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Verwirkung von Unterhaltsansprüchen

Oberlandesgericht Koblenz

Az.: 9 WF 553/00

Beschluss vom 30.10.2000

Vorinstanz: AG Bingen am Rhein – Az.: 7 F 107/95


Beschluss

In der Familiensache hat der 9. Zivilsenat – 4. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz am 30. Oktober 2000 beschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bingen vom 13. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

G r ü n d e:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage auf Unterhalt und – so legt der Senat den Antrag und den Beschluss des Familiengerichts aus – zur Verteidigung gegen die Widerklage abgewiesen. Der Kläger hat mit der Klage voraussichtlich keinen Erfolg, während die Widerklage begründet erscheint. Demzufolge kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (§ 114 ZPO).

Die Klage ist aus mehreren Gründen nicht schlüssig. Zwar schuldet der Beklagte seinem Sohn grundsätzlich im Falle dessen Bedürftigkeit Unterhalt nach §§ 1601, 1610 BGB. Hier hat der Kläger einen Titel auf Zahlung von Unterhalt in Höhe von monatlich 722,50 DM. Demzufolge ist hier keine Zahlungsklage zulässig wie sie der Kläger betreibt. Vielmehr ist richtige Klageart eine Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO. Das hat weiter zur Folge, dass der Kläger eine Änderung der Verhältnisse seit Abschluss des Vergleichs vor dem Amtsgericht Bingen vom 5. Juni 1989 – 7 F 98/88 darlegen müsste. Da der Kläger damals noch bei seiner Mutter lebte und noch nicht studierte, dürfte ihm diese Darlegung indes nicht schwer fallen.

Eine rückwirkende Klage auf Abänderung des Titels hat bis zum 17. März 2000 keinen Erfolg, weil ein entsprechender Anspruch verwirkt ist (§ 242 BGB). Nachdem der Beklagte Mitte 1996 die Auskunft über seine Vermögensverhältnisse erteilt hatte und der Kläger gleichwohl das Verfahren bis zum 17. März 2000 nicht weiterbetrieben hat, durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass der Kläger den titulierten Unterhalt als ausreichend ansieht.

Ein Unterhaltsanspruch kann, wenn er über lange Zeit nicht geltend gemacht wird, nach Treu und Glauben verwirkt sein. Voraussetzung ist, dass der Forderungsinhaber einen langen Zeitraum verstreichen lässt, bis er seinen Anspruch geltend macht und der Verpflichtete in seinem Vertrauen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, schutzwürdig ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die zeitlichen Voraussetzungen einer Verwirkung im Unterhaltsrecht besondere Anforderungen zu beachten (vgl. BGB FamRZ 1988, 478 ff). Zwar verjähren Ansprüche auf rückständigen Unterhält regelmäßig bereits in 4 Jahren (§ 197 BGB), was es nahe legte, eine frühere Verwirkung nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Diese Überlegung lässt jedoch nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, außer Acht, dass in den gesetzlichen Regelungen zum Unterhaltsrecht zum Ausdruck kommt, dass Unterhalt für die Vergangenheit nur in Ausnahmefällen verlangt werden kann. Insbesondere, da im Unterhaltsrecht sich die zurückliegenden Unterhaltsansprüche zu einer erdrückenden Schuldenlast summieren können, ist der Senat der Auffassung, dass regelmäßig das Zeitmoment für die Verwirkung des Anspruchs nach 1 Jahr Fälligkeit des Anspruchs als erfüllt anzusehen ist, es sei denn, der Unterhaltsgläubiger hat unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er seinen Anspruch nicht auf sich beruhen lassen, sondern weiter verfolgen will.

Das war hier nicht der Fall. Insbesondere kann aus dem Umstand, dass der Kläger zunächst Stufenklage erhoben hat, ein derartiger Schluss nicht gezogen werden, weil aufgrund der Untätigkeit der Eindruck entstand, der Kläger halte unter Berücksichtigung der Auskunft dasjenige, dass tituliert ist noch, für ausreichend. Der Senat hält den Beklagten in seinem Vertrauen, nicht auf weiteren Unterhalt in Anspruch genommen zu werden als das was tituliert ist, für schutzwürdig. Mithin lebt der Anspruch des Klägers auf Unterhalt erst ab dem 17. März 2000 wieder auf, als der Kläger das Verfahren fort setzte. Auch insoweit hat eine Klage jedoch keinen Erfolg. Zur Schlüssigkeit einer Klage auf Erwachsenenunterhalt hat der Kläger, da seine Mutter ebenfalls barunterhaltspflichtig ist, das Jahreseinkommen seiner Mutter darzulegen und für die Prozesskostenhilfe glaubhaft zu machen. Soweit er diesbezüglich (Bl. 193 GA) vage Angaben gemacht hat, ohne diese durch entsprechende Urkunden zu untermauern (er legt alleine eine Gehaltsbescheinigung aus dem Jahre 1996 vor), ist das nicht ausreichend. Schließlich ist er unstreitig neben seinem Studium berufstätig gewesen. Dieses Einkommen mag zwar nur zum Teil anrechenbar sein. Jedoch kann das nur beurteilt werden, wenn der Richter weiß, in welcher Zeit der Kläger was verdient hat.

Die Widerklage erscheint demgegenüber begründet. Der Beklagte hat ab Zustellung der Widerklage (7. Juli 2000) einen Anspruch auf Abänderung des Titels und Feststellung, dass er nicht mehr gegenüber dem Kläger unterhaltspflichtig ist. Zwar mag es sein, dass der Bedarf des Klägers auch unter Berücksichtigung seiner Ausbildungsbeihilfe bei O, seiner berufsbedingten Ausgaben und dessen, was die Mutter des Klägers unter Berücksichtigung ihrer finanziellen Verhältnisse an Unterhalt an den Kläger zu zahlen hätte, noch nichtvollständig gedeckt ist. Im Juni 2000 musste der Kläger, der im Wintersemester 1993/1994 mit dem Maschinenbaustudium begonnen hat, jedoch längst mit dem Studium fertig gewesen sein. Der Studiengang hat eine Regelstudienzeit von 8 Semestern. Rechnet man ein weiteres Examensemester hinzu, müsste der Kläger spätestens im Frühjahr 1999 seine Berufsausbildung beendet gehabt haben. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGB FamRZ 1998, 671; 1984, 777 ff; 1987, 470 ff), dass der Anspruch auf Ausbildung unter der Voraussetzung steht, dass der Berechtigte seine Ausbildung ernsthaft betreibt. Der Unterhaltsberechtigte ist gehalten, seine Ausbildung mit dem gehörigem Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben, damit er sie innerhalb angemessener und üblicher Zeit beenden kann. Die Regelstudienzeiten sind dabei ein Orientierungsmaßstab (vgl. OLG Hamm FamRZ 1994, 384). An ihnen orientiert sich auch die Förderung nachdem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Die Regelstudienzeit bildet einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, innerhalb welcher Zeit ein durchschnittlicher Student bei gehöriger Anstrengung den Studienabschluss erreichen kann. Der Kläger räumt selbst eine Überschreitung der Regelstudienzeit von 1 Jahr ein. Zwar mag eine derartige Überschreitung im Einzelfall unverschuldet sein, sodass auch eine längere Unterhaltsverpflichtung in Betracht kommt. Hierfür ist jedoch allein der Unterhaltsgläubiger darlegungs- und beweispflichtig. Was der Kläger bisher insoweit vorgetragen hat (erhöhte Studentenzahlen, Zwang zu Nebentätigkeiten), ist unzureichend. Der Kläger hat einen vollstreckungsfähigen Titel von monatlich 722,00 DM. Auch die Mutter des Klägers ist in gewissem Rahmen barunterhaltspflichtig. Der Bedarf des erwachsenen Studenten, der nicht im Haushalt der Eltern lebt, beträgt nach der Düsseldorfer Tabelle 1.120,00 DM zuzüglich der Kosten für die Krankenversicherung. Der Kläger hat eine volle Berufsausbildung vor seinem Studium abgeschlossen. Die Differenz zwischen seinem Bedarf und dessen, was er ohne größere Probleme von seinen Eltern als Barunterhalt hätte erhalten können, hätte er bei seinen persönlichen Voraussetzungen ohne nachhaltige Beeinträchtigung seines Studiums verdienen können. Im Juni 2000 hat der Kläger aber das 13. Semester abgeschlossen. Die unverschuldete Überschreitung der Regelstudienzeit über einen derartig langen Zeitraum ist nicht dargelegt.

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