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Werkvertrag – Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede wegen unangemessener Benachteiligung

LG München I –  Az.: 24 O 16912/13 – Urteil vom 02.12.2013

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 13.501,01 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Vorschuss für Nachbesserungskosten (vgl. Klageantrag zu I.) und Erstattung bereits entstandener Mängelbeseitigungskosten (vgl. Klageantrag zu II.) aus einer selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft geltend.

Der Kläger ist Eigentümer und Bauherr der Anwesen …, … und … in München. Die Beklagte ist eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Wiesbaden. Sie betreibt in München die „Generalagentur T H.

Der Kläger beauftragte die … GmbH (Hauptschuldnerin) mit der Durchführung von Trockenbaumaßnahmen im Rahmen des Dachgeschossausbaus in den oben genannten Anwesen. Bei den geschlossenen BGB-Bauwerksverträge vom 29.10./06.11.2007 und 21./24.01.2008 (Anlagen K1 und K2) handelt es sich um vom Kläger bzw. vom klägerischen Architekten vorgegebene Formularverträge.

Der Vertragstext lautet auszugsweise wie folgt:

„Ziffer 13.2. Gewährleistungssicherheit

(…)

Die Sicherheitsleistung erfolgt durch Einbehalt von Zahlungen gem. Zf. 13.3 in Höhe von 5 % des Bruttoendbetrages der Schlussrechnung. Der AN ist berechtigt, die Sicherheit in Form des Bareinbehaltes durch Gewährleistungsbürgschaft gem. Ziffer 13.3 abzulösen.

(…)

Ziffer 13.3 Sonstiges

(…)

Bürgschaft

Die Bürgschaftserklärung ist schriftlich unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage gemäß § 771 BGB sowie die Einrede der Aufrechenbarkeit und Anfechtbarkeit gemäß § 770 BGB abzugeben. Sie darf nicht auf bestimmte Zeit begrenzt sein.

Die Kosten der Bürgschaft trägt der AN.“

Die Hauptschuldnerin machte von ihrem Ablöserecht nach Ziffer 13.2. Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Ziffer 13.3. Gebrauch und übergab dem Kläger zu den vorbenannten Verträgen jeweils einen von der Beklagten ausgestellten Bürgschein (Nr. 200/97/514457387/000012/S und Nr. 200/97/514457387/000013/S; Anlagen K3 und K4).

Über das Vermögen der … GmbH wurde durch Beschluss des AG München vom 02.12.2010, Az. 1507 IN 2130/10 das Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses wurde durch Beschluss des AG München vom 07.09.2012 nach Schlussverteilung aufgehoben.

Der Kläger behauptet, dass die von der Hauptschuldnerin erbrachten Gewerke mit zahlreichen Mängeln behaftet seien und er die Hauptschuldnerin mehrfach fruchtlos unter Setzung einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung aufgefordert habe.

Der Kläger beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.287,86 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und

II. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.213,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die von der Hauptschuldnerin erbrachten Gewerke mangelhaft seien und der Kläger eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt habe, die dann auch noch fruchtlos verstrichen sei.

Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass die der Erteilung der Bürgscheine zugrunde liegenden Sicherungsabreden unwirksam seien und der Kläger deshalb keine Ansprüche gegen sie geltend machen könne.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst den vorgelegten Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 04.11.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist das Landgericht München I örtlich zuständig nach § 21 ZPO.

Die Beklagte betreibt in München eine Generalagentur. Dabei handelt es sich regelmäßig um eine selbstständige Niederlassung (Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 21 Rn 8; OLG Hamm, Urteil vom 20.05.2009, Az. 20 U 110/08). Jedenfalls besteht aufgrund der Bezeichnung als „Generalagentur T H“ der äußere Anschein, dass es sich hierbei um eine selbstständige Niederlassung handelt, den sich die Beklagte auch zurechnen lassen muss (Zöller, a. a. O.).

Ein Bezug der Klage zum Geschäftsbetrieb der Niederlassung liegt ebenfalls vor, da die „Generalagentur T H“ ihren Kunden unter anderem auch Bürgschaften für Mängelansprüche anbietet. Nicht notwendig ist, dass das Geschäft aus dem Betrieb der Niederlassung hervorgegangen, am Ort der Niederlassung selbst oder von ihr aus abgeschlossen wurde. Das Rechtsgeschäft muss nur mit Rücksicht auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung abgeschlossen sein oder als dessen Folge erscheinen (Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 21 Rn 11).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

1. Es kann offen bleiben, ob ein Anspruch des Klägers auf Zahlung in Höhe von 13.501,01 Euro aus der von der Beklagten übernommenen Gewährleistungsbürgschaft gemäß §§ 765, 767 in Verbindung mit 637 BGB entstanden ist.

Jedenfalls ist die Beklagte berechtigt, die Erfüllung ihrer Verpflichtung aus den beiden oben genannten Bürgscheinen gemäß §§ 768, 821 BGB zu verweigern. Der Kläger hat die Bürgscheine ohne Rechtsgrund erlangt, da die zugrundeliegenden Sicherungsabreden in den zwischen dem Kläger und der Hauptschuldnerin abgeschlossenen BGB-Bauwerksverträgen unwirksam sind.

Es kann vorliegend auch dahinstehen, ob der formularmäßig vorgeschriebene, unbeschränkte Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit zur Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede nach § 307 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 BGB führt. Jedenfalls entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein unbeschränkter Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit, welcher dem Bürgen folglich die Möglichkeit nimmt, auch unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen des Hauptschuldners gegenüber dem Bürgschaftsgläubiger geltend zu machen, eine unangemessene Benachteiligung darstellt, die mit wesentlichen Gedanken des Bürgschaftsrechts nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteil vom 16.01.2003, Az. IX ZR 171/00). Die Unwirksamkeit einer solchen Klausel führt mangels geltungserhaltender Reduktion zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte auch nicht nach §§ 814, 815 BGB bzw. § 242 BGB daran gehindert, die Bürgscheine zurückzufordern.

a) Es kann offen bleiben, ob die Beklagte – wie die Klägervertreterin vorträgt – oder einer ihrer Mitarbeiter positive Kenntnis von der Nichtschuld bzw. vom Nichteintritt des bezweckten Erfolges hatte. Selbst wenn man eine derartige Kenntnis unterstellt, würde dies nicht dazu führen, dass die Beklagte gemäß §§ 814, 815 BGB mit ihrer Bereicherungseinrede ausgeschlossen ist.

Nach § 768 BGB kann die Beklagte gegenüber der Klägerin sämtliche Einreden geltend machen, die der Hauptschuldnerin zustehen. Im vorliegenden Fall erhebt die Beklagte gegenüber der Klägerin den Einwand der Hauptschuldnerin, dass die zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin geschlossenen Vereinbarungen über die Erbringung von Gewährleistungsbürgschaften (Ziffer 13.3 der BGB-Bauwerkverträge) wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam seien und deshalb kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Bürgscheine bestehe. Es kommt im Hinblick auf die §§ 814, 815 BGB folglich einzig und allein auf eine positive Kenntnis der Hauptschuldnerin an. Dies wird jedoch auch von Klägerseite nicht vorgetragen.

Eine Kenntnis der Beklagten ist hingegen irrelevant. Soweit es die Beklagte betrifft war Grundlage für die Erteilung der Bürgscheine ein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Hauptschuldnerin und der Beklagten sowie ein Bürgschaftsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten. Deren Wirksamkeit wurde aber niemals in Zweifel gezogen.

b) Es liegt schließlich auch kein Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB vor, der einer Rückforderung der Bürgscheine entgegenstehen würde.

Nach der von Klägerseite vertretenen Auffassung hätte die Beklagte als Versicherungsunternehmen ihrem Vertragspartner gegenüber eine Verpflichtung zur Aufklärung über die Unwirksamkeit von bestimmten, formularmäßig vorgeschriebenen Bürgschaftsverlangen. Dies hätte wiederum zur Folge, dass derartigen Bürgschaftsverlangen von Auftragnehmerseite regelmäßig nicht entsprochen werden würde. Sofern der Bürge seiner Aufklärungspflicht allerdings nicht nachgekommen sein sollte, könnte er trotz eines unwirksamen Bürgschaftsverlangens seiner Inanspruchnahme nicht entgegentreten. Das Risiko würde somit vom Verwender derartiger, den Vertragspartner unangemessen benachteiligender Formularverträge auf den Bürgen abgewälzt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

IV. Die Streitwertfestsetzung erfolgte gemäß § 3 ZPO.

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