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Werkstatt- und Prognoserisikos bei Reparatur auf Basis Sachverständigengutachten

AG Münster – Az.: 7 C 553/20 – Urteil vom 03.06.2020

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 345,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Auf die Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313a ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf (restlichen) Schadenersatz in Höhe von 345,10 Euro aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

Der Kläger rechnet vorliegend nicht fiktiv, sondern auf Grund der ihm tatsächlich entstandenen konkreten Reparaturkosten ab. Selbst, wenn wie von der Beklagten behauptet, die bemängelten Kostenpositionen nicht notwendig bzw. überhöht gewesen sein sollten, so sind sie gleichwohl gem. § 249 Abs. 1 Satz BGB dem Kläger zu ersetzen. Die Frage der Notwendigkeit der vom Beklagten gerügten Kosten kam daher im vorliegenden Fall dahin stehen. Gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Erforderlich sind zwar nur Aufwendungen, die verständiger, wirtschaftliche denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zur zweckmäßig und notwendig haltend durfte. Dem Geschädigten sind in diesem Rahmen aber auch Mehrkosten zu ersetzen, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt auch das sogenannten Werkstatt- und Prognoserisiko, falls dem Geschädigten nicht ausnahmsweise hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft (vergleiche BGH NJW 1992, Seite 302; AG Neuss, DAR 2016, Seite 539; AG Düsseldorf DV 2015, Seite 48 ff.).

Die Reparaturwerkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB des Geschädigten. Da der Schädiger gem. § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich zur Naturalrestitution verpflichtet ist, und § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Geschädigten lediglich eine Ersetzungsbefugnis zuerkennt, vollzieht sich die Reparatur vielmehr in der Verantwortungsphäre des Schädigers. Würde der Schädiger die Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB selbst vornehmen, so träfe ihn gleichfalls das Werkstattrisiko. Allein die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch den Geschädigten kann daher nicht zu einer anderen Risikoverteilung führen. Hierbei sind auch die begrenzten Kenntnisse und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten in dem Blick zu nehmen: Sobald der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug der Reparaturwerkstatt zwecks Reparatur übergeben hat, hat er letztlich keinen Einfluss mehr darauf, ob und in wie weit sodann unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden. Dies darf nicht zu Lasten des Geschädigten gehen, welche ansonsten einen Teil seiner aufgewendeten Kosten nicht ersetzt bekommen würde (vergleiche BGH NJW 1975, Seite 160; OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995 zum Aktenzeichen 9 U 168/94, zitiert nach Juris, AG Neuss, a.a.O.; AG Düsseldorf a.a.O.).

Zudem in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Mehrkosten gehören auch Kosten für unnötige Zusatzarbeiten oder Mehraufwendungen für zumindest aus wirtschaftlicher Sicht nicht erforderliche Arbeiten.

Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger bei der Beauftragung der Werkstatt ein Ausführungsverschulden trifft. Nach Übergabe des Fahrzeugs an die Reparaturwerkstatt war das Fahrzeug aus der Einwirkungssphäre des Klägers entlassen. Für diesen war nicht erkennbar, dass die Firma gegebenenfalls technisch nicht notwendige Werkarbeiten an dem Kraftfahrzeug vornehmen würde; dies war für den Kläger als technischen Laien auch nicht überschaubar. Dies gilt umso mehr, als dass die Reparatur entsprechend der Vorgaben in dem Privatgutachten des Sachverständigen erfolgte. Die streitigen Kostenpositionen entsprechen aber im Wesentlichen bzw. exakt den im Privatgutachten genannten sowie der Höhe nach den dort ausgewiesenen Beträgen.

Nach alldem sind grundsätzlich sämtliche im hiesigen Rechtsstreit noch geltend Reparaturkosten einschließlich der Verbringungskosten im Verhältnis der hiesigen Parteien ersatzfähig.

Der Kläger ist auch, mangels etwaigen Ausgleichs der Reparaturrechnung, nicht lediglich auf einen Freistellungsanspruch zu verweisen. Der Beklagte hat weitere Schadensersatzleistungen vorgerichtlich endgültig verweigert. Ein Freistellungsanspruch wandelt sich auch dann gem. § 250 BGB, ohne dass zuvor eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung erforderlich ist, in einen Zahlungsanspruch des Geschädigten um, wenn der Schädiger jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert und der Geschädigte Geldersatz fordert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 – XI ZR 355/02 -, juris). Zudem hat der Beklagte einen Klageabweisungsantrag gestellt. Sobald die Abweisung der entsprechenden Schadensersatzansprüche verfolgt wird, kommt es nicht mehr darauf an, ob die entsprechenden Ansprüche inzwischen durch den Geschädigten ausgeglichen worden sind (vgl. ZfSch 2015, 208-211). Zwar wird grundsätzlich auch insoweit nur der erforderliche Geldbetrag i.S. von § 249 Abs. 2 geschuldet, d.h. von der Umwandlung erfasst. Insoweit ist jedoch auf die obigen Ausführungen zum Werkstattrisiko zu verweisen.

Dem Schädiger entsteht hierdurch insgesamt kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Werkstatt verlangen kann (BGHZ 63, 182, 187; LG Hamburg Urt. v. 4.6.2013 – 302 O 92/11, BeckRS 2014, 01082, beck-online).

Der zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich gem. §§ 288, 286 BGB, nachdem der Beklagte auf die anwaltliche Mahnung aus April 2019 nicht zahlte. Einen vorherigen Verzug hat der Kläger nicht dargetan. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum ein solcher bereits seit dem 18.07.2017, d.h. dem Unfalltag selbst, vorliegen sollte. Die Nebenforderung war daher zu kürzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Streitwert: bis 500,00 Euro

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