletzung des Daumens, einer unfallkausalen – inzwischen ausgeheilten – Verletzung der HWS und einem unfallkausalen und noch andauernden Druckschmerz im Gurtverlauf aus.
Nach der schriftlichen Aussage des Zeugen Dr. med. M… befand sich die Klägerin seit dem 03.07.2015 in seiner Behandlung. Als Diagnose stellte er eine HWS-Distorsion/Schleudertrauma, LWS- und Kreuzbeinprellung, eine Hemithoraxprellung links, Schulter- und Clavikulaprellung links sowie eine Distorsion des rechten Daumens. Der Zeuge bestätigte ein vorbestehendes chronisches Schmerzsyndrom der HWS/LWS/Knie – und Sprunggelenke. Die vorbestehende HWS-Problematik wurde durch den Verkehrsunfall verschlechtert. Die Klägerin war durch die erlittene Problematik bis 12/2015 deutlich schmerzhaft bewegungseingeschränkt und leistungsgemindert. Langfristige Folgen oder Schäden können nicht sicher festgestellt werden und sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Der Sachverständige Dr. med. M… hat bezüglich der Beschwerden am Daumen für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar im Rahmen des Gutachtens vom 18.12.2018 (S. 26) bestätigt, dass die geschilderten Symptome und der Untersuchungsbefund des Daumensattelgelenks rechts die schmerzhaften Beschwerden erklären. Im Rahmen der ergänzenden Stellungnahme vom 02.08.2019 (S. 10, 11) führte der Sachverständige weiter aus, dass die Röntgenuntersuchung eine progrediente Veränderung im Befund gegenüber dem Befund, der am 05.07.2015 erhoben wurde, zeigt. Ausgehend von diesem Befund kann sich zukünftig eine im vollen Umfang ausgeprägte Sattelgelenkarthrose realisieren, die im Endstadium zu einer aufgehobenen Gebrauchsfähigkeit oder schmerzhaft sehr eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit des rechten Daumens führen könnte mit der Folge einer möglicherweise notwendigen operativen Behandlung mit z. B. Entfernung des großen Vieleckbeins. In der ergänzende Stellungnahme vom 13.02.2020 bestätigte der Sachverständige, dass die MRT-Untersuchung des rechten Handgelenks vom 10.11.2015 nunmehr zur Verfügung gestellt wurde. Man erkennt dort einen Erguss im Sattelgelenke und beginnende umformende Veränderungen. Die erste konventionelle Aufnahme der rechten Hand datiert vom 05.07.2015. Umformende Veränderungen sind nicht zu erkennen. Die konventionellen Röntgenaufnahmen der rechten Hand von 23.11.2018 dokumentieren geringe Veränderungen, die auf einen Verschleißschaden hindeuten. In Zusammenschau mit dem Unfallereignis, der Ergussbildung im Sattelgelenke rechts und erkennbar beginnenden umformenden Veränderungen, dargestellt in der MRT-Aufnahme vom 10.11.2015, im Röntgenbild fehlender umformender Veränderungen 3 Tage nach dem Ereignis, Beschwerdefreiheit davor und anschließend gering progredienten Veränderungen im Röntgenbild lassen sich die Beschwerden und Veränderungen als mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unfallbedingt bezeichnen.
Bezüglich der Beschwerden der HWS führt der Sachverständige für das Gericht widerspruchsfrei und nachvollziehbar in seinem Gutachten vom 18.12.2018 (S. 27 f.) aus, dass Zerrungen der Halsweichgewebe mit vorübergehender schmerzhafter Bewegungseinschränkung den Verletzungsfolgen und erhobenen Befunden zuzurechnen sind. Es entspricht danach allgemeiner Erfahrung, dass derartige Beschwerden durch eine Schmerzbehandlung und eine Physiotherapie zurückgehen. Verbleiben dauerhafte Schmerzen, dann sind diese auf keinem Fall auf Verletzungsfolgen zurückzuführen, die keinen strukturellen Schaden hinterlassen haben. Dass dem so ist, ist bewiesen durch die unauffällige MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule vom 04.11.2015. Anhaltende Beschwerden sind dem bereits am Unfalltag bestehenden Verschleißschaden der unteren Halswirbelsäule zuzurechnen, der durch die Verletzungsfolgen nicht beeinflusst wurde. Frische Verletzungen in Höhe der betroffenen Segmente sind auszuschließen. Die geklagten Beschwerden am Arbeitsplatz sind Haltungsbeschwerden. Sie sind unfallbedingt nicht zu begründen. Verbleiben Beschwerden, sind diese auf die unfallunabhängigen strukturellen Verschleißschäden der betroffenen Segmente zurückzuführen.
In dem Ergänzungsgutachten vom 02.08.2019 führt der Sachverständige aus (S. 5 ff), dass in dem MRT-Befund vom 04.11.2015 keinerlei Veränderungen beschrieben werden, die eine unfallbedingte Signalstörung im Segment C5/6 zum Inhalt hat. Die fehlende Darstellung eines verletzungskonformen Schadensbildes im Verlauf der MRT Untersuchung lässt den Schluss zu, dass Veränderungen in dem vom Verschleißschaden betroffenen Segment unfallbedingt nicht erklärt werden können. Bei einem fehlenden nachweisbaren Verletzungserfolg in Höhe der beschwerdeführenden Segmente können diese Beschwerden ursächlich nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. In dem vorliegenden Fall ist es unschwer nachzuvollziehen, dass andere Ursachen, eben der bereits auch vor dem Unfall festgestellte Verschleißschaden, beschwerdeführend sind. Der Unfall war nicht das auslösende Moment von Beschwerden.
Der Unfall war jedoch bei Vorschädigung der Halswirbelsäule in der Lage, Beschwerden aus ihrer Latenz zu heben und vorübergehend die Beschwerden wieder zu akzentuieren. Eine dauerhafte Veränderung des Beschwerdeverlaufs lässt sich aus medizinischer Sicht aber nur dann begründen, wenn auch Verletzungsfolgen an der Halswirbelsäule zu erkennen sind. Sind diese nicht zu erkennen, dann unterliegt der Beschwerdeverlauf eben nicht verletzungsbedingten Veränderungen, sondern dem bestehenden Verschleißschaden. Will man bei einem bestehenden Verschleißschaden eine richtungsgebende Veränderung eines Verlaufs begründen, dann bedarf es dazu auch eines nachweisbaren Verletzungserfolgs. Ansonsten bleibt diese Schlussfolgerung Spekulation. Aus dem Bericht der Fachärztin für Neurochirurgie vom 17.11.2015 geht hervor, dass die Patientin die im Juli geplante Kontrolle nicht wahrnehmen konnte, da sie einen Verkehrsunfall erlitten hat. Wenn ein Kontrolltermin besteht, dann ist daraus nicht zu schließen, dass zum Zeitpunkt des Unfalls eine Beschwerdefreiheit bzw. sogenannte Defektanpassung ohne Symptombeschwerden vorlag bzw. bestätigt werden kann.
Es ist nachvollziehbar, dass von außen einwirkende Belastungen auf ein vorgeschädigtes Segment der Halswirbelsäule dazu führen, dass zu Beginn deutlich spürbare Beschwerden entstehen, die dann nachlassen.
Der verletzungsfördernde Faktor hat sich insofern realisiert, als Beschwerden aus der Latenz gehoben worden und eine Behandlung des Verschleißschadens wieder erforderlich wurde. Entsprechend den voranstehenden Ausführungen kann daraus geschlossen werden, dass Beschwerden länger als üblich zu behandeln waren. Ein Weiterbestehen dauerhafter Verletzungsfolgen lässt sich aber bei fehlendem Nachweis einer Verletzung, insbesondere in der MRT-Untersuchung, nicht begründen.
In der ergänzende Stellungnahme vom 03.02.2020 (S. 2) führt der Sachverständige aus, dass auch die Verlaufskontrolle der MRT-Untersuchung zwischen dem Zeitpunkt vor dem Unfall vom 05.06.2014 und vom 04.11.2015 keine bildgebend gravierende Veränderungen, die nicht dem zu erwartenden Verlauf des Verschleißschadens entsprechen würde und aus der sich schließen ließe, dass für den dargestellten Verlauf der bildgebenden Veränderungen das Unfallereignis unersetzlich gewesen wäre. Im Befund vom 04.11.2015 heißt es: Geringe Befundverschlechterung der Etage C5/6 mit deutlicher abgrenzbarer Vorwölbung sowie radikulärer neuroforaminaler Affektion bei gleichbleibenden Befund im Segment C6/7. Die Verletzung der Halswirbelsäule betraf die Weichgewebe. Bandzerreißungen der die Wirbelkörper stabilisierenden Längsbänder und unfallbedingte Schäden der Bandscheiben sind auszuschließen. Der Verschleißschaden der Halswirbelsäule ist einerseits verletzungsfördernd, andererseits aber auch beschwerdefördernd. Dem wurde Rechnung getragen dergestalt, dass bei einer vorgeschädigten Halswirbelsäule, die einer Beschleunigung ausgesetzt wird, eine längere Ausheilungszeit von Beschwerden zuzugestehen ist, die bei fehlendem gleichzeitigem Verschleißschaden der Halswirbelsäule längst folgenlos ausgeheilt wären.
Mit zunehmendem Abstand vom Eintritt des Unfalls kommt es zu einer Änderung der Wesensgrundlage der Beschwerdesymptomatik und verletzungsbedingte Beschwerden können zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr wahrscheinlich gemacht werden.
Der Zeitraum von einem Jahr ist aus Sicht des Sachverständigen weder zu gering noch zu lang gewählt.
Die Ausführungen des Zeugen Dr. med. M… zu einem vorbestehenden chronischen Schmerzsyndrom der HWS/LWS/Knie – und Sprunggelenke, wobei die HWS-Problematik durch den Verkehrsunfall verschlechtert wurde, können in Übereinstimmung gebracht werden zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. M…, wonach sich durch das Unfallereignis der verletzungsfördernde Faktor realisiert hat, Beschwerden aus der Latenz gehoben worden und eine Behandlung des Verschleißschadens wieder erforderlich wurde. Die insofern verletzungsbedingten Beschwerden können jedoch die Dauer von einem Jahr nicht überschreiten.
cc)
Ausgehend von der Verletzungsfolgen unter bb) sind folgende Vergleichsentscheidungen zu berücksichtigen:
— Verletzung HWS-Zerrung nach HWS-Schleudertrauma; Thoraxprellung; Prellung der linken Schulter sowie des rechten Handgelenks; kurzzeitig eingeschränkte Lungenfunktion Dauer und Umfang der Behandlung/ Arbeitsunfähigkeit/ Minderung der Erwerbsfähigkeit 4 Tage stationär, davon 2 Tage Intensivstation; ambulante und wiederholt krankengymnastische Weiterbehandlung. MdE: 2½ Monate 100%
Person des Verletzten Mann
Besondere Umstände, die für die Entscheidungen maßgebend waren: Grobe Fahrlässigkeit des erheblich alkoholisierten Beklagten. Strafrechtliche Folgen ohne Einfluss auf Schmerzensgeldhöhe. Nach 2 ½ Monaten deutliche Besserung der Beschwerden
Gericht, Datum der Entscheidung und Aktenzeichen OLG Celle, 3.11.1994 -5 U 288/92-
Betrag 3500,00 DM (1750,00 €)
Indexanpassung (2022) 2580,00 €
— Verletzung Schwere Schädelprellung mit Schleudertrauma der HWS und Verletzung des Innenohrs; Thoraxprellung; Prellung im Bereich der linken Schulter und des linken Knies Dauer und Umfang der Behandlung/ Arbeitsunfähigkeit/ Minderung der Erwerbsfähigkeit Mehrwöchiges Tragen einer Halskrawatte; längere ambulante Behandlung
Person des Verletzten Sportlehrerin
Besondere Umstände, die für die Entscheidungen maßgebend waren: Urteil erfasst den Ausgleich der unfallbedingten Schmerzen und Beschwerden bis ca. 2 ½ Jahre nach dem Unfall. Künftige Auswirkungen und Folgen der Verletzung noch nicht absehbar (dringender Verdacht auf einen traumatisch bedingten retropatellaren Knorpelschaden mit latenter Seitenbandtendinose)
Gericht, Datum der Entscheidung und Aktenzeichen LG Bielefeld, 7.11.1990 -1 b S 235/90-
Betrag 4000,00 DM (2000,00 €) + immat. Vorbehalt
Indexanpassung (2022) 3436,00 €
— Verletzung Schwere Schädelprellung, HWS-Schleudertrauma, Thoraxprellung sowie Prellungen der linken Schulter und des linken Knies
Dauer und Umfang der Behandlung/ Arbeitsunfähigkeit/ Minderung der Erwerbsfähigkeit Mehrwöchiges Tragen einer Halskrawatte
Person des Verletzten Frau
Besondere Umstände, die für die Entscheidungen maßgebend waren: Die geltend gemachten Beschwerden, wie Kopfschmerzen und Schwindelanfälle, seien zwar möglich, lassen sich jedoch nicht durch Befunde objektivieren
Gericht, Datum der Entscheidung und Aktenzeichen AG Bielefeld, 4.4.1990 -4 C 508/89-
Betrag 3000,00 DM (1500,00 €)
Indexanpassung (2022) 2614,00 €
— Verletzung HWS-Distorsion, Distorsion des linken Daumengrundgelenks, Distorsion des rechten Kniegelenks mit Abschürfungen
Dauer und Umfang der Behandlung/ Arbeitsunfähigkeit/ Minderung der Erwerbsfähigkeit Insgesamt 2 Monate AU zu 100%
Person des Verletzten Mann, Zahntechniker
Gericht, Datum der Entscheidung und Aktenzeichen AG Buxtehude, 14.12.2010 -31 C 514/08-
Betrag 3000,00 €
Indexanpassung (2022) 3478,00 €
— Verletzung Kapseldehnung im rechten Daumensattelgelenk, Überdehnung der Muskeln und Gelenkbänder der HWS und BWS, multiple Prellungen
Dauer und Umfang der Behandlung/ Arbeitsunfähigkeit/ Minderung der Erwerbsfähigkeit 2 Wochen krankgeschrieben, auf die Dauer von 5 Monaten regelmäßig ein- bis zweimal pro Woche ärztliche Behandlung, anfangs Tragen einer Gipsschiene und anschließend einer Orthese
Person des Verletzten Frau
Besondere Umstände, die für die Entscheidungen maßgebend waren: Noch nach 9 Monaten Gebrauchsminderung der rechten Hand von 10%; Klägerin hat mit dem Eintritt eines weiteren Schadens zu rechnen
Gericht, Datum der Entscheidung und Aktenzeichen OLG Braunschweig, 4.12.2008 -7 U 30/08-
Betrag 4800,00 € + immat. Vorbehalt
Indexanpassung (2022) 5686,00 €
dd)
Im Hinblick darauf, dass den Vergleichsentscheidungen teilweise kein Dauerschaden bzw. ein geringerer/größerer Verletzungsumfang zugrunde lag, geht das Gericht insgesamt von einem Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 3.500,- € aus.
Antragsgemäß nicht von diesem Schmerzensgeldbetrag erfasst wird das Risiko einer Gebrauchsunfähigkeit des rechten Daumens durch eine fortschreitende Arthrose und/oder das Risiko einer notwendigen Operation und deren Folgen.
Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet es zwar, die Höhe des der Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen (vgl. BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151 ff.; Urteil vom 6. Dezember 1960 – VI ZR 73/60, VersR 1961, 164 f.; vom 20. März 2001 – VI ZR 325/99, VersR 2001, 876; vom 20. Januar 2015 – VI ZR 27/14, VersR 2015, 772; vom 10. Juli 2018 – VI ZR 259/15, juris Rn. 6). Verlangt ein Geschädigter für erlittene Körperverletzungen uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, so werden durch den Klageantrag alle diejenigen Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (BGH, Urteil vom 11. Juni 1963 – VI ZR 135/62, VersR 1963, 1048, 1049; vom 8. Juli 1980 – VI ZR 72/79, VersR 1980, 975 f.; vom 24. Mai 1988 – VI ZR 326/87, VersR 1988, 929 f.; vom 7. Februar 1995 – VI ZR 201/94, VersR 1995, 471, 472; vom 20. März 2001 – VI ZR 325/99, VersR 2001, 876; vom 20. Januar 2004 – VI ZR 70/03, VersR 2004, 1334; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 322/04, VersR 2006, 1090 Rn. 7; vom 20. Januar 2015 – VI ZR 27/14, VersR 2015, 772 Rn. 7 f., vom 10. Juli 2018 – VI ZR 259/15, juris Rn. 6). Lediglich solche Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, an die auch ein mit der Beurteilung des Ausmaßes und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung eines Schadens beauftragter Sachverständiger nicht zu denken brauchte, die aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit schließlich doch eingetreten sind, mit denen also nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müssen, werden von dem Klageantrag nicht umfasst und können deshalb die Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld und Gegenstand eines Feststellungsantrags sein (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli aaO.; Urteil vom 14. Februar 2006, aaO.; vom 20. Januar 2015, aaO.; vom 10. Juli 2018, aaO.) Ob Verletzungsfolgen im Zeitpunkt der Zuerkennung eines Schmerzensgeldes erkennbar waren, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Sicht der Parteien oder der Vollständigkeit der Erfassung des Streitstoffes durch das Gericht, sondern nach objektiven Gesichtspunkten, das heißt nach den Kenntnissen und Erfahrungen eines insoweit Sachkundigen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1988, aaO., vom 7. Februar 1995. aaO.; vom 14. Februar 2006, aaO.). Maßgebend ist, ob sich bereits in jenem Verfahren eine Verletzungsfolge als derart nahe liegend darstellte, dass sie schon damals bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1980, aaO.; vom 24. Mai 1988, aaO.; vom 7. Februar 1995, aaO.; vom 14. Februar 2006, aaO.).
Für die von dem Sachverständigen geschilderten theoretischen weiteren Folgen, fehlen bislang greifbare Anhaltspunkte, so dass sie keine Berücksichtigung fanden. Nicht jede theoretisch mögliche Verletzungsfolge ist derart naheliegend, dass sie berücksichtigt werden kann und muss. Außergerichtlich zahlte die Beklagte auf den Schmerzensgeldanspruch bereits 1.000,00 €, sodass insgesamt noch ein Betrag offen in Höhe von 2.500,00 €. Aufgrund der Teilanfechtung durch die Beklagte sind hiervon durch das Landgericht bereits 1.000,- € rechtskräftig festgestellt.
2.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf weitere Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 175,- € gemäß §§ 7, 17, 18 StVG; 823 Abs. 1, 249 BGB i.V.m. 115 VVG.
a)
Der Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls besteht für die erforderliche Ausfallzeit, d. h. für die notwendige Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit (Geigel, Haftpflichtprozess 28. Auflage 2020 Rn. 193; BGH NJW 2013, 1151 Rn. 22, beck-online).
Die Klägerin holte bezüglich des Fahrzeugschadens ein außergerichtliches Schadensgutachten ein. Das Gutachten vom 13.07.2015 erhielt die Klägerin nach eigenem Vortrag frühestens am 16.07.2015. Der Sachverständige bezifferte die Wiederbeschaffungsdauer mit 14 Kalendertagen und die Nutzungsausfallentschädigung mit 35,00 € pro Tag, deren Höhe von den Parteien nicht angegriffen wird.
b)
Soweit sich die Klägerin im Rahmen der Berufung auf eine zusätzliche Bedenk- und Überlegungszeit nach Erhalt des Gutachtens beruft – beispielsweise ob das Fahrzeug repariert wird oder eine Ersatzbeschaffung erfolgt -, greift dies nicht durch.
Es war vorliegend von Anfang an offensichtlich, dass das klägerische Fahrzeug wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat und keine Reparatur erfolgen kann. Zugunsten der Klägerin war daher nur der Zeitraum der Schadensfeststellung und der Wiederbeschaffungszeitraum zu berücksichtigen.
Der Zeitraum der Schadensfeststellung lief vom 02.07. – zum 16.07.2015. Frühestens an diesem Tag erhielt die Klägerin Kenntnis vom Schadensgutachten. Hieraus ergibt sich ein Zeitraum von 15 Kalendertagen. Hinzu kommen 14 Kalendertage, die der Schadensgutachter als Wiederbeschaffungsdauer angenommen hat. Es ergeben sich dann insgesamt 29 Kalendertage. Multipliziert mit einem unstreitigen Tagessatz von 35,00 € ergeben sich insgesamt 1.015,00 €. Die Beklagte zahlte 840,00 €, sodass ein Restanspruch besteht in Höhe von 175,00 €.
c)
Unerheblich ist, dass die Klägerin verletzungsbedingt nicht in der Lage war, das Fahrzeug zu führen. Es ist auch auf den Kreis der berechtigten Fahrzeugnutzer (Familienangehörige) abzustellen (Oetker: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 249 BGB, Rn. 70). Das verunfallte Klägerfahrzeug wurde vor dem Unfallereignis durch die Tochter der Klägerin und durch den Lebensgefährten der Klägerin mitgenutzt.
d)
Unerheblich ist auch, ob die Klägerin unfallbedingt nicht in der Lage war, zu einem früheren Zeitpunkt eine Probefahrt durchzuführen. Sie hätte sich auch insofern der Hilfe ihrer Familienangehörigen bedienen können, welche auch das verunfallte Fahrzeug nutzten.
3.
Soweit die Beklagte den vom Landgericht ausgeurteilten Haushaltsführungsschaden in Höhe von 200,00 € angreift, hat die Anschlussberufung Erfolg. Die Klägerin hat in der angegriffenen Höhe keinen Anspruch gemäß §§ 7, 17, 18, 11 Satz 1 StVG; 823 Abs. 1 BGB i.V.m. 115 VVG.
Akzeptiert werden von der Beklagten von dem ausgeurteilten Betrag in Höhe von 684,00 € ein Teilbetrag in Höhe von 484,00 € sowie die außergerichtlich bereits gezahlten 200,00 €, d. h. insgesamt 684,00 €.
a)
In dem Verlust der Fähigkeit, weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, liegt ein ersatzfähiger Schaden. Er stellt sich je nach dem, ob die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt oder den eigenen Bedürfnissen des Verletzten diente, entweder als Erwerbsschaden i.S. des § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder als Vermehrung der Bedürfnisse i.S. des § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB dar (Senatsurteil vom 25. September 1973 – VI ZR 49/72 – VersR 1974, 162, 163; s. auch Senatsurteil vom 7. Mai 1974 – VI ZR 10/73 – VersR 1974, 1016, 1017 m.w.N.). In dem einen wie dem anderen Falle ist der Schaden meßbar an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt nicht mehr ausführbaren oder nicht mehr zumutbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird (dann Erstattung des Bruttolohns) oder, wenn etwa Familienangehörige oder Freunde einspringen, gezahlt werden müßte (dann Orientierung am Nettolohn) (vgl. auch Senatsurteile BGHZ 86, 372, 375ff. und 104, 113, 120f.). Zu diesem Zwecke ist festzustellen, für wieviel Stunden nunmehr eine Hilfskraft benötigt wird oder – bei anderweitigem Ausgleich des Hausarbeitsdefizits – benötigt würde (Senatsurteil vom 6. Juni 1989 – VI ZR 66/88 -, insoweit in VersR 1989, 857 nicht mit abgedruckt.
Der verletzungsbedingt zu überbrückende Ausfall bemißt sich vielmehr nach der konkreten Behinderung im Haushalt. Dem Tatrichter ist es indes nicht verwehrt, auf Erfahrungswerte zurückzugreifen, solange er sie nicht schematisch übernimmt, sondern sich bewußt bleibt, daß es sich lediglich um Anhaltspunkte für eine Schätzung des Hausarbeitsschadens nach § 287 ZPO handelt (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 – VI ZR 247/88 -, Rn. 8 – 10, juris).
b)
Die Klägerin bewohnte eine Etage ihre Hauses zusammen mit ihrem Lebensgefährten und ihrer 1997 geborenen Tochter.
Die Klägerin war ihrem Lebensgefährten gegenüber nicht gesetzlich zum Unterhalt durch Führung des Haushalts verpflichtet (vgl. OLG Celle, Urteil vom 12. Februar 2009 – 5 U 138/08 -, Rn. 14, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 10. Juni 2005 – 5 U 195/05 -, Rn. 15, juris). Es ist streitig, ob die Beeinträchtigung der Haushaltsführung in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft dennoch einen Erwerbsschaden des Verletzten begründet.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird ein Erwerbsschaden nicht anerkannt (vgl. Senat, Urteil vom 09.02.2022, Az. 2 U 504/20).
Auf eine faktisch oder sittlich begründete Unterhaltsverpflichtung ist im Rahmen der Bemessung des Haushaltsführungsschadens nicht abzustellen. Diese Einschränkung ist erforderlich, weil es bei den §§ 842 f. BGB um den Ersatz von Vermögensschäden geht. Das Vermögen kann aber nur dann betroffen sein, wenn durch das Unterbleiben der Hausarbeit für dritte Personen eine bestehende Unterhaltspflicht mit der Folge unerfüllt bliebe, dass der Verletzte an sich gehalten wäre, auf andere Weise seinen Beitrag zum Familienunterhalt zu leisten. Dies ist bei einer faktisch oder sittlich begründeten Unterhaltsverpflichtung nicht der Fall; die weitere Erbringung der Leistungen kann nicht eingefordert werden. Kann die fragliche Hausarbeit nach dem, was die persönliche Überzeugung gebietet, geleistet oder unterlassen werden, so berührt eine Verletzung, die ihre Erbringung unmöglich macht, die Vermögenssphäre nicht (OLG Nürnberg, Urteil vom 10. Juni 2005, 5 U 195/05, zitiert nach juris, Rn. 16; so auch: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 03. April 2018 – 11 U 93/17 -, Rn. 7, juris; KG, Urteil vom 26. Juli 2010 – 12 U 77/09 -, Rn. 20 – 32, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2006 – 1 U 241/05 -, Rn. 15ff.; OLG Celle, Urteil vom 12. Februar 2009 – 5 138/08 -, Rn. 13, 14; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 12 U 180/15 -, Rn. 13).
Ein Anspruch kann bestehen, wenn die Leistungen zur Haushaltsführung aufgrund einer vertraglichen Regelung erfolgen, insbesondere soweit sie sich als Gegenleistung zur Unterhalts- oder Versorgungsleistung des anderen Partners verstehen. Möglicherweise kommt auch die Qualifizierung als ersatzfähiger Erwerbsschaden unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Haushaltsführung eine sinnvolle Verwertung der Arbeitskraft des davon betroffenen Partners darstellt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2006, 1 U 241/05, 1 U 241/05, Rn. 23, juris), etwa, weil der Kläger eine wirtschaftliche Gegenleistung erhält (Löhnig, FamRZ 95, 2030, 2031/2032; Pardey, Haushaltsführungsschaden, S. 32). Solche Tatsachen hat die Klägerin aber nicht vorgetragen.
Eine Verpflichtung zur Erbringung des Betreuungsunterhaltes besteht aber gegenüber ihrer (minderjährigen) Tochter, §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese wurde im Jahr 1997 geboren, d.h. sie wurde im Unfalljahr volljährig. Die Tochter der Klägerin absolvierte zu dem Zeitpunkt noch ihr Abitur und begann später ein Studium. Die gesetzliche Unterhaltspflicht bestand daher weiter, §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1610 Abs. 2 BGB.
Im Ergebnis wäre auf einen „fiktiven“ 2-Personen-Haushalt mit der Klägerin und ihrer Tochter abzustellen.
c)
Gegenüber zu stellen sind die Haushaltstätigkeiten, die die Klägerin ohne die unfallbedingten Verletzungen weiterhin geleistet haben würde und die in Folge des Unfalles eingetretene Leistungsminderung bzw. der in Folge des Unfalles erforderliche Mehraufwand (OLG Düsseldorf, Urteil vom 02. Januar 2019 – 1 U 158/16 -, Rn. 49, juris).
Der Schaden kann in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung anhand der Erfahrungswerte geschätzt werden, die in einem anerkannten Tabellenwerk niedergelegt sind (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 5, juris). Maßgeblich bleibt aber die konkrete Behinderung des Verletzten im Haushalt. Mit dem Rückgriff auf Tabellenwerte erfolgt ein Rückgriff auf Erfahrungswerte, die nicht schematisch übernommen werden dürfen. Die Stundenzahl, für die dem Verletzten eine – gegebenenfalls fiktive – Hilfskraft zugute zu halten ist, entspricht nicht zwangsläufig dem Anteil der abstrakten Minderung der Hausarbeitsfähigkeit an dem statistischen Bedarf. Deswegen kann nicht in abstrakter Weise eine Übertragung der Minderung der Hausarbeitsfähigkeit auf die Tabellenwerte erfolgen (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 – VI ZR 247/88 -, Rn. 10, juris). Der Verletzte muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er infolge des Unfalls nicht wie zuvor in der Lage ist, bestimmte Tätigkeiten im Haushalt zu verrichten. Maßstab für den ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden ist die konkrete haushaltsspezifische Behinderung des Verletzten. Dazu ist grundsätzlich die konkrete Lebenssituation darzustellen, um gemäß § 287 ZPO beurteilen zu können, nach welchen wesentlichen Auswirkungen auf die Hausarbeit sich der Haushaltsführungsschaden berechnen lässt. Die Darlegung wird nicht durch einen Verweis auf eine abstrakte Minderung der Erwerbsfähigkeit oder eine entsprechende Einschränkung der Haushaltsführungstätigkeit entbehrlich. Um den Haushaltsführungsschaden berechnen bzw. schätzen zu können, ist es jedenfalls erforderlich, dass der Anspruchsteller darlegt, welche Arbeitsleistungen er in seinem konkreten Haushalt vor dem Schadensereignis tatsächlich erbracht hat und in welchem Umfang er bei diesen Tätigkeiten durch die Verletzung nunmehr gehindert ist. Der Umstand, dass das Gericht bei der Schätzung des Haushaltsführungsschadens auf Tabellenwerke zurückgreifen kann, macht einen detaillierten Sachvortrag zu den vorbezeichneten Umständen nicht entbehrlich (OLG Düsseldorf, Urteil vom 02. Januar 2019 – 1 U 158/16 -, Rn. 49, juris). Es ist auf die konkrete Behinderung in den einzelnen Haushaltsbereichen abzustellen. Dazu ist zunächst auf Grund entsprechenden Vortrages der Partei festzustellen, welche Hausarbeiten der Verletzte tatsächlich ohne das Unfallereignis verrichtet hätte. Sodann ist vom Verletzten darzulegen und ggf. anschließend Beweis dazu zu erheben, welche dieser Arbeiten unfallbedingt nicht mehr möglich oder zumutbar sind und auch nicht durch den Einsatz von Haushaltstechnik oder Umorganisation kompensierbar sind. Anschließend wird die Zeit geschätzt, die eine Hilfskraft für die Erledigung dieser Arbeiten benötigen würde, welche sodann mit dem ortsüblichen Stundenlohn für Hilfskräfte bewertet wird (OLG Celle, Urteil vom 26. November 2008 – 14 U 45/08 -, Rn. 35, juris). Dazu muss der Verletzte vortragen, welche Tätigkeiten er im Haushalt vor dem Unfall verrichtet hat, infolge des Unfalls aber überhaupt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausüben und nicht anderweitig (zumutbar) ausgleichen kann (OLG Celle, Urteil vom 14. Dezember 2006 – 14 U 73/06 -, Rn. 26 – 28, juris; vgl. a. OLG Koblenz, Urteil vom 03. Juli 2003 – 5 U 27/03 -, Rn. 28 – 30, juris). Hierzu gehört die Darstellung, welche Beeinträchtigungen es erschweren oder hindern, welche bestimmten Tätigkeiten in welchem Umfang auszuführen (Pardey, SVR 2018, 165). Die Darlegung muss aber nicht spezifizierter erfolgen, als ausreichend ist, um den erforderlichen Aufwand und die erforderliche Qualifikation unter Zuhilfenahme der anerkannten Tabellenwerke einzuschätzen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1992 – VI ZR 367/90 -, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 9, juris).
Erforderliche Anknüpfungstatsachen sind als wesentliches Indiz für den hypothetischen Verlauf ohne den Unfall die konkrete Arbeit und der konkrete Umfang der vor der Verletzung von dem Verletzten übernommenen Arbeiten (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 9, juris) und der Zuschnitt des zu versorgenden Haushaltes (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 9, juris).
d)
Festzustellen sind die Haushaltstätigkeiten, die die Klägerin ohne die unfallbedingten Verletzungen im streitgegenständlichen Zeitraum von einem Monat nach dem Unfallereignis weiterhin geleistet haben würde:
Zum Unfallzeitpunkt war die Klägerin im Rahmen einer 35-Stunden-Woche von montags bis freitags beschäftigt. Sie bewohnte eine Wohnung mit einer Fläche von ca. 120 m2. 90 % der Haushaltstätigkeiten (Essenszubereitung, Reinigung der Wohnung, Einkaufen, etc.) erledigte sie selbst. Die restlichen 10 % übernahm ihre Tochter vor dem Unfallereignis.
Vor der Arbeit und nachmittags nach der Arbeit ging sie außerdem mit ihren zwei Hunden raus. Die Gartenarbeit sowie Arbeiten an Haus und Hof übernahm der Lebensgefährte der Klägerin. Die Klägerin schätzte ihren wöchentlichen Aufwand mit 46,5 Stunden sowie 12 Stunden für die Versorgung der Hunde.
Nach dem Unfallereignis übernahm ihre Tochter die Zubereitung der Mahlzeiten unter ihrer Anleitung. Außerdem übernahm ihre Tochter und ihr Lebensgefährte das Spülen des Geschirrs. Die Reinigung der Wohnung übernahmen ebenfalls ihre Tochter. Das Wäsche waschen übernahm ihre Tochter und ihr Lebensgefährte.
e)
Das Landgericht ist zunächst vom Vortrag der Klägerin ausgegangen, wonach diese 46,5 Stunden wöchentlich für den Haushalt aufwendet und mindestens weitere 12 Stunden pro Woche für die Versorgung der Hunde, d.h. insgesamt 58,5 Stunden. Im Hinblick auf die weiteren Angaben der Klägerin geht das Landgericht davon aus, dass die Angaben übersetzt sind. Die durchschnittliche Tätigkeit im Haushalten schätzt das Landgericht auf 40 Stunden pro Woche.
f)
Im Hinblick auf die haushaltsspezifischen Beeinträchtigungen ging das Landgericht davon aus, dass die Klägerin im Monatsdurchschnitt 10 Arbeitsstunden pro Woche noch ableisten konnte. Die Klägerin fiel nach dem Unfall für durchschnittlich 30 Wochenstunden im Haushalt aus.
Die Art der Feststellung bzw. Schätzung wird von der Beklagten nicht angegriffen, sondern nur die Berücksichtigung der Zeiten der Versorgung der Hunde.
Eine Berücksichtigung der Versorgung von Tieren im Rahmen eines Haushaltsführungsschadens ist streitig.
aa)
Teilweise wird vertreten, dass der Zeitaufwand für die Versorgung eines Tieres grundsätzlich erstattungsfähig ist (Wessel in Jahnke/Burmann, HdB des PersonenR, 2016, 4 Kap. F. III. 4 b). Allerdings ist insoweit gleichfalls zu berücksichtigen, dass die Haltung eines Familienhundes und von Katzen auch dem eigenen Vergnügen dient und nicht nur Arbeit darstellt, die im Rahmen eines Haushaltsführungsschadens vollumfänglich Beachtung finden muss. Deshalb erscheint es vorliegend angebracht, bei der Wochenstundenzahl nicht den gesamten Zeitaufwand zu berücksichtigen, den die Kl. für die Tierbetreuung angesetzt hat, sondern einen Abschlag vorzunehmen für die allgemeine Lebensfreude, die mit der Haltung von Haustieren einhergeht (OLG Celle, NJW-RR 2021, 601 Rn. 14, beck-online).
bb)
Nach anderer Ansicht wird nicht generell ausgeschlossen, dass die Versorgung insbesondere eines im Haushalt des Geschädigten lebenden Haustieres bei der Bemessung des Haushaltsführungsschadens zu berücksichtigen ist (OLG Koblenz, NZV 2021, 423, beck-online).
cc)
Schließlich wird vertreten, die Haltung von Tieren (Kaninchen, Hund) nicht zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich um ein Hobby. Hinzu kommt, dass es zwar sein mag, dass unter gewissen Umständen solche Tiere nicht nur ein Hobby sind, beispielsweise Nutztiere im landwirtschaftlichen Bereich, was vorliegend nicht gegeben ist (OLG Naumburg Urt. v. 1.10.2020 – 9 U 87/18, BeckRS 2020, 29241 Rn. 41, beck-online; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Februar 2019 – 1 U 16/18 -, juris).
Nach Ansicht des Senats kommt die Berücksichtigung des Zeitaufwandes für ein Hobby im Rahmen des Haushaltsführungsschadens nicht in Betracht. Es bedarf vorliegend auch keiner Unterscheidung, ob sich eine andere Beurteilung bei der Einordnung als Familienhund ergibt. Die Klägerin hat sich dahingehend eingelassen, dass ihr die beiden Hunde gehören und sie diese (vor dem Unfallereignis) gefüttert und gepflegt hat. Anhaltspunkte für eine reine Nutztierhaltung, beispielsweise als Wachhund, sind ebenfalls nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Es verbleibt damit nur eine Hobbytierhaltung, deren Berücksichtigung vollständig ausscheidet.
g)
Sofern keine zweifelsfreie Feststellung des konkreten Zeitbedarfes im Einzelfall möglich ist, kann das Gericht sich ergänzend an den statistischen Angaben in einem anerkannten Tabellenwerk orientieren. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung vor, können solche Erfahrungswerte im Rahmen der Bemessung des Haushaltsführungsschadens genutzt werden (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 5, juris). Die statistisch gefundenen Mittelwerte der Tabellen können als Korrektiv zur Überprüfung der Angaben im Einzelfall dienen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13. Januar 2005 – 7 U 78/02 -, Rn. 37, juris).
Nach der Tabelle 3 von Pardey (9. Auflage) ist in der Anspruchsstufe 2 (mittlere Anforderungen an die Haushaltsführung) bei einer erwerbstätigen Frau von einer wöchentlichen Arbeitszeit im Haushalt von 33,1 Stunden auszugehen.
Nach der Tabelle 5 von Pardey (9. Auflage) ist für Alleinerziehendenhaushalte bei weiblichen Alleinerziehenden von einer täglichen Arbeitszeit im Haushalt von 4:58 Stunden auszugehen.
Bei 33,1 Stunden und der von Landgericht angenommenen und nicht angegriffenen haushaltsspezifischen Beeinträchtigung von 3/4 beträgt der Haushaltsführungsschaden 24,825 Stunden/Woche.
h)
Der schadensrechtlich zu ersetzende Wert der Haushaltstätigkeit ist an der Entlohnung messbar, die für die verletzungsbedingt in eigener Person nicht mehr ausführbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird oder gezahlt werden müsste (BGH, Urteil vom 08. Oktober 1996 – VI ZR 247/95 -, Rn. 7, juris). Wird eine Hilfskraft entlohnt, besteht der Schaden im gezahlten Bruttolohn. Ansonsten orientiert sich der Schaden am Nettolohn (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 – VI ZR 247/88 -, Rn. 8, juris). Dieser kann vereinfacht mit einem Abschlag von 30 % von der Brutto-Vergütung (ohne Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung) angesetzt werden (BGH, Urteil vom 08. Februar 1983 – VI ZR 201/81 -, Rn. 13, juris).
Bezüglich der Lohnhöhe ist das Landgericht vom gesetzlichen Mindestlohn im streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2015 in Höhe von 8,50 € pro Stunde ausgegangen, was von den Parteien im Rahmen der Berufung nicht angegriffen wird.
Unter Abzug von 30 % der Bruttovergütung ergibt sich dann eine Nettovergütung in Höhe von 5.95 € pro Zeitstunde.
Ausgehend von 24,825 Stunden/Woche ergeben sich für einen Monat 107,575 Stunden (24,825 Stunden/Woche x 52 Wochen / 12 Monate). Multipliziert mit der Stundenvergütung in Höhe von 5,95 € ergibt sich dann ein Betrag in Höhe von 640,07 Euro. Die Beklagte zahlte hierauf 200,00 € und akzeptiert ausgeurteilte 484,- €, sodass die Anschlussberufung in Höhe der angegriffenen 200,- € Erfolg hat.
4.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286 BGB. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 21.09.2016 die Erfüllung weiterer Ansprüche angelehnt.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
6.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne grundsätzliche Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.