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Verzögerungsschaden – Keine Verpflichtung zum Schadensersatz bei Inanspruchnahme staatlicher Verfahren

AG Bremen, Az.: 7 C 294/13, Urteil vom 04.04.2014

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gesamten vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihr gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sei.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses C.-straße 22 in Bremen.

Bei dem Nachbargrundstück C.-straße 21 handelt es sich um eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese besteht aus 2 Wohnungseigentumseinheiten. Hierbei ist die Beklagte die Eigentümerin des Wohnungseigentums Nr. 1 sowie Frau H. die Eigentümerin des Wohnungseigentums Nr. 2, dies jeweils zu 1/2 (ein halb) Miteigentumsanteil an dem Grundstück.

Zwischen dem Haus der Klägerin sowie dem Haus auf dem Nachbargrundstück C.-straße 21 befindet sich ein ca. 83 cm breiter Gang. Die jeweiligen Grundstücksgrenzen verlaufen in der Mitte des Ganges zwischen den Häusern. Im Grundbuch für das Haus C.-straße 22 (VR 58 Bl. XXX) sowie in den beiden Wohnungsgrundbüchern für das Grundstück C.-straße 21 (VR 58 Bl. XXX und Bl. XXX) ist jeweils ein Gangrecht eingetragen: „Recht des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks C.-straße“ 22 bzw. 21, „den zwischen diesem und jenem Grundstück belegenen nach der C.-straße ausmündenden Gang gemeinsam mit diesem Grundstück zu benutzen und zu unterhalten.“

Die Klägerin beabsichtigte, unter anderen an der Giebelseite ihres Hauses ein Wärmedämmverbundsystem aufbringen zu lassen. Nachdem die weitere Wohnungseigentümerin Frau H. hierzu bereits ihr Einverständnis erklärt hatte, wurde die Beklagte vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 27. Mai 2010 (Bl. 5 der Akte) dazu aufgefordert, ebenfalls ihre Zustimmung zu erteilen. Hierbei wurde insbesondere auf § 24 a des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (AGBGB) abgestellt. Mit Schreiben vom 8. Juni 2010 (Bl. 7 der Akte) wurde dies seitens der Beklagten abgelehnt.

Mit ihrer Klage vom 23. Juli 2010 nahm die Klägerin die Beklagte auf entsprechende Duldung in Anspruch (Landgericht Bremen Az. 3 O 1323/10 (a)). Mit Urteil vom 10. April 2013 wurde die Beklagte antragsgemäß zur Duldung verurteilt. Das Landgericht hat hierbei Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten, durch Einholung einer amtlichen Auskunft, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen zu seinem schriftlichen Gutachten. Der Duldungsanspruch konnte hier nicht unmittelbar aus § 24 a AGBGB abgeleitet werden, war aber wegen einer nach Überzeugung der Kammer nur geringen Beeinträchtigung sowohl des Eigentums als auch der Grunddienstbarkeit nach der Wertung des Gesetzgebers im vorliegenden Fall festzustellen.

Die Klägerin behauptet, aufgrund der Verzögerung von 3 Jahren sei ihr ein Schaden entstanden. So seien Zuteilungsbescheide über Fördermittel ausgelaufen, auch würden Kosten für eine gesonderte Gerüstaufstellung entstehen. Sie könne den Schaden noch nicht beziffern. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihr gegenüber für diesen Schaden hafte. Durch das Landgericht sei festgestellt worden, dass die Duldungsverpflichtung der Beklagten von Anfang an bestanden habe. Nachdem die Beklagte auf die Aufforderung gemäß Schreiben vom 3.12.2013 (Bl. 23 der Akte) nicht auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe, bestehe auch ein Feststellungsinteresse angesichts einer drohenden Verjährung ihrer Ansprüche.

Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, die dadurch entstanden sind, dass die Beklagte Mitte Juni 2010 die Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems mit einer Stärke von ca. 5 cm einschließlich Putz bis zu einer Höhe von 2 Metern ab dem Boden und ab einer Höhe von 2 Metern mit einer Stärke von ca. 14 cm zzgl. 2 cm Putz an der zum Haus C.-straße 21 zugewandten Giebelseite des Hauses C.-straße 22 in Bremen nicht geduldet hatte.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass es bereits an einem Feststellungsinteresse mangele. Im Übrigen habe sie sich rechtmäßig verhalten. Die Klägerin habe ihr gegenüber keinen Schadensersatzanspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob auf Seiten der Klägerin das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO vorliegt, da das Fehlen des Feststellungsinteresses nicht ein Sachurteil überhaupt verhindert, sondern nur ein dem Kläger günstiges (vgl. nur: Reichold in Thomas/Putzo, 34. Auflage, Rn. 4 zu § 256 ZPO; Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.1.2012, NJW 2012, Seite 1209 (Seite 1211, Rn. 45)).

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten wegen deren Weigerung, der Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems zuzustimmen, und wegen der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens, welches im Ergebnis eine Zeitdauer von ca. 3 Jahren erforderte, keinen Anspruch auf Schadensersatz.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung bereits darauf hingewiesen, dass bereits die Passivlegitimation der Beklagten fraglich ist.

Dies gilt sowohl hinsichtlich der ursprünglichen Inanspruchnahme auf Duldung als auch hinsichtlich der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs.

So erfolgte die Bestellung der Grunddienstbarkeit zu Gunsten aller Wohnungseigentumseinheiten des Grundstücks C.-straße 21. Da es sich bei der Grunddienstbarkeit nach § 96 BGB um einen Bestandteil des Grundstücks handelt, stellt sich diese damit als Gemeinschaftseigentum dar. Im Sinne des § 10 Abs. 6 S. 3 WEG liegt die „gekorene“ Wahrnehmungsbefugnis bei der teilrechtsfähigen „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ (vergleiche nur Klein in Bärmann, 12. Auflage, Rn. 231, 257 ff., 263 ff. zu § 10 WEG). Auf eine Teilhaftung gemäß § 10 Abs. 8 WEG wurde ersichtlich nicht abgestellt, auch hier würde es aber auch dann an einer ursprünglichen Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft mangeln.

Auch soweit die Klägerin wiederholt auf ein „gesetzliches Schuldverhältnis“ abstellt, besteht dies nur im Verhältnis zur Gesamtheit der Wohnungseigentümer, wobei im Außenverhältnis die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche agiert.

Hierauf kommt es im Ergebnis aber nicht an.

Wenn die Beklagte hinsichtlich des ursprünglichen Duldungsanspruches passiv legitimiert war, so war sie berechtigt, sich vorgerichtlich zu weigern und sich hierdurch in ein gesetzliches „Rechtspflegeverfahren“ als Beklagte einbeziehen zu lassen.

So gilt der allgemeine Grundsatz, dass derjenige, der ein gerichtliches Verfahren einleitet oder auch als Verfahrensgegner betreibt, soweit er sich subjektiv redlich verhält, im Grundsatz gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten nicht rechtswidrig handelt, selbst wenn sich sein Begehren bzw. sein Rechtsstandpunkt als ungerechtfertigt erweist und der andere Beteiligte über das Verfahren hinaus Nachteile hat (vergleiche nur: Palandt/Sprau, 72 Aufl., Rn. 37 zu § 823 BGB).

Dies mag man als „Rechtfertigungsgrund der Inanspruchnahme staatlicher Verfahren“ und generelle Haftungsprivilegierung in diesem Zusammenhang ansehen (vergleiche nur: Haertlein, MDR 2009, S. 1 ff.).

In seiner Entscheidung vom 16. Januar 2009 (NJW 2009, Seite 1262 f.) hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zusammengefasst (vgl. aber auch bereits: Bundesgerichtshof, Urt.v. 12. Mai 1992, NJW 1992, S. 2014 f.):

„In der Rechtsprechung des BGH ist … anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage oder in der sonstigen Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte Handlung i.S. der §§ BGB § 823ff. BGB … noch eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann …. Für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe der gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird …. Ein dadurch nicht abgedeckter Schaden ist damit auch materiell-rechtlich nicht ersatzfähig …. Diese Rechtsprechung wird wesentlich von der Überlegung bestimmt, dass anderenfalls der freie Zugang zu staatlichen Rechtspflegeverfahren, an dem auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt würde.“

Die Beklagte durfte sich damit als Beklagte in das landgerichtliche Verfahren begeben.

Sie hat sich auch subjektiv redlich verhalten und durfte ihre Rechtsposition als plausibel ansehen (vergleiche hierzu nur: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Januar 2009, NJW 2009, Seite 1262 (Seite 1264)). Danach kann hiervon stets dann ausgegangen werden, wenn nach einer Plausibilitätskontrolle noch eine Ungewissheit bestehen kann.

Aufgrund der umfänglichen Beweisaufnahme durch das Landgericht Bremen im Rahmen des Verfahrens zum Az. 3 O1323/10 (a) und der Entscheidung selbst, die auf einer Abwägung beruht und zwar hinsichtlich der Frage einer erheblichen oder nicht erheblichen Beeinträchtigung, war eine „Ungewissheit“ im Sinne der angeführten Rechtsprechung ohne Weiteres anzunehmen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91,708 Nr. 11,711 ZPO.

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