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Verkehrsunfall zweier rückwärtsfahrender Fahrzeuge in Parkhaus

Verkehrsunfall im Parkhaus: Beklagter trägt größeres Verschulden bei Rückwärtsfahrt

Das Landgericht Heidelberg hat in seinem Urteil vom 13.01.2015 entschieden, dass bei einem Verkehrsunfall zwischen zwei rückwärtsfahrenden Fahrzeugen in einem Parkhaus, der Beklagte Ziffer 1 ein höheres Maß an Schuld trägt. Dies führte zu einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu zwei Dritteln gegenüber der Klägerin. Die Klage der Klägerin wurde teilweise abgelehnt, und die Kostenverteilung zwischen den Parteien wurde entsprechend ihrer Haftungsanteile festgelegt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 S 8/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verkehrsunfall zwischen zwei rückwärtsfahrenden Fahrzeugen in einem Parkhaus.
  2. Haftungsverteilung: Der Beklagte Ziffer 1 trägt größeres Verschulden.
  3. Schadensersatz: Beklagte müssen 2/3 des Schadens der Klägerin ersetzen.
  4. Urteilsbegründung: Beide Parteien verletzten Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren.
  5. Rückwärtsfahren im Parkhaus: Erhöhte Sorgfaltspflicht, insbesondere bei entgegengesetzter Fahrtrichtung.
  6. Berücksichtigung der Umstände: Schräganordnung der Parkbuchten und eingeschränkte Sichtverhältnisse.
  7. Kostenverteilung: Basierend auf Haftungsanteilen zwischen Klägerin und Beklagten.
  8. Teilweise Abweisung der Klage: Nicht vollständige Erfüllung der Klägerforderungen.

Rückwärtsfahren in Parkhäusern: Haftungsverteilung bei Unfällen zwischen zwei Fahrzeugen

Parkhaus-Unfall: Rückwärtsfahrende Fahrzeuge - Anscheinsbeweis & Sorgfaltspflicht
(Symbolfoto: U. J. Alexander /Shutterstock.com)

Beim Rückwärtsfahren in Parkhäusern ist besondere Vorsicht geboten, da die Sichtverhältnisse oft eingeschränkt sind und es zu Kollisionen mit anderen Fahrzeugen kommen kann. In solchen Fällen ist die Haftungsverteilung entscheidend, um festzustellen, wer für den Schaden aufkommen muss. Laut Rechtsexperten ist in der Regel der Fahrer, der rückwärts fährt, für einen Unfall verantwortlich. Allerdings kann die Haftungsverteilung bei gleichzeitig rückwärtsfahrenden Fahrzeugen schwieriger zu bestimmen sein.

In solchen Fällen müssen die Umstände des Unfalls genau betrachtet werden, wie beispielsweise die Geschwindigkeit der Fahrzeuge und die Sichtbarkeit der Fahrzeuge. Die Rechtsprechung hat in einigen Urteilen bereits gezeigt, dass die Haftungsverteilung von verschiedenen Faktoren abhängen kann. Ein detaillierterer Einblick in ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Herausforderungen besser zu verstehen.

Rückwärtsfahrt mit Folgen: Verkehrsunfall im Heidelberger Parkhaus

In einem bemerkenswerten Rechtsfall, der sich am 08.02.2013 in der Tiefgarage P 5 in Heidelberg ereignete, kollidierten zwei rückwärtsfahrende Fahrzeuge. Dieser Verkehrsunfall führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, die vom Landgericht Heidelberg unter dem Aktenzeichen 2 S 8/14 entschieden wurde. Die Kollision geschah, als die Klägerin mit ihrem Fahrzeug aus einer schräg zur Durchfahrt zwischen den Parkreihen angeordneten Parkbucht rückwärts herausfuhr, während gleichzeitig der Beklagte Ziffer 1 rückwärts auf der Durchfahrt fuhr, um in eine Parkbucht vorwärts einzuparken.

Haftungsfrage im Fokus: Sorgfaltspflichten und Schadensersatz

Die Klägerin forderte von den Beklagten vollen Schadensersatz, während die Beklagten eine hälftige Haftungsverteilung für angemessen hielten. Das Amtsgericht Heidelberg wies in erster Instanz die Zahlungsanträge der Klägerin ab und sprach sich für eine hälftige Haftungsverteilung aus, da beide Parteien ihre Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren verletzt hatten. Ein wesentlicher Punkt in diesem Zusammenhang war die Feststellung, dass beide Fahrzeuge zur Zeit des Zusammenstoßes in Rückwärtsbewegung waren. Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein, woraufhin das Landgericht Heidelberg das Urteil teilweise abänderte und die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 329,99 EUR nebst Zinsen verurteilte.

Richtungsweisende Entscheidung: Überwiegendes Verschulden des Beklagten

In seiner Urteilsbegründung legte das Landgericht dar, dass der Beklagte Ziffer 1 ein überwiegendes Verschulden an dem Unfall trug. Dies begründete das Gericht mit der Tatsache, dass der Beklagte entgegen der Pfeilrichtung im Parkhaus rückwärts fuhr. Zwar wurde festgestellt, dass derartige Pfeilmarkierungen auf Parkhausfahrbahnen keine verbindliche Anordnung, sondern eher eine Empfehlung darstellen. Dennoch wurde dem Verhalten des Beklagten eine höhere Risikobelastung zugesprochen, da er sowohl mit entgegenkommenden als auch mit ausparkenden Fahrzeugen rechnen musste.

Schadensersatzansprüche und Kostenverteilung

Das Gericht bestätigte einen restlichen Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 329,99 EUR gegenüber den Beklagten. Dieser Betrag ergab sich nach Abzug einer vorgerichtlichen Zahlung durch die Beklagte Ziffer 2. Der Gesamtschaden der Klägerin belief sich auf 1.979,92 EUR, von denen die Beklagten zwei Drittel zu tragen hatten. Interessant ist hierbei, dass das Gericht die Reparaturkosten auf einen Betrag von 1.180,92 EUR (netto) beschränkte, da die Beklagten eine günstigere, aber technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit nachweisen konnten.

Fazit: Das Urteil des Landgerichts Heidelberg stellt ein klares Beispiel für die Komplexität von Haftungsfragen bei Verkehrsunfällen dar, insbesondere wenn es um rückwärtsfahrende Fahrzeuge in einem Parkhaus geht. Es betont die Bedeutung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten und der richtigen Einschätzung des Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer.

Für detailliertere Informationen zum Urteil und weiteren Rechtsfragen können Sie den vollständigen Urteilstext weiter unten nachlesen.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Inwiefern sind die Verhaltensvorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf Parkhäuser und Tiefgaragen anwendbar?

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist grundsätzlich auf öffentlichen Straßen und Verkehrsflächen anwendbar, einschließlich Parkhäusern und Tiefgaragen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Hinweisschild „Hier gilt die StVO“ aufgestellt ist oder fehlt.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Parkplätze, Parkhäuser und Tiefgaragen nicht als normale Straßen behandelt werden. Daher gelten einige spezifische Regeln und Verhaltensweisen.

Zum Beispiel erfordert das Fahren in Parkhäusern und auf Parkplätzen eine erhöhte Rücksichtnahme und Vorsicht. Die Gerichte sehen Schrittgeschwindigkeit (nicht mehr als 10 km/h) als angemessenes Tempo an. Darüber hinaus müssen Fahrer jederzeit bereit sein, anzuhalten und ihren Parkvorgang abzubrechen.

Die Vorfahrtsregeln können in Parkhäusern und auf Parkplätzen ebenfalls variieren. Während die Regel „rechts vor links“ auf öffentlichen Straßen gilt, ist sie auf Parkplätzen nicht immer anwendbar. In vielen Fällen müssen die Fahrer die Vorfahrt untereinander regeln, beispielsweise durch Augenkontakt und Handzeichen.

Es ist auch zu beachten, dass die StVO nicht auf rein privaten Geländen gilt, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. In solchen Fällen können die Eigentümer ihre eigenen Regeln festlegen.

In einigen Fällen können lokale Vorschriften oder Satzungen zusätzliche oder abweichende Regeln für die Nutzung von Parkhäusern und Tiefgaragen festlegen. Es ist daher ratsam, sich über lokale Regelungen zu informieren.

Welche Rolle spielt der Anscheinsbeweis bei Verkehrsunfällen, insbesondere bei Kollisionen im Rückwärtsverkehr?

Der Anscheinsbeweis spielt eine wichtige Rolle bei Verkehrsunfällen, insbesondere bei Kollisionen im Rückwärtsverkehr. Er ist ein von der Rechtsprechung entwickeltes Rechtsinstitut, das auf der Annahme basiert, dass eine bestimmte Folge typischerweise auf einen bestimmten Geschehensablauf beruht.

Im Kontext von Verkehrsunfällen spricht der Anscheinsbeweis in der Regel gegen den Rückwärtsfahrenden. Es wird angenommen, dass der Rückwärtsfahrende allein einen Unfall verschuldet hat, da er seiner Sorgfaltspflicht nach § 1 StVO möglicherweise nicht nachgekommen ist. Dies gilt insbesondere, wenn feststeht, dass die Kollision beim Rückwärtsfahren stattfand und der Rückwärtsfahrende zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht stand.

Es gibt jedoch Situationen, in denen der Anscheinsbeweis nicht gegen den Rückwärtsfahrenden spricht. Dies ist der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Fahrzeug des Rückwärtsfahrenden zum Zeitpunkt der Kollision bereits stand. In solchen Fällen kann der Anscheinsbeweis erschüttert werden, wenn der Rückwärtsfahrende nachweisen kann, dass er bereits so lange auf der bevorrechtigten Fahrbahn stand, dass sich der fließende Verkehr auf ihn einstellen konnte.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass unabhängig vom Anscheinsbeweis die Betriebsgefahr der Fahrzeuge und andere Umstände Berücksichtigung finden können.

Bei beiderseitigem Rückwärtsfahren auf Parkplätzen und ähnlichen Situationen kann die Anwendung des Anscheinsbeweises komplexer sein. In solchen Fällen kann es darauf ankommen, wer zuerst stand.

Insgesamt ist die Anwendung des Anscheinsbeweises bei Verkehrsunfällen, insbesondere bei Kollisionen im Rückwärtsverkehr, eine komplexe Angelegenheit, die von den spezifischen Umständen des jeweiligen Falls abhängt.


Das vorliegende Urteil

LG Heidelberg – Az.: 2 S 8/14 – Urteil vom 13.01.2015

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 13.08.2014, Az. 27 C 212/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 329,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 18.04.2013 und weitere 5,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 02.08.2013 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 08.02.2013 zu 2/3 zu ersetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 62 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 38 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 74 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 26 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 08.02.2013 gegen 8:55 Uhr in Heidelberg in der Tiefgarage P 5 ereignete. Zur Kollision kam es, als die Klägerin mit ihrem Fahrzeug aus ihrer schräg zur Durchfahrt zwischen den Parkreihen angeordneten Parkbucht rückwärts herausfuhr, während der Beklagte Ziffer 1 mit seinem Fahrzeug auf dieser Durchfahrt ein Stück geradeaus rückwärts fuhr, um anschließend in eine vor seinem Fahrzeug gelegene Parkbucht besser vorwärts einparken zu können. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts waren beide Fahrzeuge bei der Kollision in Rückwärtsfahrt. Am Anfang des Durchfahrtswegs, auf dem sich die Kollision ereignete, befindet sich eine Pfeilmarkierung. Der mit weißer Farbe auf dem Boden aufgebrachte Pfeil weist lediglich in eine Richtung. Der Beklagte Ziffer 1 fuhr unmittelbar vor der Kollision rückwärts in die entgegengesetzte Richtung.

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Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte Ziffer 1 den ihr entstandenen Sachschaden zu 100 % ersetzen müsse. Die Beklagten halten eine hälftige Haftungsverteilung für angemessen. Außerdem streiten die Parteien um die Höhe der Reparaturkosten. Zur Regulierung leistete die Beklagte Ziffer 2 eine vorgerichtliche Zahlung in Höhe von 989,96 EUR.

Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Parteien und Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens die Zahlungsanträge der Klägerin abgewiesen und dem Feststellungsantrag zur Hälfte stattgegeben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, beide Parteien hätten den Unabwendbarkeitsbeweis nicht erbracht und ihre Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren verletzt, so dass eine hälftige Haftungsverteilung angemessen sei. Der Sachverständige habe nachvollziehbar festgestellt, dass beide Fahrzeuge zum Zeitpunkt des Anpralls mit geringer Geschwindigkeit in einer rückwärtigen Bewegung gewesen seien. Die Beklagten hätten die Klägerin zudem auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer ohne Weiteres zugänglichen freien Werkstatt verwiesen, so dass der fiktiven Schadensberechnung der Klägerin lediglich Reparaturkosten von 1.180,92 EUR netto zugrunde gelegt werden könnten.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, das Amtsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Beklagte Ziffer 1 auf einer Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung gefahren sei und bei seiner Anhörung gesagt habe, dass er seitlich keine Sicht gehabt und die Klägerin erst beim Aufprall gesehen habe. Anders als der Beklagte Ziffer 1 habe die Klägerin beim Herausfahren nur auf hinter ihr in die vorgeschriebene Fahrtrichtung fahrende Fahrzeuge achten müssen. Die Klägerin habe zudem die Gleichwertigkeit der von den Beklagten nachgewiesenen günstigeren Reparaturmöglichkeit in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten.

Die Klägerin beantragt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 13.08.2014 aufgehoben.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.343,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 18.04.2013 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 08.02.2013 zu 100 % zu ersetzen.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 117,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Sie halten die Berufung bereits für unzulässig, weil sie sich nicht in der erforderlichen Weise mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetze. Im Übrigen könne sich nicht zum Nachteil des Beklagten Ziffer 1 auswirken, dass dieser entgegen der Pfeilrichtung rückwärts gefahren sei. Bei dem auf der Fahrbahn aufgebrachten Pfeil handle es sich nicht um eine verbindliche Anordnung, sondern um eine straßenverkehrsrechtlich unverbindliche Empfehlung. Es sei auch unerheblich, welche Wegstrecke der Beklagte Ziffer 1 beim Rückwärtsfahren zurückgelegt habe. Auch sei die Wahrnehmbarkeit des jeweils anderen Verkehrsteilnehmers für die Klägerin einfacher gewesen als für den Beklagten Ziffer 1.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Die Berufungsbegründung entspricht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO, weil durch die Fassung der Berufungsanträge der Umfang der Anfechtung klar definiert wird und die Berufungsbegründungsschrift hinreichend erkennen lässt, auf welche nach § 513 ZPO zulässigen Gründe die Klägerin ihr Änderungsbegehren stützt. In der Sache hat die Berufung teilweise Erfolg. Die Klägerin hat aus dem Unfallereignis vom 08.02.2013 gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen restlichen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 17 StVG, 249 ff. BGB, 115 VVG in Höhe von 329,99 EUR.

Das Amtsgericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme aufgrund der gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Ho. davon ausgegangen, dass beide Fahrzeuge sich in Rückwärtsfahrt befanden, als es zur Kollision kam. An diese Feststellung, die die Klägerin mit ihrer Berufung nicht angegriffen hat, ist die Kammer gemäß § 529 Abs. 1 Satz 1 ZPO gebunden. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellung liegen nicht vor.

Bei der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 StVO geht die Kammer von einem überwiegenden Verschulden des Beklagten Ziffer 1 an der Entstehung des Unfall aus und hält es daher für angemessen, dass die Beklagten den der Klägerin entstandenen Schaden zu 2/3 ersetzen.

Nach einhelliger Auffassung sind auch Parkhäuser und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Tiefgaragen – unabhängig von einer entsprechenden Widmung – jedenfalls während der Betriebszeit dem öffentlichen Verkehrsraum zuzurechnen, so dass die Verhaltensvorschriften der StVO anwendbar sind (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. § 1 StVO Rn 5 ff.). Es kann insoweit dahinstehen, ob die Bestimmung des § 9 Abs. 5 StVO, wonach ein Fahrzeugführer sich beim Rückwärtsfahren so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, auf einem Parkplatz, der allein dem ruhenden und nicht dem fließenden Verkehr dient, unmittelbar anwendbar ist oder ob die besonderen Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO in diesem Fall bei der Prüfung, ob der rückwärts Fahrende das Gebot der allgemeinen Rücksichtsnahme (§ 1 Abs. 2 StVO) beachtet hat, lediglich mittelbar heranzuziehen sind (vgl. hierzu OLG Hamm, NJW-RR 2013, 33 Rn 15 m.w.N., zitiert nach Juris). Jedenfalls trifft den rückwärts Fahrenden auch auf Parkplätzen eine vergleichsweise höhere Sorgfaltspflicht (OLG Hamm, a.a.O.). Es ist anerkannt, dass bei einer Kollision während des Zurücksetzens der Anschein für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden spricht. Dies gilt auch, wenn sich der Unfall auf einem Parkplatz ereignet hat (OLG Hamm, a.a.O., Rn 17; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a.a.O., § 9 StVO Rn 69).

Ausgehend von diesen Grundsätzen haben im Streitfall sowohl die Klägerin als auch der Beklagte Ziffer 1 gegen die beim Rückwärtsfahren geltende erhöhte Sorgfaltspflicht verstoßen. Für die beiderseitigen Sorgfaltsverstöße spricht der Anscheinsbeweis, den keine der Parteien erschüttert hat. Dass der Beklagte Ziffer 1 auf dem Durchfahrtsweg entgegen der Pfeilrichtung fuhr, vermag die Klägerin nicht zu entlasten. Denn auf einem Parkplatz, der dem ruhenden und nicht dem fließenden Verkehr dient, muss immer mit rangierenden und rückwärtsfahrenden Fahrzeugen gerechnet werden. Die Klägerin durfte deshalb nicht darauf vertrauen, dass keine Fahrzeuge entgegen der Pfeilrichtung fahren würden. Sie musste sich auch deshalb nach allen Richtungen orientieren, weil auf Parkplätzen stets auf Fußgänger, für die die Richtungspfeile auf der Fahrbahn unzweifelhaft nicht gelten, geachtet werden muss.

Nach der Überzeugung der Kammer wiegt das Verschulden des Beklagten Ziffer 1 an der Herbeiführung des Unfalls aber schwerer als das Verschulden der Klägerin, so dass eine Haftung der Beklagten im Umfang von 2/3 gerechtfertigt ist.

Dies folgt indessen entgegen der von der Kammer noch im Termin vom 09.12.2014 vorläufig vertretenen Auffassung nicht daraus, dass der Beklagte Ziffer 1 gegen die Pfeilrichtung rückwärts fuhr. Insoweit kann dahinstehen, wie die auf dem Durchfahrtsweg angebrachten Richtungspfeile rechtlich einzuordnen sind. Denn es liegt bereits in der Natur eines Parkplatzes und folgt erst recht aus der schräg verlaufenden Ausrichtung der Parkbuchten in der in Rede stehenden Tiefgarage, dass ein Rückwärtsfahren zum Rangieren und vor allem zum Ausparken von Fahrzeugen unumgänglich ist. Dazu muss zwangsläufig auch auf dem Durchfahrtsweg zumindest ein kurzes Stück rückwärts gefahren werden. Demzufolge können die Pfeilmarkierungen nicht den Zweck verfolgen, jegliches Rückwärtsfahren auf dem Durchgangsweg zu untersagen. Sie beinhalten vielmehr nur das Gebot, den Durchfahrtsweg bei der Suche nach einem Parkplatz lediglich in Pfeilrichtung zu befahren. Diesem Gebot handelt zwar auch derjenige Fahrzeugführer zuwider, der entgegen der Pfeilrichtung eine größere Wegstrecke rückwärts fährt als zum Rangieren beim Ein- oder Ausparken erforderlich wäre. Dass der Beklagte Ziffer 1 eine größere Wegstrecke zurücklegte als zum Einparken in die von ihm ausgesuchte freie Parklücke erforderlich war, steht indessen nicht zweifelsfrei fest. Das Amtsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Die Klägerin hat keine hinreichend konkreten Angaben dazu gemacht, wie groß die von dem Beklagten Ziffer 1 zurückgelegte Strecke war. Wenn die von dem Beklagten Ziffer 1 angesteuerte Parklücke – wie von diesem behauptet – zwei Plätze hinter dem Parkplatz der Klägerin lag, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte Ziffer 1 bis zum Parkplatz der Klägerin zurückstoßen musste, um in die Parklücke ordnungsgemäß hineinfahren zu können.

Dass der Sorgfaltsverstoß des Beklagten Ziffer 1 schwerer wiegt als das Verschulden der Klägerin ergibt sich aber aus der Tatsache, dass sein Fahrverhalten mehr Risiken barg als dasjenige der Klägerin und ihn aus diesem Grund eine nochmals erhöhte Sorgfaltspflicht traf. Der Beklagte Ziffer 1 musste beim Rückwärtsfahren auf dem Durchfahrtsweg in gleicher Weise mit entgegenkommenden wie mit aus den Parklücken rückwärts ausparkenden Fahrzeugen rechnen. Letztere konnte er bei aufmerksamem Blick durch die Heckscheibe und die hinteren Seitenfenster auch erkennen. Er musste dabei besonders in Rechnung stellen, dass die rückwärts ausparkenden Fahrzeugführer in erster Linie auf den ihnen auf dem Durchfahrtsweg entgegenkommenden Verkehr achten würden und sein Fahrzeug aus diesem Grund nicht bemerken könnten. Wie bereits dargelegt, durfte die Klägerin zwar nicht darauf vertrauen, dass auf dem Durchfahrtsweg keine Fahrzeuge rückwärts entgegen der Pfeilrichtung fahren würden. Sie musste sich daher ebenso wie der Beklagte Ziffer 1 nach allen Seiten vergewissern. Aufgrund der schräg zur Durchfahrt verlaufenden Anordnung ihres Parkplatzes konnte sie beim Blick nach hinten durch die Heckscheibe aber nur den Durchfahrtsweg in die dem Fahrzeug des Beklagten Ziffer 1 abgewandte Richtung und die hinter ihr geparkten Fahrzeuge sehen. Um das Fahrzeug der Beklagten Ziffer 1 wahrzunehmen, hätte sie ihren Blick von der Fahrtrichtung abwenden müssen. Die Klägerin musste zudem davon ausgehen, dass wesentlich mehr Fahrzeuge den Durchfahrtsweg vorwärts in Pfeilrichtung befahren würden als rückwärts entgegen der Pfeilrichtung. Aus den genannten Gründen wiegt der von ihr begangene Sorgfaltsverstoß weniger schwer als der von dem Beklagten Ziffer 1 begangene Pflichtenverstoß. Ein hälftige Haftungsverteilung würde den gegebenen Umständen nicht gerecht werden.

Der bei dem angenommenen Haftungsumfang von 2/3 zu ersetzende Schaden der Klägerin beläuft sich nach Abzug der von der Beklagten Ziffer 2 erbrachten vorgerichtlichen Zahlung von 989,96 EUR auf 329,99 EUR.

Der Schaden der Klägerin beträgt 1.979,92 EUR. Davon sind unstreitig die Positionen Wertminderung in Höhe von 300,00 EUR und Sachverständigenkosten in Höhe von 474,00 EUR. Als Pauschale für allgemeine Unkosten erkennt die Kammer in ständiger Rechtsprechung einen Betrag von 25,00 EUR zu. Die bei der fiktiven Schadensberechnung der Klägerin anzusetzenden Reparaturkosten belaufen sich auf 1.180,92 EUR (netto). Das Amtsgericht hat die Reparaturkosten im Ergebnis zu Recht auf diesen Betrag beschränkt und dem Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Reparaturwerkstatt zugrunde gelegt, weil die Beklagten eine technisch gleichwertige günstigere Reparaturmöglichkeit nachgewiesen haben (vgl. BGH NJW 2010, 606 Rn 9, zitiert nach Juris). Zwar durfte die Klägerin die von den Beklagten behauptete technische Gleichwertigkeit der Reparatur durch die freie Werkstatt M. W.- entgegen den missverständlichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil – zulässig pauschal mit Nichtwissen bestreiten. Die Beklagten haben aber durch Vorlage eines Prüfberichts der DEKRA vom 12.04.2013 (Anlage B 2/2, I 103 f.) zur freien Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass es sich bei der von den Beklagten genannten Werkstatt um einen zertifizierten Kfz-Meisterbetrieb handelt, in dem ausschließlich Originalersatzteile verwendet werden, so dass die technische Gleichwertigkeit mit einer Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt gegeben ist. Umstände, unter denen es für den Geschädigten unzumutbar ist, sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen (BGH, a.a.O., Rn 11 ff.), hat die Klägerin nicht dargelegt. Zwei Drittel des Schadens von 1.979,92 EUR ergeben den von den Beklagten als Ersatzleistung geschuldeten Betrag von 1.319,95 EUR. Unter Abzug der vorgerichtlichen Zahlung der Beklagten von 989,96 EUR verbleibt ein restlicher Schadensersatzanspruch der Klägerin von 329,99 EUR.

Der Zinsanspruch und der Anspruch auf Ersatz von (restlichen) außergerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich aus §§ 249 ff., 286, 288, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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