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Widerruf einer Verkehrshubschrauberführer-Lizenz wegen fehlender Zuverlässigkeit

VG Braunschweig – Az.: 2 B 9/11 – Beschluss vom 24.03.2011

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen sofort vollziehbaren Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.04.2010 wiederherzustellen, mit dem sie die Verkehrshubschrauberführer-Lizenz CPL(H) des Antragstellers wegen fehlender Zuverlässigkeit i. S. des § 7 LuftSiG widerrufen hat, ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage, der – wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO – eine solche Wirkung nicht zukommt, wiederherstellen, wenn das private Interesse des Antragstellers, von der belastenden Maßnahme zunächst verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt somit nicht in Betracht, wenn dem öffentlichen Interesse der Vorrang einzuräumen ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Klage, mit der die vollziehbare Entscheidung angefochten wird, offenbar keine Aussicht auf Erfolg hat. So liegt es hier. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.04.2010 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2011 begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Gemäß § 4 Abs. 3 LuftVG i. V. m. § 29 Abs. 1 LuftVZO ist die Erlaubnis, ein Luftfahrzeug zu führen, zu widerrufen und der Luftfahrerschein einzuziehen, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht nur vorübergehend entfallen sind. Zu diesen Voraussetzungen gehört nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG, dass keine Tatsachen vorliegen, die den Bewerber bzw. Lizenzinhaber als unzuverlässig erscheinen lassen, ein Luftfahrzeug zu führen oder zu bedienen, und keine Zweifel an seiner Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG bestehen. Die zuletzt genannte Voraussetzung erfüllt der Antragsteller nicht, da Zweifel an seiner Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG bestehen.

Dem kann der Antragsteller zunächst nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Bescheid vom 03.05.2006 eine positive Zuverlässigkeitsfeststellung getroffen hat. Denn auf diese Feststellung kann er sich nicht (mehr) berufen. Zwar gilt eine positive Zuverlässigkeitsfeststellung gemäß § 5 Abs. 2 LuftSiZÜV für die Dauer von fünf Jahren, die heute noch nicht abgelaufen wäre, doch kommt im Fall des Antragstellers eine in § 9 LuftSiZÜV enthaltene Übergangsregelung zum Tragen, wonach bis zum 31. Dezember 2008 § 5 Abs. 2 LuftSiZÜV mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass anstelle der Frist von fünf Jahren eine Frist von zwei Jahren tritt. Dementsprechend hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Antragsteller bereits mit Schreiben vom 03.12.2007 mitgeteilt, dass die Gültigkeit der positiven Feststellung am 03.05.2008 endet.

Widerruf einer Verkehrshubschrauberführer-Lizenz wegen fehlender Zuverlässigkeit
(Symbolfoto: Von Makushin Alexey/Shutterstock.com)

Eine bestandskräftige negative Feststellung liegt zwar ebenfalls nicht vor, weil das Klageverfahren des Antragstellers gegen die Negativfeststellung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.04.2010 noch nicht abgeschlossen ist, doch kommt es hierauf nicht an, weil § 4 Abs. 1 Nr. 3 LuftVG verlangt, dass keine Zweifel an der Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG bestehen. Erforderlich für den Erwerb und die Aufrechterhaltung einer Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen ist somit eine positive Zuverlässigkeitsfeststellung der zuständigen Behörde. Diese Feststellung hat nicht das Luftfahrt-Bundesamt zu treffen, sondern gemäß § 16 Abs. 2 LuftSiG in Auftragsverwaltung die zuständige Landesbehörde, hier also das Regierungspräsidium Karlsruhe. Die Verfassungsmäßigkeit dieser ohne Zustimmung des Bundesrates beschlossenen Regelung hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 04.05.2010 (2 BvL 8/07 und 9/07, NVwZ 2010, 1146) bestätigt. Auch wenn die Zuverlässigkeitsfeststellung der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BVerwG, Urt. vom 15.07.2004 – 3 C 33.03 –, BVerwGE 121, 257), hat dies im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung des Bescheides zu erfolgen, der auf der Grundlage von § 7 LuftSiG ergeht. Hierfür ist sachlich und örtlich das Verwaltungsgericht Karlsruhe zuständig, welches die Klage des Antragstellers gegen die Negativfeststellung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.04.2010 bereits durch Urteil vom 28.02.2011 (Az. 2 K 1147/10) als unbegründet abgewiesen hat. Dagegen ist weder das Luftfahrt-Bundesamt noch das Verwaltungsgericht Braunschweig berufen, eigene Feststellungen zur Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG zu treffen, was die Möglichkeit widersprüchlicher behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen zur Folge hätte.

Der hier gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den sofort vollziehbaren Widerruf der Lizenz könnte mit Blick auf die dargestellte Kompetenzverteilung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn der Antragsteller zunächst beim Verwaltungsgericht Karlsruhe oder dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim eine einstweilige Anordnung erstritten hätte, mit der das Regierungspräsidium Karlsruhe verpflichtet worden wäre festzustellen, dass keine Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG bestehen. Das ist hier jedoch nicht geschehen. Solange nach Ablauf der befristeten Wirkung einer früheren Positivfeststellung oder nach deren Widerruf eine neue (abschließende oder vorläufige) Positivfeststellung nicht vorliegt, fehlt es an einer Voraussetzung für den Fortbestand der Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen. Die Einleitung eines Verfahrens zur Erteilung eines Bescheides nach § 7 LuftSiG allein genügt – selbst wenn der Ausgang des Verfahrens noch offen ist – nicht, zugunsten des Betroffenen bis zur Entscheidung der Landesbehörde davon auszugehen, dass keine Zweifel vorliegen. Gleiches gilt, wenn über eine Klage gegen eine Negativfeststellung noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Denn aus § 7 Abs. 6 LuftSiG, wonach ohne eine abgeschlossene Zuverlässigkeitsüberprüfung, bei der keine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen verbleiben, diesem kein Zugang zu nicht allgemein zugänglichen Bereichen des Flugplatzgeländes gewährt werden oder er seine Tätigkeit nicht aufnehmen darf, folgt die gesetzgeberische Entscheidung, dass bis zum Vorliegen einer Positivfeststellung nicht davon ausgegangen werden darf, dass keine Zweifel an der Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG bestehen.

Der Umstand, dass die Negativfeststellung des Regierungspräsidium Karlsruhe noch keine Bestandskraft erlangt hat, könnte allenfalls insoweit Einfluss auf die hier zu treffende Entscheidung haben, als § 29 Abs. 1 LuftVZO bestimmt, dass die Lizenz zu widerrufen ist, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nachträglich nicht nur vorübergehend entfallen sind, wenn also nach Lage der Dinge eine Wahrscheinlichkeit bestünde, dass der Antragsteller in absehbarer Zeit wieder als zuverlässig zu betrachten wäre oder die Negativfeststellung keinen Bestand haben werde. In einem solchen Fall wäre bis zum Vorliegen einer positiven Feststellung der Zuverlässigkeit möglicherweise eine Ruhensanordnung nach § 29 Abs. 3 LuftVZO als milderes Mittel ausreichend. Im Falle des Antragstellers bestehen für eine solche Prognose jedoch keine Anhaltspunkte. Die Kammer teilt die Auffassung des Regierungspräsidiums Karlsruhe und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, wonach der Antragsteller gegenwärtig nicht als zuverlässig zu betrachten ist. Diese Beurteilung beruht zunächst darauf, dass er über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und dadurch gezeigt hat, dass er nicht Willens oder in der Lage ist, die Rechtsordnung einzuhalten, wobei auch wiederholte Verurteilungen eine Verhaltensänderung nicht herbeizuführen vermochten. Hieran hat sich bis heute nichts geändert, denn auch im vorliegenden Verfahren missachtete er die Rechtsordnung erneut, indem er sich trotz angeordneten Sofortvollzugs, Zwangsgeldandrohung und nachfolgender Zwangsgeldfestsetzung weigerte, der Antragsgegnerin seinen Luftfahrerschein auszuhändigen. Ein „Verblassen“ der aus seinem Verhalten resultierenden Indizwirkung ist somit nicht kurzfristig zu erwarten. Zudem spricht gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers, der seit zwei Jahren arbeitslos ist, das Vorhandensein von Schulden über 10.000 EUR, was ihn für die Versuchung anfällig machen kann, gegen Entgelt sicherheitsrelevante Informationen preiszugeben oder in anderer Weise die Sicherheit zu gefährden. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Erteilungsvoraussetzungen nur vorübergehend entfallen sind.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch wenn die Begründung der Antragsgegnerin relativ knapp gehalten war, ist zu berücksichtigen, dass das Luftverkehrsgesetz für die Entscheidung über den Widerruf bei fehlender positiver Zuverlässigkeitsfeststellung dem Luftfahrt-Bundesamt keinen Ermessensspielraum einräumt, weil es sich hierbei um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr handelt. In solchen Fällen tragen die dem Gesetz zugrunde liegenden Erwägungen in der Regel zugleich auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung, ohne dass es einer weitergehenden Begründung bedarf. Die vom Antragsteller zu seinen Gunsten geltend gemachten Umstände sind im Übrigen bereits in dem Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.04.2010 gewürdigt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 26.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 2004, 1327), wobei die Kammer wegen der Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes die Hälfte des insoweit maßgeblichen Betrages in Ansatz gebracht hat.

 

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