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Werkvertrag: Restaurierung eines Oldtimers – vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

LG Potsdam – Az.: 12 O 33/14 – Urteil vom 24.04.2017

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 29.708,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 26.245 € seit dem 23.02.2011 und auf 3.463,98 € seit dem 26.01.2014 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass der Anspruch des Klägers auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruht.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 75% und der Kläger zu 25% zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die sofortige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte in dieser Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags Sicherheit leistet.

Tatbestand

Werkvertrag über die Restaurierung des Oldtimers
Werkvertrag über die Restaurierung eines Oldtimers und der Streit über eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (Symbolfoto: Von Gorlov-KV /Shutterstock.com)

Am 28.08.2009 unterschrieb der Kläger einen Kaufvertrag über einen Oldtimer. Für die in der Vertragsurkunde (Blatt 37 der Gerichtsakte) aufgeführte Verkäuferin handelte die „… Ltd.“ als Vertreterin. Der Kaufpreis betrug 35.000 €. Wenige Zeit später schloss der Kläger mit der Ltd. einen Werkvertrag über die Restaurierung des Oldtimers. Als Fertigstellungstermin vereinbarten die Parteien den 08.03.2010, als Vergütung 30.000 €. Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 15.000 €. Der Beklagte, „director“ der Ltd., vertrat diese bei den Vertragsschlüssen.

Bereits am 11.08.2009 hatte der Beklagte eine GmbH gegründet, deren Geschäftsführer er war. Im Oktober 2009 wurde ein Insolvenzverfahren über die Ltd. eröffnet beim Amtsgericht Potsdam (vgl. Bl. 51 d. GA). Als der Kläger die Verträge schloss, war die Ltd. schon zahlungsunfähig. Den Werkvertrag übernahm die neu gegründete GmbH, welche der Beklagte noch einmal umfirmierte. Der Kläger hätte weder den Kauf- noch den Werkvertrag geschlossen, wenn der Beklagte ihn von der Zahlungsunfähigkeit unterrichtet hätte.

Die GmbH konnte die Bestellung des Klägers nicht ausführen. Ursächlich dafür waren die Zahlungsschwierigkeiten der ursprünglichen Vertragspartnerin des Klägers. Nachdem der Kläger sich mehrfach an den Beklagten gewandt hatte mit der Bitte, das Werk fertigzustellen, erklärte er am 20.02.2011 den Rücktritt von den Verträgen. Zu diesem Zeitpunkt war der Oldtimer in Einzelteile zerlegt. Einige Teilleistungen hatte die GmbH erbracht (vgl. Bl. 60 f. d. GA). Der Kläger holte die Einzelteile im Betrieb des Beklagten ab. Von April 2011 bis einschließlich März 2012 musste der Kläger die Einzelteile für eine monatliche Miete von 150 €, also eine Gesamtmiete von 1.800 €, bei einem Dritten lagern. Im Februar 2012 verkaufte der Kläger die Einzelteile zu einem Kaufpreis von 19.500 €. Er akzeptierte eine Minderung des Käufers, sodass er letztendlich einen Kaufpreis von 14.500 € erzielen konnte. Am 24.02.2011 zahlte der Käufer 14.500 € an den Kläger.

Für die Inaugenscheinnahme des Oldtimers vor Abschluss des Kaufvertrags nahm der Kläger Fahrtkosten von insgesamt 157 € auf sich. Um die Einzelteile abzuholen und an den Ort zu bringen, wo der Kläger die Einzelteile von April 2011 bis März 2012 lagerte, wendete der Kläger Fahrtkosten in Höhe von 169,50 € auf. Die Strecke vom Wohnort des Klägers bis zum Betrieb des Beklagten beträgt 314 km, diejenige vom Betrieb des Beklagter bis zum Ort der Lagerung 364 km. Um die aktuelle Anschrift des Beklagten zu ermitteln, musste der Kläger 9,52 € aufwenden, wobei sich dieser Betrag aus einer Gebühr in Höhe von 8 € und der Umsatzsteuer in Höhe von 1,52 €, die beim Prozessbevollmächtigten des Klägers angefallen ist, zusammensetzt. Dem Kläger sind zudem vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.641,96 € entstanden.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe bei Abschluss der Verträge von der Zahlungsunfähigkeit der Ltd. gewusst. Der Wert der Einzelteile des Oldtimers im zerlegten Zustand habe 14.500 € betragen. Im unzerlegten Zustand sei der Oldtimer 35.000 € wert gewesen.

Hinsichtlich der Unterbringungs- sowie der Mietkosten macht der Kläger Zinsen ab Rechtshängigkeit geltend.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 37.626,53 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 44.411,76 € vom 23.02.2011 bis zum 24.02.2012, aus 29.911,76 € seit dem 25.02.2012 sowie aus 2.126,50 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9,52 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass der Anspruch des Klägers auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruht;

4. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.641,96 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, die Einzelteile des Oldtimers hätten allenfalls einen Wert von 14.500 € gehabt, während der Wert des Oldtimers im unzerlegten Zustand 35.000 € betragen habe, gemäß Beweisbeschluss vom 21.07.2014 (Bl. 148 f. GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 20.09.2016 verwiesen, welches der Gerichtsakte beiliegt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 28.057,50 € aus § 826 BGB.

Der Beklagte hat den Tatbestand der Sittenwidrigkeit erfüllt. Sittenwidrigkeit setzt voraus, dass der Beklagte objektiv sittenwidrig handelte und ihm zumindest grob fahrlässige Unkenntnis derjenigen Umstände vorzuwerfen ist, welche die Sittenwidrigkeit seines Handelns begründen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Es war objektiv sittenwidrig, den Kläger nicht über die Zahlungsunfähigkeit der Ltd. aufzuklären. Denn es verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, den Vertragspartner nicht darüber zu informieren, dass die Erfüllung des Vertrags durch Zahlungsschwierigkeiten erheblich gefährdet ist. Es steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Ltd. hatte. Denn der Umstand, dass der Beklagte bereits vor Zustandekommen der Verträge zwischen dem Kläger und der Ltd. eine neue Gesellschaft gründete, welche die Geschäft s der zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse bereits zahlungsunfähigen Ltd. weiterführen sollte, lässt auf eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt schließen. Es spricht auch im Übrigen alles dafür, dass der Beklagte um die Zahlungsunfähigkeit wusste. Die neue Gesellschaft betrieb die gleichen Geschäfte wie die ursprüngliche Vertragspartnerin des Klägers. Auch unterhielt sie den Betrieb in denselben Geschäftsräumen. Andere Gründe, die zur Gründung der GmbH geführt haben könnten, hat der Beklagte nicht hinreichend substantiiert vorgetragen..

Dem Kläger ist ein Schaden in Höhe von 26.245 € entstanden. Die Anzahlung für die Restaurierung in Höhe von 15.000 € stellt einen Schaden dar, da der Kläger den Werkvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn der Beklagte ihn über die Zahlungsunfähigkeit der Ltd. aufgeklärt hätte. Da der Beklagte gemäß § 266 BGB zu Teilleistungen nicht berechtigt war, können die zum Teil erbrachten Werkleistungen keine Berücksichtigung bei der Schadensberechnung finden. Ebenfalls kann der Kläger die Differenz zwischen dem Wert des Oldtimers im zerlegten und demjenigen im unzerlegten Zustand in Höhe von 11.245 € als Schaden geltend machen. Dass diese Differenz 11.245 € beträgt, steht mit Blick auf das Sachverständigengutachten vom 20.09.2016 zur Überzeugung des Gerichts fest. Es handelt sich dabei um einen zurechenbar durch die Nichtaufklärung über die Zahlungsunfähigkeit der Ltd. verursachten Schaden. Denn es stellt eine typische Folge der Zahlungsunfähigkeit einer Gesellschaft dar, dass ein Werkvertrag auf Grund der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nicht erfüllt werden kann und der Besteller daher vor „unvollendete Tatsachen“ gestellt wird.

Ebenso stellen die Mietkosten in Höhe von 1.800 € einen zurechenbaren Schaden da. Da nach dem klägerischen Vortrag dieser die Einzelteile bei einem Dritten lagern musste, durfte er sich nach Treu und Glauben dazu herausgefordert fühlen. Was die Fahrtkosten betrifft, stellen lediglich solche in Höhe von 12,50 € für die 50 km, um welche die Strecke vom Betrieb des Beklagten zum Ort der Lagerung der Einzelteile diejenige vom Betrieb des Beklagten zum Wohnort des Klägers übertrifft, einen zurechenbaren Schaden dar. Denn nur hinsichtlich dieser Kosten ist ein Herausforderungsfall gegeben, weil die Kosten für Hin- und Rückfahrt zur Inaugenscheinnahme schon nicht kausal auf der Nichtaufklärung durch den Beklagten beruhen und die Kosten für die 628 km zur Abholung der Einzelteile bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Werkvertrags ebenfalls angefallen wären.

Der Beklagte handelte mit Schädigungsvorsatz. Für letzteren reicht es aus, dass der Beklagte Art und Richtung der Schäden des Klägers billigend in Kauf genommen hat. Dies ist hier der Fall. Denn der Beklagte hat, indem erden Kläger nicht über die Zahlungsunfähigkeit der Ltd. aufklärte, so leichtfertig gehandelt, dass er die Schäden des Klägers in ihren wesentlichen Zügen billigend in Kauf genommen haben muss. Der Beklagte hat es dein Zufall überlassen, ob der Kläger durch die Nichtaufklärung geschädigt wird. Denn ihm muss sich aufgedrängt haben, dass die Erfüllung der Verträge erheblich gefährdet war. Er hatte nämlich Kenntnis vor der Zahlungsunfähigkeit der Ltd. Die konkrete Art und Richtung der Schäden des Klägers muss der Beklagte ebenfalls billigend in Kauf genommen haben. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass der Werkvertrag nicht erfüllt würde und das Vermögen des Klägers dadurch Schaden nehmen wurde, war sehr hoch. Insbesondere bestand ein hohes Risiko, dass die GmbH die Bestellung des Klägers nicht vollständig würde ausführen können und dadurch das Integritätsinteresse des Klägers an dem Oldtimer verletzt und dieser zu weiteren vermögensmindernden Maßnahmen genötigt würde.

Dem Kläger steht ebenfalls ein Anspruch aus § 826 BGB auf Ersatz der Kosten für die Ermittlung der Anschrift des Beklagten in Höhe von 9,52 € sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.641,96 € zu. Auch zu diesen Einbußen durfte sich der Kläger herausgefordert fühlen, und der Beklagte muss – spätestens im Zeitpunkt des Schadenseintritts – billigend in Kauf genommen haben, dass der Kläger Maßnahmen zur Rechtsverfolgung ergreift.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der 26.245 € folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB. Der Zinsanspruch hinsichtlich der 3.463,98 € ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Der Feststellungsantrag ist begründet, weil der Kläger wegen der Regelung des § 850f Abs. 2 ZPO ein berechtigtes Interesse daran hat, feststellen zu lassen, dass sein Anspruch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Weitergehende Ansprüche folgen insbesondere nicht aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 Abs. 1 StGB bzw. § 15a Abs. 1 InsO.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1 Fall 2, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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