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Verkehrsunfall – Wartepflicht eines Linksabbiegers

Linksabbieger missachtet Vorfahrt – Landgericht Essen entscheidet über Schuldverteilung und Schadensersatz

Das Landgericht Essen entschied im Fall Az.: 11 O 94/13, dass der Kläger, Fahrer eines Fiat, beim Linksabbiegen die Vorfahrt eines entgegenkommenden Audi missachtete und somit hauptsächlich für den Unfall verantwortlich ist. Die Schuldverteilung wurde auf 80% für den Kläger und 20% für den Beklagten festgelegt, da auch der Audi-Fahrer eine Teilschuld trug. Die Beklagten wurden zur Zahlung eines Teils des Schadens und der Kosten verurteilt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 O 94/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Vorfahrtsverletzung durch den Kläger beim Linksabbiegen.
  2. Teilschuld des Audi-Fahrers, des Beklagten, anerkannt.
  3. Schadensersatzanspruch der Klägerin teilweise begründet.
  4. Schuldverteilung: 80% Kläger, 20% Beklagter.
  5. Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Gutachten.
  6. Kollisionsort nahe der Fußgängerfurt, während der Abbiegevorgänge.
  7. Beklagte zur Zahlung von 981,41 € und weiteren Kosten verurteilt.
  8. Kein unvermeidbares Ereignis für beide Parteien nachgewiesen.

Die besondere Wartepflicht des Linksabbiegers im Straßenverkehr

Beim Linksabbiegen trägt der Fahrer eine erhöhte Verantwortung, da er die Verkehrssicherheit gewährleisten muss. Laut § 9 Abs. 3 S. 1 StVO muss der Linksabbieger warten, bis der Gegenverkehr in Sichtweite ist. Ein Verstoß gegen diese Wartepflicht kann dazu führen, dass der Linksabbieger im Falle eines Unfalls für den Großteil oder sogar die gesamte Schuld verantwortlich gemacht wird.

Die besondere Wartepflicht des Linksabbiegers ist ein wichtiger Aspekt im Straßenverkehr, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Es ist jedoch zu beachten, dass die Haftungsverteilung im Einzelfall von verschiedenen Faktoren abhängt und eine genaue Prüfung des konkreten Unfallgeschehens erforderlich ist. Ein Beispiel für die erhöhte Haftung des Linksabbiegers ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs, in dem festgestellt wurde, dass die Wartepflicht eines Linksabbiegers schwerer wiegt als der Rotlichtverstoß des Gegenverkehrs.

Die Einhaltung der Wartepflicht ist entscheidend, um Unfälle zu vermeiden und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Im Falle eines Unfalls kann die Nichteinhaltung dieser Pflicht zu einer erhöhten Haftung des Linksabbiegers führen. Es ist daher ratsam, sich stets an die Verkehrsregeln zu halten und die besondere Wartepflicht des Linksabbiegers zu beachten. Im Zentrum des Geschehens stand ein Verkehrsunfall in Gelsenkirchen, bei dem es zu einer Kollision zwischen einem Fiat Doblo und einem Audi 80 kam. Der Fahrer des Fiat, ein Mitarbeiter der Klägerin, war gerade dabei, an einer Kreuzung nach links abzubiegen, während der Audi-Fahrer aus der entgegengesetzten Richtung nach rechts abbog. Dieser Unfall ereignete sich am 06.12.2012 und führte zu einem rechtlichen Disput, der letztlich vor dem Landgericht Essen verhandelt wurde.

Ursache und Verlauf des Unfalls

Die Klägerin behauptete, dass der Unfall durch einen Spurwechsel des Audi-Fahrers verursacht wurde, nachdem beide Fahrzeuge bereits eine Strecke gefahren waren. Der Fahrer des Audi hätte demnach den Fiat, der sich bereits auf der linken Spur befand, bei seinem Spurwechsel nicht beachtet. Die Beklagten hingegen argumentierten, der Fiat-Fahrer habe beim Linksabbiegen die Vorfahrt des Audi nicht beachtet und sei verantwortlich für den Unfall.

Rechtliche Auseinandersetzung und Zeugenaussagen

Die rechtliche Auseinandersetzung drehte sich vor allem um die Frage der Schuldverteilung und die Einhaltung der Verkehrsvorschriften während des Abbiegevorgangs. Die Klägerin forderte Schadensersatz für den entstandenen Schaden am Fahrzeug sowie die Kosten für das Sachverständigengutachten. Die Beklagten lehnten die Forderung ab und behaupteten, der Unfall sei allein durch den Kläger verursacht worden. Die Zeugen im Fall konnten keine klare Aussage zum genauen Unfallhergang liefern, was die Entscheidungsfindung erschwerte.

Entscheidung des Landgerichts Essen

Das Landgericht Essen urteilte, dass der Fahrer des Fiat beim Linksabbiegen die Vorfahrt des entgegenkommenden Audi nicht beachtet hatte und somit einen Vorfahrtsverstoß beging. Diese Entscheidung basierte auf dem Gutachten eines Sachverständigen und der Bewertung der Beweislage. Das Gericht erkannte jedoch auch eine Teilschuld beim Fahrer des Audi an, da dieser die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs nicht vollständig ausschließen konnte.

Haftungsverteilung und Schadensersatz

Die Haftung wurde zu 80 % der Klägerin und zu 20 % den Beklagten zugesprochen. Die Beklagten wurden daher verurteilt, 20 % des Schadens am Fahrzeug der Klägerin sowie einen Teil der Sachverständigenkosten zu übernehmen. Die Klägerin wurde verpflichtet, den Großteil der Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie hauptsächlich für den Unfall verantwortlich war.

Fazit: Das Urteil des Landgerichts Essen unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung der Vorfahrtsregeln, insbesondere bei Abbiegevorgängen, und die Komplexität der Schuldzuweisung in Verkehrsunfällen. Es zeigt, dass die genaue Rekonstruktion des Unfallhergangs und die sachverständige Bewertung entscheidend für die juristische Beurteilung sind.

Das Urteilstext des vorliegenden Falls kann weiter unten nachgelesen werden.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Wie wird die Haftung bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Linksabbieger und einem entgegenkommenden Fahrzeug rechtlich bewertet?

Die Haftung bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Linksabbieger und einem entgegenkommenden Fahrzeug wird in der Regel durch die sogenannte doppelte Rückschaupflicht des Linksabbiegers bestimmt. Diese Pflicht besagt, dass der Linksabbieger vor dem Abbiegen sicherstellen muss, dass kein entgegenkommendes Fahrzeug gefährdet wird. Verursacht der Linksabbieger einen Unfall, haftet er in der Regel, da der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Linksabbiegers spricht.

Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen die Haftung zwischen den beteiligten Parteien aufgeteilt werden kann. Die genaue Haftungsquote hängt vom Einzelfall ab und kann zwischen 60-70% zu Lasten des Linksabbiegers liegen. Wenn der Linksabbieger beispielsweise aufgrund der Verkehrslage nicht mit einem Überholen rechnen musste, kann der Überholer vollständig haften. Wenn der Linksabbieger die zweite Rückschaupflicht versäumt hat, kann eine Mithaftung des Überholers von einem Viertel angemessen sein.

In Fällen, in denen das entgegenkommende Fahrzeug deutlich zu schnell unterwegs war, kann dies zu einer deutlichen Haftungsminderung für den Linksabbieger führen. In einem konkreten Fall sah das Gericht eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten des Bevorrechtigten und 1/3 zu Lasten des Linksabbiegers.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass der Linksabbieger den Anscheinsbeweis entkräften kann, indem er nachweist, dass er seine Pflichten ausreichend beachtet hat. In einigen Fällen kann dies dazu führen, dass der Linksabbieger nicht haftet.

Insgesamt hängt die rechtliche Bewertung der Haftung bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Linksabbieger und einem entgegenkommenden Fahrzeug von den spezifischen Umständen des Unfalls ab und kann von Fall zu Fall variieren.

LG Essen – Az.: 11 O 94/13 – Urteil vom 14.01.2015

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 981,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2013 zu zahlen.

Die Beklagten werden ferner verurteilt, die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 130,50 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 80 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch 20%.

Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Jede Partei kann die Vollstreckung der anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 06.12.2012 in Gelsenkirchen ereignete.

Der Beklagte zu 1) ist der Fahrer und Halter des unfallbeteiligten Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen …, die Beklagte zu 2) die dahinter stehende Haftpflichtversicherung.

Am 06.12.2010 befuhr ein Mitarbeiter der Klägerin, der Zeuge S., mit deren Fahrzeug, Fiat Doblo, amtliches Kennzeichen …, die Ressestraße in Gelsenkirchen und bog an der Kreuzung Ostring nach links in diesen ein. ln dem Fahrzeug befand sich als Beifahrer zudem der Zeuge A. S.. Der Beklagte zu 1) kam mit seinem Fahrzeug, Audi 80, aus entgegengesetzter Richtung und bog nach rechts in den Ostring ab. Im Kreuzungsbereich verfügt der Ostring über zwei Fahrspuren. Es kam dort zur Kollision der beiden Fahrzeuge. An dem Fahrzeug der Klägerin trat infolgedessen ein Schaden in Höhe von 3.795,04 € netto sowie eine Wertminderung in Höhe von 500,00 € ein.

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Der Klägerin sind im Zusammenhang mit der Erstellung eines Schadensgutachtens Kosten in Höhe von 698,33 € entstanden.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2013 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2) zur Schadensregulierung bis spätestens zum 06.02.2013 auf.

Die Klägerin behauptet, der Zeuge S. sei auf die linke Spur des Ostrings gefahren. Dort habe er vor dem dort befindlichen Fußgängerüberweg anhalten müssen, um einen von links kommenden Fußgänger, der „Grünlicht“ hatte, passieren zu lassen. Danach sei der Zeuge S. angefahren. Der Beklagte zu 1) sei auf die rechte Spur des Ostrings abgebogen und habe ebenfalls den Fußgänger passieren lassen müssen, allerdings zeitlich nach dem Zeugen S.. Auch der Beklagte zu 1) sei danach angefahren. Kurze Zeit nach dem Abbiegevorgang habe dieser dann die Fahrspur gewechselt, ohne dabei den seitlich vor ihm auf der linken Fahrspur befindlichen PKW der Klägerin zu beachten. Der Zeuge S. habe keine Möglichkeit gehabt, dem gegnerischen Fahrzeug auszuweichen und den Unfall zu vermeiden.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte zu 1) beim Fahrspurwechsel seine bestehenden Sorgfaltspflichten nicht beachtet habe. Sie behauptet hierzu, dass das Unfallereignis sich erst ereignet habe, nachdem beide Fahrzeuge bereits 10-15 Meter gefahren seien, so dass von einem Vorfahrtsverstoß als Linksabbieger seitens des Zeugen S. nicht die Rede gewesen sein könne. Auf der von den Beklagten eingereichten Unfallskizze sei zu erkennen, dass das Fahrzeug der Klägerin bereits mehr als 18 m auf der linken Fahrspur gefahren sei, als es zum Zusammenstoß gekommen sei. Erst dort habe der Beklagte zu 1) die von ihm befahrene Fahrspur des Ostrings gewechselt und nach links gelenkt. Der Zeuge S. habe sich nicht mit seinem Fahrzeug in die Fahrspur des Beklagten zu 1) hineingedrängt, sondern habe diesen auf der rechten Fahrspur überhaupt nicht behindert. Es handele sich nicht um einen Fehler im Abbiegevorgang, sondern um einen Fehler im Fahrspurwechsel. Aus der Kreuzungsgestaltung ergebe sich eindeutig, dass der Beklagte zu 1), wenn er die linke Spur des Ostrings sofort hätte nutzen wollen, wesentlich früher auf diese Fahrspur hätte auffahren müssen.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 5.018,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinnsatz seit dem 07.02.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, den Kläger von der Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 459,40 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) sei an der Kreuzung Ostring rechts in diesen eingebogen und habe beabsichtigt, auf der linken Fahrspur weiterzufahren. Vor dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) sei ein anderes Fahrzeug gefahren, welches wie der Beklagte zu 1) im Schritttempo gefahren sei und Fußgängern Platz gemacht habe, die die Ampel überqueren wollten. Plötzlich habe der Beklagte zu 1) das aus Richtung Goldbergstraße kommende, von dort nach links abbiegende klägerische Fahrzeug neben sich wahrgenommen. Ohne auf das im Abbiegevorgang befindliche vorfahrtsberechtigte Fahrzeug des Beklagten zu 1) zu achten, habe der Fahrer versucht links an dem Beklagten zu 1) vorbei zu fahren, was ihm jedoch nicht gelungen sei, so dass es anschließend·zur Kollision gekommen sei.

Der Unfall habe sich auch nicht erst 10-15 Meter nach der Kreuzung ereignet. Beide Unfallbeteiligten hätten gegenüber den den Verkehrsunfall aufnehmenden Polizisten erklärt, dass es „kurz hinter der Fußgängerfurt“ zum Unfall gekommen sei. Dementsprechend sei eine Unfallskizze erstellt und auch ein Splitterfeld unmittelbar nach der Fußgängerfurt fotografiert worden.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Unfall allein durch den Zeugen S. verursacht worden sei, da dieser als Linksabbieger die Vorfahrt des ihm entgegenkommenden, nach rechts abbiegenden Beklagten zu 1) nicht beachtet habe. Hierin sei ein Verstoß gegen § 9 Abs. 4 StVO zu sehen. Sie sind außerdem der Ansicht, dass die Sachverständigenkosten der unstreitig zum Vorsteuerabzug berechtigten Klägerin nur netto verlangt werden könnten, so dass die Klägerin 111,53 € zu viel fordere. Dies habe ebenfalls Auswirkungen auf die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen A. S. und B. S. sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen C., welches dieser in der Sitzung vom 14.01.2015 mündlich erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 30.08.2013 und 14.01.2015 sowie auf das Sachverständigengutachten vom 30.05.2014 Bezug genommen.

Die Bußgeldakte der Stadt Gelsenkirchen (Az.: 700000-071109-12/0) wurde beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur teilweise begründet.

I.

Ein Anspruch der Klägerin besteht gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG nur im tenorierten Umfang.

Der streitgegenständliche Verkehrsunfall vom 02.12.2012 hat sich im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG bei Betrieb des Audi 80 ereignet, dessen Eigentümer und Halter der Beklagte zu 1) ist. Hierbei wurde der im Eigentum der Klägerin stehende PKW beschädigt. Die Beklagte zu 2) ist Haftpflichtversicherer des Beklagtenfahrzeugs. Die Haftung der Beklagten ist nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, denn der Unfall war nicht durch höhere Gewalt im Sinne der Norm verursacht.

Auch die Klägerin haftet ihrerseits gemäß § 7 Abs. 1 StVG als Halterin des unfallbeteiligten Fiat für die bei Betrieb dieses Fahrzeugs entstandenen Schäden am Audi des Beklagten zu 1). Ihre Haftung ist ebenfalls nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen.

Die daher gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG durchzuführende Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge führt zu einer Haftung der Beklagten zu 20% und der Klägerin zu 80 %.

Der Kläger hat nicht bewiesen, dass dem Beklagten zu 1) ein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO anzulasten ist. Die Zeugen S. waren insoweit unergiebig. Der Zeuge B. S. konnte keine konkreten Angaben zum Unfallhergang machen. Er erinnerte lediglich, dass er aus den Augenwinkeln das Fahrzeug des Beklagten zu 1) gesehen habe. Er konnte jedoch nicht mit Bestimmtheit sagen, dass sich der Beklagte zu 1) zunächst auf der rechten der beiden Fahrspuren eingeordnet hatte und sodann die Fahrspur gewechselt hat. Er erklärte, er habe dies tatsächlich nicht gesehen, er schlussfolgere dies lediglich daraus, dass das Fahrzeug von rechts gekommen und mit dem von ihm geführten PKW kollidiert sei. Angaben zum Kollisionsort machte der Zeuge keine; insbesondere keine Angaben dazu, ob der Abbiegevorgang beider Fahrzeuge bereits abgeschlossen war.

Der Zeuge A. S. konnte ebenfalls nur bekunden, dass der Beklagte zu 1) von rechts in den Fiat hineingefahren sei. Konkrete Angaben, wie es zur Kollision kam, konnte der Zeuge nicht machen. Er räumte ein, vor dem Unfall mit seinem Handy gespielt zu haben.

Zur Überzeugung des Gerichts steht auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen C. vielmehr fest, dass der Zeuge B. S. als Fahrer des klägerischen PKW gegen die aus § 9 Abs. 4 StVO folgende Verpflichtung, beim Linksabbiegen dem entgegenkommenden Verkehr den Vorrang einzuräumen, verstoßen hat.

Die Wartepflicht besteht gegenüber einem entgegenkommenden Fahrzeug, wenn dieses so nah herangekommen ist, dass es durch das Abbiegen gefährdet oder auch nur in zügiger Weiterfahrt wesentlich behindert würde. Das Vorfahrtsrecht des entgegenkommenden Verkehrs bezieht sich dabei auf beide Fahrstreifen, d.h. der Rechtsabbieger darf vor dem Linksabbieger die Fahrstreifen frei wählen. Die Wartepflicht besteht dabei solange bis sich der Vorfahrtsberechtigte in den Verkehr auf der Straße, in welche er abbiegt, vollständig eingeordnet hat, d.h. bis er in der neuen Richtung mit einer dem Verkehr auf dieser Straße entsprechende Geschwindigkeit fährt. Behindert oder gefährdet der Linksabbiegende bis zum Erreichen dieses Zustandes den Vorfahrtberechtigten, indem er sich beispielsweise in zu knappem Abstand vor ihn setzt, so liegt eine Vorfahrtverletzung vor (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, Rn. 7a). Diese entfällt nicht dadurch, dass der Wartepflichtige in einem engen Bogen nach links einbiegt und dadurch den Schnittpunkt der Fahrlinien ein Stück aus der Kreuzungsfläche hinaus nach links verlegt. Erst nach vollständiger Einordnung richtet sich das Verhalten der beiden Beteiligten nach den Grundsätzen des Hintereinanderfahreng oder Überholens (Bay 69, 115 = VRS 39, 134; 57, 61 = VRS 13, 70; 63, 74 = VRS 25, 371; BGH VersR 67, 178; im Ergebnis ebenso OLG München VRS 30, 20).

Der Sachverständige C. hat nachvollziehbar dargelegt, dass es technisch plausibel erscheint, dass der Beklagte zu 1) an der Fußgängerfurt zunächst angehalten habe, anschließend angefahren sei und erst dann der Fiat nach links abgebogen sei und ohne zu halten die Fußgängerfurt überquert habe, sodass es zur Kollision der Fahrzeuge kam.

Soweit der Zeuge B. S. ausgesagt hat, er habe ebenfalls noch vor der Fußgängerfurt angehalten, steht dies im Widerspruch zur Aussage des Zeugen A. S., der aussagte, er meine, sein Vater sei beim Linksabbiegen direkt durchgefahren. Auch der Sachverständige erklärte nachvollziehbar, ein Halten des Fiat vor der Fußgängerfurt unterstellt, sei der Unfall technisch nicht darstellbar. Sollten wie von dem Zeugen geschildert, Fußgänger den Überweg aus seiner Sicht von links nach rechts überquert haben, wäre der Fiat, der auf Grund des Schadensbildes schneller unterwegs gewesen sein müsse als der Audi, bereits weg gewesen als der Beklagte zu 1) auf die linke Fahrspur eingebogen wäre.

Der Sachverständige erläuterte mündlich ferner, ein nach Abschluss des Abbiegevorgangs getätigter Spurwechsel und damit einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 7 Abs. 5 StVO halte er demgegenüber für weniger plausibel. Zwar könnten die Schäden theoretisch bei einer Winkelstellung von 20° auch aus einem Spurwechsel des Audi aus einer Geradeausfahrt resultieren. Hiergegen spreche jedoch, dass sich der Unfall spätestens hinter der zweiten gestrichelten Linie der Fußgängerfurt ereignet haben müsse. Die Nähe des Unfallorts zum Kreuzungsbereich spricht dafür, dass sich die Kollision noch im Zusammenhang mit den Abbiegevorgängen der beiden Fahrzeuge ereignete. Als plausiblen Kollisionsort gab der Sachverständige C. den in Anlage A 26 seines Gutachtens angeführten Ort hinter der letzten gestrichelten Linie des Fußgängerüberwegs an. Er schließe dies daraus, dass auf Blatt 13 der Bußgeldakte der Vermerk eines Polizeibeamten angebracht sei, wonach sich dort ein Splitterfeld befunden habe. Der Unfall sei nur bei niedrigen Geschwindigkeiten der beiden Fahrzeuge rekonstruierbar. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass die relativ leichten Splitter -nahezu senkrecht zu Boden fielen. Es sei auszuschließen, dass diese mehrere Meter weiter getragen worden seien. ln seinem schriftlichen Gutachtens hat der Sachverständige ausgeführt, dass sich der Kollisionsort nicht beliebig in den Ostring hinein verlagern ließe, da die Unfallfahrzeuge nach dem Unfall nur etwa zwanzig Meter hinter dem Fußgängerüberweg hielten. Bei der in Anlage A 26 des Gutachtens geschilderten möglichen Unfallörtlichkeit handele es sich daher um die spätest mögliche Kollisionsstelle (Seiten 7 und 9 des Gutachtens vom 30.05.2014).

Keine der Parteien hat bewiesen, dass das Unfallgeschehen für sie unvermeidbar war im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 und 3 StVG. Ein unvermeidbares Ereignis liegt nur vor, wenn der Fahrer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat und auch durch diese das Unfallereignis nicht abgewendet werden konnte. Hierzu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln, das über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus geht und alle möglichen Gefahrenmomente berücksichtigt (vgl. KG Berlin, Urt. v. 24. 10. 2005, Az.: 12 U 264/04; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 17 StVG, Rn. 22 m. w. N.). Der Sachverständige hat hierzu mündlich ausgeführt, der Audi-Fahrer habe beim Abbiegen nach rechts jedenfalls die Möglichkeit gehabt, den Linksabbieger zu sehen. Gleiches gelte umgekehrt auch für den Linksabbieger. Auch diesem sei es möglich gewesen, den rechtsabbiegenden Audi zu erkennen.

Da der Unfall für den Beklagten zu 1) nicht unvermeidbar war, war im Rahmen der Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zu berücksichtigen. Diese hat die Kammer mit 20 % bewertet.

Die Schäden an dem klägerischen Fahrzeug sind unstreitig auf den Zusammenstoß mit dem Beklagtenfahrzeug zurückzuführen und mit 4.295,04 € zu beziffern. Dieser Schaden ist der Klägerin entsprechend der festgestellten Verursachungsbeiträge zu 20% und damit in Höhe von 859,01 € zu ersetzen. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB haben die Beklagten der Klägerin auch anteilig in Höhe von 117,40 € die Kosten für die · Erstellung des Sachverständigengutachtens zu ersetzen. Insoweit war allerdings nur der Nettobetrag in Höhe von 587,00 € in Ansatz zu bringen, da die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Ferner hat die Klägerin einen Anspruch auf eine Kostenpauschale von 25,00 €.

II.

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt ab dem 07.02.2013 aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Ab diesem Zeitpunkt befanden sich die Beklagten mit der Schadensersatzleistung in Verzug. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2013 hat die Klägerin die Beklagte zu 2) erfolglos zur Zahlung unter Fristsetzung bis zum 06.02.2013 aufgefordert. Abweichend von § 425 Abs. 1, Abs. 2 BGB wirkt die Mahnung gegenüber der Beklagten zu 2) als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer gemäß § 10 V der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeugversicherung auch gegenüber dem Beklagten zu 1) (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 425 Rn. 3 m.w.N.)

III.

Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 130,50 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG. Auch unabhängig von einem etwaigen Verzugseintritt stellen Rechtsanwaltskosten einen ersatzfähigen Schaden dar, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes – wie vorliegend – erforderlich und zweckmäßig war.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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