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Verkehrsunfall zwischen Wohnmobil und Fahrzeug mit Bootsanhänger in Baustellenbereich

LG Hamburg – Az.: 323 O 46/15 – Urteil vom 28.06.2016

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.845,37 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner weiter verurteilt, den Kläger gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt F. O., …, von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 306,62 € freizuhalten.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 61 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 39 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 11.07.2014 in Hamburg ereignete.

Der Kläger befuhr an diesem Tag mit dem Wohnmobil Hymer/Eriba Hymermobil S700, amtliches Kennzeichen …, die W.- B.-Straße in Höhe der Hausnummer … in westlicher Richtung im mittleren Fahrstreifen. Der Beklagte zu 2. fuhr mit seinem bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversicherten Pkw Volvo, amtliches Kennzeichen …, nebst unbeladenem Bootsanhänger im linken Fahrstreifen und überholte das von dem Kläger geführte Fahrzeug. Im Bereich einer Baustelle, in dem die Fahrstreifen durch gelbe Markierungen verengt waren, kollidierten die Fahrzeuge miteinander. Der nähere Unfallhergang ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger machte vorgerichtlich u. a. mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2014 unter Fristsetzung bis zum 30.12.2014 Schadensersatzansprüche geltend (Anlage K 9). Die Beklagte zu 1. lehnte eine Regulierung mit Schreiben vom 06.01.2015 ab (Anlage K 11).

Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer des Wohnmobils (vgl. den Kaufvertrag Anlage K 14).

Er trägt weiter vor, der Beklagte zu 2. sei wegen unzureichender Beachtung des Ausschwenkens des Bootsanhängers und/oder überhöhter Geschwindigkeit streifend mit dem Anhänger gegen das Wohnmobil gefahren. Angesichts der Breite des Trailers sei es dem Beklagten zu 2. auch gar nicht möglich gewesen, ordnungsgemäß die verengte linke Spur sowie einen ausreichenden Seitenabstand einzuhalten.

Der Kläger macht unter Vorlage eines Kostenvoranschlags (Anlage K 8) folgende Schadenspositionen geltend:

  • Netto-Reparaturkosten in Höhe von 7.037,78 €
  • Kosten für den Kostenvoranschlag in Höhe von 297,50 €
  • Kostenpauschale in Höhe von 25,00 €.

Zudem verlangt der Kläger die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,45 € (vgl. Anlage K 9).

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 7.360,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2015 zu zahlen,

2. die Beklagten darüber hinaus als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 729,45 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten die Aktivlegitimation des Klägers mit Nichtwissen.

Sie tragen vor, das Gespann des Beklagten zu 2. habe sich zum Zeitpunkt des Anstoßes im linken Fahrstreifen befunden. Hingegen habe der Kläger den mittleren Fahrstreifen über die gelbe Markierung hinaus verlassen, weil das Wohnmobil breiter als die verengte Spur gewesen sei.

Die Höhe der Reparaturkosten wird bestritten. Eine Zahlung der Kosten für den Kostenvoranschlag wird bestritten. Die Höhe der geltend gemachten Kostenpauschale wird beanstandet.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Der Kläger und der Beklagte zu 2. sind gemäß § 141 ZPO persönlich angehört worden. Das Gericht hat zudem Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin G.. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der Sitzung vom 16.06.2015 Bezug genommen.

Es ist weiter Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluss vom 07.07.2015 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen W. vom 15.04.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache nur zum Teil Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 11.07.2014 aus §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG in Höhe von 2.845,37 € zuzüglich Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.Die weitergehende Klage ist demgegenüber als unbegründet abzuweisen.

1.

Der Kläger ist als Eigentümer des Wohnmobils aktivlegitimiert. Seinem Vortrag zum Eigentumserwerb unter Vorlage des Kaufvertrags vom 15.06.2009 (Anlage K 14) sind die Beklagten nicht mehr entgegen getreten.

2.

Die Beklagten trifft eine Haftung als Gesamtschuldner in Höhe einer Quote von 50 % für die aus dem Unfall resultierenden Schäden des Klägers.

Der Unfall beruhte weder für den Kläger noch für den Beklagten zu 2. auf höherer Gewalt i. S. d. § 7 Abs. 2 StVG und war für beide auch nicht unabwendbar i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG. Es ist im Hinblick auf beide Unfallbeteiligten – unabhängig davon, welche Sachverhaltsdarstellung zutreffend ist – jedenfalls nicht auszuschließen, dass ein besonders vorsichtiger Fahrer durch ein vorausschauendes Fahrverhalten den Unfall vermieden hätte.

Steht die grundsätzliche Haftung der Parteien aus §§ 7, 17, 18 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß §§ 17, 18 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden überwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Verhalten geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen.

Die von beiden Teilen zu tragende Betriebsgefahr kann dabei durch das Verschulden der Beteiligten erhöht werden. Im Rahmen der Abwägung können zu Lasten einer Partei aber nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die als unfallursächlich feststehen.

Auf der Grundlage der durchgeführten Parteianhörungen und Beweisaufnahme haften beide Seiten entsprechend ihrer Betriebsgefahr, da ein unfallursächliches Verschulden der Fahrzeugführer nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnte.

Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eines der unfallbeteiligten Fahrzeuge unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 S. 1 StVO den jeweils befahrenen Fahrstreifen vor der Kollision verlassen hat.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W. ist nicht nachzuweisen, dass eines der Fahrzeuge aufgrund seiner Breite die Markierungen des verengten Fahrstreifens im Bereich der Kollisionsstelle überfahren haben muss. Der Sachverständige hat auf der Grundlage einer eingehenden Vermessung der Unfallörtlichkeit sowie Auswertung der Baustellenpläne dargelegt, dass grundsätzlich beide Fahrzeuge angesichts ihrer Breite trotz der Fahrstreifenverengung im Bereich der Baustelle innerhalb der Markierungen geführt werden konnten. Ob das Wohnmobil des Klägers in einem Teilbereich der Baustelle geringfügig breiter war als der markierte Fahrstreifen, kann dahinstehen, weil die insofern maßgeblichen Außenspiegel nicht für das Unfallgeschehen kausal waren und die Kollisionsstelle auch nicht zweifelsfrei diesem Fahrbahnbereich zuzuordnen ist.

Die Anhörung der Parteien sowie die Vernehmung der Zeugin G. ermöglichen ebenfalls keine hinreichende Überzeugungsbildung. Beide Seiten haben plausibel geschildert, dass die Fahrzeugführer in besonderer Weise die Einhaltung der durch die Markierungen verengten Fahrstreifen beachtet haben. Es sind keine durchgreifenden Anhaltspunkte ersichtlich, anhand derer eine Darstellung widerlegt werden könnte.

Dass beide Fahrzeuge die im Baustellenbereich zulässige Fahrzeugbreite von 2,30 m überschritten haben (vgl. Anlage 8 zum schriftlichen Gutachten vom 15.04.2016), ist für die Haftungsabwägung schon deshalb nicht von Bedeutung, weil die Unfallursächlichkeit dieses Verkehrsverstoßes nicht feststeht.

Zwar konnte aus diesem Grund der mit der Vorgabe einer Maximalbreite vorgesehene Sicherheitsabstand zu dem benachbarten Fahrstreifen nicht gewahrt werden. Die Kausalität der unterlassenen Einhaltung des Sicherheitsabstandes für die Kollision stünde jedoch nur fest, wenn der Unfall bei ordnungsgemäßem Verhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall, da nach der Beweisaufnahme die Möglichkeit verbleibt, das jedenfalls eines der Fahrzeuge infolge eines unachtsamen Verhaltens des Fahrers über die Fahrstreifenmarkierung geraten ist. Da ohnehin nur ein sehr geringer Sicherheitsabstand vorgesehen war, steht nicht fest, dass es ohne dessen geringfügige Überschreitung nicht zu der Kollision gekommen wäre.

Dem Kläger ist auch nicht der Nachweis eines Verstoßes des Beklagten zu 2. gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO gelungen. Es steht nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Beklagte zu 2. vor der Kollision den in der konkreten Situation ausreichenden Sicherheitsabstand nicht einhielt.

Da die Kollisionsstelle innerhalb des Baustellenbereichs nicht ganz genau lokalisiert werden kann, verbleibt die Möglichkeit, dass der Beklagte zu 2. den Überholvorgang an der Stelle mit der maximalen Fahrstreifenbreite einleitete, wo nach der Vermessung des Sachverständigen der linke Fahrstreifen eine Breite von 2,55 m und der der mittlere Fahrstreifen eine Breite von 2,80 m aufwies. Das Gespann des Beklagten zu 2. wies unter Berücksichtigung der seitlichen Begrenzungsleuchten des Anhängers eine Maximalbreite von 2,38 m auf. Hinsichtlich des Wohnmobils des Klägers ist bei der Frage des erforderlichen Sicherheitsabstands zwischen den Fahrzeugen lediglich eine Breite von 2,24 m in Ansatz bringen, da von den darüber hinausragenden Außenspiegeln vorliegend keine Kollisionsgefahr ausging. Wenn beide Fahrzeuge mittig im jeweiligen Fahrstreifen fuhren, betrug der Seitenabstand vor diesem Hintergrund mindestens 36 cm. Zudem besteht die Möglichkeit, dass jedenfalls eines der Fahrzeuge zur entgegenliegenden Seite hin im Fahrstreifen ausgerichtet war, so dass der Seitenabstand bei Einleitung des Überholvorgangs auch durchaus 50 cm betragen haben könnte.

Ein solcher Seitenabstand war in der konkreten Situation noch ausreichend. Es handelte sich um eine gut ausgebaute und einsehbare Straße, die Sichtverhältnisse waren zum Unfallzeitpunkt hervorragend. Insbesondere durfte aber davon ausgegangen werden, dass alle Fahrzeugführer durch die gesonderte Verkehrsführung im Baustellenbereich sensibilisiert waren und der Einhaltung der verengten und abweichend geführten Fahrstreifen besondere Beachtung schenkten. Es musste daher angesichts dieser zu erwartenden Aufmerksamkeit der anderen Verkehrsteilnehmer nicht mit Schreck- oder Fehlreaktionen gerechnet werden, so dass der verhältnismäßig geringe Seitenabstand von bis zu ca. 50 cm noch als ausreichend anzusehen ist.

3.

a)

Der Kläger kann entsprechend der vorgenannten Quote anteilig Netto-Reparaturkosten in Höhe von 2.686,62 € ersetzt verlangen.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W. betragen die erforderlichen Reparaturkosten lediglich 5.373,23 € netto. Der Sachverständige hat auf der Grundlage einer eigenen ausführlichen Reparaturkostenkalkulation plausibel dargelegt (vgl. Anlagen 16 bis 22 zum schriftlichen Gutachten vom 15.04.2016), dass die in dem von dem Kläger eingereichten Kostenvoranschlag angesetzten Arbeitszeitwerte um ca. 100 % überhöht waren. Zudem ist der Speditionszuschlag für Sperrgut zu hoch und doppelt in Ansatz gebracht worden.

Der Kläger kann des Weiteren die Erstattung der Hälfte der Kosten für die Erstellung des Kostenvoranschlags in Höhe von insgesamt 297,50 € verlangen. Es handelte sich um notwendige Kosten zur sachgerechten Rechtsverfolgung, da der Kostenvoranschlag Reparaturmaßnahmen und –weg korrekt aufzeigte und damit eine schlüssige Darlegung der erforderlichen Schadensbehebung ermöglichte.

Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Zahlung einer Kostenpauschale unter Berücksichtigung der Haftungsquote, wobei allerdings insgesamt eine angemessene Höhe von lediglich 20,00 € anzusetzen ist.

Der Zinsanspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.

Der Kläger hat schließlich einen Anspruch auf Freihaltung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 306,62 €, wobei eine 1,3 Geschäftsgebühr nach einem berechtigten Gegenstandswert von 2.845,37 € zuzüglich Postpauschale und Umsatzsteuer in Ansatz zu bringen sind.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 4 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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