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Wegnahme von Hunden und Verbringung in ein Tierheim – Unterbringungskosten

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 10 ZB 10.2160 und 10 ZB 10.2161 – Beschluss vom 29.09.2011

I. Die Verfahren 10 ZB 10.2160 und 10 ZB 10.2161 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

III. Die Beklagte trägt die Kosten der Zulassungsverfahren.

IV. Der Streitwert für die Zulassungsverfahren wird für die Zeit bis zur Verbindung im Verfahren 10 ZB 10.2160 auf 3.269,50 Euro und im Verfahren 10 ZB 10.2161 auf 5.000,– Euro festgesetzt, für die Zeit nach der Verbindung auf insgesamt 8.269,50 Euro.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich gegen Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg, mit denen den Klagen des Klägers auf Aufhebung der Wegnahme und Herausgabe seiner Hunde sowie der Verpflichtung zur Kostentragung für die Unterbringung der Hunde (weitestgehend) stattgegeben worden ist.

Der Kläger ist im Besitz von zwei Hunden der Rasse Sivas-Kangal, ein 2007 geborener Rüde und eine 2009 geborene Hündin. Diese Hunde waren bereits am 7. September 2009 aus dem Grundstück des Klägers entwichen und der Rüde hatte beim Einfangen zwei Menschen gebissen. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. September 2009 erließ die Beklagte gegenüber dem damaligen Eigentümer der Hunde, dem Sohn des Klägers, sofort vollziehbare Anordnungen betreffend die Hundehaltung des Kangal-Rüden, wobei u.a. eine ausbruchsichere Unterbringung des Hundes gefordert und für den Fall des Verstoßes ein Zwangsgeld angedroht wurde.

Wegnahme von Hunden und Verbringung in ein Tierheim – Unterbringungskosten
Symbolfoto: Von David Tadevosian/Shutterstock.com

Am 5. Januar 2010 sind die beiden Hunde erneut vom Haltergrundstück entwichen und haben einen anderen Hund sowie einen Menschen gebissen. Am 7. Januar 2010 wurden die Hunde durch einen Mitarbeiter des Ordnungsamts der Beklagten in Zusammenarbeit mit der Polizei vom Anwesen des Klägers weg und in ein Tierheim verbracht. Am 11. Januar 2010 übergab der Sohn des Klägers die beiden Hunde mit schriftlicher Vereinbarung an seinen Vater.

In der Folgezeit stritten die Parteien darüber, ob das Grundstück des Klägers aufgrund verschiedener Nachbesserungen nunmehr ausbruchsicher sei sowie über einen Entwurf eines Auflagenbescheides der Beklagten gegenüber dem Kläger.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2010 verpflichtete die Beklagte den Kläger zur Tragung der Kosten der Unterbringung der Hunde im Tierheim und legte entsprechende Rechnungen bei. Am 19. Mai 2010 erhob der Kläger Klage gegen die „Sicherstellung“ der Tiere und verlangte deren Herausgabe. Die Anforderungen aus dem Bescheidsentwurf hinsichtlich einer sicheren Unterbringung auf dem Grundstück des Klägers seien erfüllt. Der Bescheidsentwurf enthalte verschiedene Anordnungen, die unverhältnismäßig seien. Am 10. Juni 2010 ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 6. Mai 2010 hinsichtlich der Unterbringungskosten für die Hunde erheben.

Das Verwaltungsgericht Würzburg gab den Klagen mit Urteilen vom 28. Juli 2010 weitestgehend statt. Hiergegen richten sich die Zulassungsanträge der Beklagten vom 25. August 2010, die fristgerecht begründet worden sind.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere der Begründung der angefochtenen Urteile und des Vorbringens in den Zulassungsverfahren, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenunterlagen Bezug genommen.

II.

Die Verbindung der Verfahren 10 ZB 10.2160 und 10 ZB 10.2161 beruht auf § 93 Satz 1 VwGO.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in den Zulassungsbegründungen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Urteile im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Entgegen den Ausführungen der Beklagten erfolgte die Wegnahme der Hunde und die Unterbringung im Tierheim nicht einvernehmlich mit dem damaligen Hundehalter (zum Zeitpunkt der Wegnahme der Sohn des Klägers) bzw. dem Kläger (ab 11.1.2010). Denn auch wenn der damalige Bevollmächtigte der Hundehalter mit der Verbringung der Tiere in das Tierheim womöglich einverstanden gewesen sein sollte, traf dies offensichtlich nicht auf die jeweiligen Hundehalter zu. Die Beklagte trägt hierzu selbst vor, dass die Familie des Klägers ständig auf die Herausgabe der Hunde gedrängt habe. Dies lässt sich auch dem Vermerk der Beklagten über die Ortsbesichtigung des Anwesens des Klägers am 14. Januar 2010 entnehmen. Ob der Kläger oder dessen Bevollmächtigter darüber hinaus mit lediglich beabsichtigten Anordnungen im sog. Bescheidsentwurf der Beklagten einverstanden waren, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass ungeachtet der Frage, ob die Beklagte eine sofort vollziehbare und im Wege der Ersatzvornahme vollstreckbare Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG erlassen wollte oder die Hunde im Wege einer sog. „Tatmaßnahme“ im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LStVG ins Tierheim verbracht hat, die Wegnahme der Hunde jedenfalls deshalb nicht rechtmäßig war, weil das erforderliche sicherheitsbehördliche Ermessen weder betätigt noch gar dokumentiert worden ist. Das Vorbringen der Beklagten in den Zulassungsverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Tatmaßnahme nach Art. 7 Abs. 3 LStVG sind im Übrigen nur dann gegeben, wenn eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 LStVG nicht möglich oder zulässig ist oder wenn sie keinen Erfolg verspricht. Bereits das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend verneint.

Aber auch die am 7. Januar 2010 nach dem Vorbringen der Beklagten mündlich erlassene Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG war rechtswidrig. Entgegen der Auffassung der Beklagten konnte sie dabei nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgehen, denn die Wegnahme der Hunde stellte bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht die einzig sinnvolle und erfolgversprechende Maßnahme dar. Mit ihrem Vorgehen wollte die Beklagte erreichen, dass die beiden Hunde des Klägers (bzw. damals noch dessen Sohnes) nicht mehr aus dem klägerischen Grundstück entweichen, frei herumlaufen und bei dieser Gelegenheit andere Hunde verletzen oder Menschen beißen können. Im Hinblick auf diesen Zweck ist es zweifelhaft, ob der Erlass einer erneuten sicherheitsbehördlichen Anordnung überhaupt erforderlich war, denn gegen den damaligen Halter der Hunde war bereits am 7. September 2009 ein Bescheid in Bezug auf den Rüden erlassen worden, mit dem u.a. die Sicherung des klägerischen Grundstücks verlangt wurde. Diese sofort vollziehbare Anordnung war zwangsgeldbewehrt, weshalb mit dem erneuten Entweichen der Hunde am 5. Januar 2010 das angedrohte Zwangsgeld fällig wurde. Die Beklagte hätte also ohne weiteres dieses Zwangsmittel anwenden, ein neues Zwangsmittel (z.B. die Ersatzvornahme) androhen und ggf. eine weitere Anordnung hinsichtlich der Abgabe des Rüden erlassen können. Ob die Hündin, hinsichtlich der noch keine Anordnung zur Hundehaltung ergangen war, tatsächlich ebenso eine unmittelbare konkrete Gefahr für die betreffenden Schutzgüter darstellt wie der Rüde, ist nicht hinreichend geklärt. Offensichtlich hat sie sich am 7. September 2009 problemlos einfangen lassen und niemanden gebissen. Im Rahmen der Ermessensausübung durch die Beklagte wäre überdies zu beachten gewesen, dass die Hunde bislang die Umzäunung des Grundstücks gerade nicht übersprungen haben, sondern jeweils durch ein offen gelassenes Gartentor entwichen sind. Um dies zu vermeiden, hätte es womöglich ausgereicht anzuordnen, den Rüden oder ggf. beide Hunde – zumindest vorübergehend – im vorhandenen Zwinger zu belassen und nur unter Aufsicht im Garten zu halten. Denkbar wäre auch die Anordnung gewesen, das Gartentor bei Anwesenheit der Hunde ständig verschlossen zu halten. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht zudem gerügt, dass sowohl mit dem Halterwechsel am 11. Januar 2010 als auch mit den Feststellungen anlässlich des Ortstermins am 14. Januar 2010, als das Grundstück von Behördenseite immer noch nicht als ausbruchssicher angesehen wurde, weitergehende Ermessenserwägungen der Sicherheitsbehörde erforderlich gewesen wären, zumal die Beklagte den früheren Halter der Hunde wegen erheblicher Straffälligkeit für unzuverlässig erachtet hat, dieser Vorwurf dem Kläger gegenüber jedoch soweit ersichtlich nicht erhoben wurde.

Wegen der Rechtswidrigkeit der Wegnahme und anderweitigen Unterbringung der Hunde erweist sich auch die Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Kosten für die Unterbringung der Hunde im Tierheim als rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht hat der diesbezüglichen Klage des Klägers zu Recht weitestgehend stattgegeben. Der Kostenanteil, mit dem der Kläger in erster Instanz unterlegen ist, ist im vorliegenden Zulassungsverfahren nicht (mehr) Streitgegenstand. Auf die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung kommt es daher insoweit nicht an.

Aus diesen Gründen waren die Anträge auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 2 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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