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Verkehrsunfall mit fließendem Verkehr bei Ein- bzw. Anfahren – Anscheinsbeweis

Beklagte haftet vollständig für Schaden durch fehlerhaftes Ein- bzw. Anfahren im fließenden Verkehr

Das Amtsgericht Essen hat in seinem Urteil vom 14.01.2015 (Az.: 17 C 210/14) entschieden, dass die Beklagten der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 906,18 € zuzüglich Zinsen schulden. Der Unfall wurde durch ein fehlerhaftes Ein- bzw. Anfahren der Beklagten vom Fahrbahnrand verursacht. Es wurde kein Anscheinsbeweis erbracht, der die Beklagten entlastet hätte. Die Haftungsverteilung basiert auf der Verletzung der Sorgfaltspflichten beim Einfahren in den fließenden Verkehr.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 17 C 210/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Schadensersatzforderung: Die Klägerin hat einen berechtigten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten.
  2. Unfallhergang: Der Unfall entstand beim Ein- bzw. Anfahren der Beklagten in den fließenden Verkehr.
  3. Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung: Die Beklagte zu 1 verletzte ihre Sorgfaltspflicht gemäß § 10 StVO beim Einfahren in den Verkehr.
  4. Kein Anscheinsbeweis: Die Beklagten konnten den Anscheinsbeweis, der für sie spricht, nicht erschüttern.
  5. Haftungsverteilung: Die Haftungsverteilung basiert auf den jeweiligen Verursachungsbeiträgen der Parteien.
  6. Keine Mithaftung der Klägerin: Ein möglicher Fahrstreifenwechsel der Klägerin führt nicht zu einer Mithaftung.
  7. Vollständige Haftung der Beklagten: Die Beklagte zu 1 haftet vollständig für den entstandenen Schaden.
  8. Zinsanspruch: Der Zinsanspruch der Klägerin ist ab dem 31.08.2014 gerechtfertigt.

Verkehrsunfall bei Ein- und Anfahren: Der Anscheinsbeweis im Fokus

Beim Ein- oder Anfahren in den fließenden Verkehr kann es zu Unfällen kommen, bei denen der Anscheinsbeweis eine wichtige Rolle spielt. Dieser Beweis geht davon aus, dass der Ein- oder Anfahrende den Unfall verursacht hat, da von ihm ein Höchstmaß an Sorgfalt verlangt wird. Allerdings kann der Anscheinsbeweis durch den Ein- oder Anfahrenden erschüttert werden, wenn er nachweisen kann, dass er alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat und den Unfall nicht verursacht hat.

In solchen Fällen ist es wichtig, die Umstände des Unfalls genau zu untersuchen und gegebenenfalls Beweise zu sammeln, um den Anscheinsbeweis zu stützen oder zu erschüttern. Dabei können sich rechtliche Herausforderungen ergeben, die es zu bewältigen gilt. Ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Aspekte besser zu verstehen und sich auf mögliche rechtliche Auseinandersetzungen vorzubereiten.

Der Unfallhergang: Ein komplexes Puzzle

Am 25. Februar 2014 kam es in Mülheim an der Ruhr zu einem Verkehrsunfall, der den Stein ins Rollen brachte. Die Klägerin, Eigentümerin eines PKW, war in den Unfall verwickelt, als sie auf der Kleiststraße unterwegs war. Die Beklagte zu 1, Halterin und Fahrerin eines anderen PKW, stand zu diesem Zeitpunkt am Straßenrand – möglicherweise auf einem Parkplatz. Als sie in den fließenden Verkehr einfahren wollte, kollidierte ihr Fahrzeug mit dem der Klägerin. Die Details des Unfallhergangs waren zwischen den Parteien umstritten, was zu einer rechtlichen Auseinandersetzung führte. Die Klägerin behauptete, die Beklagte zu 1 sei rückwärts aus einem Parkplatz gefahren und habe ihr Fahrzeug seitlich gerammt. Im Gegensatz dazu behaupteten die Beklagten, dass die Klägerin beim Wiedereinscheren in ihre Fahrspur nach einem abgebrochenen Überholmanöver den Unfall verursachte.

Schadensersatzforderungen und rechtliche Implikationen

Infolge des Unfalls entstanden Schäden am Fahrzeug der Klägerin, die sie durch ein Sachverständigengutachten beziffern ließ. Die daraus resultierenden Reparaturkosten und Sachverständigenkosten beliefen sich auf insgesamt 1.787,36 Euro. Die Klägerin forderte die Beklagten auf, diese Kosten zu übernehmen, was jedoch erfolglos blieb und letztendlich zur gerichtlichen Klärung führte. Hierbei spielte der Anscheinsbeweis eine zentrale Rolle. Dieser besagt, dass bei einem Unfall im Zusammenhang mit dem Ein- oder Anfahren vom Fahrbahnrand grundsätzlich der Einfahrende bzw. Anfahrende als schuldig vermutet wird, es sei denn, dieser Beweis kann entkräftet werden.

Juristische Bewertung und Urteilsfindung

Das Gericht befasste sich intensiv mit der Frage der Haftungsverteilung. Hierbei waren die spezifischen Umstände des Ein- bzw. Anfahrens in den fließenden Verkehr entscheidend. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beklagte zu 1 gegen § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen hat, da sie nicht die nötige Sorgfalt beim Einfahren in den fließenden Verkehr beachtete. Die Klägerin hingegen konnte nicht nachweisen, dass sie auf das Ausparkmanöver der Beklagten zu 1 unfallvermeidend hätte reagieren können. Ferner wurde festgestellt, dass die Beklagte zu 1 bereits das Fahrzeug der Klägerin wahrgenommen hatte, jedoch trotzdem weiterfuhr.

Entscheidung des Gerichts und deren Begründung

Das Amtsgericht Essen verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 906,18 Euro nebst Zinsen an die Klägerin. Zudem sollten sie die Klägerin von einer Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung freistellen. Die Entscheidung basierte auf der Abwägung der Verursachungsbeiträge beider Parteien. Dabei überwog der Verstoß der Beklagten zu 1 gegen die Sorgfaltspflichten beim Einfahren in den Verkehr die einfache Betriebsgefahr des im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeugs der Klägerin derart, dass diese vollständig dahinter zurücktrat.

Fazit: Das Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit der Sorgfaltspflicht beim Einfahren in den fließenden Verkehr. Es zeigt auch, dass bei Verkehrsunfällen die genauen Umstände des Einzelfalls entscheidend sind und dass die Haftungsverteilung auf einer detaillierten Bewertung dieser Umstände beruht. Der vollständige Text des Urteils kann unten nachgelesen werden.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Wie wird die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen nach § 17 StVG bestimmt?

Die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen nach § 17 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) wird durch eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der beteiligten Fahrzeuge bestimmt. Nach § 17 Abs. 1 StVG erfolgt eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile, wenn ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde und die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten gesetzlich zum Schadenersatz verpflichtet sind.

Die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs ist die Gefahr, die durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs entsteht und grundsätzlich zu einer Haftung des Halters führt, unabhängig von einem Verschulden. Bei der Haftungsabwägung nach § 17 StVG werden nur tatsächlich bewiesene Umstände berücksichtigt, Verschuldensvermutungen finden keinen Raum. Neben den unstreitigen und zugestandenen Tatsachen sind auch die Regeln des Anscheinsbeweises anzuwenden.

Ein unabwendbares Ereignis nach § 17 Abs. 3 StVG kann die Haftung ausschließen. Ein Ereignis gilt als unabwendbar, wenn weder der Halter noch der Führer des Fahrzeugs das Ereignis auch bei äußerster Sorgfalt, die insbesondere die Einhaltung der geltenden Verkehrsvorschriften beinhaltet, hätte vermeiden können.

Die Haftungsquote, also der Anteil der Haftung, der auf die beteiligten Parteien entfällt, wird nach der Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge und der Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge festgelegt. Dabei können auch die Massen und Geschwindigkeiten der Fahrzeuge eine Rolle spielen. Bei einem Mitverschulden des Geschädigten wird die Haftungsquote gemäß § 9 StVG in Verbindung mit § 254 BGB angepasst.

Die konkrete Haftungsquote ist immer im Einzelfall zu bestimmen und kann durch die Nutzung von Quotentabellen eingeschätzt werden. Entscheidend für die Haftungsabwägung sind die jeweils von den Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren, die im Zweifel als gleich groß einzuschätzen sind, sofern nicht besondere Umstände eine andere Bewertung rechtfertigen.

Was umfasst der Schadensersatzanspruch nach einem Verkehrsunfall gemäß §§ 7 Abs. 1, 823 BGB und 115 Abs. 1 VVG?

Der Schadensersatzanspruch nach einem Verkehrsunfall kann sich aus verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen ergeben, insbesondere aus § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB und § 115 Abs. 1 VVG. Diese Vorschriften regeln die Haftung und den Ersatz von Schäden, die durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden sind.

§ 7 Abs. 1 StVG

Nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeugs verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der beim Betrieb des Fahrzeugs entsteht. Dies umfasst Personenschäden (Tötung, Körper- oder Gesundheitsverletzung) und Sachschäden. Die Haftung ist verschuldensunabhängig und basiert auf der sogenannten Gefährdungshaftung. Es gibt jedoch Haftungsausschlüsse, beispielsweise bei höherer Gewalt.

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§ 823 Abs. 1 BGB

Gemäß § 823 Abs. 1 BGB kann jemand, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, zum Schadensersatz verpflichtet sein. Im Kontext von Verkehrsunfällen bezieht sich dies auf die Verletzung dieser Rechtsgüter durch den Fahrer eines Fahrzeugs. Im Gegensatz zur Halterhaftung nach StVG setzt die deliktische Haftung nach BGB ein Verschulden voraus.

§ 115 Abs. 1 VVG

Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG hat ein Geschädigter das Recht, seinen Schadensersatzanspruch direkt gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend zu machen. Dieser Direktanspruch erleichtert es dem Geschädigten, seine Ansprüche zu realisieren, ohne sich direkt an den Schädiger wenden zu müssen.

Umfang des Schadensersatzes

Der Umfang des Schadensersatzes richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB. Der Geschädigte kann die Wiederherstellung des Zustandes verlangen, der vor dem schädigenden Ereignis bestand. Dies kann die Reparatur eines beschädigten Fahrzeugs, die Erstattung von Heilungskosten oder den Ersatz von Verdienstausfall umfassen. Bei Personenschäden kann auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen.

Zusammengefasst umfasst der Schadensersatzanspruch nach einem Verkehrsunfall die Wiederherstellung des Zustandes vor dem Unfall, einschließlich materieller und immaterieller Schäden, und kann sowohl gegen den Halter, den Fahrer als auch direkt gegen die Versicherung des Schädigers geltend gemacht werden.


Das vorliegende Urteil

AG Essen – Az.: 17 C 210/14 – Urteil vom 14.01.2015

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 906,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2014 zu zahlen.

Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner die Klägerin von einer Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung in Höhe von 110,29 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 25.02.2014 auf der Kleiststraße in Mülheim an der Ruhr ereignete.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines PKW mit dem amtlichen Kennzeichen …. Zum Unfallzeitpunkt befuhr sie die K.-straße in Fahrtrichtung Velauer Straße. Die Beklagte zu 1 war Fahrerin und Halterin eines PKW mit dem amtlichen Kennzeichen …, das zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert war. Sie stand mit dem von ihr geführten Fahrzeug zunächst am rechten Rand der K.-straße, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob sie auf einem Parkplatz oder am Fahrbahnrand stand. Die Beklagte zu 1 hatte zunächst den linken Blinker gesetzt, um in den fließenden Verkehr auf der K.-straße einzufahren. Während des Ausparkmanövers kam es zur Kollision mit dem PKW der Klägerin, wobei die Einzelheiten des Unfallhergangs zwischen den Parteien streitig sind.

Die Klägerin holte zur Bezifferung des ihr unfallbedingt entstandenen Schadens ein Gutachten des Kfz.-Sachverständigenbüros R. & K. vom 01.04.2014 ein, nach dem zur Instandsetzung ihres Fahrzeugs Reparaturkosten in Höhe von 1.408,46 € netto erforderlich sind. Für die Erstellung des Gutachtens entstanden der Klägerin Sachverständigenkosten in Höhe von 378,90 €. Gegenstand der Klage ist weiterhin eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 30,00 €.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.04.2014 forderte die Klägerin die Beklagten unter Fristsetzung zum 21.04.2014 vergeblich zur Zahlung auf.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 1 habe rechts auf der Kleiststraße auf einem Parkplatz gestanden. Sie, die Klägerin, habe zunächst angehalten, um den Parkplatz der Beklagten zu 1 nutzen zu können. Die Beklagte zu 1 habe den Blinker dann wieder rausgenommen und sei zurückgefahren, woraufhin sie, die Klägerin, weitergefahren sei. Als sie sich mit dem PKW der Beklagten zu 1 etwa auf einer Höhe befunden habe, sei diese rausgefahren und seitlich in ihr Fahrzeug gefahren.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie gesamtschuldnerisch 1.817,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.04.2014 zu zahlen;

2.

die Beklagten zu verurteilen, sie gesamtschuldnerisch von einer Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung in Höhe von 255,85 € freizustellen.

Nachdem die Beklagte zu 2 gemäß Abrechnungsschreiben vom 22.08.2014 eine Betrag in Höhe von 906,18 € auf den geltend gemachten Sachschaden sowie 147,56 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gezahlt hat, hat die Klägerin die Klage teilweise, in Höhe von 906,18 €, zurück genommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1.

die Beklagten zu verurteilen, an sie gesamtschuldnerisch 911,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.04.2014 zu zahlen;

2.

Die Beklagten zu verurteilen, sie gesamtschuldnerisch von einer Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung in Höhe von 255,85 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 1 habe ihr Fahrzeug am rechten Straßenrand der Kleiststraße abgestellt gehabt. Nachdem die Beklagte zu 1 an dem vor ihr parkenden Fahrzeug vorbeigelenkt und dieses mit der rechten Fahrzeugecke passiert habe, habe sie erneut abgebremst, da sie in ihrem Außenspiegel das herannahende Fahrzeug der Klägerin gesehen habe. Die Klägerin habe einen Überholvorgang wegen des Gegenverkehrs abgebrochen und sei wieder auf die Fahrspur der Beklagten zu 1 eingeschert, dabei sei das Fahrzeug der Klägerin nicht mehr rechtzeitig vor dem Fahrzeug der Beklagten zu 1 zum Stehen gekommen und mit dem stehenden Fahrzeug der Beklagten zu 1 kollidiert.

Die Klageschrift vom 14.07.2014 ist am 17.07.2014 bei Gericht eingegangen und den Beklagten am 30.08.2014 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, 823 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG aufgrund des Verkehrsunfalls vom 25.02.2014 Anspruch auf weiteren Schadensersatz in Höhe von 906,18 €.

Beide Parteien haften grundsätzlich für die Unfallfolgen, weil keine der Parteien bewiesen hat, dass der Verkehrsunfall für sie ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG war. Unabwendbar ist ein Ereignis nur dann, wenn es auch bei Einhaltung der äußerst möglichen Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können, dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 17 StVG, Rdn. 22). Die Klägerin hat nicht dargelegt und Beweis dafür angetreten, dass sie das zum Unfall führende Ausparkmanöver der Beklagten zu 1 erst zu einem Zeitpunkt erkennen konnte, als sie hierauf nicht mehr unfallvermeidend reagieren konnte, sei es durch Abbremsen oder Ausweichen nach links. Dass der Unfall auf der anderen Seite auch für die Beklagte zu 1 nicht unabwendbar war, ergibt sich aus den nachfolgenden Ausführungen.

Die Haftungsverteilung hängt gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 StVG daher davon ab, inwieweit der Unfall vorliegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Dabei dürfen zu Lasten einer Partei nur solche Umstände berücksichtigt werden, die als unfallursächlich fest stehen.

Zu Lasten der Beklagten fällt vorliegend ein Verstoß der Beklagten zu 1 gegen § 10 StVO ins Gewicht. Nach dieser Vorschrift hat derjenige Verkehrsteilnehmer, der von anderen Straßenteilen (zum Beispiel Parkstreifen neben der Fahrbahn) auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Insoweit wird von dem Ein- oder Anfahrenden äußerste Sorgfalt gefordert; er muss sich vergewissern, dass die Fahrbahn für ihn im Rahmen der gebotenen Sicherheitsabstände (§ 4 StVO) frei ist und dass er niemanden übermäßig behindert (Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 10 StVO, Rdn. 10). Kommt es im unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Ein- bzw. Anfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht der Anschein gegen den Einfahrenden bzw. den vom Fahrbahnrand aus Anfahrenden, und zwar auch gegenüber einem Fahrstreifenwechsler (Hentschel/König/Dauer) a.a.O., § 10 StVO Rdn. 11). Diesen Anscheinsbeweis haben die Beklagten nicht erschüttert oder widerlegt. Vielmehr ist die Beklagte zu 1 nach ihrer Darstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung so weit aus der Lücke in die rechte Fahrspur eingefahren, dass die Beifahrerseite ihres Fahrzeugs in Höhe des Heckbereichs des vor ihr parkenden Fahrzeugs stand. Das Fahrzeug der Klägerin befand sich zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte zu 1 gebremst haben will, um einen Unfall zu vermeiden, nach Darstellung der Beklagten zu 1 nur noch eine Wagenlänge hinter ihr. Dabei hatte die Beklagte zu 1 das Fahrzeug der Klägerin bereits zuvor wahrgenommen, war aber dennoch ein Stück weiter vorgefahren. Insofern ergibt sich bereits aus ihrer eigenen Einlassung nicht, dass sie die ihr beim Anfahren vom Fahrbahnrand obliegenden äußersten Sorgfaltspflichten beachtet hat. Dass die Klägerin mit ihrem Fahrzeug noch weit genug entfernt war, um sich auf das Fahrmanöver der Beklagten zu 1 einzustellen, ergibt sich daraus nicht. Insoweit ist es auch unerheblich, ob die Klägerin nach der Behauptung der Beklagten ein Ausweichmanöver in den Gegenverkehr und sodann zurück gegen das Fahrzeug der Beklagten zu 1 gefahren ist oder ob die Beklagte zu 1 mit dem von ihr geführten Fahrzeug gegen das Fahrzeug der Klägerin gefahren ist.

Aus einem etwaigen sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsel der Klägerin nach rechts erfolgt keine Mithaftung, denn die Sorgfaltsvorschrift des § 7 Abs. 5 StVO schützt nicht denjenigen, der vom Fahrbahnrand anfährt (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 12.08.2010, Aktz.: 12 U 215/09). Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt ein Verstoß der Klägerin gegen § 5 StVO nicht in Betracht, da die Klägerin das ausparkende Fahrzeug der Beklagten zu 1 nicht überholt hat. Überholen ist der tatsächliche, absichtslose Vorgang des Vorbeifahrens auf demselben Straßenteil an einem anderen Verkehrsteilnehmer, der sich in derselben Richtung bewegt oder verkehrsbedingt, in der Regel in Fahrstellung, wartet oder anhalten will (Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 5 StVO Rdn. 16). Das Fahrzeug der Beklagten zu 1 ist jedoch vom Fahrbahnrand angefahren und hat insofern nicht verkehrsbedingt gewartet (vergleiche Kammergericht Berlin, a.a.O.). Die Pflichten gegenüber der Beklagten zu 1 ergeben sich für die Klägerin vielmehr allein aus § 1 Abs. 2 StVO. Danach hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Ein Verstoß der Klägerin gegen § 1 Abs. 2 StVO kann nach dem Vortrag der Beklagten jedoch nicht festgestellt werden. Der fließende Verkehr darf in der Regel, auch wenn der Anfahrende links blinkt, auf Beachtung seines Vorrangs vertrauen, es sei denn, der Teilnehmer des fließenden Verkehrs war dem Anfahrenden erst kurz zuvor sichtbar geworden; er darf den Vorrang aber nicht erzwingen und muss mäßige Behinderungen hinnehmen und das Ein-, oder Anfahren erleichtern; mit unvermutetem Anfahren eines parkenden Fahrzeugs braucht der Verkehr ohne besonderen Grund grundsätzlich nicht zu rechnen (vergleiche Hentschel/König/Dauer a.a.O., § 10 StVO Rdn. 8). Umstände, die hier auf ein Erzwingen des Vorrangs durch die Klägerin hindeuten und die einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO rechtfertigen könnten, haben die Beklagten nicht dargelegt.

Unter Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 StVO überwiegt der Verstoß der Beklagten zu 1 gegen die besonderen Sorgfaltspflichten gemäß § 10 StVO die einfache Betriebsgefahr des im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeugs der Klägerin derart, dass sie vollständig dahinter zurücktritt (vergleiche Kammergericht Berlin a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Die Klägerin kann den ihr entstandenen Schaden daher in voller Höhe ersetzt verlangen.

Die Reparaturkosten und die Sachverständigenkosten sind mit insgesamt 1.787,36 € zwischen den Parteien unstreitig. Die allgemeine Kostenpauschale schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO in ständiger Rechtsprechung auf 25,00 €. Insgesamt kann die Klägerin daher lediglich 1.812,36 € ersetzt verlangen. Unter Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten in Höhe von 906,18 € steht der Klägerin daher ein weiterer Betrag in Höhe von 906,18 € gegen die Beklagten zu.

Der Zinsanspruch der Klägerin beruht auf § 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB. Er ist erst ab dem 31.08.2014 begründet, weil die Fristsetzung im anwaltlichen Schreiben vom 05.04.2014 nicht verzugsbegründet wirken konnte. Eine vor Fälligkeit ausgesprochene Mahnung ist wirkungslos. Fälligkeit gemäß § 14 VVG setzt die Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers voraus, dem im allgemeinen ein Zeitraum von 2 bis 3 Wochen zur Prüfung der geltend gemachten Ansprüche eingeräumt wird (vergleiche OLG Hamm, NJW-RR 1996, 408 bis 409). Da das außergerichtliche Schadensgutachten vom 01.04.2014 datiert, war die Fälligkeit des Anspruchs der Klägerin zum Zeitpunkt des anwaltlichen Mahnschreibens am 05.04.2014 erkennbar noch nicht gegeben. Ein Zinsanspruch steht der Klägerin daher erst ab dem Tag nach Rechtshängigkeit, mithin ab dem 31.08.2014 zu.

Der Freistellungsanspruch der Klägerin in Höhe von ursprünglich 255,85 € nach einem berechtigten außergerichtlichen Gegenstandswert in Höhe von 1.812,36 € ist im Hinblick auf die Teilzahlung der Beklagten in Höhe von 147,56 € auf die vorgericht-lichen Rechtsanwaltskosten lediglich noch in Höhe von 110,29 € begründet. Wegen des weitergehenden Freistellungsanspruchs war die Klage daher ebenfalls abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: Bis zum 21.09.2014: 1.817,36 €,

ab dem 22.09.2014: 911,18 €.

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