AG Hannover, Az.: 427 C 12693/13, Urteil vom 04.04.2014
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 575,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger von Honoraransprüchen ihres Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 € freizustellen.
3. Die Beklagte hat 50 % der Gerichtskosten und ihrer außergerichtlichen Kosten, sowie der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen. Die Kläger tragen jeweils 25 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweils unterlegene Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger begehren Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.
Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Flugpauschalreise mit Flug von Berlin nach Antalya und Rückflug vom 30.09.2012 bis 07.10.2012. Der Reisepreis betrug pro Person 1.137,– € zuzüglich je 14,– € Treibstoffzuschlag.
Ca. 5 Wochen vor Reiseantritt erhielten die Kläger von der Beklagten die Mitteilung, dass der Hinflug nicht ab Berlin-Tegel, sondern ab Dresden erfolgen sollte. Der Abflugzeit sollte auch nicht mehr 14.55 Uhr, sondern spät nachts (22.45 Uhr) mit einer Ankunft um 02.45 Uhr des Folgetages sein.
Die Kläger traten wegen einer erheblichen Änderung der Reiseleistung gemäß § 651 a Abs. 5 BGB am 17.09.2012 vom Reisevertrag zurück. Am selben Tag sicherte ihnen die Beklagte telefonisch eine Lösungsmöglichkeit zu. Die Kläger ließen sich darauf jedoch nicht ein.
Die Beklagte überwies den Reisepreis am 19.09.2012 zurück.
Sie begehren wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit Entschädigung in Höhe von 100 % des Reisepreises.
Sie machten ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten mit einem undatierten Schreiben geltend.
Mit Schreiben vom 28.12.2012 machte der Prozessbevollmächtigte der Kläger Entschädigungsansprüche geltend, die die Beklagte mit Schreiben vom 12.02.2013 zurückwies.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger berechnet für seine vorgerichtliche Tätigkeit 209,30 € zuzüglich Postgebührenpauschale und Umsatzsteuer, Bl. 3 d.A.
Die Kläger behaupten mit nachgelassenem Schriftsatz, eine Ersatzreise sei nicht angetreten worden, der Urlaub sei zu Hause verbracht worden und dass sie nicht gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 7 der BGB-Infoverordnung informiert worden seien.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils 1.151,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2013 zu zahlen, und die Beklagte zu verurteilen, sie von Honoraransprüchen ihres Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 272,87 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, zu den Voraussetzungen des § 651 g Abs. 1 BGB sei nicht ausreichend substantiiert vorgetragen.
Die Beklagte meint, es sei für die Kläger nicht unzumutbar statt von Berlin-Tegel von Dresen abzufliegen, da sie in R… wohnen. Auch sei die Flugzeit nur um 8 Stunden verschoben worden.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.03.2014 behauptet die Beklagte, am 17.09.2012 sei mit dem Reisebüro um 17.00 Uhr noch ein Rückruf vereinbart gewesen, den dieses jedoch nicht abgewartet habe, sondern den Auftrag der Kläger storniert habe. Dem Reisebüro sei angeboten worden, den Rückflug aus dem Vorgang herauszunehmen, damit das Reisebüro einen Oneway-Flug bei Air Berlin vormittags buchen könne. Vereinbart sei gewesen, dass die Beklagte den Nettoflugpreis übernehme und die Kläger die Differenz zum Bruttoflugpreis in Höhe von 57,– €. Ggf. hätte die Beklagte auch die Differenz getragen. Dieses Angebot habe sie wegen der Stornierung aber nicht mehr unterbreiten können.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil begründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte jeweils einen Anspruch aus § 651 f Abs. 2 BGB auf Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von 575,50 €, nachdem sie gemäß § 651 a Abs. 5 Satz 2 BGB zurückgetreten sind.
Überschreitet der Reiseveranstalter seine ihm vom Gesetz eingeräumten Möglichkeiten der Vertragsänderung durch eine unberechtigte Leistungsänderung, berechtigt dies nicht nur wie geschehen zum Rücktritt von der Reise, sondern stellt auch eine schuldhafte Verletzung des Reisevertrages gemäß § 651 f BGB dar (Führich, Reiserecht, 6. Auflage, Rdn. 180).
Unzulässig ist eine Leistungsänderung, wenn sie die Reise erheblich beeinträchtigt und dann einen Reisemangel begründen würde.
Gebucht hatten die Kläger eine 8-tägige Pauschalreise mit einem Abflug in Berlin-Tegel um 14.55 Uhr. Stattdessen wollte die Beklagte einen Flug ab Dresden um 22.45 Uhr mit Ankunft um 02.45 Uhr am nächsten Tag in Antalya leisten.
Unzumutbar ist nicht nur, den Abflughafen auszutauschen, auch wenn die Kläger in der Nähe wohnen, da sie sich eben den anderen Flughafen ausgesucht hatten, sondern vor allem die in den späten Abend verlegte Abflugzeit, die eine Ankunft in der Nacht am nächsten Tag und eine Störung der Nachtruhe bedeutete.
Die Kläger waren daher am 17.09.2012 zum Rücktritt berechtigt. Ob sich auf erneute Vertragsangebote der Beklagten eingehen mussten, kann dahinstehen. Denn selbst, wenn dies zutreffen sollte, wollte die Beklagte den Klägern ja nur einen Air-Berlin Flug gegen Aufpreis von 57,– € anbieten und nur „ggf.“ diese selbst tragen, d.h. wohl wenn die Kläger sich dagegen zur Wehr setzten. Auf solche Verhandlungen mussten sich die Kläger nicht einlassen, nachdem sie mit der Beklagten an sich einen Vertrag zu einem bestimmten Preis mit einem Abflug in Berlin um 14.55 Uhr geschlossen hatten.
Der Höhe nach kann der Frustrationsschaden bei einer vereitelten Reise, d.h. einer Reise, die nicht angetreten werden kann, nach entsprechenden Stufen von Stornoklauseln oder mit der Hälfte des Reisepreises entschädigt werden (Führich, Reiserecht, Rdn. 420). Hier vom 14. bis 7. Tage vor Reisebeginn damit ebenfalls 50 % des Reisepreises (vgl. Führich, Reiserecht, Rdn. 522).
Bei Vereitelung einer Reise ist von einer so schwerwiegenden Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Leistungserfolges auszugehen, dass eine Entschädigung dafür geboten ist, dass der Kunde seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte wie vom Veranstalter geschuldet. Weiterarbeit oder Ersatzurlaub beeinträchtigen den Entschädigungsanspruch nicht, ein zuhause verbrachter Urlaub stellt keinen Schadensminderungsposten dar, da die Freizeit nicht Gegenstand der vom Reiseveranstalter geschuldeten Leistung ist. (BGH, Urteil vom 11.01.2005, BGHZ 161, 389-400).
Die Kläger sind nicht gemäß § 651 g BGB mit der Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen.
Unabhängig von der Frage, wann das „undatierte Schreiben“ abgefasst und vor allem bei der Beklagten eingegangen ist, über die beide Seiten sich nicht äußern, ist die Frist jedenfalls nicht schuldhaft versäumt. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Belehrung nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoVO, wird die Entschuldigung vermutet. Danach ist der Reisende über die nach § 651 g einzuhaltenden Fristen zu belehren. Dies ist hier soweit vorgetragen und ersichtlich nicht geschehen. Die Darlegungslast für eine Belehrung trägt die Beklagte (Führich, Reiserecht, Rdn. 482; AG Hannover, RRa 2009, 80-83).
Nach einem Streitwert von 1.151,– € sind die Kläger entsprechend ihrer bisherigen Berechnung Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 201,71 € ausgesetzt
Zinsen in zuerkannter Höhe sind aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB geschuldet.