Oberlandesgericht Oldenburg
Az: 5 U 156/09
Urteil vom 17.02.2010
Tenor
In dem Rechtsstreit hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 10.02.2010 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23.10.2009 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert und hinsichtlich des bezifferten Schadens wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2008 sowie weitere 837,52 € zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin zu 1/10 und der Beklagte zu 9/10 zu tragen. Die Kosten der Berufungsinstanz fallen der Klägerin zu 1/3 und dem Beklagten zu 2/3 zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin macht Ansprüche aus fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung geltend.
Am 22.09.2004 setzte der Beklagte bei der Klägerin in regio 11 und 12 zwei enossale Implantate. Gleichzeitig wandte er als Knochenaufbaumaßnahme das sogenannte bonesplitting an, bei dem der zu schmale Alveolarfortsatz (zahntragender Teil des Kieferknochens) gespreizt wird, damit das Implantat allseitig von einer hinreichenden Knochenlamelle umfasst wird. Zur Auffüllung wurde die Knochenaufbaumasse BioOss eingebracht und mit einer TitaniumMembran gedeckt. Wegen der unzureichenden Knochenverhältnisse setzte der Beklagte die Implantate deutlich nach cranial (schädelwärts), d.h. im Verhältnis zu den Nachbarzähnen ca. 3 mm weiter nach oben. Am 31.03.2005 wurden die Implantate freigelegt und am 18.04.2004 erfolgte das endgültige Einsetzen der Kronen. Da der Knochenaufbau nicht so wie erhofft gelungen war, musste die Lücke zu den Nachbarzähnen mithilfe einer Zahnfleischkeramikmaske verdeckt werden, die das Reinigen der Zahnzwischenräume deutlich erschwert.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei nicht hinreichend aufgeklärt worden. Zudem sei die Behandlung fehlerhaft. Abgesehen von den mit der Verwendung der Zahnfleischmaske verbundenen ästhetischen und pflegerischen Mängeln, sei das Setzen der Implantate ohne vorherigen hinreichenden Knochenaufbau grob fehlerhaft. Infolge der fehlerhaften Versorgung sei sie bei der Nahrungsaufnahme beeinträchtigt und es komme etwa eine Stunde später häufig zu erheblichen Schmerzen. Abhilfe könne nur durch das Auswechseln der Implantate geschaffen werden.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 5.000 € nebst einer Kostenpauschale von 25 € und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 837,52 € zu verurteilen, sowie die Ersatzpflicht des Beklagten für sämtliche entstandenen und künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden festzustellen.
Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin hinreichend aufgeklärt zu haben und jegliche Behandlungsfehler bestritten.
Das Landgericht hat Beweis erhoben zur Frage des Vorliegens eines Behandlungsfehlers durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. K… und dessen Anhörung, sowie zur Frage der Aufklärung durch Vernehmung der Zahnarzthelferin M….
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage, mit Ausnahme der geltend gemachten Kostenpauschale, stattgegeben.
Mit seiner frist und formgerecht eingereichten Berufung greift der Beklagte die Höhe des Schmerzensgeldes und, daraus folgend, die Höhe der von ihm zu tragenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten an.
Er ist der Auffassung, es sei fehlerhaft, dass das Landgericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auf die durch die Entfernung der Implantate und eine Neuversorgung zu erwartenden Unannehmlichkeiten abgestellt habe, obwohl gegenwärtig noch nicht feststehe, ob die Klägerin die Implantate überhaupt entfernen lasse, geschweige denn welche Art der Neuversorgung sie in diesem Falle wählen werde. Da es sich somit um den Fall eines noch nicht abgeschlossenen Schadensbildes handele, könnten mögliche, aber noch ungewisse Beeinträchtigungen nicht bei der Bemessung des jetzt festzusetzenden Schmerzensgeldes berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern, soweit der Beklagte zur Zahlung eines höheren Schmerzensgeldes als 2.000 € nebst Zinsen sowie höherer Nebenkosten als 718,40 € verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat teilweise Erfolg.
Unbegründet ist allerdings die Rüge, das Landgericht hätte die Unannehmlichkeiten, die mit einem Entfernen der Implantate und der anschließenden Neuversorgung durch Implantate oder eine Brückenkonstruktion nicht bereits bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigen dürfen, weil noch gar nicht feststehe, ob es hierzu überhaupt, und wenn ja in welcher Form, kommen werde. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass das Landgericht entgegen der Behauptung des Beklagten keineswegs bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die bei einer künftigen Neuversorgung zu erwartenden Unannehmlichkeiten berücksichtigt hat. Berücksichtigt hat es nur die Misshelligkeiten, die sich beim Entfernen der fehlplatzierten Implantate durch Auffräsen des OKKnochens ergeben werden. Das ist nicht zu beanstanden. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es aufgrund der fehlerhaften Behandlung zu einer beschleunigten Knochenresorption und damit zu Implantatlockerungen mit anschließendem Verlust kommen werde, so dass zumindest längerfristig deren Entfernung und eine Neuversorgung erforderlich werde. Das reicht als Grad der Vorhersehbarkeit aus, um diesen Umstand in die Schmerzensgeldberechnung einzubeziehen.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes vermag der Senat dem Landgericht hingegen nicht in voller Höhe zu folgen. Dabei wird nicht verkannt, dass das Setzen der beiden Implantate und die durchgeführte Knochenaufbaumaßnahme mit Schmerzen und sonstigen Unannehmlichkeiten verbunden waren. Gleiches gilt für das künftig anstehende Entfernen der Implantate. Ebenso leidet die Klägerin seit der Implantation unter Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und nachfolgenden Schmerzen. Letztere sind nach den Ausführungen des Sachverständigen jedoch überwiegend auf eine bei der Klägerin ohnehin vorliegende craniomandibuläre Dysfunktion mit Kiefergelenkproblemen zurückzuführen. Zudem beruht die Tatsache, dass die Klägerin bis heute keine neue Behandlung angegangen ist und die Beschwerden entsprechend fortdauern, nicht auf vom Beklagten zu verantwortenden Umständen, sondern auf nicht zwingenden beruflichen Rücksichtnahmen der Klägerin. Was die ästhetische Beeinträchtigung betrifft, so weicht die Keramikmaske zwar farblich geringfügig vom umgebenden Zahnfleisch ab. Eine in irgendeiner Weise entstellende Wirkung ist damit aber nicht verbunden. Nach Abwägung aller Umstände erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld von 4.000 € als erforderlich aber auch ausreichend.
Eine Änderung der Entscheidung zu den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin kommt nicht in Betracht, weil bei einem Erfolg der Berufung von 1.000 € die Rechtsanwaltsgebühren nach der gleichen Gebührenstufe zu berechnen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.