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Fahrverbot – Erhöhung der Geldbuße und Verzicht auf Fahrverbot

OLG Hamm

AZ.: 3 Ss OWi 348/04

Beschluss vom 29.06.2004


In der Bußgeldsache wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 10.03.2004 der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 29.06.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen durch Urteil vom 10.03.2004 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft (fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG i.V.m. §§ 3 Abs. 3 Ziffer 1, 49 Abs. 1 Ziffer 3 StVO) zu einer Geldbuße von 100,- € verurteilt und ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Weiterhin hat das Amtsgericht angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Gegen dieses dem Betroffenen am 25.03.2004 und dem Verteidiger am 29.03.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.03.2004 beim Amtsgericht Essen eingegangene Rechtsbeschwerde vom 11.03.2004, die mit Schriftsatz vom 06.04.2004, eingegangen bei dem Amtsgericht Essen am 08.04.2004, begründet worden ist.

II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO).

Insbesondere teilt der Senat die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht, wonach der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils fehlerhaft sei. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, nach der es nicht mehr erforderlich ist, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen ausdrücklich darlegt, er sei sich unabhängig vom Vorliegen eines Ausnahmefalles auch der generellen Möglichkeit bewusst gewesen, den durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg durch eine Erhöhung der Geldbuße zu erreichen (Senat, JMBl. NW 1996, 248).

Hier lag ein Regelfall der Verhängung des einmonatigen Fahrverbotes gemäß der Tabelle 1 c lfd. Nr. 11.3.6 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zur Bußgeldkatalogverordnung i.V.m. § 4 Abs. 1 Ziffer 1 BKatV i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG vor. Der Betroffene hatte die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 35 km/h überschritten.

Aus den Urteilsgründen ergibt sich auch hinreichend deutlich, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit bewusst gewesen ist, bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung des Fahrverbotes aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzusehen, von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch machen wollte.

Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, dass ihm vorliegend auch die Verhängung eines Fahrverbots erforderlich erscheine, um auf den Betroffenen einzuwirken, wenngleich dieser bislang verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Die Geschwindigkeitsüberschreitung des Betroffenen liege weit über dem Bereich der geringfügigen Übertretung. Die Folgen der Festsetzung des Fahrverbotes stünden nicht außer Verhältnis zur Ordnungswidrigkeit. Dies führt das Amtsgericht dann im Weiteren aus, wobei es im Wesentlichen darauf abstellt, dass dem Betroffenen die 4-Monats-Frist des § 25 Abs. 2 a StVG gewährt werden konnte und er selbst nicht vorgetragen habe, dass die Verhängung eines Fahrverbotes über berufliche Unannehmlichkeiten hinaus für ihn arbeitsrechtliche Folgen hätte.

Hiermit hat das Amtsgericht hinreichend deutlich gemacht, dass es sich der Möglichkeit bewusst war, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von der Verhängung eines Fahrverbotes absehen zu können. Es hat ausdrücklich eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt. Der ausdrücklichen Erwähnung der Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV, gegen Erhöhung des Bußgeldes von der Anordnung eines Fahrverbotes ausnahmsweise abzusehen, bedurfte es dagegen nicht.

Ein solches Erfordernis kann der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnommen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entheben die Regelbeispiele der Bußgeldkatalogverordnung die Gerichte der Verpflichtung, die Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge besonders zu begründen, wenn keine Anhaltspunkte für ein Abweichen ersichtlich sind. Andererseits müsse sich der Tatrichter aber der Möglichkeit bewusst gewesen sein, den durch das Fahrverbot angestrebten Erfolg auch mit einer erhöhten Geldbuße erreichen zu können und dies in den Entscheidungsgründen zu erkennen geben (BGHSt 38, 125, 136; BGHSt 38, 231, 236). Auf welche Weise der Tatrichter dies in den Entscheidungsgründen kenntlich zu machen hat, lässt der Bundesgerichtshof offen. Nach der Rechtsprechung des Senates, an der ausdrücklich festgehalten wird, bedarf es hierzu aber nicht des ausdrücklichen Ansprechens der Möglichkeit, vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße abzusehen, sofern sich aus den Gründen des tatrichterlichen Urteils im Übrigen eindeutig entnehmen lässt, dass der Tatrichter eine Verhältnismäßigkeitsprüfung auch unter diesem Gesichtspunkt durchgeführt hat. Der Senat hatte bereits im Jahre 1996 (JMBl. NW 1996, 248) entschieden, dass aufgrund des seinerzeit erfolgten Zeitablaufs seit Erlass der Bußgeldkatalogverordnung davon auszugehen sei, dass diese Möglichkeit sämtlichen Tatrichtern, die Bußgeldsachen bearbeiten, nunmehr bewusst sei. Aus diesem Grunde sei die ausdrückliche Darstellung dieses Bewusstseins in den Entscheidungsgründen entbehrlich, ihr Fehlen stelle keinen Begründungsmangel mehr dar (ebda.). Diese Ausführungen gelten heute umso mehr. Der Senat hat keinerlei Erkenntnisse, dass den mit Bußgeldsachen befassten Tatrichtern die Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV unbekannt sein könnte.

Darüber hinaus hat der Senat darauf abgestellt, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24.03.1996, DAR 1996, 196 ff.) gerade kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliege, wenn bei zutreffender Annahme eines Regelfalles ohne weitere Prüfung, ob anstelle des Fahrverbots eine Erhöhung der Geldbuße als angemessene Ahndung der Verkehrsordnungswidrigkeit in Betracht komme, ein Fahrverbot unter Berücksichtigung der Schwere des Verkehrsverstoßes einerseits und der Sanktionsempfindlichkeit des Betroffenen andererseits verhängt werde (BVerfG, a.a.O., 199; Senat, a.a.O.). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt insoweit nicht mehr, als dass sich das Tatgericht „erkennbar der Möglichkeit bewusst (war), von der Anordnung des Fahrverbots bei außergewöhnlichen Umständen abzusehen“ (BVerfG, a.a.O., 198). Wenn das Gericht von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht und dies nicht näher begründet habe, so sei dies nicht zu beanstanden (ebda.). Die ausdrückliche Erwähnung der Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV in den Urteilsgründen verlangt das Bundesverfassungsgericht hingegen ebenfalls nicht (BVerfG, a.a.O., S. 198 f.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG.

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