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Vorsorgevollmacht – Akzeptierung durch Bank

AG Hamburg-Wandsbek, Az.: 706 XVII 53/17, Beschluss vom 15.06.2017

Für die Betroffene wird zur Betreuerin bestellt:

Frau B. A. C. A., Hamburg

Die Betreuung umfasst folgende Aufgabenkreise:

– Vermögenssorge

Das Gericht wird spätestens bis zum 15.06.2024 über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung entscheiden.

Bis zu einer erneuten Entscheidung gelten die getroffenen Regelungen fort.

Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens hat die Hamburger Sparkasse, Postfach, 20454 Hamburg vertreten durch den Vorstand, Dr. H. V., F. B., A. K., J. M., B. P. zu tragen.

Gründe

Vorsorgevollmacht – Akzeptierung durch Bank
Symbolfoto: Lichtmeister/Bigstock

Die Voraussetzungen für die Bestellung der Betreuerin sind gegeben.

Die Betroffene ist aufgrund einer der in § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgeführten Krankheiten bzw. Behinderungen, nämlich einer Krebserkrankung im Endstadium, nicht in der Lage, die Angelegenheiten ausreichend zu besorgen, die zum genannten Aufgabenkreis gehören.

Dies folgt aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aus dem ärztlichen Zeugnis d. Arztes P. vom 15.02.2017, dem Bericht der Betreuungsbehörde Freie und Hansestadt Hamburg Bezirksamt Altona Fachamt für Hilfen nach dem Betreuungsgesetz Betreuungsstelle Hamburg Abschnitt Wandsbek vom 06.04.2017, der Stellungnahme der Tochter B.A. Christiane Andersen und dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts, den sich dieses bei der Anhörung der Betroffenen am 15.06.2017 verschafft hat.

Bei der Festsetzung der Überprüfungsfrist hat das Gericht die Ausführungen des Arztes berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 4 FamFG. Das Gericht kann hiernach auch einem nicht am Verfahren beteiligten Dritten die Kosten auferlegen, wenn die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

Die Hamburger Sparkasse ist in dem Betreuungsverfahren Dritte gem. § 81 Abs. 4 FamFG, da sie nicht unmittelbar Verfahrensbeteiligte ist.

Die Tätigkeit des Gerichts wurde durch die Hamburger Sparkasse veranlasst. Die Betroffene befindet sich aufgrund einer Krebserkrankung im Hospiz „Sinus“, Saarlandstraße 26, 22303 Hamburg. Sie ist auf umfangreiche Pflege angewiesen und kann ihr Bett ausweislich der ärztlichen Bescheinigung von Dr. L. vom 09.05.2017 nicht mehr verlassen. Sie hat deshalb in zwei privatschriftliche Dokumenten vom 20.03.2017 und 28.04.2017 ihrer Tochter, Frau B.A., geb. am 29.06.1962, eine Vorsorgevollmacht erteilt.

Existiert eine solche Vollmacht, geht diese der Einrichtung einer Betreuung gem. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich vor, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Mit dieser Regelung soll zum einen das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen berücksichtigt werden, zum anderen zielt die Vorschrift aber auch auf eine Entlastung der Gerichte ab (MüKoBGB-Schwab, § 1896 BGB, Rn. 50). Der BGH hat die Regelung mit Beschluss vom 13.04.2011 (Az. XII ZB 584/10) dahingehend konkretisiert, dass eine einmal erteilte Vollmacht der Betreuerbestellung dann vorgeht, wenn der Wirksamkeit der Vollmacht keine Bedenken entgegenstehen und darüber hinaus feststeht, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch den Bevollmächtigten keine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen.

Die Vollmacht sollte hier gegenüber einer Bank eingesetzt werden, damit die Bevollmächtigte über das Konto der Betroffenen verfügen konnte. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass eine Bank innerhalb laufender Geschäfts- bzw. Vertragsbeziehungen verpflichtet ist, das Handeln durch einen Bevollmächtigten anzuerkennen (vgl. auch Tersteegen, „Bankgeschäfte mittels Vorsorgevollmacht – Verpflichtung der Banken zur Anerkennung von Vorsorgevollmachten?“, NJW 2007, 1717). Die Hamburger Sparkasse hat die Anerkennung der Vollmacht hier gleichwohl abgelehnt und von der Betroffenen verlangt, persönlich in einer ihrer Bankfilialen eine Vollmacht auszufüllen. Eine solche Zurückweisung der Vollmacht ist nur möglich, wenn Gründe vorliegen, die gegen die Wirksamkeit der vorgelegten Vollmacht sprechen.

An der Wirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Vollmacht kann aber nicht gezweifelt werden: Zum einen kann, mangels entgegenstehender Hinweise, davon ausgegangen werden, dass die Betroffene zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmachten geschäftsfähig war. Zum anderen besteht auch sonst kein erkennbares Wirksamkeitshindernis. Insbesondere muss die Vollmacht kein bestimmtes Formerfordernis erfüllen – es gilt der Grundsatz der Formfreiheit. Sofern die Hamburger Sparkasse als Wirksamkeitsvoraussetzung von der Betroffenen verlangt, persönlich in einer Bankfiliale zu erscheinen um dort eine Vollmacht auf eigenem Formularpapier zu unterschreiben, ist dies unerheblich. Ein solch einseitiges Abweichen vom Grundsatz der Formfreiheit zugunsten einer strengeren Form als der Schriftform wäre selbst bei Vertragsschluss im Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen § 309 Nr. 13 BGB unwirksam (ebenso Tersteegen, NJW 2007, 1717, 1718).

Es ist anzuerkennen, dass Banken im Interesse ihrer Kunden vorgelegte Vollmachten sorgfältig prüfen müssen und bei privatschriftlichen Vollmachten vor dem Problem stehen, dass sie mitunter nur schwerlich beurteilen können, ob der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Abgabe der Vollmacht geschäftsfähig und sich über den Umfang der Vollmacht im Klaren war. Aufgrund der gesetzlichen Risikoverteilung ist es aber Sache der Banken und nicht der Kunden, diese Zweifel durch eigene Initiative auszuräumen. Die bloße Aufforderung an den Kunden, er möge die Zweifel zerstreuen und dafür persönlich in einer Bankfiliale eine Vollmacht ausfüllen, genügt diesen Anforderungen nicht; besonders dann nicht, wenn wie hier nachgewiesen wurde, dass der betroffene Kunde körperlich hierzu nicht mehr in der Lage ist. Die Hamburger Sparkasse hätte die Vollmacht daher in diesem Fall anerkennen müssen.

Weiterhin gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bevollmächtigte die Vollmacht nicht im Sinne der Betroffenen, ihrer Mutter, verwendet hat.

Festzuhalten bleibt, dass die Betroffene trotz wirksamer Vorsorgevollmacht ohne Einrichtung einer Betreuung faktisch nicht mehr über das auf ihrem Konto befindliche Vermögen verfügen kann. Die Ablehnung der Betreuung würde dazu führen, dass der Betroffenen keine andere Möglichkeit mehr bliebe, an ihr Geld zu kommen. In einem solchen Fall ist die Einrichtung einer Betreuung geboten, da die Angelegenheiten der Betroffenen durch die Bevollmächtigte nicht ebenso gut wie durch eine Betreuerin besorgt werden können, § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB (ebenso AG Bad Segeberg, Beschluss vom 24. Mai 2012 – 3 XVII 7655 –, juris; G Kiel, Beschluss vom 10. Juli 2012 – 3 T 217/12 –, juris). Es kann schließlich nicht zulasten der Betroffenen gehen, wenn das Gesetz von einem grundsätzlichen Vorrang der Vollmacht vor der Betreuung ausgeht, aber die Bank rechtswidriger Weise ihre Vollmacht nicht anerkennt.

Die Hamburger Sparkasse hat das Tätigwerden des Gerichts auch grob schuldhaft veranlasst. Es gehört zum täglichen Geschäft von Banken und Sparkassen, mit Vorsorge- und Kontovollmachten umzugehen. Dass auch privatschriftliche Vollmachten ausreichend sind, kann als bei einer großen Sparkasse bekannt unterstellt werden. Die Hamburger Sparkasse erklärt in Nr. 1 Abs. 1 S. 2 ihrer AGB selbst, dass sich der Kunde stets darauf verlassen könne, dass „die Sparkasse seine Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausführt“. Zur Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gehört es aber, dass wirksame Vollmachten anerkannt werden und man sich bei Zweifeln nicht darauf beruft, der betroffene Kontoinhaber möge doch zur Bankfiliale kommen, auch wenn ihm dies körperlich nicht möglich ist. Lehnt die Sparkasse die Anerkennung der Vollmacht nun – auch nach mehrmaligem Hinweis auf die körperliche Situation der Betroffenen – ab, so veranlasst sie grob schuldhaft das Tätigwerden des Gerichts.

Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 287 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

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