Hessisches Landessozialgericht
Az.: L 9 AS 260/06
Urteil vom 12.03.2007
Vorinstanz: Sozialgericht Marburg, Az.: S 5 AS 75/05, Urteil vom 09.10.2006
Entscheidung:
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 9. Oktober 2006 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zur Hälfte zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, in welcher Höhe die Beklagte die Bruttokaltmiete der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Oktober 2005 zu übernehmen hat.
Die im Jahr 1963 geborene Klägerin ist erwerbsfähig und verfügt jedenfalls seit dem 1. Januar 2005 weder über Einkommen noch Vermögen. Sie bewohnt seit 1983 eine 52,7 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung in A-Stadt mit Zentralheizung, aber dezentraler Warmwasserversorgung. A-Stadt gehört mit seinen Stadtteilen T-Stadt, Z-Stadt, W-Stadt, F-Stadt, FH-Stadt, R-Stadt, D-Stadt, A-Stadt, M-Stadt, RH-Stadt, N-Stadt, T-Stadt und A.Stadt zum Schwalm-Eder-Kreis. Die Gemeinden des Schwalm-Eder-Kreises sind den Mietstufen I und II der Tabelle zu § 8 WoGG zugeordnet. Für A-Stadt, ein Mittelzentrum mit ca. 20.000 Einwohnern ist wie auch für die Städte B-Stadt, F-Stadt, H-Stadt (E.-Stadt) und M.Stadt die Mietstufe II maßgeblich. Das Haus, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, wurde 1961 gebaut. Eigentümerin ist die Wohnstadt Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaugesellschaft H. mbH (Wohnstadt) als kommunaler Wohnungsträger. Die Nettomiete beträgt monatlich 229,00 EUR. Die umlagefähigen Betriebskosten betrugen ausweislich der Angaben der Klägerin im Leistungsantrag vom 30. August 2004 58,57 EUR monatlich. Mit Bewilligungsbescheid vom 29. Oktober 2004 übernahm die Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. April 2005 die Bruttokaltmiete in voller Höhe von 287,57 EUR. Zugleich wies sie die Klägerin darauf hin, die Kosten der Unterkunft (KdU) könnten spätestens ab dem 1. Juli 2005 nur noch in angemessener Höhe übernommen werden. Angemessen sei eine Bruttokaltmiete in Höhe von 210,00 EUR. Daneben forderte sie die Klägerin auf, die KdU durch Wohnungswechsel, Vermieten oder auf andere Weise zu senken. Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 18. April 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 2. Mai 2005 für den Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis zum 30. Juni 2005 die Bruttokaltmiete in derselben Höhe wie zuvor; senkte den Betrag aber ab 1. Juli 2005 bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes zum 31. Oktober 2005 auf die ihrer Ansicht nach angemessene Bruttokaltmiete in Höhe von 210,00 EUR ab. Hiergegen legte die Klägerin am 1. Juni 2005 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie hinsichtlich der Bruttokaltmiete aus, ihre Bruttokaltmiete sei weiterhin in voller Höhe als angemessen zu übernehmen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2005 als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Bruttokaltmiete stützte sie sich auf die für A-Stadt geltende Mietstufe II im Sinne der Tabelle zu § 8 WoGG in Verbindung mit den hierzu getroffenen Festsetzungen des Landkreises Schwalm-Eder. Danach sei nur eine Bruttokaltmiete bis zu einem Höchstbetrag von 210,00 EUR anzuerkennen. Dennoch seien bis 30. Juni 2005 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft übernommen worden. In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 29. Oktober 2004 habe sie die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ab dem 1. Juli 2005 nur noch die ihrer Ansicht nach angemessenen KdU zu übernehmen seien. Die Klägerin habe sich trotz ausdrücklichen Hinweises nicht um eine kostengünstigere Unterkunft bemüht.
Hiergegen hat die Klägerin am 15. August 2005 beim Sozialgericht Marburg mit dem sinngemäßen Antrag Klage erhoben, den Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2005 sowie der Bescheide vom 12. Oktober 2005 und vom 4. April 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Juli 2005 die Bruttokaltmiete in Höhe von 293,59 EUR monatlich zu übernehmen. Die Klägerin hat der Beklagten eine Mietbescheinigung vom 20. Juli 2005 vorgelegt, in der die umlagefähigen Betriebskosten seit 1. März 2005 mit monatlich 64,59 EUR und die Heizkostenvorauszahlung mit monatlich nur noch 31,48 EUR beziffert sind. Deshalb hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 12. September 2005 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. Oktober 2005 die KdU nur noch in Höhe von 241,48 EUR monatlich übernommen (Heizkosten 31,48 EUR statt 37,50 EUR). Mit weiteren Bewilligungsbescheiden vom 12. Oktober 2005 für den Leistungszeitraum bis 30. April 2006, vom 4. April 2006 für den Leistungszeitraum bis 31. Oktober 2006 sowie vom 27. Oktober 2006 für den Leistungszeitraum bis 30. April 2007 hat die Beklagte die KdU in derselben Höhe weiterbewilligt. Gegen die mit Rechtsmittelbelehrungen versehenen weiteren Bewilligungsbescheide hat die Klägerin keine Widersprüche eingelegt.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 23. November 2005 und 16. März 2006 Immobilienanzeigen mit folgenden Vermietungsangeboten mit einer Wohnfläche von 35 bis zu 45 qm für A-Stadt vorgelegt:
Ort Wohnfläche in qm Bruttokaltmiete in EUR Quelle A-Stadt- 40 340,00 T-Stadt 44 225,00 (Nettomiete) MAZ 21.12.05 45 250,00 (Nettomiete) MAZ 01.02.06 Z-Stadt- 44 245,00 (Nettomiete) MAZ 1.3.06 A-Stadt 40 161,00 (Nettomiete)
Weiter hat die Klägerin eine Dokumentation des AWO-Ortsvereins A-Stadt vom 9. Dezember 2005 vorgelegt, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, welche auf einer Auswertung der Anzeigen in der HNA, dem A-Stadt-Bote und der MAZ vom 10. September 2005 bis zum 3. Dezember 2005 beruht. Soweit umlagefähige Betriebskosten nicht aufgeführt sind, seien sie in Höhe von 0,60 EUR pro Quadratmeter berücksichtigt. Hingewiesen wurde weiter darauf, dass nach der Einschätzung des Deutschen Mieterbundes die umlagefähigen Betriebskosten derzeit mit 1,20 EUR pro Quadratmeter zu berechnen seien. Für die 11 Wohnungen mit einer Wohnfläche unter 50 qm errechne sich eine durchschnittliche Bruttokaltmiete in Höhe von 5,84 EUR pro Quadratmeter. Unter Berücksichtigung der Einschätzung des Mieterbundes wäre der Betrag noch um circa 0,60 EUR zu erhöhen.
Die Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 8. Dezember 2005 und 13. Juni 2006 nur ein Vermietungsangebot von Wohnungen mit einer Wohnfläche zwischen 35 und 45 qm für A-Stadt vorgelegt:
Ort Wohnfläche in qm Bruttokaltmiete in EUR Quelle A-Stadt 40 151,00 (Nettomiete) HNA 30.07.05
Des Weiteren hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Juni 2006 mitgeteilt, dass sie eine Erhebung zu den tatsächlich vorliegenden Mietverhältnissen im Hinblick auf die Angemessenheit durchgeführt habe. Von 1850 Leistungsfällen seien 974 mit folgendem Ergebnis überprüft worden: 1,75% Miete unter Wohngeldhöchstgrenze, 41,88% Miete gleich Wohngeldhöchstgrenze, 12,73% Miete bis 20,00 EUR über Wohngeldhöchstgrenze, 17,25% Miete bis 50,00 EUR über Wohngeldhöchstgrenze, 26,39% Miete über 50,00 EUR Wohngeldhöchstgrenze.
Zugleich hat die Beklagte eine Tabelle über 1-Personen-Haushalte im Leistungsbezug vorgelegt, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
Die Klägerin hat darauf hingewiesen, auch im Sozialhilfebezug seien ihre Unterkunftskosten als angemessen angesehen worden. Eine Erhöhung der Miete sei erfolgt, weil die Wohnstadt eine Modernisierung durch Einbau einer Zentralheizung sowie neuer Fenster durchgeführt habe, deren Kosten sie auf die Mieter umgelegt habe. Sie wohne in einem Mehrfamilienhaus, welches speziell für einkommensschwache Personengruppen gebaut worden sei. Die Wohnungsausstattung liege entsprechend im unteren Bereich. Sie müsse im örtlichen Umfeld wohnen bleiben, da ihre 82-jährige Mutter in absehbarer Zeit auf ihre Hilfe angewiesen sei, sie den öffentlichen Nahverkehr nutzen müsse und wegen Bluthochdrucks und Rückenschmerzen einer besonderen medizinischen Versorgung bedürfe. Bereits der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei zu entnehmen, dass die Tabelle zu § 8 WoGG nicht für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze herangezogen werden dürfe. Aus den vorgelegten Daten sei offensichtlich, dass die entsprechende Angemessenheitsgrenze zu niedrig sei. Lediglich 4 Wohnungsangebote, die faktisch nicht zur Verfügung gestanden hätten, hätten dem Angemessenheitskriterium der Beklagten entsprochen. Zudem habe die Wohnstadt mit Schreiben vom 5. April 2006 ihr gegenüber schriftlich bestätigt, keine entsprechende Wohnung zur Verfügung zu haben und weiter telefonisch mitgeteilt, im Altkreis Z-Stadt verfüge die Wohnstadt nur über 34 Wohnungen mit einer Wohnfläche von bis zu 45 m². Von diesen würden nur 5 unterhalb der derzeitigen Angemessenheitsgrenze der Beklagten liegen. Alle anderen Wohnungen, insbesondere mit einer Wohnfläche von 35 bis 45 m² würden die Grenze übersteigen. Die Beklagte hat ausgeführt, die Klägerin habe ihre Wohnungssuche auf das gesamte Kreisgebiet zu erstrecken. Das gesamte Kreisgebiet sei durch den öffentlichen Nahverkehr ausreichend versorgt. Hinreichende Bemühungen habe die Klägerin nicht aufgezeigt. Die vorgelegten Daten belegten, dass Wohnungen innerhalb der Angemessenheitsgrenze zur Verfügung stünden.
Das Sozialgericht Marburg hat mit Urteil vom 9. Oktober 2006 die Beklagte verurteilt, ab dem 1. Juli 2005 weitere Unterkunftskosten der Klägerin in Höhe von monatlich 40,69 EUR zu übernehmen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Ausgehend von der Rechtsprechung des Berufungssenats sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, die berücksichtigungsfähige Bruttokaltmiete auf einen Betrag von 210,00 EUR monatlich zu begrenzen. Dagegen spreche bereits, dass mehr als die Hälfte der SGB II-Empfänger in Wohnungen lebten, die die Grenze nicht einhielten. Die von der Beklagten vorgelegten Daten ließen nicht erkennen, wie viele verfügbare Wohnungen es Anfang 2005 und danach gegeben habe. Auch habe das Zahlenmaterial eine Aufschlüsselung nach der Größe der Bedarfsgemeinschaft vermissen lassen. Auch die von der Beklagten vorgelegte Bestandsliste stütze nicht die von ihr verwendete Angemessenheitsgrenze. So sei zunächst zu berücksichtigen, dass von den 35 aufgelisteten Wohnungen allenfalls 23 überhaupt für einen SGB II-Empfänger in Betracht kämen. Die übrigen Wohnungen lägen nicht innerhalb der maßgeblichen Wohnfläche von jedenfalls mehr als 20 m² und maximal 45 m². Schon wegen der nicht zu übernehmenden Heiz- und umlagefähigen Betriebskosten über eine Wohnfläche von 45 qm hinaus dürften Wohnungen mit einer Wohnfläche von mehr als 45 m² keine Berücksichtigung finden. Diese 23 Wohnungen seien nicht ausreichend, um den Wohnungsbedarf der mutmaßlichen Leistungsempfänger zu decken. Auch die vorgelegten Zeitungsanzeigen sprächen eher dafür, dass die meisten Wohnungen erheblich teurer seien als 210,00 EUR monatlich für die Bruttokaltmiete. Vereinzelt vorhandene Wohnungen könnten in Anbetracht der Nachfrage an dem Ergebnis nichts ändern. Gestützt würde das Ergebnis durch die Auskunft der Wohnstadt, nach der sie überhaupt nur 5 Wohnungen anbieten würde, die den Angemessenheitskriterien der Beklagten entsprächen. Keine der Wohnungen habe zur Verfügung gestanden. Deshalb habe die Klägerin einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihre Bruttokaltmiete in Höhe von 5,57 EUR pro Quadratmeter übernehmen. Die Übernahme habe aber nur anteilig zu erfolgen, weil die Wohnung mit einer Wohnfläche von 52,7 m² die Angemessenheitsgrenze von 45 m² übersteige. Die Klägerin habe nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, sich um eine andere kostengünstigere Wohnung zu bemühen.
Gegen das der Klägerin am 27. Oktober 2006 und der Beklagten am 1. November 2006 zugestellte Urteil haben die Beklagte am 13. November 2006 und die Klägerin am 27. November 2006 Berufung eingelegt. Der Senat hat Auskünfte der Wohnstadt (Geschäftstellen K-Stadt und M-Stadt) vom 7. Februar 2007 und 16. Februar 2007 eingeholt, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Der Schwalm-Eder-Kreis hat in einer Auskunft vom 5. März 2007 mitgeteilt, bei der Bearbeitung von Förderanträgen nach dem Erlass über soziale Wohnraumförderung vom 31. März 2003 (Hess. Staatsanzeiger 2003, S. 1346) würden entsprechend Ziffer 5.2 des Erlasses für das Mittelzentrum A-Stadt Nettomieten zwischen 4,04 EUR/m² und 4,20 EUR /m² bei der Erstvermietung akzeptiert. Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Ausstattung ihrer Wohnung persönlich befragt; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Beteiligten haben sich hinsichtlich der Höhe der Heizkosten in der mündlichen Verhandlung darauf geeinigt, den Gegenstand des Rechtsstreits auf die Bruttokaltmiete zu beschränken und für den Folgezeitraum ab dem 1. November 2005 sich der Entscheidung im hiesigen Rechtsstreit unterworfen.
Die Klägerin meint, das Sozialgericht habe im angefochtenen Urteil zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Tabelle zu § 8 WoGG nicht zu Grunde legen dürfe, weil sie keine Mietpreisdaten zur Verfügung gestellt habe, die die Grenze empirisch belegten. Es habe jedoch unzutreffend eine eigene Einschätzung anstelle der Beklagten getroffen. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft seien zu übernehmen, solange die Beklagte nicht substantiiert darlege, dass diese nicht als angemessen anzusehen seien. Insbesondere könne es nicht ausreichen, wenn die Beklagte sie auf einzelne Wohnungen verweisen würde, die ihren Kriterien genügten. Bildeten sie kein hinreichendes Marktsegment ab, könnten die Wohnungen nicht für sie als zugänglich angesehen werden. Weiter müsse bedacht werden, dass sie nur beschränkt in der Lage sei, von Wohnungsangeboten Kenntnis zu erlangen. Für eine Tageszeitung habe sie kein Geld. Kostenlose Printmedien hätten keine in Betracht kommende Wohnung enthalten. Ein konkretes Angebot eines Vermieters habe die Beklagte nicht vorgelegt. Ausreichende Mietdaten müssten Angaben enthalten zur Anzahl der allein stehenden Leistungsberechtigten nach dem SGB II in A-Stadt, die Anzahl der Wohnungen in denen die vorgenannte Personengruppe mit einer Bruttokaltmiete in Höhe von mehr als 210,00 EUR wohnten und die Anzahl der allein stehenden Leistungsempfänger, deren Wohnung eine Wohnfläche von 45 m² überschreite. Maßgeblich sein könne auch ausschließlich der Raum A-Stadt als örtlicher Bezugspunkt. Gefolgt werden könne dem Urteil auch nicht hinsichtlich der als angemessen angesehenen Wohnfläche. Im sozialen Wohnungsbau sei lange Zeit eine Wohnfläche bis zu 50 m² als angemessen angesehen worden. Eine Absenkung der maßgeblichen Wohnfläche würde zu einer weiteren Verdrängung von Leistungsbeziehern auf dem Wohnungsmarkt mit der Folge führen, dass dann ausreichender Wohnraum im ländlichen Gebiet nicht zur Verfügung stünde. Außerdem habe die Beklagte insoweit eine Selbstbindung getroffen, über die das Gericht nicht hinweg gehen könne. Schließlich habe die Beklagte sie bei der Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten auf Wohnungen mit einem zu niedrigen Mietpreis verwiesen. Schon deshalb sei sie nicht verpflichtet gewesen, der Aufforderung nachzukommen. Im Übrigen nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen im Ausgangsverfahren. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Folgebescheide nach § 96 SGG entsprechend unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG Gegenstand des Rechtsstreits geworden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 9. Oktober 2006 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 2. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2005 einschließlich des Änderungsbescheides vom 12. September 2005 zu verurteilen, für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Oktober 2005 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 42,90 EUR monatlich zu übernehmen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 9. Oktober 2006 zu ändern, die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung aus, entgegen der Auffassung der Klägerin und des Sozialgerichts Marburg seien die Tabellenwerte zu § 8 WoGG heranzuziehen, wenn sie den örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend abbildeten. Das sei vorliegend der Fall. Sie könne weitere Mietverträge von Leistungsberechtigten – Stand 8. August 2006 – vorlegen, die das belegten (aufgeführt nur Belege mit Angaben zur Wohnfläche, Ort A-Stadt, Anmietung ab 1. Januar 2005, Wohnfläche 35-45 m²):
Ort Wohnfläche in m² Nettokaltmiete in EUR Bruttokaltmiete in EUR A-Stadt 36 168,61 215,55
Zudem hat sie eine weitere Bestandsliste für Mietwohnungen zwischen 35 und 45 m² für Leistungsberechtigte – Stand 1. März 2007 – vorgelegt, die nur die vorbenannte Wohnung in A-Stadt enthielt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Tabellen und beigefügten Mietverträge verwiesen.
Des Weiteren habe der Berufungssenat in dem Verfahren L 9 AS 48/05 ER für den Landkreis Waldeck Frankenberg eine Bruttokaltmiete in Höhe von 4,44 EUR für Unterkünfte bis 45 m² als angemessen erachtet.
Der Prozentsatz der in angemessenem Wohnraum lebenden SGB II-Empfänger könne nicht für die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II maßgeblich sein. Insofern sei allein zu fragen, ob entsprechender Wohnraum angemietet werden könne. Ob das im Hinblick auf einen Überhang von Bewerbern tatsächlich möglich ist, könne dann vom Leistungsempfänger anhand belegter ausreichender Bemühungen substantiiert bestritten werden. Somit würden bereits die fünf passenden, wenn auch belegten Wohnungen der Wohnstadt die Angemessenheit der Tabellenwerte nach § 8 WoGG belegen. Soweit das Sozialgericht Mietobjekte nicht berücksichtigt habe, weil die Bruttokaltmiete den zu Grunde gelegten Tabellenwert überstiege, sei zu berücksichtigen, dass mit der erhöhten Bruttokaltmiete zugleich geringere Heizkosten einhergingen. Das gelte auch für die nach der Wohnfläche als zu groß anzusehenden Mietobjekte. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass Leistungsberechtigte sie schadlos anmieten könnten, weil die Heizkosten trotz der größeren Wohnfläche im angemessenen Rahmen blieben. Eine intern stark gegliederte Siedlungsstruktur mit klar abgegrenzten Teilwohnungsmärkten sei im Schwalm-Eder-Kreis nicht vorhanden. Die Klägerin habe daher ihre Wohnungssuche auf das gesamte Kreisgebiet zu erstrecken.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Alg II-Akte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Beteiligten haben durch ihre übereinstimmende Erklärung in der mündlichen Verhandlung die Entscheidung hinsichtlich der zu übernehmenden KdU auf die Höhe der Bruttokaltmiete wirksam beschränkt. Auch bei dem einheitlichen prozessualen und materiell-rechtlichen Anspruch auf Übernahme der gesamten KdU dürfen die Beteiligten einzelne Berechnungselemente durch Teil-Vergleich oder Teil-Anerkenntnis unstreitig stellen (vgl. BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R m.w.N.).
Die zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beklagten haben für den noch streitigen Leistungszeitraum in der Sache keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat die Beklagte auf die insoweit zulässige Klage der Klägerin hin zu Recht dazu verurteilt, weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 40,69 EUR monatlich und damit eine Bruttokaltmiete in Höhe von insgesamt 250,69 EUR zu übernehmen. Ein darüber hinausgehender Leistungsanspruch steht der Klägerin hingegen nicht zu. Allerdings hätte das Sozialgericht für den streitig gebliebenen Zeitraum im Tenor den Änderungsbescheid der Beklagten vom 12. September 2005 ausdrücklich einbeziehen sollen. Zwar ist die Änderung des zu bewilligenden Betrages im Bescheid nur aufgrund einer Minderung der nicht ausgeurteilten Heizkosten erfolgt. Es handelt sich insoweit aber nur um ein Begründungselement für den auf die Übernahme geringerer KdU (Bruttowarmmiete) gemäß § 22 Abs. 1 SGB II gerichteten Verfügungssatz des Änderungsbescheides, der somit eine Regelung nicht nur zu den Heizkosten, sondern auch der Bruttokaltmiete enthält (vgl. BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R). Aus der Leistungsverurteilung bleibt aber erkennbar, dass das Sozialgericht den Änderungsbescheid konkludent einbezogen hat (vgl. BSG SozR 3-2500 § 57 Nr. 4).
Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken; in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II).
Die Anspruchsnorm lässt erkennen, dass die Höhe des KdU-Anspruchs für die Miete 2-stufig zu ermitteln ist. Einerseits ist dem jeweils in Betracht kommenden örtlichen Wohnungsmarkt eine maßgebliche Mietpreisspanne zu entnehmen, welche die (abstrakte) Angemessenheitsgrenze unter Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalls abbildet. Andererseits ist zu berücksichtigen, zu welchem konkreten Mietzins der Hilfebedürftige sich eine Unterkunft auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt tatsächlich beschaffen kann.
Dabei ist die abstrakte Angemessenheitsgrenze nicht allein für die Nettomiete mit der Folge zu ermitteln, die umlagefähigen Betriebskosten i.S.d. § 556 Abs. 1 BGB stets in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Schon die dem Senat im hiesigen Verfahren zur Verfügung stehenden Mietdaten zeigen eine Spannbreite bei den umlagefähigen Betriebskosten auf, die es angezeigt sein lässt, auch insoweit eine angemessene Kappungsgrenze vorzusehen. Außerdem begegnet man allein damit der Gefahr einer verzerrten Wiedergabe des Mietzinsniveaus, weil es den Mietparteien nach § 556 Abs. 1 BGB freisteht, die umlagefähigen Betriebskosten gesondert auszuweisen oder in die Nettomiete zu integrieren.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft ist – im Hinblick auf den Zweck der Grundsicherung für Arbeitsuchende, nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen – nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne zu ermitteln (BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R). Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins/m² zu ermitteln („Produkttheorie“, BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R). Die berücksichtigungsfähige Wohnfläche ist anhand der Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften (§ 5 Wohnungsbindungsgesetz i.V.m. § 27 Abs. 1 – 5 Wohnraumförderungsgesetz) zu beantworten (BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R). Nach Nr. 4.2.1 der Richtlinien zur sozialen Wohnungsraumförderung vom 20. Februar 2003 (Hess. StAnz. S. 1346), geändert durch die Richtlinien vom 19. Januar 2004 (Hess. StAnz S. 628) ist eine Wohnungsgröße für eine Person bis 45 m², für zwei Personen bis 60 m² und für jede weitere Person 12 m² angemessen (vgl. BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R; HLSG, 24.10.2005 – 9 AS 48/05 ER).
Damit ist bei der Klägerin eine angemessene Wohnungsgröße von 45 m² zu Grunde zu legen.
Maßgeblich ist vorrangig der Wohnort des Hilfebedürftigen. Ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, kann von ihm im Regelfall nicht verlangt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, das sich der räumliche Vergleichsmaßstab strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der „Gemeinde“ nach dem jeweiligen landesrechtlichen Kommunalrecht orientieren muss. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabes kann es – insbesondere im ländlichen Raum – geboten sein, größere Gebiete als Gebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleinere Gebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbstständigen Einheiten darstellen, geboten sein kann (BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R).
Auszugehen ist hiernach von dem Mittelzentrum A-Stadt mit ca. 20.000 Einwohnern, in dem die Klägerin tatsächlich wohnt. Weitere umliegende Gemeinden haben jedenfalls bei der Bestimmung des maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarktes zur Festlegung der abstrakten Angemessenheitsgrenze außer Betracht zu bleiben. Zwar ist es denkbar, in Landkreisen nicht nur ein Mittelzentrum selbst, sondern auch die umliegenden Gemeinden in den örtlichen Wohnungsmarkt einzubeziehen. Vorliegend scheidet das jedoch schon deshalb aus, weil A-Stadt ein abweichendes, höheres Mietniveau gegenüber den umliegenden Gemeinden aufweist. Das wird hinreichend abgebildet durch die unterschiedlichen Mietstufen nach der Anlage zu § 8 WoGG, die im Schwalm-Eder-Kreis maßgeblich sind. Während die Mittelzentren des Landkreises hiernach der Mietstufe II zugeordnet sind, unterliegen die übrigen Gemeinden der Mietstufe I. Die weiteren Mittelzentren befinden sich aber ausschließlich im nördlichen Kreisgebiet, welches aufgrund seiner Entfernung zu A-Stadt dem örtlichen Wohnungsmarkt der Klägerin jedenfalls nicht zuzuordnen ist. Damit bildet ausdrücklich nur der Wohnungsmarkt für A-Stadt selbst eine Angemessenheitsgrenze ab, die es der Klägerin mit hinreichender Sicherheit ermöglicht, jedenfalls auch dort eine angemessene Unterkunft zu finden. Dahingestellt bleiben kann an dieser Stelle, ob weitere Gemeinden in der näheren Umgebung von A-Stadt, für die die Mietstufe I nach der Anlage zu § 8 WoGG vorgesehen ist, bei erforderlichen konkreten Bemühungen der Klägerin zu berücksichtigen sein könnten. Denn zumindest bei der Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze können sie nach dem Vorgesagten nicht maßgeblich sein. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn im berücksichtigungsfähigen Einzugsgebiet sich Wohngegenden mit einem deutlich niedrigeren Mietpreisniveau befinden, kann hier dahingestellt bleiben. Die Mietpreisunterschiede sind vorliegend zu gering, um die Klägerin auf das Mietpreisniveau ländlicher Gebiete außerhalb Schwalmstadts verweisen zu dürfen.
Berücksichtigungsfähig sind allein Wohnungen in A-Stadt mit einer Wohnfläche von 35 m² bis 45 m². Die Obergrenze bestimmt sich nach der für die Klägerin angemessene Wohnungsgröße. Sie kann für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze nicht auf größere Wohnungen erstreckt werden. Das gilt entgegen der Auffassung der Beklagten selbst dann, wenn für die größere Wohnung nach dem bisherigen Verbrauch keine höheren Heizkosten zu verzeichnen sind. Zwar mag es sein, dass die Heizkosten einer größeren Wohnung auch dann in voller Höhe zu übernehmen sind, wenn sie innerhalb der Angemessenheitsgrenze einer kleineren Wohnung bleiben. Das hätte zur Folge, dass ein Hilfebedürftiger insoweit auch auf eine größere Wohnung verwiesen werden könnte, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, einen Teil der Heizkosten selber tragen zu müssen. Doch sprechen gleichwohl zwei Gesichtspunkte dagegen. Zum einen hängt die Höhe der Heizkosten von der konkreten Nutzung durch die jeweilige Person ab, die nicht voraussehbar ist. Zum anderen bilden unabhängig davon Wohnungen mit einer größeren Wohnfläche das Mietpreisniveau für kleinere Wohnungen nur unzureichend ab, weil der Quadratmeterpreis bei größeren Wohnungen sinkt. Die Untergrenze folgt hingegen daraus, dass nach Einschätzung des Senats eine Wohnung mit einer Wohnfläche von weniger als 35 m² für eine Person nicht zumutbar ist.
In erster Linie heranzuziehen für die abstrakte Angemessenheitsgrenze sind örtliche Mietspiegel oder Mietdatenbanken im Sinne der §§ 558c – 558e BGB. Liegen sie, wie vorliegend, nicht vor, ist vorrangig auf – grundsicherungsrelevante – Mietspiegel oder -tabellen der Grundsicherungsträger zurückzugreifen (BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R). Ohne abschließende Wertung dürfen sie zwar auf einer schwächeren Datenbasis als ein Mietspiegel, insbesondere ein qualifizierter Mietspiegel nach § 558d BGB beruhen. Gleichwohl müssen sie den maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarkt nachvollziehbar abbilden. Gefordert sind hiernach Angaben zu Wohnort, Wohnfläche, Netto- und Bruttokaltmiete. Zu entnehmen sein muss zudem der Anmietungszeitpunkt, da nicht Bestands-, sondern nur Angebotsmieten das Mietpreisniveau abbilden können, zu dem eine Wohnung zu beschaffen ist. Ebenso müssen die Datenquellen und das Erhebungsverfahren erkennbar sein, damit die Datenerhebung nachvollziehbar geprüft werden kann. Ohne abschließende Aufzählung ist insbesondere auf Mietlisten kommunaler Wohnungsunternehmen und Mietbescheinigungen der Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII abzustellen. Die Datenerhebung hat vollständig, fortlaufend und nicht nur sporadisch zu erfolgen. Unter dieser Voraussetzung können auch über Medien verbreitete Mietangebote einbezogen sein. Gerade bei diesen ist es jedoch besonders wichtig, dass sie in regelmäßigen kurzen Abständen vollständig unter Berücksichtigung aller relevanten Medien erfasst sind, um Zufallsschwankungen und Falschangaben nivellieren zu können. In Anlehnung an die Regelung zu den Mietspiegeln soll regelmäßig nach spätestens 2 Jahren beginnend mit dem letzten Erhebungsstand eine Aktualisierung erfolgen (§§ 558c Abs. 3 BGB, 558d Abs. 2 S. 1 BGB).
Diesen Anforderungen genügende Mietdaten hat weder die Beklagte für A-Stadt unter Berücksichtigung der maßgeblichen Wohnfläche zur Verfügung gestellt noch sind sie für den Senat anderweitig ersichtlich.
Die von der Beklagten vorgelegten Bestandsverzeichnisse ihrer Leistungsberechtigten sind nicht verwertbar, weil sie für das maßgebliche Wohnungssegment nur ein Mietverhältnis benennen (A-Stadt, 36 m², Bruttokaltmiete 5,99 EUR pro m²). Die von beiden Beteiligten vorgelegten Zeitungsannoncen lassen hingegen eine vollständige und fortlaufende Auswertung verfügbarer Mietangebote vermissen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich ausschließlich um Zeitungsangebote handelt, deren Angaben zu Nettokaltmiete, Bruttokaltmiete und Wohnfläche, soweit überhaupt vorhanden, nicht verifiziert werden können und deshalb mit einer unbestimmten Fehlerquote behaftet sind. Unwägbarkeiten sind auch mit der sporadischen Auswertung der Zeitungsangebote verbunden, die Zufallsschwankungen im Mietangebot nicht berücksichtigen kann. Die Klägerin hat lediglich 5 Mietangebote für Wohnungen zwischen 35 und 45 m² in A-Stadt (MAZ 16.11.05, 21.12.05, 1.3.06) und die Beklagte sogar nur ein Angebot vorgelegt (HNA 30.7.05). Die Auswertung der AWO A-Stadt beruht zwar nach eigenen Angaben auf einer fortlaufenden Auswertung der relevanten örtlichen Zeitungen HNA, A-Stadt-Bote und MAZ vom 10. September 2005 bis zum 3. Dezember 2005, weist aber für den maßgeblichen Wohnort und die maßgebliche Wohnungsgröße nur 6 Mietangebote aus, die ebenfalls nicht für eine entscheidungsleitende Datenerhebung im Hauptsacheverfahren genügen.
Darüber hinaus liegen noch die Angaben der Wohnstadt vor. Berücksichtigungsfähig sind insoweit nur die Angaben der Geschäftsstelle M-Stadt. Sie weist für die Jahre 2005 und 2006 8 Neuvermietungen für Wohnungen in A-Stadt aus. Die Bruttokaltmiete variiert dabei mit einer Ausnahme (4,67 EUR/m²) zwischen 5,54 EUR/m² und 5,92 EUR/m²; eine hinreichende Datenerhebung begründen sie nicht.
Fehlt es demnach an aussagekräftigem Datenmaterial, ist ohne weitere Erkenntnismöglichkeiten im lokalen Bereich doch auf die Tabelle zu § 8 WoGG gegebenenfalls mit einem Zuschlag oder auf die zulässigen Mietgrenzen der in Ergänzung zum WoFG erlassenen landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen zurückzugreifen (BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R). Die von der Klägerin behauptete strenge Substantiierungslast der Beklagten, die sie verpflichten soll, solange die KdU in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, bis sie verwertbare Datenbestände zur Verfügung stellt, welche eine niedrigere Angemessenheitsgrenze belegen, besteht nicht. Kommt der Grundsicherungsträger der Obliegenheit nicht nach, verwertbare Mietdaten zur Verfügung zu stellen, erfordert es die Amtsermittlungspflicht (§§ 153 Abs. 1, 103 S. 1 SGG) sich der vorbenannten Hilfsquellen zu bedienen. Die Bedenken des Senats hinsichtlich der Orientierung an der Tabelle zu § 8 WoGG bestehen dabei fort (grundlegend: HLSG, 13.12.2005 – L 9 AS 48/05 ER). Auch hinsichtlich der weiter zur Verfügung stehenden landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen (Richtlinie zur Wohnraumförderung nach dem WoFG vom 20. Februar 2003 (Staatsanzeiger 2003, S. 1346 – im Folgenden: Richtlinie)) ist zu beachten, dass sie das maßgebliche Wohnungssegment nicht zielgenau erfassen. Ziel der Förderung ist es, Haushalte zu versorgen, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind (Richtlinie 1.1). Nach Richtlinie 5.2.1 ist eine Mietpreisbindung vorgesehen, die sicherstellen soll, dass bei der erstmaligen Vermietung eine ortsübliche Vergleichsmiete abzüglich 15 % vereinbart wird. Erfasst wird damit aber nur das allerdings um 15 % abgesenkte Mietniveau für Neubauten, welches das für die Hilfebedürftigen maßgebliche Wohnungssegment nicht deckungsgleich abdeckt. Andererseits darf insoweit ins Gewicht fallen, dass die Grundsicherungsträger gehalten sind, von sich aus verwertbare Daten zu erheben, um ein möglicherweise niedrigeres Mietzinsniveau belegen zu können. Eine gewisse eher großzügige Schätzbreite ist daher gerechtfertigt. Zur Überzeugung des Senats darf jedoch auf diese Hilfsmittel wegen der vorbenannten Bedenken nur zurückgegriffen werden, soweit ein Abgleich mit zur Verfügung stehenden empirischen Daten, die hieraus ermittelten Richtgrößen rechtfertigt.
Nach diesem Maßstab ist es anhand einer Zusammenschau der Tabelle zu § 8 WoGG und der Höchstbeträge nach der Richtlinie unter Berücksichtigung der übrigen vorliegenden Mietdaten gerechtfertigt, eine Bruttokaltmiete in Höhe von bis zu 250,69 EUR monatlich als angemessen für den örtlichen Wohnungsmarkt von A-Stadt im streitigen Zeitraum anzusehen.
Die Tabelle zu § 8 WoGG weist für die Mietstufe II folgende Bruttokaltmieten/Monat auf:
Bezugsfertig bis 1965: 210,00 EUR (4,66 EUR/m²) Bezugsfertig bis 1991: 230,00 EUR (5,11 EUR/m²) Bezugsfertig ab 1992: 280,00 EUR (6,22 EUR/m²)
Es ist grundsätzlich überlegenswert, die Tabellenwerte für Neubauten vor allem in Gebieten mit entspannter Wohnungsmarktlage nicht heranzuziehen, weil das untere Wohnungssegment durch Altbauten (bis einschließlich 1991) hinreichend abgedeckt ist (zu qualifizierten Mietspiegeln: HLSG, 5.12.2006 – L 9 AS 212/06 ER). Der VK.Kreis ist schon aufgrund der geringen Unterschiede der beiden untersten Mietstufen nach der Tabelle zu § 8 WoGG sowie dem Umstand, nicht zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf i.S.d. WoBindG zu gehören (Anlage zu § 1 VO über die Überlassung von Sozialwohnungen in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf vom 21. Oktober 1994 – Hess. GVBl I S. 623), einem solchen entspannten Wohnungsmarkt zuzuordnen. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass gerade in ländlichen Gebieten der wachsende Bedarf nach Wohnungen bis zu einer Wohnfläche von 45 m² (vgl. Wohngeld– und Mietenbericht 2002, BTDrucks. 15/2200, S. 11, Nr. 7) nur unzureichend gedeckt sein kann. Das rechtfertigt es, auch im Abgleich mit den zur Verfügung stehenden Mietdaten mit erhöhten Mietpreisen für Wohnungen bis 45 m², die der allgemeinen Mietentwicklung entsprechen (vgl. Wohngeld- und Mietenbericht 2002, BTDrucks. 15/2200, S. 15), auch neuere Wohnungen teilweise einzubeziehen; zumal im Gegensatz zu empirisch gestützten Daten eines Mietspiegels die Tabellenwerte der Anlage zu § 8 WoGG ein Mietpreisniveau nicht empirisch-statistisch gesichert wiedergeben, sondern auf normativer Grundlage zu einem anderen Zweck erstellt sind (HLSG, 13.12.2005 – L 9 AS 48/05 ER). Maßgeblich ist dann eine Bruttokaltmiete zwischen 230,00 EUR (5,11 EUR/m²) und 280,00 EUR (6,22 EUR/m²).
Der Schwalm-Eder-Kreis hat in seiner Zuständigkeit nach § 1 Abs. 1 HAGWoFG mit Schriftsatz vom 5. März 2007 mitgeteilt, dass er nach der Richtlinie 5.2.1 für die Kernstadt insoweit eine Nettomiete von bis zu 4,20 EUR/m² und für die Randstadtteile bis zu 4,04 EUR/m² festsetzt. Unter Berücksichtigung von umlagefähigen Betriebskosten in Höhe von 1,36 EUR/m², der Durchschnittsbetrag der für A-Stadt maßgeblichen umlagefähigen Betriebskosten für Wohnungen der Wohnstadt (Auskunft vom 16.2.2007), ergibt sich eine Bruttokaltmiete in Höhe von 5,56 EUR/m².
Ist für die Angemessenheitsgrenze nicht die tatsächlich bewohnte Unterkunft, sondern der maßgebliche Wohnungsmarkt ausschlaggebend, darf gleichwohl in die Einschätzung auch einbezogen sein, dass die Klägerin in einer Unterkunft des kommunalen Wohnungsträgers „Wohnstadt“ wohnt, die 1961 gerade für untere Einkommensgruppen gebaut worden ist und nach der persönlichen Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz der erfolgten Modernisierung nach ihrem Komfort- und Ausstattungsniveau weiterhin dem unteren Wohnungssegment zuzuordnen ist. Die Bruttokaltmiete in Höhe von 5,57 EUR/m² hat das Sozialgericht somit im Ergebnis zu Recht in die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze einbezogen. Sie darf im Abgleich mit den vorherigen normativen Hilfsquellen maßgeblich sein; auch weil sie im Lichte der weiter zur Verfügung stehenden Mietangebote sowie Angaben der Wohnstatt und der Beklagten für A-Stadt nachvollziehbar erscheint. Daraus errechnet sich die maßgebliche Angemessenheitsgrenze in Höhe von 250,69 EUR monatlich.
Übersteigen damit die KdU der Klägerin die abstrakte Angemessenheitsgrenze, steht zur Überzeugung des Senats weiter fest, dass es ihr möglich war, im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung in A-Stadt anzumieten (vgl. BSG, 7.11.2003 – B 7b AS 18/06 R).
Die Beklagte ist ihrer Informationspflicht nach § 22 Abs. 1 SGB II nachgekommen, in dem sie die Klägerin im Bescheid vom 29. Oktober 2004 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, durch Wohnungswechsel, Vermieten oder auf andere Weise ihre KdU auf ein angemessenes Maß zu senken, weil ansonsten ab dem 1. Juli 2005 die KdU nur noch in angemessener Höhe zu übernehmen sei. Damit hat die Klägerin über die Regelhöchstzeit des § 22 Abs. 1 SGB II von 6 Monaten hinaus die Möglichkeit gehabt, Kostensenkungsbemühungen anzustrengen. Unschädlich ist gewesen, dass sie dabei auf eine zu niedrige angemessene monatliche Bruttokaltmiete in Höhe von 210,00 EUR, eine Wohnungsgröße bis 50 m² sowie eine Heizkostenpauschale bis zu 37,50 EUR monatlich hingewiesen worden ist, ohne Art und Umfang der Kostensenkungsbemühungen im Einzelnen und erforderliche Nachweise zu benennen. Die Informationspflicht begründet nicht im einzelnen Art und Umfang der geforderten Eigenbemühungen. Die in einem andern Zusammenhang zu § 119 Abs. 5 SGB III aufgestellten Anforderungen der Rechtsprechung des BSG (SozR 4-4300 § 119 Nr. 3) sind wegen der unterschiedlichen Funktion der Informationspflichten und der ungleichen rechtlichen Regelung nicht zu übertragen. Vielmehr zeigt das Verfahren nach § 22 Abs. 2 SGB II auf, dass im Rahmen der konkreten Bemühungen innerhalb des Zusicherungsverfahrens der Hilfebedürftige sich an den Grundsicherungsträger wenden soll; dabei können Einzelfragen abgeklärt werden (BSG, 7.11.2006 B 7b AS 10/06 R) die im Streitfall, soweit erforderlich, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu entscheiden sind. Der fehlerhafte Hinweis der Beklagten könnte allenfalls streiterheblich sein, wenn die Klägerin tatsächliche Bemühungen nachgewiesen hätte. Nur in diesem Fall hätte es unschädlich sein können, wenn sich Ihre Bemühungen auf Unterkünfte erstreckt hätten, die der vom Senat als maßgeblich angesehenen Angemessenheitsgrenze genügen. Solche Bemühungen hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr Vorbringen beschränkt sich im Wesentlichen nach ihrer Rechtsauffassung nachvollziehbar darauf, aufzuzeigen, dass ihre KdU der abstrakten Angemessenheitsgrenze genügt. Ernsthafte Bemühungen, eine kostengünstigere Wohnung zu finden, hat sie trotz des Hinweises der Beklagten ersichtlich nicht aufgenommen.
Soweit die Rechtsprechung des BSG unter Hinweis auf Entscheidungen des BVerwG zur früheren sozialhilferechtlichen Regelung des § 3 Abs. 1 S. 2 DVO zu § 22 BSHG (BVerwGE 97, 110, 115; 101, 194, 198 ff.) fordert, der Leistungsberechtigte müsse nach der Struktur des Wohnungsmarktes am Wohnort die konkrete Möglichkeit haben, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können – sog. Unterkunftsalternative – (BSG, 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R), meint das nicht, der Grundsicherungsträger habe dem Hilfebedürftigen ein konkretes Mietangebot zu unterbreiten. Eine solche Interpretation widerspricht der gesetzlich intendierten Form der Sicherstellung einer angemessenen Unterkunft. Sie ist gerade nicht im Wege der Sachleistung zu erbringen, sondern soll der aus der Menschenwürde ableitbaren Handlungsautonomie entsprechend, den Hilfebedürftigen in die Lage versetzen, mit den bereitgestellten Geldmitteln, sich eine angemessene Unterkunft auf dem Wohnungsmarkt selber zu beschaffen (Berlit in: Rothkegel (Hrsg.), Sozialhilferecht, S. 258, Rn. 4 ff.). Auf den Vermieterwillen kann der Grundsicherungsträger jedoch in der Regel keinen Einfluss nehmen. Er ist auch nicht gehalten an Stelle des Hilfebedürftigen für ihn eine konkrete Unterkunft zu suchen und im Erfolgsfall anzubieten. Vielmehr ist es insoweit ausreichend, dass die abstrakt festgestellte Angemessenheitsgrenze von tatsächlich bestehenden Mietangeboten für den Wohnort getragen ist. Das ist vorliegend schon deshalb der Fall, weil der Senat die abstrakte Angemessenheitsgrenze nur im Abgleich mit konkreten Mietangeboten festgelegt hat. Bereits die Mietangebote der Wohnstadt in den Jahren 2005 und 2006 haben zwei Mietangebote unterhalb der Angemessenheitsgrenze (Bruttokaltmiete 243,37 EUR monatlich) enthalten.
Eine weitergehende konkrete Kontrolle der abstrakten Angemessenheitsgrenze, die schon angezeigt ist, weil sie nur eine ungefähre Mietpreisgrenze benennen kann, zu der jedenfalls nicht alle Hilfebedürftigen zwingend eine angemessene Unterkunft tatsächlich erhalten können, liegt daher in den Händen des Hilfebedürftigen. Er ist gehalten und allein in der Lage, substantiiert darzulegen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen für ihn nicht auffindbar oder eine vorhandene Unterkunft für ihn nicht zugänglich ist (HLSG, 5.1.2007 – L 9 SO 82/06 ER; BVerwGE 101, 194, 198). Für eine solche Darlegung fehlt es bereits, wie bereits oben festgestellt, an ernstlichen Bemühungen der Klägerin.
Die Klägerin hat zudem keine persönlichen Gründe benannt, die sie daran haben hindern können, sich eine andere Unterkunft zu beschaffen. Soweit sie darauf abstellt, wegen ihrer 82-jährigen Mutter und der eigenen medizinischen Versorgung auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen zu sein und im örtlichen Umfeld verbleiben zu müssen, ist dem bereits dadurch genüge getan, dass der maßgebliche Wohnungsmarkt auf A-Stadt beschränkt ist. Jedenfalls darüber hinaus sind sie nicht zu berücksichtigen. Die medizinische Versorgung der Klägerin ist in allen Ortsteilen A-Stadt ohne einen besonderen Therapiebedarf sichergestellt. Allein das Alter ihrer Mutter vermag ohne aktuellen Pflegebedarf ohnehin kein Bedürfnis nach einer besonderen räumlichen Nähe zu begründen.
Die übrigen Leistungsvoraussetzungen für eine Leistungsverpflichtung der Beklagten im Umfang des erstinstanzlichen Urteils liegen ebenfalls vor. Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin entsprechend den Angaben in ihrem Leistungsantrag erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Maßgeblich ist gewesen, dass die Berufungen beider Beteiligten ohne Erfolg geblieben sind.
Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.